Das Tanelorn spielt > [Cthulhu] Tot & begraben
[Tot & begraben] Prolog - Die schwarze Katze
Der Läuterer:
Es ist Freitag, der 11. Nov. 1927.
Heute vor neun Jahren endete der Grosse Krieg.
Und bald findet die Grablegung eines guten Freundes statt.
Über dem Wannsee Friedhof in Berlin fallen die Regentropfen fast senkrecht vom Himmel und schlagen wie winzigste Kometen auf den Asphalt. Der Himmel ist düster. Schwer und Wolkenverhangen. Die Sonne scheint getilgt worden zu sein. Lediglich graue Schleier. Unklare, verschwommene Konturen.
Bereits seit den Morgenstunden regnet es kontinuierlich. In unterschiedlichsten Stärken.
Pfützen. Überall und allgegenwärtig. Kleine Spiegel auf schmutzigem Asphalt. Sie fangen den Regen auf und zeichnen auf ihrer Oberfläche Ringe aus den Tropfen, die auftreffen und vergehen.
Die Menschen hetzen die Strassen entlang und trachten mit ihren schnellen Schritten dem Regen zu entgehen - vergeblich.
Die Tristesse dieser Tage frisst sich wie Säure in die Gehirne der Leute. Sie eilen dahin. Trübsinnig. Schwermütig. Mit gesenkten Köpfen und geschlossenen Mänteln. Die Krägen hochgeschlagen. Alles grau in grau. Niemand nimmt den anderen wahr. Die Auslagen in den Schaufenstern bleiben unbeachtet.
Regenschirme, wartend an den Bordsteinen auf die Lücke zw. den vorbeifahrenden, schwarzen Automobilen. Stumm wie Pilze unter den Linden und doch scheinbar verweht wie das Laub der kahlen Bäume.
Der Läuterer:
Die Gruben auf den Friedhöfen sind immer gleich.
Löcher für die Kadaver. Ob einst geliebt, gehasst oder ignoriert ist ohne jeden Wert. Gleich gross. Gleich tief.
Kein Unbeteiligter weiss, ob es die Ruhestätte eines alten Mannes oder eines jungen Mädchens sein wird.
Zwei Drittel aller Freunde und Verwandten, so sagt man, entscheiden sich dem Wetter entsprechend dafür oder dagegen, einem Begräbnis beizuwohnen. Somit ist auch die Anzahl der Gäste bei dieser Beisetzung überschaubar.
Der Läuterer:
Die Menschen würdigen andere Menschen weit weniger, als sie es vorgeben zu tun oder es sich auch nur eingestehen würden.
Die Liebe dieser Menschen zu Gott lässt sich darin messen, wie sehr sie seine Geschöpfe und ihren Nächsten achten. Und so manch ein Toter ist bereits vergessen, noch bevor sein Körper im Grabe liegt.
Viele sind zur Beisetzung des Professors nicht erschienen - trotz aller Berühmtheit von Eisensteins.
Hüte und Regenschirme verbergen die Gesichter der geneigten Häupter der Menschen am Grab.
Man kann den Regen riechen. Ein Geruch von Erde.
Der Regen platscht energisch und laut klatschend in Pfützen, auf Kieswege und auf aufgeweichten, schlammig-weichen Boden.
Der Läuterer:
Vor dem gähnenden offenen Schlund des Grabes von Prof. von Eisenstein haben sich Freunde und Familie versammelt. Ausser Euch sind dort noch...
Der Gemeinde Pastor Haverkamp.
Elfi, des Professors Ehefrau.
Hieronymus, sein Bruder im Rollstuhl, der die Trauerrede spricht.
Dahinter ein junger Mann, Hans, der den Rollstuhl festhält.
Leonhardt, der Sohn des Professors.
Agnes, die Haushälterin des Professors.
Die Ärztin, Dr. von Zahnd.
Dazu noch vier Honoratioren. Die bekannten Professoren Johann Wilhelm Möbius, Herbert Georg Beutler und Ernst Heinrich Ernesti der Fakultät Physik von der Humboldt-Universität Berlin, sowie Dr. Arkascha Ivanow von der Staatlichen Hochschule Leningrad.
Am Ende seiner Trauerrede wendet sich der Blick von Hieronymus von Eisenstein ins kleine Rund.
"Danke.
Schön meine Herr.
Schaften dass sie mein.
Em Bruder die letzte Ehre.
Er.
Wiesen haben."
Der Läuterer:
Pastor Haverkamp drückt Elfi als erster sein Beileid aus und ihre Tränen mischen sich mit dem Regen, der auf Ihr Gesicht fällt.
Die Trauergäste kondolieren, einer nach dem anderen. Jeder hat ein paar Trost spendende Worte parat, oder auch nur einen Händedruck oder eine Umarmung, doch über den Verlust des Mannes hinwegtrösten vermag es nicht.
Als der Russe, Dr. Arkascha Ivanov, vor dem offenen Grab steht, hört Ihr ihn sagen.
"Mein Freund. Дltes Physikus. Яussisches Яedensart sagen: Besser Du stehen an Grab, als Du liegen drin. Ist es niccht? Lebe wohl."
Er wirft mit einer langstieligen Schaufel Erde in das Grab.
Jedesmal, wenn das passiert, hört man ein schmatzendes Geräusch, wenn die durchgeweichte Erde auf das Holz des Sarges klatscht.
Dann will er die Schaufel an Professor Möbius weiterreichen, doch dieser weicht entsetzt zurück.
"Nein!" ruft er und macht eine abwehrende Geste.
Der Russe scheint verwirrt.
"Was? Was niccht? Icch nur wollen höflicch sein. Niet? Wescchalb?"
Möbius ist schreckensbleich.
"Steck die Schaufel wieder in die Erde." Er zittert. "Steck sie zurück. Wenn man die Schaufel an einen anderen weitereicht, dann gibt man ihm grosses Unglück in die Hand. Wohlmöglich den Tod."
Schnell hat sich Möbius aber auch wieder gefasst und beruhigt sich.
Der letzte vor Euch am Grab ist Professor Beutler.
"Du hattest ein erfülltes und interessantes Leben. Und mit Deinem Infakt einen schönen und schnellenTod. Du hattest auch noch das Glück, bei deiner Arbeit abberufen zu werden, als Du die Sterne beobachtet hast. Nun ja, etwas länger hättest Du Dir aber noch Zeit nehmen können, meine ich. Aber Du hattest es ja schon immer etwas eiliger. Bis irgendwann, alter Knabe."
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