Autor Thema: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen  (Gelesen 12437 mal)

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #100 am: 16.10.2013 | 20:48 »
Hey, man darf bei Siedler von C. ja nichtmal eine Kreuzung bauen oder eine Siedlung fernab der Straße gründen.
Bei den narrativen Gesellschaftsspielen wie z.B. "Es war einmal" schon. Allerdings hat das alles eh nichts mit Thandbars Definition von "harten" und "weichen" Regeln zu tun...
« Letzte Änderung: 16.10.2013 | 21:12 von 6 »
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Offline Maarzan

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #101 am: 16.10.2013 | 20:59 »
Auch die weichen Elemente sind da ja unterschiedlich fest verankert.
Bei manchen Spielen steht nur vergeben sie Boni oder Mali nach diversen bunt gemischten Gesichtspinkten inklusive "Wichtigkeit" der Szene, etc. Andere Spiele haben lange Seiten rein and er angenommenen Schwierigkeit orientierten Beispielmodifikatoren, welche jeder als Messlatte für neue Modifikatoren heranziehen kann.

Aber auch die Rolle des SL kann unterschiedlich konstituiert sein. Mal ist er der kleine Gottkönig mit allen Freiheiten, anderswo ist seine Rolle zumindest in ihrer Zielsetzung klar umrissen und Balance, Spielweltplasuibilität oder etwas ähnlichem verpflichtet, was ihn zumindest mittel bis langfristig einbremst, wenn auch nicht zwingend in jedem Einzelfall.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Arldwulf

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #102 am: 17.10.2013 | 08:39 »
Ich denke dass dies für die eigentliche Fragestellung auch wenig Unterschied macht. Ob die Spielsituation nun so ist weil der SL von seinen gottgleichen Rechten gebrauch machte, weil es im Abenteuer so steht oder weil es ausgewürfelt wurde - oder aus welchem Grund auch immer:

Am Ende steht dort einfach eine Spielsituation, und die Frage ist nur wie man auf diese reagiert. Und ob die Reaktion Mißbrauch der Regeln darstellt oder nicht.

Aber viel interessanter finde ich die Frage was eigentlich "Mißbrauch" in diesem Zusammenhang bedeutet - denn ganz offensichtlich ist es ja hierbei nicht mit "Regeln nicht so verwenden wie sie gedacht sind" abgedeckt.

Offline Skiron

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #103 am: 17.10.2013 | 10:31 »
Ich würde auch gar nicht sagen dass dies zwingend der Fall ist - solange die Regeln weiterhin vorsehen dass man eigene Dinge einbringen kann. Denn dann hat man den Effekt, dass die vorhandenen Regeln als inspirierendes Element fungieren. Das man Orientierungshilfen für seine Ideen hat und Vorschläge wie sie umsetzbar wären.

Ich denke, dass ist einer der Hauptgründe, weshalb umfangreiche detaillierte Regeln gemocht werden.

Zumindest in unserer Runde war das ein Argument, dass ein Spieler meinte, wenn man wir Shadowrun auf ein Erzählsystem
konvertieren würde, dass er dann nicht sicher ist, ob er mit einem angemessenen Zeitaufwand genug Inspiration finden würde
und auch als wir Fate angefangen haben, war die Befürchtung, dass man vielleicht nicht kreativ genug dafür ist, wenn man
keine Vorschläge für Handlungen im Regelwerk findet.

Für mich spielt dabei das Argument, dass Dragnon hier vorbringt eine Rolle.

Ich glaube, dass der Unterschied auch in bestimmten Vorstellungen vom Rollenspiel liegt,
die wenig mit den Regeln an sich zu tun haben. Geht man davon aus, dass der Spielleiter eine Story strickt und es einem
dabei wichtig ist, dass es die Aufgabe ist, genau diese Story "herauszufinden" und der SL für die Charaktere schöne Momente kreiiert. Dann muss man erstmal den gedanklichen Sprung machen, dass es Arten gibt Rollenspiele zu spielen, in denen die Aufgabe nicht ist, eine Story herauszufinden, sondern man gemeinsam eine Geschichte durch die Interaktionsregeln erzeugt. Kennt man diese Perspektiven nicht, dann redet man zwangläufig anneinander vorbei, wenn man von unterschiedlichen Vorraussetzungen ausgeht.

Meine Erfahrung mit Fate war, dass der Spielleiter zu denen gehört, die gerne Stories erzählen wollen (allerdings mit Freiheit für die Charaktere dennoch mit Unterbringen der eigenen Story als Hauptelement) und der Fraktion, der Regeln nicht so wichtig sind und deshalb nach eigenem Ermessen die Hälfte der Fate Regeln weggelassen hat (insbesondere das soziale Konfliktsystem), was dann dazu geführt hat, dass die Überlegung war auf ein anderes Regelwerk umzusteigen, da er gemocht wird und seine Stories auch, letztendlich aber so geendet ist, dass wir mit Fate klassisch gespielt haben (sehr goldene Regelfokusiert), was geht und ok ist, allerdings für mich immer wieder zu Situationen geführt hat, in denen ich "geschwommen" bin, weil mir die Regeln für Interaktionen gefehlt haben und dadurch zumindest für mich das Spielgefühl nicht besonders fatig war. Und eben für mich zu mehr Unsicherheiten führt, als mir lieb ist. Als wir angefangen haben konnte man einen Hauch davon erahnen, wie das Spiel sein kann, wenn man die Regeln anwendet.

Und im Tanelorn kann man auch nachlesen, dass es Fate-Spielleiter gibt, die Boni und Mali auf Aktionen vergeben, ich kanns nachvollziehen, weil ich annehme, dass ist aus anderen Regelwerken so angewöhnt, unterläuft aber in meinen Augen die Intention von Fate.

Von daher stimme ich Dolge, was seine Argumentation anbelangt nicht zu.

Nach meinem Verständnis sind "harte" Regeln die, die man einfach anwenden kann, ohne dass ein menschliches Urteil dafür notwendig wäre, und die einem auch klar sagen, wann sie anzuwenden sind ("immer" oder "wenn X eintritt"). Und "weiche" die, die auf einen Gruppenkonsens oder eine andere Art der Entscheidungsfindung hinauslaufen, wozu eben standardmäßig die Ansicht von Plausibilität des SL gehört.  

Ich nehme an, Du meinst klare eindeutige verbindliche verbalisierte Regeln?

Das ist genau der Punkt, den ich oft in Diskussionen nicht nachvollziehen kann, die Regeln werden von Menschen angewendet,
in dem Sinne wie sie sie verstehen, oder wie es ihnen nützt. Von daher denke ich, dass die Regelanwendung oder Nichtanwendung vom menschlichen Urteil abhängig ist. Von daher sind mir klare eindeutige verbindliche "harte" Regeln lieber als "weiche" im Sinne von unausgesprochen oder "schwammig". Und eine Konsensfindung in der Gruppe lieber als SL-Urteil. Ich hab auch kein Problem mit Regeländerungen, solange sie in der Runde an und abgesprochen sind. Meist muss man dann sowieso erstmal sehen ob durch die Änderung der gewünschte Effekt eintritt.

Am Ende steht dort einfach eine Spielsituation, und die Frage ist nur wie man auf diese reagiert. Und ob die Reaktion Mißbrauch der Regeln darstellt oder nicht.

@Arldwulf, hehe* Gut auf den Punkt gebracht.
Leider kann man die Orginaldiskussion nicht nachlesen.
« Letzte Änderung: 17.10.2013 | 11:06 von Skiron »

Offline Arldwulf

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #104 am: 17.10.2013 | 11:13 »
Ich denke es ist auch wichtig sich klarzumachen dass der Unterschied zwischen Systemen mit konkreten Regeln und solchen mit eher allgemeineren Mechaniken nicht darin liegt "was man tun kann", weder im Bezug auf Flexibilität noch auf den maximalen Effekt der Aktion.

Auf das Beispiel im Ausgangsposting bezogen bedeutet dies: Natürlich kann der Spieler dies sowohl bei einem System mit allgemeineren Regeln tun als auch bei einem System mit konkret auf eine bestimmte Anwendung zugeschnittenen Regeln. Auch seine Erfolgschance muss nicht unterschiedlich sein. (Und ist der Beschreibung nach eher gering)

Offline Skiron

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #105 am: 17.10.2013 | 12:15 »
@Arldwulf, yepp. Sie können auch hoch sein, wenn so ein Spiel gewünscht ist. Aber dann wäre es kein Missbrauch.  ;D
Was wäre denn Missbrauch für Dich?

Für mich liegt der Hauptunterschied darin, bei umfangreiche detaillierte Regelwerke, braucht man sehr viel Zeit
und Gedankenarbeit um sich in sie einzuarbeiten (wenn man nicht so spielt, dass das sowieso nur der SL macht). Was am Spieltisch dann dazu führen kann, dass viel Buchgeblättert wird, es zu Missverständnissen über die Regeln kommt, Regeln öfter erklärt werden müssen und man auch viel Zeit braucht um die Regeln im Spiel zu lernen und die Feinheiten, die diese Regeln bewirken (vorausgesetzt sie werden überhaupt angewendet) mitzubekommen. Oder die Regelanwendung trotz verstehen und kennen langwierig, bei Kampfregeln z.B. Was von der gemeinsamen In Game Spielzeit abgeht.
Oder Regelelemente wegfallen. Bei Shadowrun ist mir erklärt worden (nachdem wir uns auf Playing by Book geeinigt haben) dass Decker und Rigger in Reinform und Matrix eigentlich nicht gespielt werden, da öde für die Mitspieler zum zuschauen und nervig in der Regelanwendung.

Was mir für ein SF Rollenspiel geradezu absurd vorkam.  ;D

Bei Regelwerken, die Mechanismen zur Interaktion anbieten ist mein Eindruck, dass man leichter das Regelsystem (so man sich die Mühe macht oder sich jemand die Mühe macht es zu erklären oder man es sich gemeinsam erarbeitet) verstehen kann und man schneller eine gute Orientierung für alle Spieler/SL erreichen kann, somit schneller & sicherer drauflosspielen kann. Sozusagen mehr In-Game Spielzeit oder Zeit um sich gemeinsam über Vorstellungen von Setting und Charakteren und wo man hin will im Spiel zu unterhalten.
« Letzte Änderung: 17.10.2013 | 12:25 von Skiron »

Offline 1of3

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #106 am: 17.10.2013 | 12:57 »
Aber: Was kann ich mir denn unter einer Regel vorstellen, die härter scheint als sie ist?

Beispiel, das mir einfällt sind z.B. die Beschreibungen der Fähigkeitsstufen in oWoD. Da wird für jedes Attribut und jede Fähigkeit auf allen fünf Stufen gesagt, was man sich darunter vorstellen soll. Das klingt erstmal durchaus sinnvoll, führt aber in der Praxis zu diversen Problemen:

- Es wird zunächst immer Attribut+Fähigkeit benutzt. Eigentlich wäre also die Summe interessant und müsste beschrieben werden.
- Weiterhin hat diese speziellen Listen eigentlich niemand im Kopf. Die Regel ist also intransparent.
- Die Festsetzung der Schwierigkeit ist davon noch einmal ziemlich unabhängig. Wenn es Ansätze gibt, haben die mit den beschriebenen Stufen nix zu tun. Meistens gibts aber gar keine.


Bei D&D4 gibts so Späße mit dem Begriff "Ally". Das hat im Grundregelwerk als Definition, "alles was nicht dein Feind ist". Klingt soweit gut. Aber wie soll das in praxi funktionieren? Die meisten Gruppen spielen de facto Ally = Willing target of your choice, Enemy = Target of your choice. Aber gewisse Regelbausteine brechen damit zusammen. Was passiert, wenn man gewisse Effekte auf leblose Objekte wirken will, ist völlig unklar. In einem Erratum kamen dann gewisse Richtlinien.

Ebenso fraglich sind gewisse Bewegungselemente in Angriffskräften. Ich kann z.B. durch Wände gehen und einen Angriff machen. Kann ich also immer durch Wände gehen? Würde Sinn machen, aber ist das gemeint?

Bei einem 3.x-Abenteuer vorgestern hatten wir gewisse Probleme mit "Zaubern". Der Dungeon hatte spezifische Auswirkungen auf das Wiedergewinnen von Zaubern. Funktionierte super für Magier und Kleriker. Mein Charakter war nun leider Sorcerer und hat seine Slots bevorzugt gar nicht zum Zaubern, sondern für sonstigen Spaß benutzt. Großes Fragezeichen.

Offline Arldwulf

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #107 am: 17.10.2013 | 13:41 »
Mhh, das sind nun eigentlich alles Dinge die recht klar geregelt sind. Aber wohl insofern dennoch gute Beispiele weil die Regelung nicht jedem bekannt sein muss.

Offline Thandbar

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #108 am: 17.10.2013 | 13:43 »

 

Ich nehme an, Du meinst klare eindeutige verbindliche verbalisierte Regeln?

Das ist zumindest mein derzeitiges Verständnis. Ich bin mir aber nicht sicher, wie tragfähig da Begriffspaar harte/weiche Regeln überhaupt ist.

Zitat
Das ist genau der Punkt, den ich oft in Diskussionen nicht nachvollziehen kann, die Regeln werden von Menschen angewendet,
in dem Sinne wie sie sie verstehen, oder wie es ihnen nützt. Von daher denke ich, dass die Regelanwendung oder Nichtanwendung vom menschlichen Urteil abhängig ist.

Harte Regeln sollten so formuliert sein, dass der Rahmen der Auslegung durch eine logisch gut durchdachte Regelsprache möglichst klein ausfällt, und dass auch Regeln zum Anwenden oder Nichtanwenden dieser Regeln vorhanden sind.
Ich habe sagen hören, dass die Monsterkartenregeltexte bei Yu-Gi-Oh so geschrieben wurden, dass sie auf japanisch möglichst 'cool' klingen.
Wenn man das Spiel dann spielen will, stößt man auf Probleme, weil auf eine verbindliche Regelsprache dabei nicht geachtet wurde und die Interaktion zwischen den coolen Beschreibungen gar nicht geklärt ist.

Weiche Regeln bemerkt man dann, wenn über die Regel geredet wird, und man eine passende Interpretation erst finden muss - teils mit dem Verweis auf Authentizität, Realismus, Erfahrung mit dem anderen Geschlecht und Rekordzeiten bei der letzten Olympiade.

Wie die Powers bei D&D4E im Kampf zu verwenden sind - das scheint relativ klar. Haben die Flufftexte aber eine Relevanz für Situationen außerhalb des Kampfes? Das ist dann eine Frage der Interpretation, die jeder Spieltisch unterschiedlich zu treffen hat und wodurch maßgeblich der Charakter des Spiels verändert wird.

Zitat
Von daher sind mir klare eindeutige verbindliche "harte" Regeln lieber als "weiche" im Sinne von unausgesprochen oder "schwammig".

Hängt bei mir sehr von dem Abenteuer-Element ab. Weiche Regeln haben den Vorteil, dass sie interpretationsspielraum lassen und häufig mehr Platz für Kreativität bieten (scheint mir zumindest so zu sein, wenngleich ich nicht bestreiten möchte, dass man im Rahmen harter, aber gut gebauter Regeln seine Kreativität auch ordentlich ausleben kann).

 
Mit harten Regeln für "sozialen Kampf" war ich bislang meistens sehr unzufrieden.

Zitat
Und eine Konsensfindung in der Gruppe lieber als SL-Urteil.

Hängt für mich auch sehr von der Situation ab und davon, was und wie man spielen möchte. Ein weites Feld!  :D

  
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Offline Slayn

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #109 am: 17.10.2013 | 13:47 »
Also läuft es, im Gegensatz zum Brettspiel, auf Sozialisierung, Erwartungshaltung und Wahrnehmung hinaus, ggf. noch Suspension of Disbelieve.
Wenn wir einander in der Dunkelheit festhalten .. dann geht die Dunkelheit dadurch nicht vorbei
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Offline Skiron

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #110 am: 17.10.2013 | 15:30 »
Das ist zumindest mein derzeitiges Verständnis. Ich bin mir aber nicht sicher, wie tragfähig da Begriffspaar harte/weiche Regeln überhaupt ist.

Ja. Das Problem sind die unterschiedlichen Assoziationen, die dazu auftauchen, jeder versteht darunter etwas anderes.

Ich finde Du hast das Problem im Rollenspiel in der Regelanwendung schon gut erklärt ein paar Postings zuvor.
Da gibt es klare und (scheinbar) eindeutige Regeln für Charaktere, die aber dadurch, dass die Anwendung der Regeln
nicht eindeutig und klar definiert ist schnell dazu führen kann, dass sie nicht mehr eindeutig und klar sind.
Wobei ich den Eindruck habe hier wird dazu gelernt, in dem in den Regelwerken dann steht, gewürfelt wird "nur"
wenn überhaupt die Chance besteht, dass der Charakter die Aufgabe nicht bestehen kann und nur dann, wenn
die Probe für das Spiel oder den Charakter relevant ist. Was im Grunde auch noch ziemlich schwammig ist.

Ich möchte noch dazu sagen, ich finde nicht alle harten Regeln gut, ich bin z.B. gegen die Goldene Regel.

Wurde im Kommunikationsthread schon angesprochen, dass in Regelwerken teilweise nicht erklärt wird wozu die Regeln dienen
sollen und welche Erwartungen mit diesen Regeln erfüllt werden können und sollen.

Weiche Regeln bemerkt man dann, wenn über die Regel geredet wird, und man eine passende Interpretation erst finden muss - teils mit dem Verweis auf Authentizität, Realismus, Erfahrung mit dem anderen Geschlecht und Rekordzeiten bei der letzten Olympiade.

Ja. Wobei ich denke, dass da wirklich eine große Rolle spielt, welche "Welt" man schon selbst im Kopf hat, die man als allgemeingültig erachtet, also welche Erwartungshaltungen man von sich aus mit ins Spiel bringt, die so gar nicht im Regelwerk oder Setting stehen.

Mit harten Regeln für "sozialen Kampf" war ich bislang meistens sehr unzufrieden.   

Mit welchen Regeln warst Du unzufrieden und aus welchen Gründen?
Und warst Du über die Regeln unzufrieden oder darüber dass sie nicht konsequent angewendet wurde und somit keine Auswirkungen hatten?

Mir ist aufgefallen, dass die Rollenspiele, die ich bisher gelesen habe gerne die "Tabu-Themen" in einem Satz abhandeln,
oder erst gar nicht thematisieren. Dazu gehört für mich Liebe, Sex, Gewalt, Tod. Hab schon oft gedacht, dass wär einen eigenen Thread wert.

Mein Verdacht ist ja, dass das ausgespart wird, weil sowieso gesellschaftliches Tabuthema und dann weil ev. nicht mehr so werbeträchtige Texte geschrieben werden könnten, sondern hier auf Konfliktpotenzial aufmerksam gemacht werden müsste.  >;D

Hängt für mich auch sehr von der Situation ab und davon, was und wie man spielen möchte. Ein weites Feld!  :D

Ist meine ganz persönliche Einstellung aufgrund meiner Erfahrungen.
Wenn jemand seinen Willen durchsetzt SL oder Spieler gegen Mitspieler/SL, ohne dass das in der Runde thematisiert wird (und seis, es wird einfach durchgewunken) kann das schnell zu sehr unangenehmen Konflikten führen, die dann auch gerne mal unangesprochen die Atmosphäre trüben. Und ich find das thematisieren auch schon deshalb gut, weil mir dadurch teilweise erst verständlich wird, aus welchen Motiven oder Beweggründen manche Entscheidungen getroffen werden und welchen Sinn die machen. Ich meine Mitspieler und SL also besser verstehen kann, was zumindest für mich auch das Zusammenspiel erleichtert.

Offline Maarzan

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #111 am: 17.10.2013 | 17:46 »
Der Unterschied zwischen harten und weichen Spiel als Extremposten eines Kontinuums liegen in dem Unterschied zwischen Entscheidungsfindung im Spiel primär durch Referenz oder durch kontinuierliche Verhandlung.
Ersteres gibt theoretisch jedem die Möglichkeit vorher feststellen zu können, ob ein Spiel ihm gefällt, wie es bestimmte Dinge regelt und darauf verlässlich und unabhängig seine Entscheidungen akut und in die Zukunft planend zu treffen.

Wenn die Regeln nichts taugen dann funktioniert das nur scheinbar und das Nutzen von Widersprüchen führt dann zu eben dem Eindruck von Missbrauch.

Weiche Regeln leben letztlich von der sozialen Situation und dem Gewicht, welches jeder darin hat. Ergebnisse sind theoretisch immer nur Momentaufnahmen und das Ergbenis von sozialen Machtpositionen. Eine Planbarkeit und Vertrauensschutz ist von der Regelseite her nicht gegeben, sondern liegt alleine in den Selbstregulierungen der sozialen Gruppe.

edit: Die goldene Regel ist z.B. keine "Regel" weil sie schnurstracks von Situation oben nach Situation unten führt.
« Letzte Änderung: 17.10.2013 | 17:47 von Maarzan »
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

alexandro

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #112 am: 17.10.2013 | 18:06 »
Weiche Regeln leben letztlich von der sozialen Situation und dem Gewicht, welches jeder darin hat. Ergebnisse sind theoretisch immer nur Momentaufnahmen und das Ergbenis von sozialen Machtpositionen. Eine Planbarkeit und Vertrauensschutz ist von der Regelseite her nicht gegeben, sondern liegt alleine in den Selbstregulierungen der sozialen Gruppe.

Ich habe festgestellt, dass dies in jedem Spiel der Fall ist - einzig der Grad des gegenseitigen Vertrauens variiert dabei. Und: zumindest bei mir war es so, dass Systeme bei denen wenige, sehr weit gefasste, Regeln (z.B. Fiasco, WoD) verwenden und großen Wert auf das soziale Miteinander legen besser funktionieren, als Spiele mit sehr "durchgeregelten" Systemen (Capes, D&D 3.x). Eigentlich sollte man meinen, dass Spieler bei "durchgeregelten" Systemen bereit wären, in den (wenigen) Bereichen in denen es keine klaren Regeln gibt, großzügig zu sein und Vertrauen in die Mitspieler an den Tag zu legen (da es ja "um nichts geht" und alles wichtige geregelt ist) - meiner Erfahrung nach ist aber gerade das Gegenteil der Fall und die erbittertsten Regeldiskussionen wurden über die belanglosesten "corner cases" geführt.

Im Gegenzug waren Spieler in Systemen, in denen Wohl und Wehe des Charakters von der gemeinsamen Aushandlung abhängig waren, deutlich lockerer wenn es darum ging "herbeierzählte" Konsequenzen für ihren Charakter zu akzeptieren (wenn ich zurückdenke waren sogar die beschissenen WoD-Runden (wir kennen sie alle :P ) in denen ich mitgespielt habe deshalb so beschissen, weil Spieler oder Spielleiter versuchten aus Disziplinbeschreibungen, Fluff-Texten oder Metaplot eine gewisse "Berechenbarkeit" abzuleiten und auf dann auf Teufel komm raus diese "Zusammenhänge" im Spiel haben zu wollen - egal was die anderen Spieler davon halten).

Offline Maarzan

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #113 am: 17.10.2013 | 18:39 »
Das ist wie mit dem Dualismus Gesetzeswerk oder Richter. Wenn man einen guten, weisen Richter hat, schlägt der jedes zwangsläufig beschränkte und statische Gesetzeswerk locker. Aber die wachsen nicht auf Bäumen und sind ggf auch nicht so einfach zu erkennen oder haben mal einen schlechten Tag, so dass ich doch sehr gerne auch ein (möglichst brauchbares) Gesetzeswerk dabei habe.

Und "großzügig" ist immer relativ. Es gibt keinen Grund, warum ausgerechnet der eine oder andere nachgeben sollte und auch die Beurteilung was Nebensache ist , ist eben Geschmackssache.

"Funktionieren" habe ich in deiner Schußrichtung nur echte Erzählspiele gesehen, wo die Leute quasi weitgehend von der Investition / Verknüpfung bezgl eines einzelnen Charakters befreit waren. Solange das nicht der Fall war habe ich bei Storyteller-Systemen den heftigsten Knatsch gesehen, ging doch scheinbar jeder mit der Vorstellung in das Spiel seine "bessere Story" mit seinem Starcharakter erleben/durchdrücken zu können.
Das waren aber zur Einordnung dann keine Privatrunden unter Freunden, sondern öffentliche Runden mit teilweise wöchentlich wechselnder Zusammensetzung.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

alexandro

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Re: Warum "weiche Regeln" nicht zum Missbrauch führen
« Antwort #114 am: 17.10.2013 | 23:48 »
Bei mir auch. Wöchentlich wechselnde Runden mit Fiasco (=harmonisch) vs. eingespielte Runden mit Pathfinder (=Knatsch).

Nebenbei braucht es mehr, als einen Richter.