Autor Thema: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?  (Gelesen 984 mal)

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Offline Risikoman

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Hi :t:,
habt ihr schon mal eine anfangs nicht so gut laufende Kampagne noch umdrehen können?
Und wie habt ihr das hingekriegt?

Hintergrund:                           
Ich leite gerade eine Cyberpunk-Kampagne die nicht so gut läuft. Schleppendes Spiel, die Spieler sind etwas ideenlos und aus jeder Quest wird ein Detektiv Abenteuer, weil die Spieler etwas zu paranoid sind. Spieler fragen nach dem Hauptplot, wobei ich es diesmal etwas freier gestalten würde, und ihnen stattdessen mehrere Plots versuche zu liefern.                                    
Nach der 6. Session jetzt, frage ich mich gerade ob es sich da lohnt weiter zu machen.
Da ich merke das es 4 von 5 Spielern und mir nicht wirklich zu sagt wie es läuft, und der Arbeitsaufwand für mich relativ groß ist.                                       
                                       

Offline JS

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Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
« Antwort #1 am: 14.11.2020 | 13:35 »
Bei mir hat immer gut funktioniert, wenn ich in solchen Fällen begann, mich von der Kampagne im Detail zu lösen und gruppenbezogen bessere Inhalte auch improvisativ einzuflechten, ohne den großen Rahmen zu verlassen.
Wer gern sagt, was er denkt, sollte vorher etwas gedacht haben.

Offline Pikaresker Hobo

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Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
« Antwort #2 am: 14.11.2020 | 13:45 »
Häufig wollen Gruppen einen roten Faden, dem sie folgen können. Wie railroadig der sein soll, ist dann wieder höchst unterschiedlich.

Also: Konzentriere Dich auf einen starken Hauptplot und baue den Rest als Nebengeschichten ein. Dann sind sie motivierter.

Wenn Spieler sehr paranoid sind, liegt das an vergangenen Ereignissen, entweder durch Dich oder andere SL. Da mußt du klar kommunizieren.

Ich hatte einen Spieler (Shadowrun) in der Gruppe, der so geprägt war, dass SL immer gegen die Gruppe spielen. Hat lange Zeit gedauert, bis der sich an mich gewöhnt hatte.
In jungen Jahren hat unser "Meister"  :-[ uns in der ersten Sitzung ein morsches Burgtor auf den Kopf fallen lassen, weil wir "nicht genau genug überprüft" hatten. Danach haben wir jede beschissene Tür penibel untersucht, bevor wir durch sind. Jahrelang.
"Das Bessere ist der Feind des Guten."  (Voltaire)

Offline Weltengeist

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Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
« Antwort #3 am: 14.11.2020 | 14:13 »
Kommt immer mal wieder vor. Oft werfe ich dann hin, manchmal kriege ich aber noch durch Änderungen die Kurve.

Meine derzeitige "Türme von London"-Runde war so ein Fall. Eine Urban-Fantasy-Runde im London des Jahres 1881, gestartet mit tollen, zuverlässigen Spielern, dem Regelwerk von "Space 1889" und dem Ziel, die Fantasy-Abenteuer "Dragon Heist" und "Steinerne Schwingen" ins viktorianische London zu verlegen. Gestartet im Sommer 2019, war ich Ende des Jahres nach ca. 12 Sitzungen soweit, dass ich eigentlich aufhören wollte. Meine beiden Hauptprobleme waren die folgenden:
  • Die Gruppe neigte zum übermäßigen Planen, gleichzeitig hatten sie aber nicht die Zeit, sich zwischen den Sitzungen mit der Handlung und den durchaus komplexen Plots zu beschäftigen. Somit verbrachten wir unsere (mit 2 1/2 Stunden eher kurzen) Sitzungen oft damit, dass sich die Spieler Gedanken machten, statt zu spielen.
  • Ich selbst bin in der Vorbereitung immer wieder in Phasen akuten Zeitmangels gelaufen. Das hätte nichts gemacht, wenn die Spieler aktiver gewesen wären, aber die waren abends oft auch eher müde und neigten dazu, darauf zu warten, dass etwas passiert, worauf sie reagieren können.

Ich habe mir dann eine ca. zweimonatige Pause erbeten für die Zeit, in der ich berufsbedingt besonders wenig Zeit für die Vorbereitung hatte. Gegen Ende der Pause habe ich alle hinter den Kulissen gefragt, ob sie noch Bock auf die Runde hatten. Als die Antwort "ja" lautete, habe ich folgende Änderungen vorgenommen:
  • Ich habe das Regelwerk ausgewechselt. Weg von Ubiquity (also dem Space:1889-Regelwerk), das übervorsichtige Spieler aufgrund bestimmter Spielmechanismen noch belohnt, und hin zu Savage Worlds (mit der Option "Heroes never die"). Gleich die erste Sitzung wurde dann legendär, und den Spielern wurde schnell klar: Savage Worlds ist einfach viel weniger planbar, daher haben sie mehr Spaß, wenn sie spontan auf Situationen reagieren, statt umfangreiche Pläne zu schmieden, die dann doch nicht funktionieren.
  • Ich habe die Handlung stärker als zu Beginn selbst vorangetrieben. Da die Spieler zwar im Grunde Lust hatten, über die Story zu grübeln, letztlich aber keine Zeit dazu gefunden haben, war es am Ende unterhaltsamer, wenn einfach etwas passierte, wenn die SC zu lang nicht auf den Trichter kommen.
  • Ich habe ein Wiki (Obsidianportal) für die Kampagne angelegt, um den Überblick über die bisherigen Sitzungen, die Lage der Schauplätze und die zahlreichen NSC zu behalten. Die Spieler nutzen das Wiki zwar zu meinem Bedauern nur selten, für mich selbst aber ist es unbezahlbar.
  • Geholfen hat außerdem, dass ich mir von den Spielern habe absegnen lassen, dass ich kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn ich ein paar Sitzungen stressbedingt ausfallen lassen muss.

Und was soll ich sagen? Inzwischen ist die Runde all das, was sie anfangs nicht war. Die Spieler trauen sich etwas, sie machen coole Aktionen, nutzen die Möglichkeiten einer Stadt wie London und der ständig wachsenden NSC-Liste aus. Sie spielen die Beziehungen zwischen ihren SC aus, wie es nur eine Gruppe tut, die schon anderthalb Jahre zusammenspielt - sie streiten und sie lieben sich und fördern doch immer nochmal ein Geheimnis aus ihrer Vergangenheit zutage.

Was sind meiner Meinung nach die entscheidenden Faktoren, warum es jetzt gut läuft?
  • Eingrooven: Die Spieler waren toll, von Anfang an. Aber sie brauchten Zeit, um sich aneinander und an ihre Figuren zu gewöhnen. Hätten wir zu früh abgebrochen, wären wir nie an den Punkt gekommen, an dem es Spaß macht.
  • System Matters: Obwohl ich Ubiquity als Regelwerk mag, hat es sich bewährt, auf ein pulpigeres Regelwerk wie Savage Worlds umzustellen. SaWo sorgt einfach schon durch seine Freak Rolls dafür, dass immer wieder krasse Sachen passieren.
  • Mut lernen: Sehr hilfreich war die Option "Heroes never die". Die Spieler trauen sich einfach mehr coole Aktionen zu, wenn sie wissen, dass ihre SC nicht beim ersten blöden Würfelwurf gleich ins Gras beißen.
  • Notfall-Plot: Es war schon richtig, die Spieler mit großen Freiheiten auszustatten, aber es läuft besser, seit ich immer einen (plotmäßigen) Backup-Plan in der Tasche habe für den Fall, dass die Spieler heute Abend in den Seilen hängen und einfach keine Ideen zuwege bringen.
"Wenn ich in Unterleuten eins gelernt habe, dann dass jeder Mensch ein eigenes Universum bewohnt, in dem er von morgens bis abends recht hat." (Juli Zeh, Unterleuten)

Spielt derzeit: The Wild Beyond the Witchlight (Savage Worlds - Prismeer), Troubleshooter (Savage Worlds - Starfinder)
In Vorbereitung: -

Offline Alexandro

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Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
« Antwort #4 am: 14.11.2020 | 16:16 »
Das war bei mir bei Princes of the Apocalypse so.

Am Anfang hatte ich das als große Sandbox angelegt (die weit über den Inhalt des Abenteuers hinausging), in der Ereignisse dann passierten wenn sie passierten, unabhängig davon was die SC machten. Zusätzlich hatte ich eine recht umständliche Rechnung, um abwesenden Spielern ein paar XP zu geben, ohne die anwesenden Spieler zu benachteiligen.

Hat letztendlich nicht funktioniert, weil die Spieler sich immer nur um die aktuellen Probleme gekümmert haben und sich gelangweilt haben, wenn es keine aktuellen Probleme zu lösen gab. Der Hinweis, dass man sich mal auf die gestreuten Gerüchte stürzen und diese proaktiv angehen könnte, wurde ignoriert, bzw. in den Planungsorgien "um optimal vorbereitet zu sein" dann oft einfach vergessen. Alle waren ziemlich gefrustet und wenn das so weiter gegangen wäre, dann wäre die Kampagne einfach geendet, ohne dass die SC überhaupt einen Hinweis auf den ToEE gefunden hätten.

Dann habe ich einfach meine Timeline für den Hintergrund weggeschmissen und gesagt "wichtige Ereignisse passieren nicht nach Timeline, sondern werden durch Entdeckung der SC angestoßen" - heißt nicht, dass es danach keinen Zeitdruck gibt (einmal angestoßen passieren die Ereignisse im logischen Tempo), aber es verhindert, dass irgendwo in einer anderen Stadt etwas interessantes passiert, wovon die SC nichts mitkriegen. Außerdem habe ich die SC-Regeln komplett rausgeworfen und arbeite mit dem Meilenstein-System (alle SC haben dieselbe Stufe).

Hat super funktioniert und alle haben neue Freude an der Kampagne gefunden.
« Letzte Änderung: 14.11.2020 | 16:19 von Alexandro »
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Arkam

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Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
« Antwort #5 am: 14.11.2020 | 16:36 »
Hallo Risikoman,

mich würde ein Mal interessieren nach welchem Regelwerk ihr spielt. Nein nicht weil ich ein anderes Regelwerk empfehlen möchte sondern weil Shadowrun und Cyberpunk 2020 zum Beispiel ganz eigene Probleme aus Spieler Sicht haben.
Bei Cyberpunk Systemen ist ein häufiges Problem die Technik und was sich die Spieler darüber ausmalen. Das Genre Cyberpunk ist ja nun Mal ein Kind der 80er Jahre und wenn man darauf unseren heutigen Technikstand + ein paar Jahre in die Zukunt addiert sehen viele Spieler Probleme die die Regelautoren so nie gesehen haben.
Gerade die heutigen forensischen Möglichkeiten und die Allgegenwart von Überwachunsgmaßnahmen lassen den Spielern graue Haare wachsen.
Die Technik wird aber gerne noch Mal zu einem Problem wenn das Regelwerk zu viele Gadgets und Dinge mit nur minimalen Unterschieden anbietet.
Auch immer wieder nett ist wenn eine geplante Aktion eben eine spezielle Ausrüstung erfordert und die Sache nicht offensichtlich oder sehr differenziert ist. Das man für das Hacken einen Computer braucht dürfte klar sein. Das man bei Shadowrun aber je nach Schloß anderes Gerät braucht kann da schon Mal hackelig werden. Besonders bei Anfängern.
Gerne wird auch Cyberpunk gewünscht und man möchte eher ein Spiel mit Hackern, Waffen und Implantaten als ein Spiel in dem man Revolutionäre oder Kleinkriminelle spielt. Shadowrun kann ganz schnell zu einem Superagenten oder Militärspiel werden und Cyberpunk 2020 bietet auch normale Berufe und nach Life Path System auch einen "normalen" familären Hintergrund an.

Gruß Jochen
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Offline Crimson King

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Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
« Antwort #6 am: 14.11.2020 | 17:15 »
Hallo Risikoman,

du schilderst in erster Linie Verhaltensweisen der Mitspieler, die dem Spielfluss entgegenstehen. Wichtig wäre, zu wissen, warum die Mitspieler sich so verhalten. Das kann die unterschiedlichsten Ursachen haben, aber damit die Symptome verschwinden, muss man schon schauen, wo sie her kommen.

In der Praxis hatte ich noch keinen Fall, in der eine Spielrunde gerettet werden konnte, nachdem sich die Situation mal so richtig verfahren hatte. Grund dafür ist, dass die Ursachen und tiefreichenden nicht überbrückbaren Differenzen einerseits zum Spielstil, andererseits auf persönlicher Ebene, lagen.
« Letzte Änderung: 14.11.2020 | 17:20 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Risikoman

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Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
« Antwort #7 am: 14.11.2020 | 17:52 »
Wow, erstmal vielen Dank an Alle für die ausführlichen Antworten :D. Werde die Vorschläge beherzigen. Erkenne in jedem Beitrag Probleme die auch auf meine Kampagne zu treffen.

@Arkam
wir spielen M-SPACE (mit Companion), basiert auf Mythras/RuneQuest.


Das war bei mir bei Princes of the Apocalypse so.

Am Anfang hatte ich das als große Sandbox angelegt (die weit über den Inhalt des Abenteuers hinausging), in der Ereignisse dann passierten wenn sie passierten, unabhängig davon was die SC machten. ...

Meine Kampagne ist auch ungefähr so angelegt. Es gibt Ereignisse die passieren, aber die Spieler haben natürlich Einfluss darauf. Falls sie auch nicht eingreifen, dann gibt es Konsequenzen für die Welt und die Spieler. Das Problem dabei ist natürlich, dass die Spieler jetzt nicht unbedingt sofort die Konsequenzen entdecken für ihre Handlung. Da muss ich glaub ich radikaler werden.

Hat letztendlich nicht funktioniert, weil die Spieler sich immer nur um die aktuellen Probleme gekümmert haben und sich gelangweilt haben, wenn es keine aktuellen Probleme zu lösen gab. Der Hinweis, dass man sich mal auf die gestreuten Gerüchte stürzen und diese proaktiv angehen könnte, wurde ignoriert, bzw. in den Planungsorgien "um optimal vorbereitet zu sein" dann oft einfach vergessen.

Ja, da ist auch bei mir auch ein Problem. Die Spieler haben irgendwie den Faden verloren, obwohl sie noch vorherige Session was machen wollten haben sie es irgendwie gekonnt ignoriert (auch wenn ich dezente Hinweise immer wieder eingestreut habe), habe ich dann eine weitere Quest den Spielern vorgeschlagen, und die hat deutlich zu viel Zeit eingenommen, und dabei waren die Spieler zu vorsichtig. Im großen und ganzen musste ich aus den Spielern alles entlocken. Da hätte ich was anderes machen sollen.   


Häufig wollen Gruppen einen roten Faden, dem sie folgen können. Wie railroadig der sein soll, ist dann wieder höchst unterschiedlich.

Also: Konzentriere Dich auf einen starken Hauptplot und baue den Rest als Nebengeschichten ein. Dann sind sie motivierter.

Wenn Spieler sehr paranoid sind, liegt das an vergangenen Ereignissen, entweder durch Dich oder andere SL. Da mußt du klar kommunizieren.
Hauptplot werde ich verstärken müssen und klarer ausarbeiten. Wobei ich mir das natürlich anders vorgestellt habe, dass die Spieler selbst deutlich aktiver sind. Bei einem Spieler klappt es ganz gut. Er und sein Charakter sind aktiv und involviert.
Das die Spieler paranoid sind liegt auch vermutlich an den vielen Sicherheitssystem von denen sie entdeckt werden können. Obwohl ich auch out of game kommuniziert habe, dass die Konsequenzen nicht binär Leben/Tod sind :D.

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Am frustrierendsten ist natürlich wenn von einem Spieler meine vorletzte Kampagne als Beispiel für eine gute Kampagne genommen wird, obwohl ich in diese deutlich weniger Zeit investiert habe und diese deutlich weniger durchdacht war. Aber oft liegt es an Kleinigkeiten ob die Spieler in die Welt reinkommen oder nicht.