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Autor Thema: Formen der Unfreiheit  (Gelesen 3754 mal)

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Offline Lichtbringer

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Formen der Unfreiheit
« am: 3.01.2012 | 13:54 »
Nachdem die Frage im Nebenbeitrag nach Formen der Freiheit gestellt wurde, frage ich mich nun, was diese Freiheit begrenzen kann.
Die obige Umfrage ist ein Beispiel für eine Situation, die wir als unfrei empfänden, weil wir keine echte Wahl haben, da alle möglichen Entscheidungen in die gleiche Richtung gingen. Dennoch kommt uns nicht jede Fragestellung so vor, die keine echten Alternativen bietet.
Spieler beschweren sich nicht, weil ihr SC nicht fliegen können. Egal welche Wahl sie treffen, die Schwerkraft geht immer unerbittlich in die gleiche Richung. Dennoch sehen sie ihre Freiheit hier nicht durch die faschistische Diktatur der Naturgesetze beschränkt, weil sie nicht mit Wahlmöglichkeiten rechnen konnten. Der Spielleiter, der die Gravitation schildert, wird somit weniger als Erzeuger einer Situation gesehen, sondern eher als Berichterstatter der Umstände.
Spieler fühlen sich dann in ihrer Freiheit beschnitten, wenn die Wahl des SL ihnen logisch denkbare Möglichkeiten verstellt. (Klassisches Beispiel: Die Schlucht, die man nur in eine Richtung verlassen kann.) Hier wird der Spielleiter dann als Entscheider wahrgenommen und seine Entscheidungen schränken die der Spieler ein.
Die Freiheit der Spieler, so scheint mir, hängt somit direkt davon ab, wie die Macht am Tisch verteilt ist. Wenn der Spielleiter eine klare Handlung vor Augen hat und seine Macht nutzt, um diese durchzudrücken, liegt Zwang vor. Je mehr der Meister jedoch die Spieler mitwirken lässt und je mehr ihnen durch Spielerermächtigungsmechnismen Einfluss auf das Spielgeschehen eingeräumt wird, desto freier wirkt das Spiel.
Dieses Prinzip der verschiedenen möglichen Ausgänge ist beispielsweise auch bei Proben zu sehen. Wenn der SL durch reines Dekret erklärt, der Charakter könnte die 100 m breite Schlucht nicht überspringen, wird dies nicht als Willkür gesehen, weil hier die Möglichkeit des Erfolges nicht plausibel erscheint. Hat der Schlucht dagegen nur 2,5 m Breite, dann wären beide Ausgänge denkbar und eine Probe wäre angebracht. Ist es wiederum nur ein 60 cm breiter Spalt im Boden, so passt hier ein Mensch zwar rein geometrisch hinein, aber man muss schon sehr ungeschickt sein oder den Spalt übersehen, damit die Möglichkeit des Abstürzens realistisch ist, weshalb auch hier keine Probe sinnvoll ist.

Was mich noch wundert, ist viel mehr, dass die Aufzählungen im anderen Beitrag durchaus sinnvoll klingen. Und das ergibt eigentlich keinerlei Sinn, denn prinzipiell kann man auch ein Intrigespiel vollkommen unfrei machen, wenn man die NSC gegen die Einflussnahme der Spieler abschottet oder schon vorher festgelegt hat, wer als Einziger bestechlich ist und auch bestochen werden muss.
Wie kommt also die Assoziation zustande? Liegt es vielleicht daran, dass komplexe Intrigehandlungen eher von SLs geleitet werden, die die Freiheit der Spieler schätzen oder davon zumindest nicht überfordert sind? Oder kommt es daher, dass das Rollenspiel als gradliniges Verließdurchmetzlen (in erster Näherung) angefangen hat und sich simultan von dort zum sozialen und auch freien Spiel entwickelt hat, so dass wir heute Korrelation und Kausalität verwechseln? Ich weiß es nicht, aber vielleicht wisst ihr es...

ErikErikson

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #1 am: 3.01.2012 | 16:32 »
Meine Defintion von Freiheit umfasst eigentlich nur eines: Die Spieler müssen bestrebt sein, einen Handlungsvorschlag der anderen Spieler möglichst als durchführbar zu betrachten. Je unwahrscheinlicher dieser wird, bsp. der Wunsch, jetzt einfach so als Mensch zu fliegen, desto eher sollte man ihn ablehnen. Im Prinzip also ein Aushandeln des gemeinsamen Vorstellungsraumes darüber, was möglich ist. Basis sind die Wünsche und Vorstellungen der Spieler.

Es sit durchaus möglich, das jemand es für den Gipfel der Freiheit hält, wenn der einfache SC einen Adeligen anspricht. Andere würden vielleicht schon sagen: "Ne, das würdest du als armer Bauer nie tun". Wieder andere würden sich gar nix dabei denken.

Im Grunde betrachtet liegt sehr viel in der Vorstellung des SL begründet, was machbar ist. Wenn der Sl glaubt, die einzige sinnvolle Möglichkeit in Situation X ist es, zu kämpfen, dann wird er jede andere Option scheitern lassen oder gleich verbieten. Genauso wird ein SL, der sich sicher ist, das Y das einzige sinnvolle Ziel für die SC ist, sich sträuben, andere zuzulassen. Er hat es dabei aber schwerer, weil Ziele schlechter zu kontrolieren sind als Handlungen. Handlungen kann der SL immer scheitern lassen.

Ein beispiel: Wenn der SL sein AB spielen will und da steht, das die SC Auftrag X natürlich annehmen, und jetzt nehmen die SC den eben nicht an, wird der weniger freie SL sagen: "Aber ihr seid doch so und so drauf, also müsst ihr den Auftrag annehmen, weil sonst XY" oder er wird gleich sagen: "nehmt den Auftrag an oder geht heim."

   

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #2 am: 3.01.2012 | 18:05 »
Ein beispiel: Wenn der SL sein AB spielen will und da steht, das die SC Auftrag X natürlich annehmen, und jetzt nehmen die SC den eben nicht an, wird der weniger freie SL sagen: "Aber ihr seid doch so und so drauf, also müsst ihr den Auftrag annehmen, weil sonst XY" oder er wird gleich sagen: "nehmt den Auftrag an oder geht heim."
Oder er sagt: "Ihr trefft auf den Auftraggeber, der Euch ein gutes Angebot gemacht hat. Nachdem Ihr den Auftrag angenommen habt..."
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ErikErikson

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #3 am: 3.01.2012 | 18:07 »
Oder er sagt: "Ihr trefft auf den Auftraggeber, der Euch ein gutes Angebot gemacht hat. Nachdem Ihr den Auftrag angenommen habt..."

ja, das stimmt. Aber das hab ich noch nie so erlebt. Deshalb hab ich da nicht dran gedacht.

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #4 am: 3.01.2012 | 18:10 »
ja, das stimmt. Aber das hab ich noch nie so erlebt. Deshalb hab ich da nicht dran gedacht.
Echt nicht?
Sowas in der Art habe ich schon häufiger genutzt. Teilweise habe ich meinen Spielern entsprechende Vorgaben bei der Charaktererschaffung gemacht, damit die Spieler wissen worauf sie sich einlassen.
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ErikErikson

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #5 am: 3.01.2012 | 18:21 »
Das ist kompliziert. Das würde ich gern mit meiner SCS Theorie erklären. Es gibt erstens die frage nach Setting und Charakteren. Das sind andere Schuhe.

Die Sache mit dem Angebot wäre dann klar Story, wenn die Auftragsannahme relevant fürs Spiel ist und nicht obligatorisch. Wenn sie irrelevant ist, dann ist sie eigentlich Colour, und damit Setting. Wen nsie festdefiniert ist (es geht immer mit einem angenommenen Auftrag los) dann ist sie ebenfalls Setting. Damit wäre es eine Form der Settingunfreiheit und nicht der Storyunfreiheit.

Und auch wenn mich die DSAler dafür wieder hassen, ich hab früher viel DSA gespielt, und bei meinen DSA Runden galt das Motto: "Alles so lang in die Länge ziehen wie möglich", daher kenne ich solche Szenen kaum.    

alexandro

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #6 am: 3.01.2012 | 18:32 »
Das Problem ist IMO nicht die Existenz von Unfreiheit, sondern die ungleiche Verteilung derselben.

Im obigen Beispiel wäre der SL (normalerweise) erstmal genauso "unfrei" wie die Spieler, dahingehend dass er die Existenz der Gravitation innerhalb der Spielwelt nicht einfach wegerzählen kann. Fängt er damit an und lässt seine Lieblings-NSCs unbeschadet die tödlichsten Stürze überleben oder über eine Schlucht hinweg zu den Spielern rüberschweben, dann würde das als Bruch der Verbindlichkeit der Regeln gesehen werden.

Am häufigsten tritt dieser Fehler (meißt unbewusst und ohne böse Absicht) auf, wenn der SL seine NSC so spielt, als hätten diese perfekte Informationen über Möglichkeiten und Persönlichkeit der SC (obwohl sie gar keine Gelegenheit hatten, diese in Erfahrung zu bringen), während die Spieler weiterhin "im Trüben fischen", um aus den NSCs schlau zu werden.

LöwenHerz

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #7 am: 3.01.2012 | 19:42 »
Ich lesen von Freiheit, deren Beraubung, von Macht am Tisch, dann lese ich andernthreads davon, dass man sich dem SL total ausgeliefert fühlt, wenn man in dessen eigenem Setting spielt...  :q

Ich frage mich, warum alles so sau-negativ gesehn wird. Ist das der Postweihnachtsstress?

Geht es nicht darum, Spaß zu haben? Oder geht es darum, die Grenzen für Spaß so eng wie nur irgend möglich abzustecken?

Ich wäre ja (erneut) dafür, dass man sich mal 'n bisschen frei um die Hüfte machen sollte. Einfach mal sehen, was da auf einen zukommt. Annehmen, begutachten und weitergeben. Spielen.

In diesem Sinne: frohes Spielen 2012  :d

Eulenspiegel

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #8 am: 3.01.2012 | 19:48 »
Das was oben beschrieben wird: 60 cm breite Schlucht kann nicht übersprungen werden, würde ich nicht als "Unfreiheit" sondern eher als "unrealistisch" beschreiben.

Unfreiheit ist eher, wenn der SL festlegt, dass da eine 100 Meter bzw. 60 cm breite Schlucht ist. Freiheit ist es, wenn die Spieler festlegen können, ob die Schlucht 60 cm oder 100 Meter breit ist. (Wobei ich Unfreiheit nicht negativ betrachte sondern mir meistens auch eine gewisse Unfreiheit als Spieler wünsche.)

LöwenHerz

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #9 am: 3.01.2012 | 19:59 »
Freiheit ist per Definition die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Möglichkeiten.

Wenn mir der SL also eine tausendmillionmilliarden Meter breite Schlucht vorsetzt, habe ich die Wahl, umzukehren, zu klettern, zu zaubern vielleicht, oder (so man verfolgt wird) sich zu ergeben. Dass der SL die Arschkarte hat und den Spielern einen Rahmen in der Freiheit vorgibt, ist doch nicht seine Schuld. Vielmehr sollten sie seine Vorbereitungen als Geschenk annehmen und sich auf ein schönes Spiel einlassen. Wenn man an einen falschen SL (im Sinne von Mangeln an Befähigung und Mangel an Ehrlichkeit) gerät, dann ist man zumindest eine wichtige Erfahrung reicher. Ist doch auch positiv.

Offline Bad Horse

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #10 am: 3.01.2012 | 21:01 »
Welten funktionieren nach bestimmten Regeln. Im Normalfall werden diese Regeln vor Spielbeginn implizit festgelegt - z.B. "diese Welt funktioniert wie unsere, aber es gibt Magie, die unter bestimmten Umständen die Naturgesetze aufheben kann".
Daher wird die Existenz der Schwerkraft auch hingenommen - das gehört zu den Regeln der Welt. Sollte der SL in einem ScienceFiction-Setting im freien Raum plötzlich mit Schwerkraft ankommen, werden ihm die Spieler was husten, weil nach obiger Prämisse erstmal angenommen wird, dass es im freien Raum keine Schwerkraft gibt.

Das hat etwas damit zu tun, einen konsistenten Rahmen für die gemeinsame Fiktion zu haben - natürlich schränkt das die Freiheit auch ein, aber wie soll man eine gemeinsame Fiktion erschaffen, wenn man sich nicht auf die Rahmenbedingungen einigt?

Etwas anderes ist die Schaffensfreiheit des SL bei der Weltgestaltung. Hier muss natürlich der gemeinsame Rahmen beachtet werden (schwerkraftfreie Räume kann es geben, aber dafür muss irgendwer Magie verwendet haben; Schluchten tauchen nicht plötzlich aus dem Nichts auf, es sei denn, jemand hat Magie verwendet; usw.), aber ansonsten ist das ein weites Feld: Manche Spieler finden es völlig in Ordnung, wenn diese Schaffensfreiheit dramaturgischen Gesichtspunkten unterliegt, andere Spieler fühlen sich dadurch in ihrer eigenen Freiheit, die Handlung durch relevante Entscheidungen zu beeinflußen, beeinträchtigt.
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Offline Oberkampf

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #11 am: 3.01.2012 | 21:34 »

Unfreiheit ist eher, wenn der SL festlegt, dass da eine 100 Meter bzw. 60 cm breite Schlucht ist. Freiheit ist es, wenn die Spieler festlegen können, ob die Schlucht 60 cm oder 100 Meter breit ist. (Wobei ich Unfreiheit nicht negativ betrachte sondern mir meistens auch eine gewisse Unfreiheit als Spieler wünsche.)

Unabhängig von deiner persönlichen Bewertung verwendest du das Kennwort "Unfreiheit" damit aber für so gut wie jede spielleiterische Entscheidung.

Sämtliche Weltgestaltung ist aber (auch wenn einige Lehren das nicht so gerne zugeben) eine Spielleiterentscheidung, auch bei Verwendung von Tabellen. Selbst dann, wenn der SL die Tabellen nicht selbst geschrieben hat, sondern sich nur für ihre Anwendung entscheidet. Man kann versuchen, sich als SL soweit wie möglich selbst zu beschränken, irgendwo findet die Entscheidung statt. (Und warum auch nicht, schließlich ist der SL auch ein Spieler, der Spaß am Spiel haben möchte?) 

Ich halte es für ungünstig, alle Spielleiterentscheidungen mit dem Label "unfrei" zu versehen, weil dadurch die Diskussion auf Ebenen anschwellen kann, die eigentlich nicht gedacht sind. Das führt dann zu diesen Pseudoargumenten, wonach der Beginn eines Spielabends mit "Ihr sitzt gerade bei eurem Bier in der Taverne zum Staubigen Zwerg..." bereits als potentielle Spielerunterdrückung gebrandmarkt wird und man sich so aus der Diskussion um wirkliche Unfreiheitserlebnisse herausstehlen kann (wobei ich das jetzt deinem Argument nicht unterstelle, ich sehe nur diese Gefahr).

Nach meiner Meinung hat Freiheit im Rollenspiel tatsächlich viel mit der Freiheit der Auswahl zu tun. Darüber hinaus gibt es weitere Gestaltungsfreiheiten über den Abenteuerverlauf, aber die Freiheit der Wahl halte ich für ganz grundlegend. Wichtig ist, dass allen Teilnehmern bewusst ist, dass das Spiel auch ganz anders verlaufen könnte/hätte verlaufen können/kann.
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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #12 am: 3.01.2012 | 22:30 »
Unfreiheit ist eher, wenn der SL festlegt, dass da eine 100 Meter bzw. 60 cm breite Schlucht ist. Freiheit ist es, wenn die Spieler festlegen können, ob die Schlucht 60 cm oder 100 Meter breit ist.
Nein. Die Freiheit(oder das, was du als Freiheit bezeichnest) wird nur verlagert. Vom SL zu den Spielern hin. Was da aber rollenspieltechnisch passiert ist lediglich eine Umverteilung der Erzählrechte, Stichwort: Player-Empowerment. Nicht mehr, und nicht weniger. Zumal Charaktere nie unfrei sind, denn sie haben immer die Möglichkeit, etwas zu tun. Bei dem Bsp. mit der Schlucht haben sie auch mehrere Möglichkeiten, auch wenn manche auf den ersten Blick evtl. nicht offensichtlich sind. Oder, lapidar formuliert:
Unfreiheit=Railroading
Freiheit=Player-Empowerment

wobei: lustiger Weise wird hier nur von der Unfreiheit der Charaktere bzw. Spieler geredet...was ist denn mit dem SL?

@Abstimmung zur Umfrage: Da bin ich einfach mal so frei, nicht abzustimmen. ;)
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Eulenspiegel

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #13 am: 3.01.2012 | 23:04 »
Unabhängig von deiner persönlichen Bewertung verwendest du das Kennwort "Unfreiheit" damit aber für so gut wie jede spielleiterische Entscheidung.
Jede spielleiterische Entscheidung, die nicht durch die Spielweltphysik abgedeckt ist.

Zitat
Und warum auch nicht, schließlich ist der SL auch ein Spieler, der Spaß am Spiel haben möchte?
Ich sagte doch: Ich habe kein Problem mit Unfreiheit und finde sie in gewissem Rahmen auch gut.

Zitat
Ich halte es für ungünstig, alle Spielleiterentscheidungen mit dem Label "unfrei" zu versehen, weil dadurch die Diskussion auf Ebenen anschwellen kann, die eigentlich nicht gedacht sind. Das führt dann zu diesen Pseudoargumenten, wonach der Beginn eines Spielabends mit "Ihr sitzt gerade bei eurem Bier in der Taverne zum Staubigen Zwerg..." bereits als potentielle Spielerunterdrückung gebrandmarkt wird und man sich so aus der Diskussion um wirkliche Unfreiheitserlebnisse herausstehlen kann (wobei ich das jetzt deinem Argument nicht unterstelle, ich sehe nur diese Gefahr).
Unfreiheit ungleich "Unterdrückung".

Zitat
Darüber hinaus gibt es weitere Gestaltungsfreiheiten über den Abenteuerverlauf, aber die Freiheit der Wahl halte ich für ganz grundlegend.
Siehst du, da unterscheiden wir uns zum Beispiel:
Ich finde manchmal auch Systeme cool, wo die Spieler häufig keine Freiheit der Wahl haben. (Wo es dann zum Beispiel Moralregeln gibt, die bestimmen, wie der SC handelt.)

Nein. Die Freiheit(oder das, was du als Freiheit bezeichnest) wird nur verlagert. Vom SL zu den Spielern hin.
Richtig. Absolute Freiheit kann es nie geben. Die Freiheit des einen ist immer auch die Einschränkung des anderen. Aber ich habe den Eröffnungspost so verstanden, dass es um die Freiheit der Spieler geht und nicht um die Freiheit des SLs.

Zitat
Unfreiheit=Railroading
Freiheit=Player-Empowerment
Ganz so würde ich das nicht sehen:
Railroading ist eine Teilmenge der Unfreiheit. Es gibt aber auch noch zig andere Formen der Unfreiheit.

Und Player-Empowerment ist keine Freiheit sondern eine Methode, mit der sich Freiheit erreichen lässt.

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #14 am: 4.01.2012 | 17:25 »

Unfreiheit=Railroading
Freiheit=Player-Empowerment

Ich würde mal sagen, Unfreiheit kann aus allem Möglichen entstehen - primär fallen mir da übrigens die Spielregeln ein, die die Freiheit der Spieler, mit ihren Charakteren etwas zu tun, ja mit voller Absicht einschränken.

Der kampfstarke Barbar kann dann eben nicht zaubern, und der clevere Schurke keinen Oger hochheben. Selbst wenn der Spieler das in der Situation vielleicht gern als Wahlmöglichkeit hätte.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Offline Maarzan

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #15 am: 4.01.2012 | 17:51 »
Gewisse Formen der Unfreiheit halte ich für spieldefinierend und damit notwendig. 
Fußball wird ja auch nicht besser, wenn einer sich die Freiheit nimmt den Ball unter den Arm zu klemmen und loszulaufen.

Dazu zähle ich dann eben die Beschränkung auf die Möglichkeiten des Charakters für das "Rolle" und die - sinnvollerweise unter dieser Prämisse erstellten - notwendigen Regeln für die Umsetzung als "Spiel".
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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #16 am: 5.01.2012 | 14:19 »
Komischerweise würde ich Regeln niemals Zeichen der Unfreiheit ansehen.

Regeln sind der große Gleichmacher, was die Machtverteilung am Tisch angeht, und gewissermaßen das Werkzeug, Konflikte weitgehend ohne einen Machtkampf zu lösen. Unfreiheit entsteht meiner Meinung nach auch dadurch, dass sich jemand über die Regeln hinwegsetzt. Vor allem natürlich, wenn der SL nach Gutsherrenart schaltet und waltet, wie er will, aber auch dann, wenn ein Spieler bescheißt oder sich nicht regelkonforme Vorteile aneignet. Dann amüsiert er sich nämlich auf Kosten des laufenden Spiels und somit auf Kosten der Gruppe.
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Offline Naga

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #17 am: 5.01.2012 | 15:28 »
Unfreiheit ist eher, wenn der SL festlegt, dass da eine 100 Meter bzw. 60 cm breite Schlucht ist. Freiheit ist es, wenn die Spieler festlegen können, ob die Schlucht 60 cm oder 100 Meter breit ist. (Wobei ich Unfreiheit nicht negativ betrachte sondern mir meistens auch eine gewisse Unfreiheit als Spieler wünsche.)

Unfreiheit ist da schlicht der falsche Begriff: Wenn die Spieler keine Ambitionen haben, die Landschaft festzulegen, dann schränkt der landschaftsfestlegende SL sie auch nicht in ihrer Freiheit ein wenn er das tut.

Worum es bei solchen Diskussionen letztlich im Kern geht ist Kontrolle. Und das nicht irgendwie in der virtuellen Welt auf Charakterebene, sondt OT zwischen den spielenden Menschen. Im Idealfall ist die Kontrolle über das Geschehen auf Spieler und SL aufgeteilt. Dadurch, dass niemand allein die Situation kontrolliert beibt das Geschehen fesselnd und abwechlungsreich. Wenn nur eine Partei die Kontrolle hat, dann ist es für diese langweilig und für die andere bevormundend. Das kann dann viellecht als "Zuschauer" noch interessant sein, hat aber keine Dynamik mehr.

Ein nicht unwesentlicher Teil des Spieler-Empowerments zielt lediglich darauf ab, den Spielern einen gewisse Mindest-Kontrolle zu garantieren, oder gleich dem SL jeglichen Kontroll-Anspruch zu nehmen ("SL als Zufallstabellen-Würfelsklave").

Mit der Freiheit der Charaktere im Spiel hat das nur insofern zu tun, wenn ein Einschränken der Charakter-Freiheit als Versuch gewertet wird, die Spieler-Kontrolle einzuschränken. Das besonders dann der Fall, wenn die Spieler a) eine SL-Festlegung unplausibel finden ("die 60cm Schlucht kann nicht übersprungen werden"), und b) darin eine ihnen feindliche Agenda sehen ("der SL legt das so fest, damit der Oberbösewicht entkommen kann").

Besteht umgekehrt der Eindruck, dass die Kontrolle über das Geschehen fair verteilt ist, dann wird auch einfach hingenommen, dass die Höhle nur einen anderen Ausgang hat, und einen gerade Orks verfolgen. Der Verlust an Charakter-Freiheit wird in dem Fall nicht als OT-Kontrollverlust wahrgenommen. ;)

Damit ist man dann wieder bei Vertrauen, und dem von Luxferre angesprochenen sich-mal-locker-machen. :)


Kleiner Exkurs zum Intrigen-Beispiel, hier spielen wohl zwei Punkte rein:
- Zum einen sind die intriganten Gegner der Helden eben komplex. Das ist eben keine vorgegebene Karte, die "feststeht", oder auch kein gegnerisches Monster mit "festen" Werten. Sondern etwas, dass vom SL kontrolliert und auch intelligent gesteuert werden muss. Da muss das Vertrauen, dass sich der SL "fair" verhält und nicht versucht die Spieler-Kontrolle zu untergraben, schon da sein. Andernfalls kann man solche komplexen Szenarien gleich sein lassen.
- Zum anderen sind solche "menschlichen" Szenarien für die Spieler intransparent. Für die Spieler ist es kaum zu unterscheiden, ob ein NSC umgestimmt werden könnte, und sie sich nur ungünstig anstellen, oder ob der NSC von zum Nachteil der Spieler festgelegt ist. Da sie eben nicht in die Köpfe/Mechanismen der NSCs schauen können, können sie nicht beurteilen, wie "fair" und wie "offen" das Szenario ausgelegt ist. Auch hier kommt es wieder auf Vertrauen an.

Um an der Stelle noch kurz auf die Begrifflichkeiten einzugehen:
fair: Die Helden haben eine gute Chance, das Szenario zu ihren Gunsten zu "lösen". ("Ihre Agenda durchzusetzten" oder wie auch immer) Könnte überspitzt heißen, dass ihnen die die Hälfte der NSCs von vorneherein gut gesonnen sind, und die andere Hälfte von vorneherein schlecht.
offen: Wieviele Ansätze es gibt. Im Worst Case gäbe würden alle NSC bis auf einen die Charaktere von vorneherein ablehnen. In einem sehr offenen Ansatz könnten alle NSC irgendwie zugungsten der Charaktere beeinflußt werden.

Persönlich finde ich halt "fair" und "offen" aussagekräftiger als das ideologisch verschwurbelte "frei".

ErikErikson

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #18 am: 5.01.2012 | 15:49 »
Das würde ich auch sagen, Kontrolle oder nach SCS Beeinflussbarkeit ist ein passenderer Begriff als Freiheit, um Sachen wie Metaplot oder RR zu beschreiben.


Eulenspiegel

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Re: Formen der Unfreiheit
« Antwort #19 am: 12.01.2012 | 17:17 »
Persönlich finde ich halt "fair" und "offen" aussagekräftiger als das ideologisch verschwurbelte "frei".
Sie sind nicht unbedingt aussagekräftiger. Sie sagen nur etwas vollkommen anderes aus.

"Fair" ist zum Beispiel eine Eigenschaft, die so ziemlich jeder Spieler wünscht. Ich kenne keinen Spieler, der auf Fairnis verzichten will.

"Offenheit" und "Freiheit" sind dagegen zwei Sachen, die je nach Spielstil erwünscht, aber auch unerwünscht sein können. So kann es bei einem Horror-Setting zum Beispiel erwünscht sein, dass es zwar offen, aber nicht frei ist.

Beim RPG "The Shab-al-Hiri Roach" gibt es zwar viel Freiheit, aber der Verlauf ist nicht offen.

Man muss sich halt vergegenwärtigen, dass fair, offen und frei drei verschiedene Achsen sind, die bei den unterschiedlichen Spielern unterschiedlich stark ausgeprägt sind. (Bzw. genauer: "Wunsch nach Fairnis", "Wunsch nach Offenheit" und "Wunsch nach Freiheit")

@ Sauron
Railroading ist eine Teilmenge der Unfreiheit. Es gibt aber auch Unfreiheiten, die mit Railroading nichts zu tun haben.