Autor Thema: Die Diktatur der Spielenden  (Gelesen 2785 mal)

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Offline Skarabäus

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Re: Die Diktatur der Spielenden
« Antwort #50 am: 27.02.2023 | 19:30 »
Irgendwie kommt mir das von Klingenbrecher geschilderte Problem bekannt vor. In meiner langjährigen Tischrunde werden gefühlt alle immer träger hinsichtlich des Ausprobierens neuer Systeme. Man hat sich bei D&D5 eingekuschelt und mehr wollen die meisten nicht mehr. Experimente mit neuen Systemen sind nicht erwünscht, entsprechende Vorschläge werden kommentarlos zur Kenntnis genommen. Einziger Vorteil der Runde ist, dass der Staffelstab der Spielleitung nach einer Kamapgne weitergereicht wird. Nicht falsch verstehen, ich habe kein Problem mit D&D5 oder den Leuten der Runde, aber es gibt einfach so viele geniale Systeme, die ich gerne ausprobieren würde.

Eine neue Tischrunde zu finden wäre schwierig, aber nachdem ich letztes Jahr den Spontanrundenbereich auf der Drachenzwinge kennengelernt habe, habe ich zahlreiche coole (und experimentierfreudige) Leute sowie spannende Systeme kennengelernt. Früher undenkbar, aber ich plane meine Wunschsysteme dieses Jahr online mit ein paar Leuten zu testen und vielleicht ergibt sich daraus etwas Längerfristiges.

Offline Doc-Byte

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Re: Die Diktatur der Spielenden
« Antwort #51 am: 27.02.2023 | 19:59 »
Ein klein wenig hinkt er doch, denn Rollenspielregeln sind häufig in der Form von Spielleiterhilfen gestaltet. "Wenn die Spieler XYZ tun wollen kannst du dies mit Mechanik ABC regeln".

In grundsätzlicher Form sind es halt Hilfsmittel - und als Spielleiter geht es dadurch nicht nur darum was genau man tun möchte (z.B. welches Thema die eigene Kampagne haben möchte) sondern auch welche Regeln dabei helfen können und wie gut sie helfen.

Ich habe im Folgenden ein Unterscheidung in zwei völlig unterschiedliche Gruppenarten getroffen, die du leider ignoriert hast. Wenn ich in irgendeinem Forum eine Anzeige "Spielleiter für Shadowrun (Edition x) Runde gesucht" lese, schreib ich da nicht rein, "bin dabei" und lege dann beim ersten Treffen der Spielrunde ein Fate Regelwerk auf den Tisch, weil ich damit doch viel toller meine Vorstellung davon umsetzen kann, wie Shadowrun am besten zu spielen sei.

Lese ich hingegen ein, "Rollenspielrunde sucht Spielleiter, System ist uns egal, so lange es Fantasy ist", kann ich natürlich alles von D&D bis DSA auspacken. - Ob das in der Praxis dann wirklich allen so egal ist, wird man dann natürlich sehen. Und ob die Gruppe es toll fände, wenn ich nach ein paar Monaten sagen würde, "hey, DSA ist mir doch zu doof, ich leite dann ab nächste Woche mit D&D Regeln weiter", ist auch eher so eine 50:50 Chance.

Umgekehrt gilt natürlich auch, wenn ich posten würde "suche Spieler für D6 Star Wars Runde", würde ich auch keine Spieler nehmen, die Star Wars zwar toll finden, aber darauf bestünden, Stars Without Number als Regelwerk für die Runde zu verwenden. - Über die Konstellation, "ich leite alles, was ihr wollt", müssen wir wohl kaum reden, ist ja völliger Quatsch. (Es sei denn, ich würde das gewerblich machen, vielleicht.)
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Offline Arldwulf

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Re: Die Diktatur der Spielenden
« Antwort #52 am: 27.02.2023 | 20:07 »
Ich habe im Folgenden ein Unterscheidung in zwei völlig unterschiedliche Gruppenarten getroffen, die du leider ignoriert hast.

Sorry dafür, liegt nur daran das ich auf etwas anderes hinaus wollte und zwar den Vergleich zu Fußball / Handball. Bei beiden Sportarten ist es egal ob du nun Stürmer oder Verteidiger bist, die Regeln betreffen dich unabhängig davon. Am Ende kommt es nur darauf an auf welches Spiel du mehr Lust hast wenn du dich zwischen beiden entscheidest und welche Rolle du im Spiel nun hast ist egal.

Das Beispiel ist also ein reines "was wollt ihr" Szenario bei dem es Geschmackssache ist.

Bei Rollenspiel - Regelwerken geht es eben nicht nur darum "was will ich gern spielen", sondern auch "wie will ich es spielen". Konkret: Wie setze ich eine Spielsituation um. Ich kann die gleichen Abenteuer und Settings mit völlig unterschiedlichen Regeln bespielen.

Und da die Spielleiterrolle oft beinhaltet auf die Ideen der Spieler einzugehen und diese Regelmechanisch umzusetzen ist der Spielleiter von diesen Regeln stärker betroffen.

Offline Mogelpack

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Re: Die Diktatur der Spielenden
« Antwort #53 am: 27.02.2023 | 21:11 »
Auf meine Angebote hin gab es kaum bis wenig Rückmeldungen...und mir wurde dann mehr oder minder durch die Brille/zwischen den Zeilen - teilweise auch etwas unfreundlich- mitgeteilt, ich solle doch ein festes System zu einem festen Zeitpunkt anbieten. Da würden sich dann schon eher Mitspieler finden lassen. Ich habe das dann probiert, mit dem Erfolg, dass sich keine Spieler/Interessenten für die Runden gefunden haben. Es war dann mehr oder weniger auch egal, was ich angeboten habe...Es waren meistens zu wenige oder gar keine Spieler dafür zu finden. Da habe ich mich schon gefragt, warum ich mich für diese andere "Spielerkultur" umstellen soll, wenn es am Ende doch nix bringt?  Unrühmlicher Höhepunkt dazu im Laufe der letzten Jahre war dann der, dass mir in einem RPG-Verein, in dem ich seit einigen Jahren aktiv bin aber u.a wegen solcher Dinge seit mehreren Jahren fast nur noch als Karteileiche existiere, wortwörtlich(!) vorgeworfen wurde, ich würde die Spieler überfordern bzw. den Spielern zu viel abverlangen, wenn ich mehrere Systeme zur Auswahl anbiete.  :o
Das hat (für mich) dann damals endgültig den Vogel abgeschossen :gaga:

Das hört sich aber eher nach Gatekeeping vor Ort an. Etablierte Spielergruppen oder alteingesessene Spieler, die eben nur Spiel nach deren Bedingungen zulassen. Waren die Spieler denn alte Hasen? Hast Du es mal mit einer Gruppe für Neulinge versucht?

Ich habe so etwas in kleinem Maßstab auch schon erlebt. Für mich ist es aufwändig, jeweils neue Systeme einzustudieren, zumindest die komplexeren. Trotzdem habe ich schon einige Male mehrere Systeme zur Auswahl gestellt. Komischerweise gab es immer lange Gesichter. Klar, jeder hat seine Favoriten, verstehe ich. Aber wenn keiner will, kann man die Leute auch nicht zwingen.
Mit meiner lezten Gruppe hatte ich eine Art Meta-Sitzung. Wir haben in der Mitte der Kampagne den Spielverlauf und allgemeine Befindlichkeiten und Wünsche geäußert. Das stand auch meine Performance als SL auf dem Trapez. Ich habe dann die Einwände aufgenommen und versucht umzusetzen. Allerdings habe ich von den Spielern nicht ähnliches zurück bekommen, da war die Bereitschaft zu mehr Rollenspiel und Veränderung nicht da.

Ich habe dann die Gruppe aufgelöst. Das ist m.M. das gute Recht eines jeden SL. Wenn es dem SL keinen Spaß mehr macht, dann ist eben auch schluss. In Deinem Fall würde ich vor Ort nach unvoreingenommenen Spielern, also Neulingen suchen. Alternativ halt online, das erweitert dein Einzugsgebiet phänomenal.
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Offline Doc-Byte

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Re: Die Diktatur der Spielenden
« Antwort #54 am: 28.02.2023 | 21:14 »
Sorry dafür, liegt nur daran das ich auf etwas anderes hinaus wollte und zwar den Vergleich zu Fußball / Handball.

[...]

Und da die Spielleiterrolle oft beinhaltet auf die Ideen der Spieler einzugehen und diese Regelmechanisch umzusetzen ist der Spielleiter von diesen Regeln stärker betroffen.

Diese Betrachtungsweise setzt allerdings voraus, dass man Setting und Regelwerk als zwei getrennte Elemente betrachtet und es gibt hat auch Rollenspieler, für die Setting und Regelwerk eine Einheit bilden, wobei man ggf. höchstens zwischen verschiedenen Editionen und/oder einem gewissen Hausregelanteil wählt.

Jetzt wird der Sportvergleich zugegeben etwas holprig, aber wenn ich Stürmer bin, möchte ich erstens Fußball spielen (System A) und keine Handball (System B) und zweitens gibt es zwar in beiden Sportarten offensive Spielpositionen, aber ich möchte meine Tore gerne mit dem Fuß (Originalsystem) und nicht mit der Hand (alternatives Regelwerk) erzielen.

Ein Setting mit den originalen Regeln bespielen zu wollen, halte ich für legitim (ich persönlich mag nicht mal Hausregeln gerne), genauso finde ich es aber völlig okay, wenn man ein Setting mag, es aber vorzugsweise mit seinem Lieblingsregelwerk umsetzen möchte. Wichtig ist einfach, dass sich die Gruppe darüber einig ist, welchem Ansatz man folgen möchte, dann gibt es später auch keine Mißverständnisse. Dem SL hier ein Vorrecht einzuräumen, diese Frage zu bestimmen, kann man mit Absprache auch machen, wäre aber nicht mein Fall.

Wie bei den meisten Dingen im Rollenspiel gilt halt auch hier: Mit entsprechender Absprache beim ersten Treffen bzw. in der ersten Spielsitzung kann man (fast) alles machen, aber nachträglich die Bedingungen einseitig ändern zu wollen, finde ich persönlich nicht okay.

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Das sich die Regeln generell stärker auf den SL auswirken, sehe ich btw. auch nicht zwangsläufig so. Bau dir mal einen Shadowrun Charakter unter Nutzung sämtlicher Kernregelwerke und bau ihn dann mit einem System wie Fate oder Savage Worlds nach. - Der Unterschied wird massiv ausfallen.
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