Das Tanelorn spielt > [Cthulhu] Spawn of Azathoth
[SoA 2. Akt] Am Kaiserdamm - Sa., 17.09.1927
Der Läuterer:
Samstag, 17. Sept. 1927
IM EINGANGSBEREICH DES HAUSES
Als Ihr nach Hause kommt und die Tür aufschliesst, seht Ihr einen Brief am Boden liegen, der offensichtlich unter der Tür durchgeschoben wurde.
Darauf geschrieben, in etwas krakeliger Handschrift, steht:
z.Hd. Hr. Anton
Joran:
IM EINGANGSBEREICH DES HAUSES
Verwirrt betrachte ich den Brief am Boden. Die Dienstbotenpost hat hier eigentlich nichts zu suchen. Verlegen murmele ich: "Entschuldigung ... ich habe keine Ahnung ..."
Dann lasse ich den Brief in der Innentasche meines Jackets verschwinden und gebe mich wieder dienstbeflissen: "Wenn Sie den Wagen nicht weiter benötigen, würde ich ihn in die Garage stellen?"
Gleichzeitig zermartere ich mir das Gehirn, von wem der Brief stammen könnte.
Joran:
AM KAISERDAMM
Kaum dass die Motorengeräusche des Mercedes W 03 verklungen sind, ziehe ich den Brief wieder aus der Tasche und reiße ungeduldig das Covert auf. Im Halbdunkle der Garage lese ich zuerst die Unterschrift und dann die knappen Worte von Trudi:
Tachchien Herr Anton,
gegen Mittag habe ich Frau von Eisenstein im Wohnzimmer
aufgefunden. Tot. Vor dem Mittagessen.
Schrecklich. Es hätte mich beinahe der Schlag getroffen.
Der Arzt war hier. Er sagte etwas von Überbeanspruchung.
Es ist wohl doch ein Fall für meinen guten Sherlock Holmes.
Ne Verschwörung mit Doppelmord und russischen Spionen.
Ihre Trudi
Ich brauche einen Augenblick, um die Nachricht zu verdauen. Dann schwirren die wildesten Gedanken durch meinen Kopf:
"Ein Mord? ... Dieser Doktor Degebach hat sie als letzter untersucht. Warum hat er nichts gefunden? Oder hat er ihr irgendein Mittel verabreicht, das zum Tod geführt hat? Aber warum sollte er? ... Ein schlichter Zufall? Die arme Frau war stark mitgenommen, aber doch nicht so sehr, dass man hiermit gerechnet hätte. Ein wenig Riechsalz reichte aus, ihre Lebensgeister zu wecken. ... Und Krassimir? Nein, dann wäre die Leiche wohl ebenfalls mumifiziert gewesen. Der Russe war zum Zeitpunkt des Todeseintritts irgendwann kurz vor Mittag zudem in der Sternwarte. ... Kirill und Blumberg waren auch in der Sternwarte. ... Ich denke, Trudi kann ich getrost ausschließen. Ihr Gemüt ist kaum das einer Mörderin! ... Was ist mit der Familie? ... Lydia? Die soll sich in Britisch Indien aufhalten. Entspricht das der Wahrheit? ... Lydias Päckchen? Frau Lohenstein hatte es auch in der Hand und ihr ist nichts geschehen ... nun ja, NOCH nicht? ... Was ist mit diesem verknöcherten Pastor ... Hieronymus von Eisenstein? ... Ob Hieronymus selbst körperlich zu einem Mord in der Lage wäre? In jedem Fall könnte es sein Diener, dieser ... Bastian. Hieronymus schien seinen verstorbenen Bruder zu hassen ... offensichtlich ganz im Gegensatz zu seinen Empfindungen für Lydia. Aber es gab keinen Hinweis auf einen Groll gegen Elfriede von Eisenstein, des Professors zweite Frau. Warum sollte er sie töten wollen? Das Erbe des Professors dürfte wohl kaum ein Motiv darstellen ... Wer aus der Familie ist garnicht zur Beerdigung erschienen? ... Dann gab es da noch dieses ominöse Mädchen mit den langen Beinen, dessen Verbleib ungeklärt ist. Vielleicht lebt das Mädchen garnicht mehr. Nun, vom Professor geschwängert und dann fallen gelassen könnte so ein junges Ding schon Rachegelüste entwickeln, wäre tatsächlich Liebe im Spiel gewesen. Aber so etwas entlädt sich doch eher sofort und nicht erst nach Jahren?"
Eines nach dem anderen ziehen die Gesichter der Trauergäste vor meinen inneren Augen vorüber, aber ich bleibe ratlos.
"Nun, ich sollte die Lohensteins wohl informieren", entscheide ich. Ich verschließe die Garage und kehre in die Stadtvilla zurück. Die Lohensteins sitzen bei einer Tasse Tee im Salon und warten darauf, dass das Mädchen das Essen serviert hat. Beide scheinen ihren jeweiligen Gedanken nachzuhängen und es fällt nicht schwer zu erraten, dass es dabei um die Geschehnisse des Vormittags geht. Nur ein gelegentliches Klappern des Geschirrs durchbricht die Stille. Ich räuspere mich und bleibe mit der Mütze in den Händen an der Tür des Salons stehen. Als die Lohensteins fragend von ihren Tassen aufschauen, beginne ich meinen Bericht:
"Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass die Witwe Elfriede von Eisenstein heute Vormittag überraschend verstorben ist. Die Haushälterin, das Fräulein Massmann, hat sie im Wohnzimmer aufgefunden. ... Die jüngsten Ereignisse scheinen ihr Herz überfordert zu haben. ... So sagt wohl der Arzt. ..."
Meine Stimme verrät wohl die Zweifel an der Diagnose des Arztes. Aber stehen mir solche Verdächtigungen zu? Verlegen senke ich den Blick.
Katharina:
AM KAISERDAMM
Schweigend sitze ich Wagen, während Herr Hempel uns nach Hause fährt. In meinem Kopf sind tausende Gedanken und zugleich: Nichts. Wie in Trance steige ich aus, den Gesichtsausdruck ausdruckslos, den Mantel fest um den Körper gewickelt, obwohl es eigentlich gar nicht so kalt ist. Im Haus angekommen, bleibe ich erst einmal im Vorraum stehen. Achtlos drücke ich Irmi, der guten Seele des Hauses, meinen Mantel in die Hand und lasse mir von ihr Hausschuhe reichen. Herrn Hempel, der irgendwelche Fragen stellt, bekomme ich dabei gar nicht wirklich mit und murmel lediglich ein "Jaja" als er mich so ansieht als würde er eine Antwort auf das was er eben gesagt hat - was war das noch einmal? - erwarten.
Dann will ich mich schon auf den Weg in den Lesesaal machen, da mich der Gedanke nicht loslässt, in den frühromantischen Erzählungen bereits einmal von einem solchen Leuchten in den Augen gelesen zu haben. Doch in diesem Moment packt Hans meine Hand. Ich zucke zusammen, so kalt sind seine Finger. Jetzt fällt mir auch erst auf, wie blass er ist.
"Frau Irmi, könnten Sie bitte Tee anrichten und eine Decke bringen!" Während die rundliche Frau sofort ans Werk geht, führe ich Hans langsam in die Küche, wo es - nachdem niemand den Kamin im Salon angeheizt hat - wohl am wärmsten ist. Langsam lasse ich meinen Mann auf den Stuhl gleiten und nehme schweigend seine Hände in meine, als Irmi auch schon zwei dampfende Tassen vor uns abstellt.
In diesem Moment platzt Herr Hempel herein und beginnt zu erzählen. Als er den Tod erwähnt, schlage ich die Hand vor den Mund. "Die gute Frau.", bringe ich schließlich hervor, "Es war wohl alles zu viel für sie. Wie furchtbar!" Ich brauche einige Augenblicke um mich zu sammeln, während Hans ausdruckslos vor sich hinstarrt, so als hätte das Gesagte gar nicht mitbekommen. "Irmi, richten Sie bitte schwarze Abendkleidung her. Herr Hempel, können Sie Blumen besorgen? Ich möchte der Familie heute noch kondolieren." Kurz zögere ich, denke nach und ergänze schließlich: "Woher wissen Sie eigentlich von dem Todesfall? Und...wollten Sie vorher etwas andeuten?"
Joran:
AM KAISERDAMM
"Die Trudi ... Fräulein Massmann ... war so freundlich, mich zu informieren. Sie dachte wohl, dass Sie möglichst schnell informiert werden sollten? ... Aber sie konnte ja als Haushälterin nicht der Familie zuvorkommen und Ihnen eine Karte schicken! ... Die arme treue Seele sitzt da jetzt ja ganz alleine in dem düsteren, kalten Haus."
Etwas unsicher wage ich mich vor: "Was die Frau von Eisenstein angeht bin ich ein wenig verwundert und beunruhigt. Ich bin eine Weile Ambulanzen gefahren, wie Sie wissen. Im Krieg und auch danach. ... Sicher, ich habe keine besondere Erfahrung mit dem Gemüt solcher feinen Damen von Stand, aber die Witwe wirkte auf mich doch noch ganz ansehnlich ..." Ich schlucke angesichts meiner unglücklichen - wenngleich zutreffenden - Wortwahl und versuche den Bogen noch zu bekommen: "Ich meine, ein wenig Riechsalz und die gute Frau war soweit wieder hergestellt. Tatsächlich war vor allem das etwas zu enge Kleid verantwortlich für die Ohnmacht, wenn Sie mich nach meiner unmaßgeblichen Meinung fragen. Das hat ihr die Luft abgeschnürt. Als der Doktor Degebach kam, hatte ich schon alles ... naja ... Ich bin selbstverständlich kein Arzt. Aber auch der Doktor Degebach hat doch nichts ernsthaftes festgestellt. ... Da ist es doch ungewöhnlich, dass die feine Dame einen Tag später einfach tot umfällt! ..."
"Ich will nichts andeuten", versuche ich mich zu rechtfertigen. "Ich mache mir nur Sorgen. Vermutlich würde ich mir garkeine Gedanken machen, wären da nicht all diese weiteren Verwicklungen um den seligen Professor von Eisenstein ... mit der Sternwarte und den Finanzen und den Russen und dem Mädchen und so. Hinzu kommen die ganzen weiteren Toten: der Wachmann, die beiden Lupensammler und Kirill. ... Möglicherweise lag es ja auch an diesem Päckchen, dass die Witwe Ihnen gezeigt hat ... Wer weiß welche Krankheiten aus den Tropen da mitgeschickt worden sind?" Ich werfe der Frau Professor einen vorsichtigen, zugleich aber auch besorgten Blick zu.
Ich muss an die Verwandlungen denken, die mit Krassimirs Opfern vonstatten gingen. Offenbar blieb der Witwe dieses Los der Mumifizierung erspart. Die eine Todesursache hat mit der anderen scheinbar nichts zu tun. Der Gedanke führt mich jedoch zu etwas anderem und lässt mich über meine Tasche streichen.
"Aber da ist noch etwas ..." Ich zögere, bevor ich weiterspreche. "Als ich im Park war, habe ich die Stelle gesucht, an der der tote Wachmann der Sternwarte gefunden wurde. ... Sie erinnern sich an den Hund in der Sternwarte ... Fritzchen? ... Der gute hat schon den Wachmann entdeckt und war jetzt wieder dort im Schilf unterwegs. Fritzchen hatte offensichtlich etwas gefunden. Er bellte und war ganz aufgeregt. Ich habe nachgesehen ... und das hier gefunden."
Zögernd ziehe ich das Butterbrotspapier aus der Tasche Es riecht nach einer Mischung aus Wurst und Morast, ist ein wenig fettig, verknittert und um den länglichen Inhalt gerollt. Die Situation erscheint mir gänzlich absurd, wie ich da mit dem verpackten Finger in der Tür stehe und der Frau Professor zum Tee ein Leichenteil in Butterbrotspapier präsentiere. "Den kann ich unmöglich jetzt einfach so auf neben die Teekanne zum Gebäck legen!" Ich wickle das kleine wurstförmige Päckchen nicht aus, sondern verharre in der Bewegung.
"Das ist ein Finger des Wachmanns. Er ist ... mumifziert, ... wie der Mann mit der Brille in der Sternwarte ... Kirill vermute ich ... und wie die Arme des Studiosus." Ich starre auf das gleichsam abstoßende und faszinierende Beweisstück in meiner Hand, als könnte ich durch das Papier hindurchblicken. "... Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich konnte ihn doch schlecht einfach im Matsch liegen lassen? Immerhin gehörte er zu einem Menschen, Gott hab ihn selig. Ich dachte, ich bringe das später auf den Friedhof oder so. ... In der Sternwarte habe ich ihn über die ganze Aufregung dann vergessen. Sonst hätte ich ihn der Polizei gegeben. ..." Langsam taste ich mich über die Lüge zu meinem wahren Plan vor, den ich selbst aber nicht realisieren kann. Dafür sind Kontakte zu den richtigen Leuten nötig. Kontakte, über die die Lohensteins im Unterschied zu mir vielleicht verfügen. Doktor Degebach sollte eine ganz besonderes eigenes Interesse an einer Untersuchung haben. Nur würde der mich kaum ernst nehmen. "Aber vielleicht könnte man ihn auch ... von einem Fachmann ... untersuchen lassen? ... Damit es nicht noch mehr Tote gibt?"
"Wenn das falsch war ... bringe ich ihn gleich zur Polizei ... oder zum Pastor?"
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