Autor Thema: Freigeistige Fantasy - wie gehts?  (Gelesen 7591 mal)

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Offline nikol ogg

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Re: Freigeistige Fantasy - wie gehts?
« Antwort #25 am: 24.07.2015 | 20:19 »
Ich kann mich an eine experimentalsession vor Jahren erinnern, wo wir zu dritt erst jeder drei Begriffe auf Zettelchen notiert hatten (Person, Ort, und Gegenstand oder Setting, glaub ich) und jeder reihum blind drei Zettel zog und damit eine mikrosession für die anderen leitete. Hatte damit zwar einen Rahmen, für den wir alle drei verantwortlich waren, gleichzeitig aber auch eine traumhafte Qualität, da bekannte sujets unerwartet umgesetzt wurden. Wär das ein Ansatz?

(Mobil geschrieben, deshalb so bestusst)

Offline Ursus Piscis

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Re: Freigeistige Fantasy - wie gehts?
« Antwort #26 am: 24.07.2015 | 22:13 »
@ Blutschrei: Bitte jemand, die SL zu übernehmen, der zwar Fantasy und RPG-affin, aber relativ wenig gelesen / gesehen hat und damit unbeleckt ist.
Diese Leute haben meiner Erfahrung nach die kreativsten Ideen und die außergeöhnlichsten Storys, weil sie abseits der üblichen Wege unterwegs sind und schon gar nicht zwanghaft Klischees zu brechen versuchen, weil sie die gängigen Klischees gar nicht erst kennen.
 ;)

Dann einfach ein Regelleichtgewicht nehmen, das schnell erklärt ist und bei dem man ggf. der SL unkompliziert unter die Arme greifen kann (z.B. Destiny Beginner o.ä.).

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich so tatsächlich wieder - zumindest zeitweise - der oft vermisste sense of wonder einstellt.  :d

« Letzte Änderung: 25.07.2015 | 00:02 von Ursus Piscis »

Forlorn

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Re: Freigeistige Fantasy - wie gehts?
« Antwort #27 am: 29.07.2015 | 03:39 »
Es scheint wirklich schwierig zu sein, dieses dissoziative Gefühl des Neuen, die Wunder des Unbekannten in etablierten Rollenspielsystemen zu erleben. Manchmal ist der Hauch des Unbekannten, der tatsächliche Geschmack einer Speise, wiederzufinden, wenn man den Blick auf das fertige Produkt, die Spielwelt, eine seltsame Kreatur - die Speise eben verschwimmen lässt. Wenn der Spielleiter behauptet: "Ihr trefft einen Kobold in einer Tropfsteinhöhle", dann ist das Gehirn überflutet mit Assoziationen, Konventionen und Konnotationen des bereits hinlänglich Bekannten. Wenn er sagt: "Im Halbdunkel der nassen Stalagmiten versteckt sich eine Kreatur von der Größe eines Kindes. Sie starrt euch aus gelben Augen an, schnüffelt, scharrt mit den Füßen und im Licht eurer Fackeln glänzt ihre schuppige, schroffe und mattbraune Haut kränklich", bricht eventuell das Eis. Es finden alle möglichen Überlegungen statt. Man kramt nach Altbekanntem, vergleicht es mit dem Neuen und es knistert. Die Magie der Fantasygeschichten liegt in den Worten, nicht in der eigentlichen Handlung, denn diese ist meistens eh eine Mixtur aus etablierten Memes. Unbekanntes kann man nicht vergleichen, es müssen neue Verknüpfungen hergestellt werden.
Sinneseindrücke sind immer etwas Neues und daher kann ein Spielleiter gut damit arbeiten, um den Spielern wirklich jede Situation neu darzustellen. Wir nehmen zu Vieles als gegeben hin. Ist der NPC da drüben ein Paladin der zwanzigsten Stufe, oder riecht er stark nach Alkohol und hat tiefe Sorgenfalten? So war Fantasy mal früher und es hat gereicht.
Reduktion auf das Wesentliche, das tatsächlich Erfahrbare, hat einen enorm starken Effekt auf unsere Eindrücke und zerschlägt lang verklumpte Verknüpfungen.
« Letzte Änderung: 29.07.2015 | 03:54 von Forlorn »

Online tartex

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Re: Freigeistige Fantasy - wie gehts?
« Antwort #28 am: 29.07.2015 | 17:32 »
Ich denke, das klappt am besten, wenn man sich von Beschreibungen in Worten löst und stattdessen einfach mit Bildern arbeitet. Der Sense of Wonder, den zB die DSA1-Collagen-Cover für mich ausstrahlen, hängt für mich damit zusammen, dass es eben keine Eingrenzung der Beschreibung gibt. Es wird etwas angesagt, aber dabei nichts ausgeschlossen.

Um sowas auf Kampagnenlänge umzusetzen, wäre es natürlich wichtig nie zu lange an einem Ort zu verweilen. Denn je mehr Gelegenheit man hat, etwas festzunageln und zu analysieren, desto mehr verflüchtigt sich das freigeistige. Entweder es ist eine Reisekampagne - oder noch besser, die Umgebung wandelt sich traumartig. Die Gefahr dabei ist natürlich die Beliebigkeit. An einer kleinen Menge an Elementen sollte man festhalten.

Man könnte jeden Spieler vor Spielbeginn 15 Bilder seiner Wahl aussuchen lassen, die irgendwo außerhalb der EDO-Klischees liegen. Die anderen Spieler (inkl. Spielleiter) sehen diese Bilder vorher nicht. Dann wird zufällig ein Bild gezogen und daraus die erste Szene gebaut. Nach der Szene werden meinetwegen w3-1 (0-2) Elemente in die nächste Szene übernommen, oder in einen Backlog für später gelegt. (Wer es zufällig mag, kann es ja 1w6 Szenen später passieren lassen.) Dann wird das nächste zufällige Bild gewählt, und man muss halt einen Übergang herstellen. Langsam sammelt sich dann auch konkreteres an, aber das wird wohl auch überlagert werden.

Das würde ich dann aber mit einem klassischen System spielen, damit sich Verschwommenheit und Präzession irgendwie noch die Waage halten.

Songtexte, Gedichte und wahrscheinlich Musik allgemein, kann man dann ja auch noch dazu klatschen. Ich hatte zB einmal eine Gamma-World-Kurzkampagne darauf aufgehängt, dass die Helden die Lyrics von "Stairway to Heaven" als mysteriöse Prophezeiung gefunden haben, und dann nach den Elementen des Textes gesucht haben. Und sie natürlich auch auf ihren Reisen nacheinander entdeckten. Wichtig ist halt, dass man das Tempo hält.

« Letzte Änderung: 29.07.2015 | 17:35 von tartex »
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Forlorn

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Re: Freigeistige Fantasy - wie gehts?
« Antwort #29 am: 30.07.2015 | 00:27 »

[...]

 :d. Bilder können natürlich noch besser den Gedanken freien Lauf lassen. Vielleicht wäre es eine gute Übung, sich ein beeindruckendes Fantasy-Gemälde rauszusuchen und sich zu dem Motiv mal einen kompletten Spielabend auszudenken, einfach komplett frei und locker den Gedanken folgen. Aufschreiben, was beim Betrachten durch den Kopf fegt. Als Einzel Übung für den Spielleiter, um sich auf den von dir erwähnten Szenenbau mit der Gruppe vorzubereiten.

Offline D. Athair

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Re: Freigeistige Fantasy - wie gehts?
« Antwort #30 am: 30.07.2015 | 02:31 »
"Ihr trefft einen Kobold in einer Tropfsteinhöhle", dann ist das Gehirn überflutet mit Assoziationen, Konventionen und Konnotationen des bereits hinlänglich Bekannten. Wenn er sagt: "Im Halbdunkel der nassen Stalagmiten versteckt sich eine Kreatur von der Größe eines Kindes. Sie starrt euch aus gelben Augen an, schnüffelt, scharrt mit den Füßen und im Licht eurer Fackeln glänzt ihre schuppige, schroffe und mattbraune Haut kränklich", bricht eventuell das Eis.
Ist für mich beides ... same old, same old ][repeat.

Deswegen mag ich Newt Newport's "Monsters are People too" so gern. Hier braucht man nicht etwas Bekanntes verschleiernd und stimmungsvoll neu zu beschreiben, sondern es geht vielmehr darum, dass diese Kobolde nicht im luftleeren Raum existieren. Sie haben sowas wie Kultur, Gesellschaftsordung, Persönlichkeitszüge, ... das die Betrachter schemenhaft wahrnehmen. Vielleicht stimmen die 3.X-Setzungen für Kobolde in deiner Homebrew-Welt ja gar nicht.

Und deswegen mag ich auch Raggi's Random Esoteric Creature Generator, der sinngemäß dazu einladen will auf klassische Monster ganz zu verzichten. Selbst irgendwelches Gesocks zu überlegen.

Kurz: Beide sagen sinngemäß "Schmeiß deine Monsterbücher weg".
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan

Offline Turning Wheel

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Re: Freigeistige Fantasy - wie gehts?
« Antwort #31 am: 30.07.2015 | 16:16 »
Kurz: Beide sagen sinngemäß "Schmeiß deine Monsterbücher weg".

Wäre nicht auch ein Monsterbuch vorstellbar, wo gar keine der üblichen Verdächtigen sondern nur neue Ideen drin sind? Oder wäre das auch schon wieder zu konkret?