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[Night´s Black Agents] The Dracula Dossier

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Chiarina:
Recherche in Sibiu (4)



Für den zweiten Besuch der Ausgrabungsstätte werden Vorbereitungen getroffen. Samir richtet Überwachungskameras auf die wichtigen Punkte: Die Versorgungshütte, in der der Metallsarg untergebracht wurde und die Wachhütte am Ende des Weges, der zu den Ruinen hinauf führt. Wenn sie im Lager sind, werden sie diese Orte permanent überwachen können. Die Agenten beobachten, wie zwischenzeitlich vor der Versorgungshütte zwei Wachen Stellung bezogen haben. Auch die übrigen Wachen scheinen nach der vergangenen Nacht etwas aufmerksamer zu sein. Ansonsten hat sich das Verhalten der dort Anwesenden aber kaum verändert. In der Abenddämmerung kann Vasily entdecken, wie die rumänische Frau ein Zelt verlässt. Es steht nah an den Ausgrabungen. Zwischen ihrem Zelt und der Versorgungshütte stehen weitere zwei Zelte.

Nach Einbruch der Dunkelheit betreten die Agenten die Ausgrabungsstätte in zwei Gruppen. Samir, Cevas und Kristina schleichen sich an die Versorgungshütte heran. Während Samir wartet, machen Kristina und Cevas mit den dort postierten Wachen kurzen Prozess: Kristina stößt einem der Männer ihren Gewehrkolben ins Genick, Cevas ergreift den anderen von hinten, bedroht ihn mit dem Messer und drückt ihm dabei so den Hals zu, dass er wenige Augenblicke später ohnmächtig zu Boden sinkt. Die drei Agenten schlüpfen schnell in die Hütte, die Wachen ziehen sie hinter sich her.

Auf der anderen Seite des Lagers schleichen sich Yuri und Vasily an einen Bagger heran. Yuri befestigt eine Sperrvorrichtung am Lenkrad und arretiert das Gaspedal. Dann schließt er die Zündung kurz. Beide Männer verschwinden wieder, während der führerlose Bagger auf die Wachhütte zufährt und schließlich in sie hineinkracht. Die beiden dort stationierten Wachen rennen heraus, schreien und versuchen den Bagger zum Stehen zu bringen. Dabei laufen rund zwanzig Leute aus dem Lager zusammen.

Die Ablenkung nutzen Cevas, Vasily und Kristina um unter dem Metallsarg eine Sprengung vorzubereiten. Mühsam werden zwei Keile unter dem Metallsarg geschoben, im frei gewordenen Zwischenraum deponiert Cevas den gesamten Sprengstoff, den er noch besitzt. Kristina zieht die ohnmächtigen Wachen in eine Ecke des Raumes und legt ein paar Zementsäcke vor ihnen ab. Vielleicht überleben sie so die Detonation, so ihre Hoffnung. Schließlich bringt Cevas einen Zeitzünder an und die Agenten bringen sich in Sicherheit. Fünf Minuten später fliegt die gesamte Hütte in die Luft.

Zurück in ihrem Stützpunkt beobachten die Agenten das weitere Geschehen im Lager. Vor der zerstörten Hütte hat sich die rumänische Frau aufgebaut. Sie wedelt wild mit ihrem Stab herum und singt seltsame Melodien. Ihr gegenüber befinden sich in gebührendem Abstand einige Arbeiter und Wachen aus dem Lager. Cevas erinnert sich plötzlich an Passagen aus okkulten Werken, die er studiert hat: Das ist ein Beschwörungszauber – was die Frau herbeirufen will, weiß er aber nicht. Dafür kommt ihm der Name einer Roma Sippe in den Sinn, von der erzählt wird, dass sie derartige Praktiken pflegt: die Ruvari Szgani – Wolfszigeuner!

Als er seinen Mitstreitern erzählt, was dort unten im Lager vor sich geht, beschließen sie, nicht bis zum Ende des Rituals der rumänischen Frau zu warten. Kristina holt ihr Snipergewehr, legt an und erschießt die Frau. Im Lager macht sich daraufhin Panik breit. Männer rennen zu der Frau, schreien durch die Nacht, einige fliehen auch in die Dunkelheit. Schließlich tauchen die drei Briten auf, die die Ausgrabungen leiten. Sie informieren sich über die Vorfälle und begeben sich dann zu dritt in eine Hütte. Samir richtet die Richtmikrophone aus und versucht die Gespräche der Briten abzuhören. Das gelingt zumindest zum Teil. Aus den Unterhaltungen der Männer wird immerhin deutlich, dass sie ihr Unternehmen als gescheitert erachten. Sie unterhalten sich darüber, wie sie eine größere Blamage verhindern können, ob sie ein paar Fundstücke zumindest als Teilerfolg präsentieren können und wie sich das Lager möglichst schnell wieder auflösen lässt. Die Agenten sind zufrieden. Was auch immer sich in dem Metallsarg befunden haben mag – es sieht nicht so aus, als würde es zukünftig noch irgendein Unheil anrichten können.

Am nächsten Morgen planen die Agenten ihr weiteres Vorgehen. Im Internet suchen sie nach Informationen über die Roma Sippe der Ruvari Szgani. Viel findet sich nicht, immerhin aber wird die Sippe verdächtigt vor zwei Jahren einen Mordversuch auf die Menschenrechtsaktivistin Aishe Balan unternommen zu haben. Balan ist selbst Mitglied der Roma und setzt sich für die Interessen ihres Volkes ein. Warum versuchen Mitglieder ihres Volkes sie umzubringen? Die Neugier der Agenten ist entfacht. Balan wohnt in Bukarest. Früher oder später wollen die Agenten ihr einen Besuch abstatten. Vasily fällt auch sein Kontakt Dr. Ionescu an der Universität zu Karlstadt wieder ein. Auch ihm könnte er ein paar Fragen zu der Angelegenheit stellen.

Dann wird die kommentierte Dracula-Ausgabe, die die Agenten in London in ihren Besitz bringen konnten, genauer studiert. Sie ist mit Anmerkungen versehen, die auf drei unterschiedliche Kommentatoren schließen lassen: einer aus der Zeit des zweiten Weltkriegs, einer aus den siebziger Jahren, einer aus der unmittelbaren Vergangenheit. Auf viele Details können sich die Agenten keinen Reim machen. Dennoch entdecken sie ein paar Überraschungen:

In einem Kommentar ist von einem gewissen Balan die Rede, der zur Zeit des zweiten Weltkriegs einen britischen Agenten vor dem Zugriff Draculas gerettet hat. Der Mann war offensichtlich ein Roma und gab zu, dass andere Roma für Dracula tätig seien. Handelt es sich um einen Vorfahr der Menschenrechtsaktivistin?

An einer Stelle heißt es, die Ruvari Szgani sei die berüchtigteste aller Roma Sippen. Vielleicht sind gerade ihre Angehörigen als Hilfstruppen für Graf Dracula tätig gewesen?

In einem Kommentar heißt es, dass sich in den Siebziger Jahren im Auftrag eines gewissen Dragos ein amerikanischer Geistlicher das rumänisch-orthodoxe Erzbistum von Sibiu aufgesucht hat. Dieser Geistliche sei aber eigentlich ein Agent gewesen, habe nach der Scholomance gesucht und sei deshalb in die umliegenden Berge aufgebrochen. Der Kommentator behauptet, er habe möglicherweise Schwierigkeiten mit einer Roma Sippe bekommen.

Was ist die Scholomance? Die Agenten recherchieren weiter. Es handelt sich angeblich um eine Schule der Magie, die vom Teufel selbst geleitet wird. Jeden zehnten Schüler nimmt er mit in die Hölle, den anderen bringt er schwarzmagische Künste bei. Angeblich hat Dracula selbst bei ihm Magie studiert.

Warum können amerikanische Geistliche in den Zeiten des Kommunismus in Rumänien Nachforschungen anstellen? Die Agenten stoßen auf Hinweise über weitere Informanten Großbritanniens. Das Ganze klingt danach, als seien britische Spione damals in Rumänien recht rege gewesen. Offenbar jagten sie einen Überläufer, der damals nach Rumänien geflüchtet ist. Was ist geschehen?

Die Agenten reisen nach Sibiu. Sie wollen der dortigen rumänisch-orthodoxen Gemeinde einen Besuch abstatten. In der Stadt angekommen nehmen sie sich ein Hotelzimmer, dann besuchen sie den Sitz des Erzbischofs. Sein Haus steht direkt gegenüber der eindrucksvollen barocken Dreifaltigkeitskathedrale im Stil der Istanbuler Hagia Sophia. Die Agenten betreten das Gebäude und folgen den Wegweisern zum Archiv. Dort werden sie von einer unsicheren Mitarbeiterin begrüßt, die nicht weiß, wie sie auf ihr unangekündigtes Auftauchen reagieren soll. Schließlich bittet sie die Agenten, doch zuerst einmal in der Anmeldung vorbeizuschauen. Die dort arbeitende Rita Silivasi begrüßt die Agenten streng. Ein paar höfliche Worte und besonders ein paar schmeichelnde Floskeln Samirs können aber das Eis brechen. Rita führt die Agenten in das Gemeindearchiv und verbringt mit ihnen dort einen Nachmittag. Die Ausbeute ist bescheiden. Es findet sich aber immerhin ein maschinengeschriebenen Brief, in dem der Primas der rumänisch-orthodoxen Kirche den damaligen Erzbischof von Sibiu anweist, den amerikanischen Geistlichen Andrew Rollet zu empfangen. Mit Rückfragen soll sich der Erzbischof an einen gewissen Eugene Dragos halten. Es folgt eine britische Telefonnummer. Handschriftlich wurde dem Brief das Wort „angekommen“ hinzugefügt, später noch die Worte „leider verschollen“.

Freundlich bedanken sich die Agenten bei Rita Silivasi und kehren in ihr Hotel zurück.

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Im ersten Teil der Sitzung gab es keine Probleme. Die Spieler sind geschickt vorgegangen, haben gut gewürfelt und konnten deshalb ohne große Schwierigkeiten die Wiederbelebung des Vampirs aus den Ruinen des Klosters von Salard verhindern.

Allerdings haben wir eine interessante Regel des Burn-Modus´ eingeführt: Agenten, die Menschen umbringen, verlieren ein Punkt Maximalstabilität. Der kann durch Erfahrungspunkte wieder hinzugefügt werden, wer das allerdings nicht tut, entwickelt sich eben mit jedem Mord weiter zu einem Soziopaten. Kristina hat mit dem Auslöschen der rumänischen Zauberin heute einen Schritt in diese Richtung getan.

Im zweiten Teil hat mich die Recherche meiner Gruppe heute völlig überrollt. Fünf Leute, die gleichzeitig in ihren PDFs des Dracula-Dossiers mittels Volltextsuche irgendwelche Schlüsselbegriffe eingeben und zwischendurch von mir über Headphone irgendetwas wissen wollen, was sich möglicherweise irgendwo in diesen 350 Seiten des Dracula-Dossiers befindet, waren einfach zu viel für mich. Ich bin nicht mehr gut mitgekommen.

Eigentlich hatte ich schon ein paar erste Reaktionen Draculas und Operation Edoms auf die Aktivitäten der Agenten ausgearbeitet, aber ich kam gar nicht dazu, sie irgendwie einzubauen. Schon der Versuch auf alle aufkommenden Rückfragen der recherchierenden Spieler Antworten zu finden, war kaum machbar.

Jetzt habe ich einen Haufen Hausaufgaben. Immerhin weiß ich aber, was die Agenten beim nächsten Mal vorhaben. Sie wollen zuallererst die Scholomance suchen. Danach werden sie versuchen mit der Menschenrechtsaktivistin Aishe Balan Kontakt aufzunehmen. Das lässt sich vorbereiten.

Chiarina:
Im Zibingebirge (5)



Die Agenten versuchen herauszufinden, wo sich die Scholomance befindet. Der einzige Hinweis aus dem Dracula Dossier deutet auf einen Hermannstädter See irgendwo in den Bergen bei Sibiu hin. Hermannstadt ist der alte, deutsche Name für Sibiu. Einen Hermannstädter See gibt es aber nicht. Die Agenten überlegen, wo sich Informationen über diesen Ort befinden könnten und beschließen, die ASTRA National Museen in Sibiu zu besuchen. Zwar finden sich in diesen Museen auch ägyptische Mumien und Fundstücke aus aller Welt, sie wollen aber auch die rumänische Kultur bewahren, besitzen ein Freiluftmuseum mit einem wieder aufgebauten vorindustriellen rumänischen Dorf, transsylvanische Kirchenschätze und ähnliche Exponate.

Während eines Gesprächs mit der Museumsleitung kann sich Cevas als Kunstexperte ausgeben. Er darf sich mit seinen angeblichen Kollegen im Archiv des Museum umsehen. Die Agenten lesen ein paar Legenden über die Scholomance, die alle völlig märchenhaft wirken. Immerhin wird in einigen von ihnen unabhängig voneinander erwähnt, dass die dort praktizierte Magie in der Lage sei, dämonische Geister zu beschwören und in Gegenstände und Waffen zu bannen.

Beim Stöbern durch die Werke regionaler Künstler des 19. Jahrhunderts stoßen die Agenten auf eine Stadtansicht Sibius. Kristina erkennt die Kathedrale der Heiligen Dreifaltigkeit und die dahinter liegende Silhouette der Berge am Horizont, zu Füßen des Malers ist ein kleiner Bergsee eingezeichnet. Über dem See dräuen düstere und bizarre Wolkenformationen. Ist das der Hermannstädter See? Die Anhaltspunkte, die das Bild liefert, reichen aus, um den See in südöstlicher Richtung zu verorten. Nach einem Vergleich mit einer Landkarte ist relativ schnell der wahrscheinlichste Kandidat ausgemacht: „Iezerul Mare“ heißt der kleine Gletschersee heute. Sein Name ist etwas trügerisch und kann mit „großer See“ übersetzt werden. Er liegt in einem Nationalpark und einer Bergregion, die den Namen „Teufelshöhe“ trägt.

Die Agenten machen einen Einkaufsbummel und besorgen sich eine Taucherausrüstung. Dann fahren sie zu einem Hotel im Tal „Hohe Rinne“, das in Richtung des Sees gelegen ist. Am nächsten Morgen brechen sie mit dem Auto in Richtung des Sees auf.  Irgendwann ist die Straße zu Ende und den Agenten  steht ein dreistündiger Aufstieg bevor. Nach einer Stunde erreichen sie eine Försterhütte. Der Hausherr ist anwesend und zeigt ihnen den Weg. Noch während sich die Agenten aber von seiner Hütte entfernen schaut sich Kristina um und sieht, wie ihnen der Förster lange hinterherschaut.

Schließlich ist der See erreicht. Er ist einer der Vulkankrater des Zibingebirges und befindet in der Nähe von dessen höchstem Gipfel in mehr als 2200 Meter Höhe. Es ist empfindlich kalt. Die Agenten schauen sich um und entdecken am Hang über dem See einen Höhleneingang. Während sie sich vorsichtig nähern, ziehen über ihnen dunkle Wolken auf.

Schließlich betreten die Agenten die Höhle. Sie ist voller losem Geröll und im Schein ihrer Taschenlampen nicht ganz ungefährlich. In ihrem hinteren Bereich befinden sich einige Nischen, die aber nicht weiter in den Berg führen. Die Agenten leuchten die Höhle aus und scheuchen ein paar große Vögel auf, die den Ort wild flatternd verlassen. Dann stoßen sie auf eine zerklüftete Stelle, an der es so aussieht, als seien mehrere Gesteinsschichten aufeinander gestoßen. Schließlich entdeckt Cevas einen Felsbrocken, auf dem in altgriechischen Lettern jemand ein Wort eingeritzt hat: TARTARO. Cevas kann sich darauf keinen Reim machen: Tartarus, die antike Hölle der Folter und riesigen Monster? Ein Hinweis aus dem Mittelalter auf die mongolischen Tartaren? Der Name eines räuberischen Höllenfürsten? Das lässt sich unmöglich sagen.

Noch während sich Cevas aber über den Stein beugt und versucht, in den Buchstaben einen Sinn zu erkennen, verliert er die Kontrolle über seinen Geist. Er fühlt sich für einen Moment, als befände er sich an einem anderen Ort. Cevas sieht in ein altmodisches, rumänisches Wohnzimmer. Die Vorhänge sind zugezogen und eine elektrische Lampe erleuchtet den Raum. Auf einem Tisch vor ihm liegt ein Häkeldeckchen, auf dem ein Handy liegt. Es ist ausgeschaltet. Er blickt an sich herunter und stellt fest, dass er sich im Körper einer Frau befindet. Die Frau hat runzlige Hände mit Altersflecken. Sie denkt: „Was wollt ihr wirklich?“ Cevas schwindelt und plötzlich ist er mit seinen Gedanken wieder bei seinem Kollegen in der Höhle.

Was war das? Cevas erzählt von seinem Eindruck und die Agenten rätseln, wie sich seine Vision erklären lassen könnte. Achselzuckend setzen sie ihre Arbeit fort. Da sie vor Ort zu keinen weiteren Erkenntnissen mehr kommen, dokumentieren sie ihre Entdeckungen so gut es geht. Sie fotografieren die prägnante Felsformation und das griechische Wort, dann steigen sie im Regen den Berg hinunter und erreichen bei Einbruch der Dämmerung ihr Hotel.

Am nächsten Tag wollen die Agenten eigentlich noch ein paar städtische Museen besuchen. Im Museum für Naturgeschichte erhoffen sie sich ein paar Informationen über geologische Besonderheiten der Region, das Museum für Jagdwaffen und Trophäen ist als reiner Freizeitausflug geplant.

In Sibiu angekommen stoßen sie aber auf eine merkwürdige Szene. Auf dem großen Platz vor dem Museum für Naturgeschichte kreuzt eine Pferdekutsche ihren Weg. Auf dem Kutschbock sitzt ein einzelner Fahrer, geladen hat er eine große Holzkiste in deren Holz die Worte „Sfânta Treime Zizin“ (Heilige Dreieinigkeit Zizin) eingebrannt sind. Neben dem Wagen läuft ein streunender Hund und bellt wie rasend. Da das Auto der Agenten drei Blocks entfernt abgestellt wurde, beschließen sie, der Kutsche zu Fuß zu folgen. Besonders schnell scheint sie nicht zu sein. Der Kutscher aber hält erst einmal. Er steigt von der Kutsche und versucht den Hund zu verscheuchen, was ihm irgendwann auch gelingt. Dann steigt der Kutscher wieder auf den Bock und fährt weiter. Die Agenten folgen ihm unauffällig und erreichen so irgendwann den Zentralfriedhof des Städtchens. Sie sehen, wie der Kutscher den Wagen abstellt und sich entfernt. Gern würden sie einen vorsichtigen Blick in die Kiste werfen, aber die zugenagelte Holzkiste aufzuhebeln ist ihnen doch zu auffällig. Immerhin sind einige Besucher auf dem Friedhof. Daher machen die Agenten einen kleinen Spaziergang in der Nähe oder setzen sich auf eine Bank und warten ab, was mit der Kutsche weiter geschieht. Hinter einer Hecke entdeckt Samir dann auch irgendwann den Hund wieder, der die Kutsche bereits vor dem Museum angebellt hat. Er bellt auch hier. Mal scheint er sich über die Kutsche aufzuregen, mal über Samir. Ein paar Besucher des Friedhofs sehen genervt zu den Agenten herüber. Kristina wirft dem Hund eine Wurst zu. Eine Weile ist das Tier beschäftigt.

Dann beschließen die Agenten doch zu handeln. Cevas zieht den Kaltblüter, der vor die Kutsche gespannt ist, hinter ein kleines Friedhofsgebäude. Dann hebelt er vorsichtig den Deckel auf. Die Kiste enthält einen halben Meter hoch Erde. Cevas will schon hineingreifen und schauen, ob dort etwas verborgen ist, da hält er schockiert inne. Er entdeckt einen kaum sichtbaren dünnen Draht, der aus der Erde herausragt und erkennt den Zündmechanismus einer Sprengladung. Als Experte auf dem Gebiet kann er daraufhin vorsichtig die Falle entschärfen. Die Sprengladung besaß die Stärke einer kräftigen Granate.

Nachdenklich schauen sich die Agenten um. Der Hund ist verschwunden. Hier hat jemand eine Falle gestellt. Galt sie ihnen?

Endlich besuchen sie das Museum für Naturgeschichte. Die Exponate sind langweilig, die Gespräche mit den Museumsmitarbeitern verlaufen  im Sande, immerhin aber lernt Vasily Francesca Collins, eine amerikanische Geologie-Studentin auf Studienreise, kennen, die sich im Museum ein paar Notizen in ihren Laptop einträgt. Jeder zweite Satz Francescas ist „I´m so excited!“, ansonsten ist sie aber hilfsbereit. Vasily zeigt ihr die Fotos aus der Höhle, die die seltsame Gesteinsformation zeigen. Francesca behauptet, dass sich an dieser Stelle offenbar einmal eine Erdspalte befunden hat, die aber wieder gründlich verschlossen wurde. Vasily bedankt sich hocherfreut und geht. Die Agenten fassen den Entschluss, irgendwann einmal mit guter Ausrüstung an den Ort zurückzukehren und Probebohrungen vorzunehmen.

Zuletzt besuchen die Gefährten das Museum für Jagdwaffen und Trophäen von Sibiu. Es stellt die Sammlung des königlichen Jagdmeisters Oberst August von Spiess (1864 – 1953) aus und enthält als wichtigstes Exponat den Prototypen von Conrad Haas´ Mehrstufenrakete aus dem 16. Jahrhundert. Abgesehen von diesem spektakulären Ausstellungsstück scheint das Museum aber weniger gut gepflegt zu sein. So entdecken die Agenten in der Nähe der Toiletten fast durch Zufall eine Glasvitrine in dem eine alte, lederne Arzttasche ausgestellt ist. An hellen Streifen ist zu erkennen, dass das Stück einst Schnallen besaß, die aber verschwunden sind. In das Leder sind die Initialen A. V. H. eingebrannt. Vor der Tasche ist ihr Inhalt ausgelegt: zwei Zündplättchenpistolen mit Zubehör und 6 Silberkugeln, ein Elfenbeinkruzifix, ein Rosenkranz mit schwarzen Steinen, ein silbernes Abzeichen mit dem heiligen Michael, eine braune Glasflasche mit einem gelblich-grauen Pulver und dem Etikett „Pulverisierte Knoblauchblüten“, eine größere braune Glasflasche mit klaren Wasser und dem Etikett „Weihwasser“, eine braune Glasflasche mit einer gräulichen Paste und dem Etikett „Blomberg Serum (J. S.)“, ein hölzerner Pflock und Hammer und ein schweres Bowiemesser mit der Gravur „In Memoriam Q. P. M. 1897“.

Die Agenten schauen sich an, einer nach dem anderen beginnt zu nicken. Schließlich schlendern sie ins Museumscafé und kaufen einen Katalog. Kopfschüttelnd müssen sie lesen, dass es sich bei der Tasche um die Ausrüstung eines Landarztes handeln soll, der im 19. Jahrhundert auch öfter durch gefährliches Gebiet zu reisen gezwungen war. Die Museumsmitarbeiter scheinen selbst nicht ganz zu wissen, was sie hier ausstellen. Vasily hackt sich in die Überwachungskameras des Museums und schaltet sie aus. Wenig später erscheint ein etwas verwirrt aussehender Mann, der der Bedienung im Café erzählt, es stimme etwas nicht. Dann verlassen beide Personen aufgeregt den Raum und die Agenten sind für einen Moment allein. „Jetzt oder nie!“, zischt Vasily seinen Kollegen zu. Samir knackt das Schloss an der Glasvitrine, löst dabei aber einen Alarm aus. Vasily bringt ihn relativ schnell wieder zum Verstummen, ein paarmal erklingt aber ein hässliches, lautes Piepen. Die Agenten raffen ihre Beute zusammen und eilen zum Ausgang. Dabei bekommen sie mit, wie der Alarm bereits einige Museumsmitarbeiter zusammengerufen hat, die sich aber zunächst aufgeregt darum sorgen, ob Conrad Haas´ Mehrstufenrakete beschädigt wurde. Mit der gestohlenen Arzttasche springen die Agenten in ihren Wagen und fahren nach Bukarest.

Mitten in der Nacht erreichen sie die Stadt, fahren über vielbefahrene Hauptverkehrsadern ins Stadtzentrum und nehmen sich Zimmer im Hilton Hotel. Bei der abendlichen Entspannung in der Hotelbar greift Yuri zur London Times und entdeckt einen interessanten Bericht:

Tote Leibwächterin als Spionin enttarnt.
Die Schießerei im Osten Londons wirft immer neue Rätsel auf. Bisher wurde bekannt, dass dort eine islamistische Terrorzelle mit britischen Sicherheitskräften aneinander geriet. Vor zwei Tage stellte sich heraus, dass wohl auch die Tote von St. Mary the Virgin in die Ereignisse verstrickt war. Carmilla Rojas war eine Argentinierin mit texanischen Wurzeln. Offiziell war sie für eine politische Gesandtschaft ihres Landes als Leibwächterin tätig. Nun wurde bekannt, dass sie möglicherweise in geheimem Auftrag gegen die Islamisten vorging und sie bei einem Anschlag auf die Kirche St. Mary the Virgin überraschte, bei dem der dort tätige Priester ermordet wurde. Rojas wurde offensichtlich in der darauffolgenden Auseinandersetzung auf den Kirchturm und von dort aus derart in die Enge getrieben, dass sie von dort in die Windschutzscheibe des Wagens stürzte, den sich die Terroristen geliehen hatten. Die argentinische Gesandtschaft gab vor, über die Aktivitäten ihrer Security Mitarbeiterin keine weiteren Informationen zu besitzen. Die Politiker sind inzwischen mit Rojas Leichnam in ihr Heimatland zurückgekehrt, wo die Verstorbene beerdigt werden soll.

„Was ist los mit dem MI5?“, fragt Yuri. „Entweder haben sie keine Ahnung oder sie haben etwas zu verbergen.“ Cevas meint: „In jedem Fall wollen sie uns etwas anhängen!“ Kristina behauptet trocken: „Glückwunsch jedenfalls: Wir sind berühmt!“ Einen Moment lang denken die Agenten über Argentinien nach. Die Rolle Carmilla Rojas´ wirft aber weiterhin Rätsel auf.

Am nächsten Morgen beschließen die Agenten, sich auf die Suche nach der Menschenrechtsaktivistin Aishe Balan zu machen. Sie finden im Netz einen nicht allzu gut gepflegten Blog von ihr, der den Titel „Geschichten aus Ferentari“ trägt. Hier erzählt Balan vom Alltag der Roma Bukarests in den zusammenfallenden Wohnblocks eines postindustriellen Slums. Vasily meint: „Das sieht nach einer Erkundungstour aus!“ und die Agenten machen sich auf den Weg.

Auf dem Weg nach Ferentari merken sie irgendwann, dass sie sich in einer fremden Umgebung befinden. Eine wunderbare Mischung aus Rauch, Fleisch und Senf steigt in ihre Nasen, dann sehen sie hinter der nächsten Ecke einen fetten Mann, der in einem Innenhof Hackfleischröllchen grillt. Yuri und Vasily scheint es fast so, als könne man schon von dem Geruch allein leben, so köstlich kommt er ihnen vor. Der Mann sieht sie, winkt und ruft: „Das Brot gibt es heute kostenlos dazu!“, aber Samir und Cevas stellen lediglich fest, dass Schweinefleisch gebraten wird und Kristina sagt: „Schade, kein Fisch!“ Nach dieser Szene tauchen die Agenten erst richtig in das Viertel ein und brauchen ihre gesamte Aufmerksamkeit für die Umgebung. An den Häuserecken werden Drogen verkauft, Prostituierte prägen das Bild der Straßen, Männer schaffen mit verstohlenen Blicken verdächtig wirkende Taschen oder Koffer in auseinanderfallende Autos und rasen davon. Die meisten Häuser machen nicht den Anschein, als würden in ihnen Menschen zur Miete leben. Die Menschen hier schlafen, wo sie einen Platz finden können. An vielen Orten sind mehr oder weniger offen Elektrizitätsverbindungen zu sehen, die von den Bewohnern Ferentaris unerlaubt angezapft werden. Noch häufiger zeigen sich bettelnde Straßenkinder, die sich nur schwer abschütteln lassen. Vasily schüttelt mit dem Kopf. Dann sagt er: „Wir suchen eine Menschenrechtsaktivistin, lasst uns bei möglichen Freunden fragen, zum Beispiel in einer Kirche.“

Drei Häuserzeilen weiter betreten die Agenten eine orthodoxe Kirche und begegnen Vater Alexandru, der gerade nach der Morgenandacht die Kerzen löscht. Yuri spricht den Mann auf Aishe Balan an und behauptet, die Agenten seien Journalisten, die über Ferentari eine Reportage machen wollten. Der ruhige Priester zeigt sich zunächst etwas zurückhaltend und will wissen, für was für eine Zeitung sie arbeiten. Kristina nennt eine schwedische Zeitung, die dem Mann unbekannt ist. Nach ein paar aufmunternden Worten Samirs zeigt er sich schließlich bereit ihnen zu helfen und sagt: „Es gibt nur wenige hier, denen der Name Aishe Balan nichts sagt. Sie gehört zu uns und wohnt in der Calea Moraru 15 im 2. Stock. Ich vermute, dass ihr Name nicht an der Tür zu finden ist. Passt auf euch auf.“ Die Agenten verabschieden sich, bahnen sich ihren Weg durch Mengen von verarmten Roma und machen sich auf den Weg.

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Die Runde lief viel besser als die letzte. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich stärker die Initiative übernommen habe. Wenn dann doch noch etwas Unvorhergesehenes geschieht – wie zum Beispiel der Besuch des Museums für Jagdwaffen und Trophäen – dann geschieht das in einem begrenzten Rahmen, den ich überschauen kann.

Ich merke, wie ich die Spieler inzwischen zunehmend durch die Story statt durch spektakuläre Action bekomme. Das ist kein Wunder, denn sie haben so viele Punkte gesammelt, dass sie schon ziemlich fortgeschritten sind. Ein paar Dinge spielen wir gar nicht mehr aus, weil wir wissen, dass sie allermeistens sowieso funktionieren.

Was noch interessant werden kann, sind die gegnerischen Handlungen. Mir ist heute bewusst geworden, dass meine Spieler Edom und Dracula offensichtlich noch als denselben Gegner betrachten. Da warten vielleicht auch noch ein paar Überraschungen auf sie. Dracula hat sie jedenfalls durch seine Tierspione und fingierten Kisten heute ziemlich an der Nase herumgeführt. Edom hatte mit seinem Zeitungsartikel weniger Erfolg. Eine weitere Aktion habe ich mir noch für das nächste Mal aufgehoben, aber auch die ist hauptsächlich zum Warmwerden geeignet. Auch einen ersten „Erben“ habe ich vorbereitet – einen Nachfahren der Personen, die Ende des 19. Jahrhunderts gegen Dracula vorgegangen sind und in Stokers Romanbericht als Figuren auftauchen. Das kann ganz lustig werden.

Fezzik:
Wieder ein super Bericht. Das macht so viel Spaß die zu lesen.  :d

Chiarina:
Bukarester Seufzer (6)



Nach einem kleinen Spaziergang durch das Bukarester Roma-Viertel  Ferentari stehen die Agenten vor dem Haus Calea Moraru 15. 200 Meter entfernt befindet sich eine mit hellen Bändern geschmückte Kirche, deren Glocken aufdringlich lärmen und auf den Feiertag irgendeines Heiligen schließen lassen.

Dann wenden sich die Agenten dem Haus zu, in dem Aishe Balan wohnen soll. Einige Klingelschilder sind unbeschriftet, bei anderen sind die Beschriftungen verblasst und lassen sich kaum noch entziffern. Der Name der Menschenrechtsaktivistin taucht nirgendwo auf. Das Haus besitzt eine Durchfahrt zu einem Hinterhof, der durch eine gut zwei Meter hohe Mauer gesichert ist. Neben der Tür zur Straße hin existiert auch ein Eingang im Hinterhof. Die Agenten nehmen beide Eingänge gleichzeitig und treffen sich sehr bald im Treppenhaus wieder. Das Haus ist heruntergekommen, aber immerhin nicht einsturzgefährdet. Im zweiten Stock sind zwei Wohnungstüren, ein Türschild trägt den Namen Badi, der andere Eingang besitzt kein Schild, aber immerhin einen Türspion.

Kristina stellt sich vor dem Spion auf, ihre Kollegen verbergen sich seitlich davon, dann klopft Kristina. Ein leises Rascheln ist zu hören, eine schnelle Bewegung, dann herrscht Stille. Cevas eilt die Treppen hinab. Er befürchtet, dass die Bewohnerin versucht, durch ein Fenster zu türmen. Etwas später ist aber doch eine weibliche Stimme durch die Wohnungstür zu hören. Sie spricht Romani, die Sprache der Roma, die leider keiner der Agenten beherrscht. Kristina antwortet auf Englisch, sie sei Journalistin des „Svenska Dagbladed“ und arbeite an einem Bericht über den Widerstand in der rumänischen Bevölkerung gegen den Faschismus im 2. Weltkrieg. In dem Zusammenhang sei sie auf den Namen Balan gestoßen und wurde dann hierher verwiesen. Könne Frau Balan in diesem Zusammenhang irgendetwas über ihre Vorfahren berichten? Auch die besondere Situation der Roma sei von Interesse. Vielleicht habe sie in diesem Zusammenhang ja tieferreichende Informationen?

Die Frau hinter der Tür reagiert vorsichtig und erwidert in relativ gutem Englisch, sie sei nicht allzu gesellig. Kristina könne sie aber gegen 20:00 Uhr im Herestrau Park treffen. Bis dahin empfehle sie ihr den Besuch des Giurliugui Friedhofs. Dort befinde sich ein Mahnmal, das für Kristina möglicherweise interessant sein könne. Kristina bedankt sich und zieht vorerst mit ihren Kollegen ab.

Auf der Straße ist zu hören, wie der Glockenklang der nahen Kirche inzwischen in die rhythmische Musik eines Glockenspiels übergegangen ist. Neugierig betreten die Agenten das Gotteshaus. Die Veranstaltung ist wohl gerade zu Ende gegangen, die Gemeinde erhebt sich, strebt dem Ausgang entgegen, führt noch ein paar Gespräche, ein paar ältere Frauen und Männer räumen auf. Die Agenten schauen sich um und erblicken in den Seitenkapellen der Kirche farbenfrohe Figuren, die einen folkloristischen Eindruck erwecken. Im Schaukasten vor der Tür findet Cevas unter den Gemeindeinformationen, dass am heutigen Tag das Fest des seligen Boiko gefeiert wird. Eine Internet-Recherche ergibt, dass es sich um einen Roma handelte, der im 2. Weltkrieg geheime religiöse Versammlungen von Roma-Gemeinden in Rumänien und Südfrankreich organisierte. Die Agenten entscheiden, dass das mit ihren eigentlichen Anliegen nicht mehr viel zu tun hat.

Daraufhin begeben sie sich zum empfohlenen und nicht allzu weit entfernten Giurliugui Friedhof, der sich als größter jüdischer Friedhof Bukarests entpuppt. Das erwähnte Mahnmal informiert die Besucher über ein tragisches Ereignis aus dem Jahr 1944. In diesem Jahr versuchten jüdische Flüchtlinge vor dem Holocaust auf einem türkischen Segelschiff namens Mefküre von Rumänien aus nach Istanbul zu gelangen. Das Schiff wurde allerdings schon bald von einem russischen U-Boot versenkt. 300 Juden starben, nur die Besatzung und fünf Flüchtlinge überlebten. Seitdem konnten Taucher im Schwarzen Meer aus dem Schiffswrack hin und wieder ein paar Habseligkeiten der Opfer bergen. Diese Gegenstände seien im Friedhofsgebäude in einer kleinen Gedenkausstellung zu sehen. Cevas wundert sich: Die gesamte Schiffsbesatzung überlebte, aber fast alle Flüchtlinge starben? Sein Interesse ist geweckt. An einer etwas schläfrigen Aufsicht vorbei betreten die Agenten das Gebäude und schauen sich die Ausstellung an. Neben Schuhen, aufgeweichten Notizbüchern und rostigen Taschenuhren stehen in einer Vitrine auch drei handgroße Lehmfigürchen, die augenscheinlich Nachbildungen des Golems darstellen. Cevas schaut tief in die Mundöffnung der Figuren hinein und erkennt, dass sie möglicherweise hohl sein könnten. Die Agenten beschließen, sich die Ausstellung zu nachtschlafender Zeit noch einmal genauer anzusehen.

Auf ihrem Weg zum Herestrau Park entdecken die Agenten vor dem Intercontinental Hotel ein Schild, das über einen gegenwärtig dort stattfindenden Medizinerkongress informiert. Es geht um Leukämie und andere Blutkrankheiten. Unsicher schauen sich die Agenten an. Vasily seufzt, geht mit seinem Laptop ins Netz und findet unter der Webseite des Hotels die Tagesordnung. Der Kongress beginnt mit dem aktuellen Tag und dauert noch zwei weitere Tage. Die Themen der Vorträge scheinen uninteressant, bei einer der Rednerinnen stutzt Vasily aber etwas. Für den nächsten Vormittag ist als letzte Referentin vor dem Mittagessen eine gewisse Dr. Jaqueline Seward aus London angekündigt. Sie spricht über Behandlungsmöglichkeiten von Leukämie. Irgendetwas klingelt bei Vasily. Kristina blättert ein wenig im Dracula Dossier herum und wird schnell fündig: „Dr. Jack Seward! Der Mann ist in Stokers Dracula Roman einer der Männer, die Dracula in London aufspüren, bis nach Rumänien verfolgen und am Ende vernichten. Er leitet eine Irrenanstalt.“ Yuri und Cevas beschließen daraufhin, sich den Vortrag der Medizinerin anzuhören.

Dann erreichen die Agenten den Herestrau Park, die grüne Lunge Bukarests mit Parkanlagen, einem großen See, Open-Air-Theater, Yacht-Club und Festplatz. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich auch der diplomatische Club und ein Golfplatz. Am Haupteingang bezahlen die Agenten ein paar Lei Eintritt, dann verteilen sie sich. Kurz darauf wird Kristina von einer Frau Mitte 50 angesprochen, die einen langen Rock, eine weite Bluse und eine Boleroweste trägt. Kristina bemerkt ihr dünner werdendes dunkles Haar und vernarbte Wangen. Die Frau küsst Kristina auf die Wange und fragt sie dann, ob sie verfolgt werde. Kristina sieht sich um, bemerkt ihre nicht allzu weit entfernten Mitstreiter und erklärt dann, sie habe zu ihrer eigenen Sicherheit ein paar Mitarbeiter aus ihrem Team mitgenommen. Die Frau schaut dem hünenhaften, grobschlächtigen Cevas in die Augen und schüttelt sich. Dann aber reißt sie sich zusammen, stellt sich als Aishe Balan vor und deutet auf eine nahe Bank inmitten des Besucherstroms, wo sie zu einem Gespräch mit Kristina bereit wäre.

Kristina erzählt ihr von der Kriegsnotiz eines britischen Spions, dem ein Mann namens Balan geholfen haben soll, vor den Faschisten zu fliehen und Rumänien zu verlassen. Frau Balan erzählt von ihrem Großvater, der im 2. Weltkrieg im Widerstand organisiert gewesen sei. Leider habe er das Ende des Krieges nicht mehr erleben können. In ihrem Elternhaus sei über seine Aktionen nicht viel gesprochen worden. Kristina erzählt danach, in der Notiz hieß es, Balans Großvater habe dem britischen Spion von einem Romaclan erzählt, der sich „die Wölfe“ genannt und für irgendeinen mysteriösen Hintermann gearbeitet haben soll. Frau Balan seufzt tief und erzählt von den Ruvari Szgani, dem berüchtigtsten rumänischen Romaclan, der auch unter den anderen Roma einen schlechten Ruf hat. Was ihr Großvater mit den „Wolfszigeunern“ zu tun gehabt habe, wisse sie nicht. Vor einiger Zeit hätten ein paar Mitglieder des Clans allerdings ein Attentat auf sie selbst verübt, das sie nur knapp überlebte. Bei diesen Worten deutet sie auf die Narben auf ihrer Wange. Kristina zeigt sich erstaunt: Frau Balan setze sich doch für die Rechte ihres Volkes ein, wieso trachten ihr dann ihre eigenen Volksgenossen nach dem Leben? Frau Balan seufzt erneut und erzählt schulterzuckend, dass es in den Reihen der Roma auch ein paar selbstzerstörerische Entwicklungen gebe. Sie setze sich in ihrer Arbeit zwar für die Rechte der Roma ein, damit verbunden sei aber auch der Anschluss an Wohlstand und Moderne. Die Ruvari Szgani seien ein sehr traditioneller Romaclan, dem nicht alle Errungenschaften der Moderne gefielen. Viele von ihnen lebten verstreut in ländlichen Regionen Transsylvaniens. Es mag auch sein, dass bei dem Attentat auf sie Neid und Missgunst eine Rolle spielen. Dann wirft Frau Balan Kristina einen offenen Blick zu und betont, wie wichtig es sei, nicht alle Ruvari Szgani über einen Kamm zu scheren. Auch in diesem Clan gebe es Menschen, die unserer Unterstützung bedürfen. Nicht alle seien verbohrt und gewaltbereit. Kristina nickt und will wissen, ob es möglich sei, mit einem Mitglied dieses Clans ein Interview zu führen. Frau Balan seufzt ein drittes Mal und erzählt, dass die Ruvari Szgani ein zurückgezogen und selbstgenügsames Völkchen seien. Hochzeiten mit Fremden seien beispielsweise sehr selten. So gut wie alle Besprechungen mit Außenstehenden würden von den phuri, den Clanältesten, geführt. Vielleicht sei einer dieser phuri auch der Hintermann gewesen, von dem Balans Großvater dem britischen Spion erzählt habe. Diese phuri jedenfalls hätten relativ große Macht im Clan und bekämen von den legalen und illegalen Einnahmen ihrer Verwandten immer einen Anteil. Einen Moment schweigt Aishe Balan, fügt dann aber hinzu: „Vielleicht gibt es eine Möglichkeit mit einem phuri ins Gespräch zu kommen. Es ist noch nicht lang her, da haben mich öfter Ion und Donka besucht, zwei Geschwister aus dem Clan der Ruvari Szgani, die sich ohne Eltern und festen Wohnsitz auf den Straßen Bukarests durchschlagen. Sie kamen fast jeden Nachmittag, holten sich ein Gebäckstückchen bei mir ab und hielten mich über die Geschehnisse im Viertel auf dem Laufenden. Jetzt habe ich sie eineinhalb Wochen nicht mehr gesehen. Ich mache mir Sorgen."  Die Frau greift in ihre Tasche und zeigt Kristina ein Foto mit zwei Kindern im Alter von 7 oder 8 Jahren. Kristina überlegt und fragt dann, ob sie das Bild abfotografieren darf. Frau Balan nickt. Kristina nimmt ihr Handy, knippst und verabschiedet sich dann: „Wenn wir die Kinder gefunden haben, schauen wir wieder vorbei.“ Frau Balan nickt und verlässt den Park. Beim Gehen winkt sie Cevas vorsichtig zu.

Abends untersuchen die Agenten in einem ihrer Hotelzimmer die im Museum für Jagdwaffen und Trophäen in Sibiu erbeutete Arzttasche. Cevas entdeckt in der Tasche einen doppelten Boden, in den eine Pappkarte gerutscht ist oder geschoben wurde. Auf der Karte steht handschriftlich: „To D from his Dukes; Once more Unto the Breach; St. George´s Day 1940“. Kristina vergleicht die Handschrift auf der Karte mit den Eintragungen im Dracula-Dossier – und tatsächlich ähnelt sie der Handschrift eines der Kommentatoren. Das Dossier wird daraufhin genauer durchsucht. Von Fürsten, also Dukes, ist öfter die Rede. Es scheinen Decknamen der geheimen britischen Spionageabteilung Edom zu sein, mit der die Agenten schon öfter flüchtigen Kontakt hatten. Kristina findet auch einen Kommentar im Dracula-Dossier, der behauptet, die Nachfolger der Agenten von Operation Edom nähmen immer wieder dieselben Decknamen an, was offensichtlich als Symbol für ihre unsterblichen Taten angesehen wird. Einiges klingt auch widersprüchlich, die Agenten von Operation Edom haben sich aber offensichtlich bereits im zweiten Weltkrieg und auch in den Siebzigern in Rumänien herumgetrieben. Samir erinnert an die Ereignisse auf Gibraltar, die darauf hindeuten, dass die Leute gegenwärtig auch wieder aktiv sind... wo auch immer.

Die Pistolen in der Ärztetasche sind echte Antiquitäten. In die für sie hergestellten Vollsilberkugeln sind an der Spitze Kreuze eingeritzt. Alles übrige scheint echt, ist aber nicht weiter auffällig. Vasily entnimmt schließlich dem Weihwasser und dem sogenannten Blomberg-Serum eine kleine Probe, versiegelt sie, steckt sie in einen Umschlag und adressiert ihn an seinen Bekannten, den weißrussischen Geheimdienstmitarbeiter Dr. Ionesco, der als Mediziner an der Universität von Kreuzburg an der Bistritz Vorlesungen hält.

Nachts machen sich die Agenten erneut auf den Weg. Ihr Ziel ist der jüdische Friedhof. Vasily sondiert das Gelände mit einer Überwachungsdrohne und kann keine elektrischen Sicherheitsvorkehrungen feststellen. Kristina knackt schnell das Tor zum Haupteingang. Im Friedhofsgebäude scheint aus einem einzelnen Fenster Licht, ansonsten ist es dunkel und still. Auch die Tür zu der Ausstellungshalle ist schnell überwunden. Cevas und Kristina eilen zur Vitrine mit den drei kleinen Golem-Figürchen. Das Schloss ist etwas schwerer zu überwinden und wird beim Öffnungsversuch zerstört. Trotzdem gelangen die Agenten relativ lautlos und schnell an die Exponate. Cevas greift die drei Golem-Figürchen, dann verschwinden die Agenten. Eine halbe Stunde später sind sie wieder zurück in ihrem Hotelzimmer. Tatsächlich sind die Golem-Figürchen hohl. Zwei sind leer, eines aber rappelt, wenn man es schüttelt. Nach einigem Drehen und Wenden kann Cevas dem Inneren der Statuette ein blechernes Schächtelchen entnehmen. Es ist eine alte Dose für Pfefferminzpastillen aus dem Deutschen Reich und stammt sicherlich noch aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus. Ihren Deckel hat jemand mit Siegellack abgedichtet. Cevas kratzt den Lack ab, öffnet die Büchse und stößt auf ein uraltes Papier, auf dem in hebräischer Schrift „Wahrheit“ geschrieben wurde. „Das Siegel der Wahrheit“, murmelt Cevas. „Legt man es dem Golem auf die Stirn, erwacht er zum Leben und schützt das jüdische Volk“. Yuri meint: „Ich dachte, man muss ihm einen Zettel mit dem Namen Gottes in den Mund schieben!“. Cevas sagt: „Ja. Das auch. Es gibt verschiedene Überlieferungen.“ Vasily überlegt: „Deutsche Juden auf der Flucht? Vielleicht sollte man ein Stück des Zettels abtrennen und eine Radiokarbonüberprüfung durchführen lassen.“ Cevas sieht ihn mit durchdringendem Blick an: „Dieser Zettel hier ist vielleicht wirklich im 16. Jahrhundert von Rabbi Löw in Prag beschrieben worden... und du willst du ernsthaft ein Stück davon abtrennen!“ Vasily schweigt. Die Agenten gehen zu Bett und brauchen eine Weile um einzuschlafen.

Am nächsten Vormittag begeben sich Yuri und Cevas ins Intercontinental Hotel, die übrigen Agenten suchen währenddessen im Ferentari Viertel nach Ion und Donka, den beiden Kindern, die Aishe Balan vermisst.

Im Hotelfoyer befinden sich viele Mediziner in angeregte Gespräche vertieft. An einer Wand steht ein Hotelbediensteter. Vor ihm steht ein Tisch, auf dem etwa 40 Namensschilder liegen. Der Bedienstete kontrolliert die Personalausweise der Gäste und händigt ihnen dann das entsprechende Namensschild aus. Yuri verwickelt den Mann in ein Gespräch über das Programm des Kongresses. Während der Hotelbedienstete ihm erklärt, dass es sich unter „Service“ auf der Webseite des Hotels abrufen lässt, schnappt sich Cevas zwei Namensschilder und verschwindet damit schnell in der Menge. Wenig später passieren Cevas und Yuri alias Dr. William Smith und Dr. Steven Jacobson die Einlasskontrolle. Dr. Jaqueline Seward ist eine jugendlich wirkende Ärztin und noch keine 50. Sie hat ein helles Kleid und einen Ärztekittel an, womit sie sich von ihren größtenteils repräsentative Anzüge tragenden Kollegen abhebt. Sie berichtet über Forschungsergebnissen aus „Seward´s Asylum“, was Yuri und Cevas hellhörig macht. Cevas hat eine Ahnung von dem, was sie erzählt, eine geistreiche Unterhaltung darüber führen, kann aber keiner der beiden Agenten. Nach dem Vortrag warten die Teilnehmer des Kongresses vor der Tür auf das Mittagessen. Es ist noch ein Viertelstündchen Zeit für ein paar persönliche Worte. Cevas nähert sich der Medizinerin und eröffnet das Gespräch: „Erschrecken Sie nicht, liebe Kollegin, ich bin nicht wahnsinnig, interessiere mich aber doch für die psychiatrische Anstalt, in der sie ihre Forschungen betreiben.“ Dr. Seward muss lächeln und antwortet: „Erschrecken auch Sie nicht, Dr. Smith, aber ich habe ständig mit Wahnsinnigen zu tun! Dr. Seward´s Asylum besitzt allerdings ein medizinisches Forschungslabor, das schon seit vielen Jahren weitgehend unabhängig vom Sanatoriumsbetrieb medizinische Forschungen durchführt." Cevas will wissen, wie es komme, dass die Anstalt ihren Namen trägt und Dr. Seward erzählt ihm, dass der erste Anstaltsleiter, Dr. Jack Seward, ihr Ururgroßvater war. Mit entlarvender Offenheit gesteht sie, dass ihr Erbe bei ihrer Einstellung möglicherweise durchaus eine Rolle gespielt haben könne. Glücklicherweise habe sie inzwischen unter Beweis stellen können, dass sie auch selbst als Medizinerin ernst zu nehmen sei. Cevas fragt sie, ob es sich bei ihrem Vorfahr um denselben Dr. Seward handele, der in Bram Stokers Dracula-Roman erwähnt werde. Wieder muss Dr. Seward lächeln und gibt zu, dass ihr Ahne wohl das Vorbild für diese Figur abgegeben habe: „Offensichtlich waren Mr. Stoker und mein Ururgroßvater miteinander bekannt. Ich habe den Roman gelesen und mich königlich amüsiert.“ Cevas meint zuletzt, dass es ja ein seltsamer Zufall sei, der Nachfahrin eines Vampirjägers ausgerechnet in Rumänien zu begegnen. Dr. Seward wird daraufhin ernster und erzählt: „Nein, nein, es sind keine Blutsauger, die mich hierher locken. Ich habe aber über den Kongress hinaus tatsächlich noch ein privates Interesse an Bukarest. Mein Mann und ich, wir bemühen uns schon seit einiger Zeit um die Adoption eines rumänischen Kindes. Die rumänische Regierung legt uns dabei allerdings Steine in den Weg. Ich verstehe, dass man sich gegen Menschenhandel absichern muss, aber Leute mit den besten Absichten sollten doch zumindest eine Chance haben...“ Cevas erzählt ihr daraufhin, dass er gut Rumänisch spreche und ihr bei ihren Bemühungen vielleicht unter die Arme greifen kann. Dr. Seward sieht den hünenhaften Mann mit einem gewissen Interesse an und erwidert: „Nun, das Mittagessen ist serviert. Ich habe einen Platz am Tisch zweier interessanter Kollegen und muss mich daher entschuldigen. Ich danke Ihnen aber für ihr Angebot, Dr. Smith. Wenn Sie möchten, trinken wir nach dem Abendessen zusammen ein Glas Wein in der Hotelbar.“ Cevas bedankt sich artig für das Angebot und verlässt mit Yuri zusammen das Hotel.

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Das war eine Runde Legwork. Meinen Spielern brummte hinterher ein wenig der Schädel. „Fast zu viele Spuren!“, hieß es. Das Problem liegt darin, dass das Dracula Dossier viele atmosphärische Ideen ausspuckt, die ich auch gern einbaue. Dann kommen meine Spieler und vermuten hinter den Schilderungen irgendwelche plotrelevanten Informationen. Ich könnte dann sagen: „Weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen!“ Dummerweise liefert mir das Vorgehen meiner Spieler oft irgendwelche Steilvorlagen, sodass ich nicht widerstehen kann. Ich baue einen Plothook nach dem anderen ein... und gestehe, dass mir das großen Spaß macht. Das Siegel der Wahrheit beispielsweise war völlig aus dem Ärmel geschüttelt. Ob in der Kampagne irgendwann wirklich noch ein Golem auftaucht? Keine Ahnung. Ich weiß sowieso noch nicht so ganz, welche Richtung die Geschichte demnächst einschlagen wird. Ich will jedenfalls beim nächsten Mal den Level 1 der Conspyramid verlassen und Kurs auf die bedeutsameren Gegner nehmen.

Danke übrigens für den kleinen Kommentar, Fezzik. Ich freue mich immer sehr über irgendwelche Reaktionen.

Fezzik:
 ;) gern

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