Autor Thema: [Offen]Kreativites vs. (Taktik)Logisches Denken  (Gelesen 2366 mal)

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Offline AcE

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Hallo, ich versuche hiermit mal meinen ersten Beitrag im Theorieforum. Sollte es eine entsprechende Diskussion schon geben, entschuldige ich mich hiermit schonmal *g*

Mir ist gestern bei meiner FATE-Runde ein interessantes Phänomen aufgefallen, als es zum ersten Kampf kam. Und zwar taten sich insbesondere Spieler, die sonst taktisch sehr fit sind sehr schwer im Kampf damit Aspekte auszunutzen um sich Vorteile zu verschaffen. Ich habe mich gefragt, woran das liegt und bin zu der Überlegung gekommen, dass in Kämpfen prinzipiell zwei verschiedene Arten von Denken angesprochen werden können.

Spielt man mit Bodenplänen und hat eine klar umrissene Situation aus der man heraus handeln kann, so wird das taktische/logische Denken angesprochen. Ist die Situation hingegen unklar und die Aufgabe der Spieler ist es möglichst geschickt Verknüpfungen zu Aspekten zu ziehen, so wird das kreative Denken angesprochen.

Informatisch gesprochen kann man den Unterschied auch als Tiefensuche (Ein Problem logisch durchdenken) vs. Breitensuche (möglichst viele Anknüpfungspunkte zu einem Problem finden) beschreiben.

Psychologisch gibt es hier einen Unterschied zwischen L-Modus (rational, analytisch, symbolisch, abstrakt) und R-Modus (intuitiv,kombinierend, nichtrational).

In diesem Thread würde ich gerne mit euch über dieses Phänomen diskutieren, es klarer umreisen um herauszufinden, ob dies möglicherweise auch wieder verantwortlich für Vorlieben und Abneigungen gegen bestimmte Systeme sein kann. So könnte ich mir z.B. gut vorstellen, dass mein taktisch fitter, aber kreativ nicht so guter Spieler ein auf Kreativität basierendes System skeptisch betrachten wird - alleine aus dem Grund heraus, da hier ein Bereich des Denkens gefordert wird, in dem er anderen unterlegen ist (und sein Selbstwertgefühl steigert, wenn er die Abneigung nicht auf sich, sondern das System bezieht). Andere Spieler könnten hingegen diese Anforderungen als Anreiz sehen - Immerhin ist Kreativität etwas, was man trainieren kann.

Umgekehrt existiert das Problem natürlich auch, allerdings vermute ich, dass der Umstieg von Taktischer->Kreativer Spielweise öfters vorkommt als der Unterschied Kreative->Taktische Spielweise.

EDIT: Ich habe das taktische Denken durch logisches Denken im Threadtitel geändert, da der Begriff Taktik mir zu missverständlich scheint.
« Letzte Änderung: 15.09.2011 | 07:00 von AcE »

Pyromancer

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #1 am: 14.09.2011 | 13:17 »
Mir kommt diese Betrachtungsweise viel zu wertend vor. "Wem FATE nicht gefällt, der hat einfach Minderwertigkeitskomplexe, weil er ein unkreativer Trottel ist." Geht's noch?

Eulenspiegel

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #2 am: 14.09.2011 | 13:25 »
Ich denke, das hat wenig mit Kreativität zu tun. Auch bei Taktik muss kann man kreativ sein.

Es ist eher:
Bei taktischem Spiel nehme ich eine ingame Position ein: Ich überlege mir, was mein SC tun könnte. (Und das können durchaus kreative Ansätze sein, die vom Regelwerk nicht vorgesehen sind, wie z.B.: Die Lampe umwerfen, um damit die Scheune anzuzünden.)

Bei Fate gehe ich eher heraus und betrachte den SC von der Außenansicht.

Offline OldSam

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #3 am: 14.09.2011 | 13:40 »
Ich denke auch, dass man das nicht einfach auf Kreativität vs. Taktik runterbrechen kann.

Zum einen ist wie schon gesagt wurde, eine (durchaus große) Schnittmenge kreativer Taktik vorhanden.

Ein anderer Punkt ist, dass bei FATE noch die Entscheidung hinzukommt, ob ich Aspekte überhaupt aktivieren will, wenn sie dann verbraucht sind. D.h. es könnte z.B. auch sein, dass ich eine Idee nicht nutze, weil ich nicht mein ganzes Pulver verschiessen will. Bei "normaler" Taktikanwendung ohne isolierte Spielmechanik kann ich ja immer alle Register aus der Situation heraus ziehen ohne eine abstrakte Ressource zu verbrauchen (das kann also zusätzlich dafür sorgen, dass Aspekte nicht genutzt werden).

Falls das noch nicht geschehen ist, die Problematik ruhig einfach mal ansprechen, um die tatsächliche Einschätzung des Spielers zu erfahren...
 
« Letzte Änderung: 14.09.2011 | 13:43 von OldSam »

Offline 1of3

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #4 am: 14.09.2011 | 13:45 »
Ich denke, das hat wenig mit Kreativität zu tun. Auch bei Taktik muss kann man kreativ sein.

Es ist eher:
Bei taktischem Spiel nehme ich eine ingame Position ein: Ich überlege mir, was mein SC tun könnte. (Und das können durchaus kreative Ansätze sein, die vom Regelwerk nicht vorgesehen sind, wie z.B.: Die Lampe umwerfen, um damit die Scheune anzuzünden.)

Bei Fate gehe ich eher heraus und betrachte den SC von der Außenansicht.


Nein, ich glaube es geht um noch etwas Anderes.

Ich brauche für Taktik nicht die Perspektive des Charakters. Ich kann auf mein Charakterblatt schauen und taktisch meine Ressourcen verwalten. Das sind also schon mal zwei Arten von Taktik.

Hier geht es weniger um taktisches Denken. Ich weiß, wie viele Fatepunkte ich habe. Ich weiß, dass ich diese Runde gewinne, wenn ich sie einsetze. Wenn ich mehr Fatepunkte brauche, muss ich irgendwie Nachteile für meinen Charakter erzeugen. Der Witz ist diese Einflussmöglichkeiten in einer Weise in die Fiktion einzubinden, die ästethischen Ansprüchen genügt. Und das ganze möglichst flott.

Wir haben also drei Arten von Herausforderung:

- Die problemlösende, die du ansprichst, Eulenspiegel.
- Die regelhafte
- Die spontan-ästhetische


Edit: Wegen Ninjas.

Offline Beral

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #5 am: 14.09.2011 | 13:51 »
Ich habe mich gefragt, woran das liegt und bin zu der Überlegung gekommen, dass in Kämpfen prinzipiell zwei verschiedene Arten von Denken angesprochen werden können.
Nicht nur bei Kämpfen.

In diesem Thread würde ich gerne mit euch über dieses Phänomen diskutieren, es klarer umreisen um herauszufinden, ob dies möglicherweise auch wieder verantwortlich für Vorlieben und Abneigungen gegen bestimmte Systeme sein kann.
Vermutlich schon. Könnte man für die nächste Ausgabe des Theoriejournals (siehe Nachbarthread) überprüfen.

Umgekehrt existiert das Problem natürlich auch, allerdings vermute ich, dass der Umstieg von Taktischer->Kreativer Spielweise öfters vorkommt als der Unterschied Kreative->Taktische Spielweise.
Warum Umstieg? Das eine ist nicht besser als das andere. Es ist "nur" für verschiedene Persönlichkeitsdispositionen besser passend. Wer gerne frei assoziiert und die Enge ausgefeilter Regelwerke nicht mag, steigt auch nicht auf ein System um, das ihm nicht liegt.

Die Umstände spielen vermutlich eine noch größere Rolle als die Passung des Spielsystems mit dem L- oder R-Modus. Die Rollenspielgemeinde ist relativ klein, Wechselmöglichkeiten sind eingeschränkt, Mitspieler rekrutieren sich sehr häufig aus Freunden. Und wenn man die paar rollenspielbegeisterte Freunde für ein neues System begeistern möchte, sind auch enge Grenzen gesetzt. Allein die Tatsache, dass viele Systeme nicht unerheblichen Einarbeitungsaufwand erfordern, lässt vielfach auf das Bekannte zurückgreifen, auch wenn man sich bewusst ist, dass das Bekannte nicht ideal für die eigenen Vorlieben ist. Kurz: die Anzahl der Kompromisse, die man als Rollenspieler gewöhnlich eingehen muss, hat mehr Einfluss auf das Spielsystem als eine eventuelle Passung des Systems mit der Persönlichkeit.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

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Offline AcE

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #6 am: 14.09.2011 | 14:07 »
Mir kommt diese Betrachtungsweise viel zu wertend vor. "Wem FATE nicht gefällt, der hat einfach Minderwertigkeitskomplexe, weil er ein unkreativer Trottel ist." Geht's noch?

Mir war klar, dass ich auf Widerstände stoße (das haben Theorien an sich), aber du hast mich falsch verstanden.

1. Ich habe FATE nur einmal gespielt. Eine solche Aussage zu treffen fände ich ziemlich anmaßend. In diesem Fall war es eine situationsbezogene Frage bei der ich mich gefragt habe, ob man sie verallgemeinern kann auf andere Situationen.

2. Selbstwerterhaltung ist eine der zentralen Antriebe der menschlichen Psyche und für ziemlich viele Phänomene verantwortlich. Gerade Abwehrhaltungen können immer wieder damit zusammenhängen.

3. Kreativität ist nichts in Stein gemeisteltes und auch nichts, was man verallgemeinern kann. Ein gutes Beispiel um Kreativität zu messen ist die bekannte Ziegelsteinaufgabe. Hier müssen Probanden innerhalb einer Zeitspanne möglichst viele Assoziazionen mit Ziegelsteinen nennen. Kreativität wird dann über die Anzahl und Originalität der Beiträge gemessen. Gemessen wird in diesem Fall aber nur die Kreativität  in Bezug auf diese Aufgabe, in anderen Bereichen kann es anders aussehen. Mit Hilfe von Strategien und Heurismen kann man die Kreativität stärken, in der Mathematik z.B. dadurch, dass man allgemeine Problemlösestrategien behandelt.

Offline AcE

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #7 am: 14.09.2011 | 14:14 »
Ich denke, das hat wenig mit Kreativität zu tun. Auch bei Taktik muss kann man kreativ sein.

Es ist eher:
Bei taktischem Spiel nehme ich eine ingame Position ein: Ich überlege mir, was mein SC tun könnte. (Und das können durchaus kreative Ansätze sein, die vom Regelwerk nicht vorgesehen sind, wie z.B.: Die Lampe umwerfen, um damit die Scheune anzuzünden.)

Bei Fate gehe ich eher heraus und betrachte den SC von der Außenansicht.

Ich wollte das jetzt nicht zu sehr FATE-spezifisch betrachten, sondern vielmehr sehen, ob man den Gedanken verallgemeinern kann. Vielleicht kann man genau da die Grenze ziehen?

  * Alles was vom Regelwerk vorgesehen ist bietet einen Raum an Möglichkeiten, aus denen man deduktiv die beste Option auswählen kann.

  * Alles andere erfordert das Verknüpfen von Ideen um damit neue Möglichkeiten zu schaffen. Im Prinzip verknüpft man auch in deinem Beispiel Aspekte der Situation, auch wenn es diese im Spielsystem nicht gibt.

Offline Blechpirat

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #8 am: 14.09.2011 | 14:20 »
Es gibt ja auch die Ansicht, dass ein OldSchoolSystem eben anders als z.B. neues D&D 3.5/4 "taktisch interessanter" sei - weil man eben nicht in FEATS/POWERS denke und gefangen sei. OldSchooler empfinden sich aber schon als klassische Taktiker. Sie betrachten aber ganz sicher (anders vielleicht als FATEler) aus der Perspektive des Chars die Szene.


Offline AcE

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #9 am: 14.09.2011 | 14:24 »
Der Witz ist diese Einflussmöglichkeiten in einer Weise in die Fiktion einzubinden, die ästethischen Ansprüchen genügt. Und das ganze möglichst flott.

Wir haben also drei Arten von Herausforderung:

- Die problemlösende, die du ansprichst, Eulenspiegel.
- Die regelhafte
- Die spontan-ästhetische

Prinzipiell finde ich den Gedanken interessant.

Kreativität findet hier auf jeden Fall im ersten Schritt, nämlich dem Finden einer Problemlösestrategie statt. Im zweiten Schritt, den du das regelhafte genannt hast, findet ein deduktives Abarbeiten von Regeln statt, im dritten Schritt wird die gefundene Lösung wieder auf die Welt zurückbezogen, auch hier findet Kreativität statt.

Dann wäre der Unterschied tatsächlich nur darin zu sehen, auf welchen dieser drei Schritte man den Fokus legt

alexandro

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #10 am: 14.09.2011 | 14:27 »
Es gibt ja auch die Ansicht, dass ein OldSchoolSystem eben anders als z.B. neues D&D 3.5/4 "taktisch interessanter" sei - weil man eben nicht in FEATS/POWERS denke und gefangen sei.

Nach dieser Denke ist Fussball taktisch interessanter als Schach - weil man ja nicht in der Schachbrett/legale Figurenbewegungen-Denke "gefangen" ist.  8]

Offline Gorbag

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #11 am: 14.09.2011 | 14:36 »
Kanns auch einfach sein das die Spieler nur ein Problem damit haben das sich die perspektive bei FATE verschiebt?

Taktik entwickelt man normalerweise über längere Zeiträume, man fängt zwar mit eienr Grundtaktik an aber desto länger man in einem Umfeld taktieren kann/muss desto eher wird die Taktik verfeinert oder gewechselt (weil man eine bessere gefunden hat z.B.). Im Normalen Rollenspiel greifen viele Mechanismen gleich und damit funktionieren auch viele Taktiken identisch. Somit bekomme ich oft Boni für Überzahl, Höhenuntschied, Deckung usw. und Bewegung ist relevant. In den meisten Rollenspielen bekommt man die Boni einfach so.
Bei FATE steht man vor dem Problem das man eigentlich alles aktiv einfordern muss. Ich muss z.B. die Konsequenzen meiner Gegner Taggen, ich muss meinen Höhenunterschied taggen usw. erschwerend kommt hinzu das man nach dem freien Taggen Resourcen aufwenden muss für um den taktischen Vorteil weiter zu erhalten (FATE Punkte ausgeben).
Außerdem verwendet FATE ein sehr schwammiges Zonensystem das einem einfach die Visualisierung erschwert. Wenn man einen Bodenplan gewohnt ist auf dme man in den Rücken des Feindes gehen kann ist es schwer sich darauf umzustellen das alles im gleichen Raum in einer Zone ist und damit egal wird wo ich dort stehe.
Wann immer man bei FATE Vorteile will muss man es auch über ein Manöver oder dergleichen arangieren.

Das alles ist ein enormer Paradigmenwechsel im Bereich der Taktik der erstmal verdaut werden will. Und das braucht eben ein paar Spielabende, vorallem wenn man Manöver und Co. nur in nem kurzen Abriss erklärt bekommen hat.

Generell würde ich sagen das FATE zwar Spielraum für mehr Kreativität im Kampf hat, dafür aber auch eine gehörige Lernschwelle aufweist, bevor man erstmal alte Strategien portieren kann. Denn eigentlich funktioniert ja(fast) jede Strategie die man so kennt auch in FATE noch, nur brauchts Zeit sich das bewusst zu machen.

Offline Blechpirat

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #12 am: 14.09.2011 | 14:36 »
Nach dieser Denke ist Fussball taktisch interessanter als Schach - weil man ja nicht in der Schachbrett/legale Figurenbewegungen-Denke "gefangen" ist.  8]

Ja.

Offline Blechpirat

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #13 am: 14.09.2011 | 14:37 »
Kanns auch einfach sein das die Spieler nur ein Problem damit haben das sich die perspektive bei FATE verschiebt?
Deshalb ja mein Heinweis auf Old School D&D. Ich denke, dass die Perspektive zwar auch wichtig ist, hier aber den Blick auf das Problem verstellt.

Offline Oberkampf

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #14 am: 14.09.2011 | 14:39 »
Hinsichtlich Taktik und Kreativität ist die Frage mMn nicht beantwortbar. Ich glaube auch, der von 1of3 ins Spiel gebrachte ästhetische Aspekt spielt eine bedeutende Rolle. In System wie z.B. D&D4, wo man mit vorgegebenen Elementen arbeitet, kann man taktisch kreativ sein, steht aber nicht unter dem Druck, etwas ästhetisch-erzählerisch Ansprechendes zu formulieren, das von den Anforderungen her dem Konsens der Gruppe entspricht.

Im Grunde ist die FATE-Taktik eigentlich recht einfach: soviel nachteilige Aspekte wie möglich auf einem Gegner stapeln und ihn dann auf seinem schwächsten Belastungsvorrat angreifen und die Aspekte aktivieren. Der Trick besteht darin, das Aspektestapeln so zu erzählen, dass es nicht völlig idiotisch klingt und sich nicht dauernd wiederholt. Schließlich würde wahrscheinlich auch niemand gerne ein Buch lesen, in dem jeder Kampf von Hohlbein gleich beschrieben wird.
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Offline nebelland

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #15 am: 14.09.2011 | 14:44 »
Und zwar taten sich insbesondere Spieler, die sonst taktisch sehr fit sind sehr schwer im Kampf damit Aspekte auszunutzen um sich Vorteile zu verschaffen.
[...]
In diesem Thread würde ich gerne mit euch über dieses Phänomen diskutieren, es klarer umreisen um herauszufinden, ob dies möglicherweise auch wieder verantwortlich für Vorlieben und Abneigungen gegen bestimmte Systeme sein kann.

Meta: Ich schlage eine Verschiebung in Spielleiterfragen vor. Mit Rollenspieltheorie hat das, wenn überhaupt, nur ganz am Rand zu tun.

Grüße,
Florian
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Elbert Hubbard

Offline 1of3

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #16 am: 14.09.2011 | 14:55 »
Genau, was Tümpelritter sagt. Man muss da auch gar nicht zu Fate gehen. Exalted reicht schon. Für ne Beschreibung gibt +1W10.  Niemand käme auf die Idee, zweimal direkt hintereinander das gleiche zu erzählen.


Kreativität findet hier auf jeden Fall im ersten Schritt, nämlich dem Finden einer Problemlösestrategie statt. Im zweiten Schritt, den du das regelhafte genannt hast, findet ein deduktives Abarbeiten von Regeln statt, im dritten Schritt wird die gefundene Lösung wieder auf die Welt zurückbezogen, auch hier findet Kreativität statt.

Ich denke, dass auch der Umgang mit Spielregeln eine gewisse Kreativität erfordert. Es geht darum Kombinationen zu finden, die entweder der Mitspieler noch nicht gefunden hat oder ihm vorzugaukeln, eine andere zu betreiben.


Meta: Ich schlage eine Verschiebung in Spielleiterfragen vor. Mit Rollenspieltheorie hat das, wenn überhaupt, nur ganz am Rand zu tun.

Ich finde es hier ungemein passend.

Offline AcE

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #17 am: 15.09.2011 | 07:31 »
Nach dieser Denke ist Fussball taktisch interessanter als Schach - weil man ja nicht in der Schachbrett/legale Figurenbewegungen-Denke "gefangen" ist.  8]

Das Beispiel ist gar nicht mal so schlecht =)

Auch beim Fußball gibt es gültige Konfigurationen. Jeder Spieler kann nur an einer bestimmten Position auf dem Spielfeld sein und eine bestimmte Handlung durchführen, es gibt Regeln die das Spiel begrenzen, sich wiederholende Spielsituationen.... Insgesamt ist beim Fußball der potentielle Zustandsraum an möglichen Spielsituationen bestimmt nicht kleiner als beim Schach.

Bezieht man das Beispiel aufs Thema zurück, dann findet man bei beiden Spielen logisches Denken als auch kreatives Denken. Logisches Denken, da man bei beiden Spielen Kausalketten bilden kann
("Wenn der Läufer sich auf x bewegt kann ich meine Dame nach Y bewegen, woraufhin er seinen König nach Z bewegen muss" - "Wenn ich mich nach X bewege, muss der Verteidiger vorrücken, wodurch es eine Lücke für meinen Mitspieler gibt") als auch kreatives Denken. Beim Schach wird das kreative Denken dadurch angeregt, dass der Zustandsraum aller möglichen Spielkonfigurationen so groß ist, dass ein logisches durchdenken aller Spielsituationen nicht möglich ist - Man muss nach Mustern suchen. Beim Fußball wird die Kreativität dadurch angeregt, dass man nur kurz Zeit hat nachzudenken und schnell Assoziationen bilden muss.

Daraus kann man weitere Kriterien ableiten, wann beim Rollenspiel logisches und wann kreatives Denken gefragt ist:
  * logisches Denken: Der Zustandsraum ist klein und man hat Zeit diesen möglichst vollständig zu überschauen.
  * kreatives Denken: Der Zustandsraum ist groß und man steht unter Zeitdruck.

Spielt die Regeln sind überschauer und lässt den Spielern im Kampf Zeit zum nachdenken, dann wird tendenziell mehr das logische Denken verlangt. Sind die Regeln nicht überschaubar und man muss schnell reagieren, dann wird mehr das kreative Denken verlangt.

Das ganze kann man nun noch auf die verschiedenen Ebenen einer Spielsituation beziehen, wie sie 1of3 dargestellt hat

Zitat
Die problemlösende, die du ansprichst, Eulenspiegel.
- Die regelhafte
- Die spontan-ästhetische

Die Problemlösende Ebene, bei der es darum geht aus einem prinzipiell beliebig großen Raum an Möglichkeiten die beste unter einem gewissen Zeitdruck auszuwählen ist damit immer eine kreative Aufgabe.

Die zweite Ebene, die Ebene der Regeln ist abhängig vom Umfang der Regeln und Komplexität der Spielsituation und dem Zeitdruck der aufgebaut wird. Ein Kampf mit vielen beteiligten, bei dem die Spieler zu direkten Reaktionen gezwungen werden ohne lange Zeit zum Nachdenken zu haben, fördert das kreative Denken. Haben sie länger Zeit zum Nachdenken oder die Spielsituation wird überschaubarer, dann kann die Aufgabe durch logisches Denken gelöst werden.

Die dritte Ebene, das Rückbeziehen der auf Regelebene gelösten Aufgabe auf die Spielwelt ist auch wieder abhängig von der Komplexität der Aufgabe und dem Zeitdruck und vermutlich auch auch darauf, wie konkret sich Regeln auf die Spielwelt beziehen. Führt zum Beispiel ein Kämpfer in DSA einen Ausfall durch, so ist der Zustandsraum an möglichen Beschreibungen recht klein. Führt er ein Manöver bei Fate oder einen Trick bei Savage Worlds durch, so ist der Zustandsraum an möglichen Beschreibungen ziemlich groß. Wird er dann noch gezwungen schnell zu antworten (z.B. weil die Gruppe versucht einen flüssigen Erzählfluss aufrechtzuerhalten), dann ist mit dieser Aufgabe viel Kreativität verbunden.

Die erste Ebene ist übrigens recht unabhängig vom verwendeten System. Die Stellschrauben liegen meiner Meinung nach auf zweiter und dritter Ebene.
« Letzte Änderung: 15.09.2011 | 07:32 von AcE »

Offline 1of3

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Re: [Offen]Kreativites vs. (Taktik)Logisches Denken
« Antwort #18 am: 15.09.2011 | 09:27 »
Zitat
Die erste Ebene ist übrigens recht unabhängig vom verwendeten System. Die Stellschrauben liegen meiner Meinung nach auf zweiter und dritter Ebene.

Je nachdem, wie es um das Zweite und das Dritte bestellt ist, wird allerdings auch das Erste beeinflusst. Das Erste erfordert ja, dass die Dinge in der Fiktion in ähnlicher Weise wie in der wirklichen Welt passieren. Wenns brennt, brauch ich Wasser oder muss Brandmaterial entfernen.

Wenn es jetzt aber eine Regel gibt: "Zum Feuerlöschen ist ein Wurf auf Crisis Control nötig", dann ist das Problemlösen irrelevant.
Höchstens möchte man dann noch das Dritte betreiben, also eine ansprechende Einbettung in die Fiktion für den Crisis-Control-Wurf finden.

Offline Merlin Emrys

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Re: [Offen]Kreativität vs. Taktik
« Antwort #19 am: 15.09.2011 | 11:07 »
Kurz vorweg: Ich finde das Thema hier ebenfalls passend untergebracht.

Die erste Ebene ist übrigens recht unabhängig vom verwendeten System. Die Stellschrauben liegen meiner Meinung nach auf zweiter und dritter Ebene.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das genauso sehe wie Du oder nicht. Meines Erachtens sind alle drei Ebenen immer durch den Spieler und das System miteinander verquickt, denn es gibt Spieler, die sich in bestimmte Regelkonstellationen leicht einfinden, und solche, die sich damit schwertun. Damit wird aber auch immer der Raum möglicher Problemlösungen in seiner Größe bestimmt: Jemand, der sich durch detaillierte Regeln anregen läßt (und sie daher rasch kennenlernt und weiß, was sie ihm erlauben und was nicht), hat einen Problemlösungsraum anderer Größe als jemand, der nur zwei, drei Grundregeln kennt, der aber eventuell unabhängig von Regeln auf höchst untypische Gedankengänge verfällt, wenn er sich kreativ gefordert fühlt. Etwas weniger theoretisch: Der erste Spieler kennt vielleicht 101 Tricks, dem Gegner die Vorteile im Kampf zu nehmen. Der andere kommt auf die Idee, aus dem Kampf etwas anderes zu machen - sei es eine Komödie, sei es eine Orgie...
Der erste Spieler hat also bei einem regeltiefen System zunächst einen überschaubaren Raum und, weil sein Wissen darüber gut ist, nahezu keinen Zeitdruck. Der zweite Spieler hat im regeltiefen System Zeitdruck (er muß den Sprung zur Komödie oder Orgie schaffen, bevor schlimme Konsequenzen für ihn eintreten) und einen nahezu beliebig großen Raum. In einem regelarmen System sind beide Spieler in der zweiten Situation, aber der erste hat noch dazu das Pech, daß ihm seine 101 Tricks fehlen, die ihm Anregungen geben, was er tun könnte.
Ich würde jetzt daraus schließen, daß die erste Ebene sogar die ist, die man am stärksten beeinflussen kann. Oder verwechsle ich einfach Ebenen?

Offline scrandy

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Re: [Offen]Kreativites vs. (Taktik)Logisches Denken
« Antwort #20 am: 15.09.2011 | 17:50 »
Ich finde das Ebenenmodell, dass ihr gerade diskutiert auch sehr sinnvoll und vorallem genauer als der Begriff Taktik. Ich habe zum Beispiel immer das Problem mein eigenes Spielsystem, dass ich entsprechend der drei Ebenen im Bereich viel Problemlösen, regelarm und kreativitätsfördernd und erzählerisch fordernd ansiedeln würde mit dem Begriff Taktik in Einklang zu bringen.

Meiner Meinung nach sind solche Spiele ähnlich wie Fate oder regelarme Oldschool-Spiele eben doch enorm taktisch auch wenn man nicht auf die 101 Regelbausteine zurückgreift sondern kreative Entscheidungen zum eigenen Vorteil nutzt. Ich habe zum Beispiel gerade DeusEx3 durchgespielt und obwohl dieses Spiel als PC-Spiel natürlich detailverregelt ist, sind es nicht die Bausteine aus der Charaktererstellung oder den Gegenständen die mich in einen Taktischen Vorteil bringen sondern die ungewöhnlichen kreativen Entscheidungen, die mir so als Baustein nicht zur Verfügung gestellt werden. Aufs P&P-Spiel übertragen denk ich dass das gezielte taggen von Szenen-Aspekten in Fate oder Bonuserfolge und das aktivieren von Stichwörtern in Mystix durchaus als Taktisch (im Sinne des Wortes) zu sehen ist.

Das Problem ist nur, dass das Wort Taktik mittlerweile synonym für Spiele mit Battlemap steht und das ist eigentlich nicht korrekt. Kreativität und Logik wird ebenfalls in beiden Spielbereichen gebraucht.

Wenn man das überhaupt auf zwei Begriffe runterbrechen kann, dann müsste es Freies/Ingame Denken vs. Deterministisches/Regel-Denken sein.
Der Waldfürst gibt, der Waldfürst nimmt.

Mystix: Ranken, Glyphen, Kreiselschiffe - Story-orientiertes Steamfantasy-Rollenspiel. (Homepage / Diskussion)

Mystix - Das große Erwachen: Always Hope - Never Fall!

Eulenspiegel

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Re: [Offen]Kreativites vs. (Taktik)Logisches Denken
« Antwort #21 am: 15.09.2011 | 19:25 »
Ich denke, es gibt noch zwei unterschiedliche Arten, wie Spieler an eine Sache herangehen:

1) Regeln --> Setting
2) Setting --> Regeln

Bei 1) überlege ich mir also erst, welche Regelanwendung am Sinnvollsten ist. Nachdem ich die Regeloption gefunden habe, die mir am besten weiterhilft, überlege ich mir anschließend, wie ich dies in den Vorstellungsraum umsetze.

Bei 2) überlege ich mir erst, was innerhalb des Settings am Sinnvollsten ist. Und wenn ich mir da eine Option ausgewählt habe, überlege ich mir anschließend, ob es eine passende Regel gibt, bzw. wenn es keine Regel gibt, wie man die Handlung regeltechnisch improvisieren könnte.

Beispiel:
Bei 1): Der Spieler überlegt sich bei Savage Worlds, dass der Gegner eine verdammt hohe Konsti hat. Er muss ihn also anderweitig Shaken kriegen. Also macht er ein Trick. --> Regelebene.
Anschließend, nachdem der Spieler sich entschlossen hat, einen Trick anzuwenden, überlegt er sich, wie er diesen am besten ins Setting übertragen kann. Also entscheidet er sich zum Beispiel, eine brennende Lampe ins Heu zu werfen, um den Gegner so abzulenken.

Bei 2): Der Spieler bemerkt, dass die Angriffe dem Gegner nichts auszumachen scheinen. Aber der Gegner ist ja auch von einem Eisdämon besessen. Und Eisdämonen reagieren panisch auf Feuer. Also entschließt er sich, eine brennende Lampe ins Heu zu werfen. --> Settingebene
Anschließend nachdem der Spieler sich entschlossen hat, was der SC tut, überlegt er sich, wie er dies am besten in die Regelebene überträgt. Ist der Heuballen klein? Dann wäre evtl. eine Werfen-Probe angebracht, um das Heu zu treffen? Ist die Lampe schwer? Dann wäre eine Stärke-Probe angebracht, um sie zu heben. Ist die Lampe leicht und das Heu in der ganzen Scheune verteilt? Dann sollte gar keine Probe notwendig sein sondern die Aktion automatisch gelingen.

Auf den ersten Blick wirken diese beiden Vorgehensweisen ziemlich ähnlich. Wenn man jedoch näher ins Detail geht, stellt man fest, dass sie absolut konträr zueinander sind. (Spieler 1 wäre angepisst, wenn sein Trick nicht funktioniert. Spieler 2 würde das vollkommen akzeptieren, wenn ihm anschließend einfällt, dass der Gegner nicht von einem Eisdämonen sondern von einen Feuerdämonen besessen war.)