Pen & Paper - Rollenspiel > Pen & Paper - Spielleiterthemen

Anatomie des Rückschlags

<< < (2/21) > >>

Lord Verminaard:
Verräterplots sind ja gefühlt sowieso überproportional beliebt. Da könnte man tw. sogar mit Meta-Überlegungen den Verräter entlarven, genau wie man bei einem Whodunnit sich mit Meta-Überlegungen erschließen kann, wer der Täter sein muss, nämlich der, den NIEMAND verdächtigt. Ich finde sowas beknackt aber ich nehme zur Kenntnis, dass Whodunnits seit 100 Jahren nicht tot zu kriegen sind... ;)

Ob die Hinweise zu subtil oder die Gruppe zu blöd war, sei dahingestellt, mein Punkt war, der SL hätte nicht gewollt, dass wir den Verräter rechtzeitig enttarnen, um die Katastrophe zu verhindern. Sondern erkennbar war "dieser Moment, wo du erkennst, dass du die ganze Zeit den Bösen in die Hände gespielt hast" (tm), sein Ziel.

nobody@home:
Verräterische NSC darf's schon geben. Da sehe ich das Problem noch am ehesten darin, daß speziell im Medium Rollenspiel die ansonsten "normale" Trennung zwischen Publikum und Akteuren weitgehend aufgehoben ist -- im Buch oder Film kann ich als Verfasser natürlich dem Leser oder Zuschauer leicht Hinweise darauf geben oder sogar ganz platt enthüllen, wer der Verräter ist und was er vorhat, ohne daß das gleichzeitig auch die Charaktere erfahren, aber am Tisch kann das so eigentlich nur dann funktionieren, wenn wirklich niemand größere Probleme damit hat, zwischen Spieler- und Charakterwissen zu trennen. Sonst fällt das klassische "der Leser weiß das schon oder kann sich zumindest was denken, aber der Held ist halt noch ganz ahnungslos..."-Stilmittel zur Spannungsförderung nämlich dummerweise aus reinen Formatgründen direkt ins Wasser und ersäuft.

Rückschläge allgemein dürfen natürlich vorkommen und werden das wohl auch fast schon von alleine; die muß man also den Spielern gar nicht erst brachial mit der Holzhammermethode aufzwingen. Wichtig kann es allerdings durchaus sein, den Unterschied zwischen "Rückschlag, aber es geht noch weiter" einer- und "Ende, das war's" andererseits klar zu kommunizieren; der ist aus der reinen Charakter- und Spielweltperspektive nicht unbedingt immer gleich offensichtlich, macht aber für die Motivation der Spieler potentiell einen Riesenunterschied aus.

Lord Verminaard:

--- Zitat von: nobody@home am 21.12.2020 | 13:09 ---Da sehe ich das Problem noch am ehesten darin, daß speziell im Medium Rollenspiel die ansonsten "normale" Trennung zwischen Publikum und Akteuren weitgehend aufgehoben ist -- im Buch oder Film kann ich als Verfasser natürlich dem Leser oder Zuschauer leicht Hinweise darauf geben oder sogar ganz platt enthüllen, wer der Verräter ist und was er vorhat, ohne daß das gleichzeitig auch die Charaktere erfahren, aber am Tisch kann das so eigentlich nur dann funktionieren, wenn wirklich niemand größere Probleme damit hat, zwischen Spieler- und Charakterwissen zu trennen. Sonst fällt das klassische "der Leser weiß das schon oder kann sich zumindest was denken, aber der Held ist halt noch ganz ahnungslos..."-Stilmittel zur Spannungsförderung nämlich dummerweise aus reinen Formatgründen direkt ins Wasser und ersäuft.

--- Ende Zitat ---

Das wäre eben z.B. eine der kooperativen Techniken, die ich meinte. Das muss man können/wollen, der große Vorteil dabei ist, dass es dann eben überhaupt nicht mehr um die Frage geht, ob man als Spieler zu blöd war und das hätte erkennen können oder ob der SL einem ne faire Chance gelassen hat oder ob es Railroading war oder ob der SL bei dieser verdeckt gewürfelten Menschenkenntnis-Probe geschummelt hat oder was auch immer. Der Frust kommt ja unter anderem auch daher, weil man eben als Spieler auch das Gefühl hat, ein Spiel mit gezinkten Karten verloren zu haben. Wenn aber nur der Charakter aufs Glatteis geführt wird und der Spieler nicht, dann fällt das von Anfang an weg.

Issi:

--- Zitat ---Verräterplots sind ja gefühlt sowieso überproportional beliebt. Da könnte man tw. sogar mit Meta-Überlegungen den Verräter entlarven, genau wie man bei einem Whodunnit sich mit Meta-Überlegungen erschließen kann, wer der Täter sein muss, nämlich der, den NIEMAND verdächtigt.
--- Ende Zitat ---
In einem guten Fall hast du mehrere Verdächtige. - Und auch mehrere die ein Motiv haben.
- So gar nicht verdächtig zu sein, kann genauso Verdächtig wirken, wie sofort superverdächtig zu sein.
(Wenn es immer nur die Unverdächtigen sind, wird das auch irgendwann langweilig- bzw. reizlos.- Denn es macht häufig auch den Reiz aus- seinen Gegner zu kennen, ihn aber noch nicht überführen zu können- Ein Katz und Maus Spiel mit einem reizvollen Gegner quasi)
- Statt einen stillen Gartenzwerg. (Der wegen mangelnder Auffälligkeit erst am Ende entlarvt wird)


--- Zitat ---Ob die Hinweise zu subtil oder die Gruppe zu blöd war, sei dahingestellt, mein Punkt war, der SL hätte nicht gewollt, dass wir den Verräter rechtzeitig enttarnen, um die Katastrophe zu verhindern. Sondern erkennbar war "dieser Moment, wo du erkennst, dass du die ganze Zeit den Bösen in die Hände gespielt hast" (tm), sein Ziel.
--- Ende Zitat ---
Das ist mMn.  "reinreiten".
Wenn die SPL keine Chance haben, das vorher herauszufinden, ist da ja irgendwie auch keine Challenge dabei.

Isegrim:
In vielen Spielfilmen* gibt es den Tiefpunkt, in dem für den/die Protagonisten alle Hoffnung verloren scheint, bevor sie sich dann aufrappeln und im Showdown alles zum guten wenden. Scheint dramaturgisch zu funktionieren. Nicht immer und bei jedem Film freilich, aber oft genug, dass das Instrument immer wieder hervor gekramt wird. Die Grundidee "Ja tiefer die Nacht war, um so strahlender erscheint der Sonnenaufgang" ist ja auch nicht völlig verblödet.

Das übertragen manche/viele Abenteuer-Schreiber aufs Rollenspiel und planen so was in der einen oder anderen Form ein. Lassen wir die ganze Railroading-Sache beiseite und gehen davon aus, dass der Rückschlag vermeidbar war. ME gibt es dennoch (min) einen Unterschiede: Man nimmt als Spieler eine Rollenspiel-Geschichte nunmal (noch) mehr aus der Innensicht der Protagonisten wahr, und bei allem Mitfiebern mit Filmcharakteren, das macht das Erleben anders. Man kann Return of the Jedi geil finden und sich dennoch bewusst sein, dass Luke es nicht toll fand, als Vader ihn dem Imperator ausliefern ließ, oder als Han & Leia diesen vermaledeiten Bunker die Stormtoopern umstellten sahen, oder Ackbar aufging: "It's a trap!". Auch nicht in der Rückbetrachtung bei der großen Siegesfeier.

Kann es spannend sein, wenn den SC alles gelingt? Ja, wenn es immer auf der Kippe stand (oder die Spieler dieses Gefühl hatten... da war i-was mit Sim, und SimCity wars nich...). Nein, wenn die Spieler das wissen, bzw davon ausgehen und recht behalten.

Bau ich solche Rückschläge gezielt ein, bzw plane sie gezielt voraus? Hab ich in 30 Jahren bestimmt gemacht, würd ich heute aber nicht mehr als besonders gute Handwerkskunst ansehen. Allerdings mach ich mir Gedanken, wie sich gegebene bzw erspielte Situationen fortentwickeln, was für die SC schief gehen kann, und wie man dann damit umgehen könnte. Und das kann vermutlich im Erleben der Spieler auf das Gleiche hinaus laufen, insofern: Ja.

* zT sicher auch in Romanen, aber die sind idR viel länger; bieten also Raum für diverse Rückschläge... ;)

EDIT

--- Zitat von: Lord Verminaard am 21.12.2020 | 13:13 ---Wenn aber nur der Charakter aufs Glatteis geführt wird und der Spieler nicht, dann fällt das von Anfang an weg.
--- Ende Zitat ---

Vielleicht versteh ich dich miss, aber für mich ist das nichts. Wenn ich als Spieler raffe, dass die Gruppe in die Irre geht, oder einem Verräter aufsitzt, oder statt dem McGuffin dem red hering nachjagt, muss es schon gute Gründe geben, dass mein SC das nicht auch rafft. So "herausforderungsorientiert" will ich es dann doch haben.

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln