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[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea
Jenseher:
Zussa war mit Neire und Bargh weitergegangen. Sie waren den Tunneln durch die ewige Dunkelheit gefolgt, die sich im Felsgestein eröffnet hatten. Zussa war langsam ausgenüchtert und konnte sich an den Anfang ihres Marsches nicht mehr richtig erinnern. Sie hatte noch eine Zeit mit den Glubschaugen von Oogmiirg gespielt und sie immer wieder betrachtet. Bargh hatte sie geneckt, indem er ihr geschmeichelt hatte, was sie doch für schöne Augen hätte. Zussa hatte sich die Kuo-Toa Glubscher vor ihre eigenen Augen gehalten und sie alle hatten gelacht. Dann hatten Neire und Bargh sich eine gefühlte Ewigkeit über Pläne für Erelhei-Cinlu unterhalten. Zussa war langweilig geworden und nach einiger Zeit hatte sie einen pochenden Schmerz in ihrem Kopf gespürt. Sie waren dann eine Zeit schweigsam gegangen. Zussa wusste nicht wie lange. Sie nahm gerade das Flüstern von Neire wahr: „Zussa, Bargh! Ich höre ein Geräusch von vorn. Das Ziehen eines Karrens und Schritte von Metallstiefeln. Kümmert euch nicht um mich, ich werde in der Dunkelheit lauern.“ Zussa sah noch ein letztes Aufschimmern von Neires gold-blonden Locken, dann verschwand der Jüngling unter seinem Tarnumhang. Sie zog ihren Säbel und näherte sich mit Bargh den Geräuschen, die für sie selbst noch nicht vernehmbar waren. Nach einiger Zeit hörte aber auch sie das Knirschen der Räder. Bargh und Zussa traten drei berüstete Gestalten entgegen, die im Gang auf sie zu warten schienen. Die Kreaturen waren viel kleiner als sie selbst, machten jedoch einen kräftigen und zähen Eindruck. Zwei von ihnen waren haarlos, während der dritte kurzgeschorenes weißliches Haar trug. Alle hatten lange silberne Bärte. Ihre Haut war blass, jedoch durchzogen von feinen dunklen Venengeflechten. Ihre Augen schimmerten bläulich in der Dunkelheit. Hinter den Gestalten sah Zussa die beiden schwer beladenen Karren, die von kleinen ausgemergelten Gestalten mit spitzen Ohren gezogen wurde. Die Tiefengnome waren in Ketten gelegt und trugen Lumpen. Sie waren in einem erbärmlichen Zustand. Neben Unterernährung konnte Zussa die Narben von Peitschenhieben erkennen. Einer Gestalt fehlten gar drei Finger an der rechten Hand. Zussa wurde aus ihren Gedanken an Ortnor Wallenwirk gerissen, als der größte Nachtzwerg Bargh ansprach. „Hejda, was schleicht ihr euch hier so heran, wie nutzloses Gesindel.“ Bargh verlangsamte seine Schritte, bis er vor dem Anführer ankam. „Gehört dieser Tunnel denn euch, mein Freund?“ Der Antipaladin Jiarliraes grollte. Die beiden Älteren, von denen einer eine Schlachtenaxt und der andere einen Kriegshammer trug, beruhigten sich. Der Jüngere, ein weiterer Hammerträger, war sichtlich nervös. Der Anführer lachte gekünstelt auf, bevor er antwortete. „Ha, ihr seid wirklich nicht von hier. Was seid ihr? Ein Söldner, ein Taugenichts oder ein Vogelfreier, aus der Oberwelt? Wir befinden uns hier an der Grenze zum Reich der Dunkelelfen.“ Bargh nickte, dann fragte er. „Ihr wollt nach Erelhei-Cinlu?“ Dabei zeigte Bargh mit dem Schwert auf die Wägen, die nun zu einem Stillstand gekommen waren. Die Tiefengnome begannen sich derweil auszuruhen und sie hörten das leise Klirren von Ketten. Zussa sah den Nachtzwerg ausspuken. „Waah, dieser Name. Eine Stadt voller Weiber. Wir wollen nur verkaufen und dann nichts wie weg…“ Bargh ließ sein Schwert wieder sinken und antwortete. „Also wollt ihr doch dorthin… nun… auch wir sind auf dem Weg nach Erelhei-Cinlu.“ Der Anführer betrachtete Bargh von oben bis unten. „Was wollt ihr dort, Oberweltler, wenn nicht handeln?“ Zussa hörte Bargh auflachen. „Was können schon Fanatiker, wie wir es sind, in der Stadt wollen?“ Der ältere Zwerg mit dem Kriegshammer drehte sich zu seinem Anführer und sprach mit heiserer-heller Stimme. „Vielleicht will der Nichtsnutz sich berauschen, Brumdren. Vielleicht will er auch mit seinem Blut den Boden einer Arena veredeln. Oder den Dunkelelfen als Jagdspielzeug dienen?“ Wieder lachte Bargh. „Hahaha, ja, es gibt so viele Möglichkeiten. Sagt, seid ihr aus Urrungfaust?“ Zussa merkte, dass die Minen der Nachtzwerge bei der Erwähnung der Stadt einen ehrwürdigen Ausdruck annahmen. „Nein, wir sind nicht von dort. Nicht aus Urrungfaust. Wir betreiben nur eine kleine Mine. Aber ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet. Was wollt ihr in der Stadt der Dunkelelfen?“ Zussa ärgerte sich bereits über die beharrliche Dickköpfigkeit der Nachtzwerge, doch Bargh blieb ruhig. „Und ich sagte euch, was können wohl Fanatiker dort wollen? Sagt ihr es ihnen, Zussa.“ Sie wollte gerade antworten, doch Brumdren lachte verächtlich und zeigte auf sie. „Sie dort? Wollt ihr sie verkaufen? Ich kann euch sagen, sie wird euch nicht viel Gold einbringen, eure kleine Hure. In der Stadt der Dunkelelfen gibt es viel… viel Üppigere. Hahaha… Sie sieht aus, als würde sie vor Hunger umfallen.“ Die Nachtzwerge lachten, während Brumdren eine ausladende Geste von großen Brüsten machte. Zussa spürte, wie Wut und Hass ihre Gedanken benebelten. Sie schrie den Nachtzwergen entgegen: „Wir wollen die Reichtümer der Stadt auskosten und für uns gewinnen. Wir haben schließlich einen Krieg zu finanzieren.“ Ihre Wut stieg noch mehr, denn die drei Gestalten fingen an zu lachen. „Auskosten? Hahaha, ihr könnt uns auskosten. Diese Weiber der Stadt sind schwach und weinerlich. Sie können nicht einmal ihre Sklaven befriedigen. Wir können wesentlich mehr befriedigen. Wir können es euch besorgen.“ Zussa hielt jetzt ihren Degen hoch und schrie. „Ihr könnt es ja einmal versuchen, kleinwüchsiger Abschaum. Bleibt bloß dort in Bodennähe, wo ihr hingehört!“ Die Nachtzwerge schienen sie nicht zu hören und lachten weiter. Dann sprach Bargh mit einer grollenden Stimme. „Genug des Ganzen. Wir kommen nach Erelhei-Cinlu um jene Priester zu töten, die den falschen Göttern dienen. So haben wir es bereits mit eurem schwachen Gott Laduguer gemacht. Wir töteten die Priester und sie flehten um Gnade. Jeder der in unserem Weg steht stirbt. Und hier und jetzt steht ihr in unserem Weg.“ Plötzlich brach das Lachen ab und die Nachtzwerge starrten Bargh überrascht an. Der Augenblick dauerte aber nicht lange. Zussa jubelte innerlich, als sie die grünlich schimmernde Klinge Neires erkannte, deren Spitze plötzlich aus der Brust von Brumdren hervordrang. Zussa stürzte nach vorn und sie schlug wieder und wieder zu. Bargh stand ihr zu Seite und Neire griff weiter aus dem Hinterhalt an. Blut benetzte ihr Gesicht und sie begann zu keuchen. Sie ließ erst ab, als der letzte Nachtzwerg aufgeschlitzt am Boden lag.
Neire trat zu den ausgemergelten Gestalten. Er blickte in angsterfüllte grau schimmernde Augen, die ihn unterwürfig musterten. Verheilte Narben waren in den ausgehungerten Gesichtern zu sehen. Er hörte das Klirren der Ketten, als die noch jungen Svirfneblin sich an die Wägen duckten. Neire strich sich seine gold-blonden Locken zurück und lächelte, als er sie in der Sprache der Duergar begrüßte. „Kommet hervor meine Freunde. Eure grausamen Meister sind tot.“ Neire deutete dabei auf die blutüberströmten Leichen der Nachtzwerge, denen sie die Waffen und ein kostbares Amulett aus Bernstein abgenommen hatte. Das Bernsteinamulett hatte einen eingeprägten Haken aus Metall gehabt und Neire hatte es als das Symbol von Xarann erkannt – einer dunkelelfischen Händlerorganisation. Jetzt baumelte das Amulett bereits um Neires Hals. Als die jugendlichen Tiefengnome sich furchterfüllt an die Wägen drückten, trat Neire in ihre direkte Nähe. Er vernahm einen modrigen Schweißgeruch und den Gestank von fauligem Atem. Dann erhob sich ein Svirfneblin, der ein eingefallenes Gesicht besaß und an dessen rechter Hand drei Finger fehlten. Er verbeugte sich und sagte zitternd: „Werter Herr, seid so gütig und lasst uns leben.“ Neire zeigte auf seine Hand und sprach. „Natürlich lasse ich euch leben. Und wieso sollte ich euch sowas antun? Aber sagt, wie kam es, dass das Schicksal euch in dieser Weise mitgespielt hat? Wieso müsset ihr diese Wägen ziehen?“ Neire bemerkte Unverständnis in dem Gesicht des Jugendlichen. „Wie meint ihr mein Herr? Wir kennen nichts anderes. Wir sind in den Minen von Meister Brumdren aufgewachsen.“ Neire verstand jetzt und nickte. „Ihr kennet nicht die Freiheit, die ich euch geben werde. Ich sage euch nur, was ihr tun müsst, um nach Flamme und Düsternis zu greifen. Den Geheimnissen meiner Göttin. Ihr sollt frei sein, wenn ihr Jiarlirae eure Seelen verpfändet. Und ich werde euch ein Platinstück geben. Jedem von euch eines. Ihr werdet es brauchen, um den Fährmann über den Schwarzstrom zu bezahlen. Der Weg ist frei, denn wir haben die Mutter der Mütter getötet und ihren Schrein vernichtet.“ Für einen Augenblick herrschte Stille, dann war da ein Raunen. „Ihr… ihr habt Tsathoggua getötet? Ihr müsst wahrlich stark sein.“ „Wir sind stark im Glauben an unsere Herrin Jiarlirae und sie ist stärker und mächtiger als alles andere. Sie ist mehr als die Summe aller Teile. Aber ich frage euch nun: Wollt ihr eure Seelen Jiarlirae freudig und frei geben? Wollt ihr frei sein, um nach ihren Geheimnissen zu greifen?“ Die Svirfneblin tuscheln und das Rasseln von Ketten war zu hören. Dann sprach der Anführer: „Ja mein Herr. Wir wollen eurer Göttin Ji-ar-li-rae unsere Seelen versprechen. Wir sind bereit zu dienen, wie wir es für Brumdren taten.“ Jetzt lachte Neire und schüttelte mit dem Kopf. „Nein, diese Dienerschaft ist anders. Ihr werdet frei und nie wieder allein sein. Flamme und Düsternis werden euch begleiten.“ Neire sah, dass Bargh herantrat und die Ketten der Geschöpfe mit gezielten Schlägen trennte. Dann stellte sich der Antipaladin in die Mitte der Wägen und hielt sein Schwert hinab. Im Tunnel war die sonore Stimme von Bargh zu hören: „Kommt herbei und legt eure Hand auf das heilige Schwert Glimringshert. Sprecht mir nach und besiegelt euer Schicksal.“ Die jungen Tiefengnome scharten sich ängstlich, aber neugierig um den dunklen Krieger. Bargh überragte sie fast um das Dreifache an Körpergröße. Dann begann er feierlich zu sprechen. „Der ältesten und höchsten Göttin huldigen wir auf immer und ewig. Wir sprechen diesen Schwur, zu ihr, Jiarlirae, der Dame des aufsteigenden Chaos des Abgrundes. So wie die Dualität von Flamme und Düsternis auf ewig untrennbar vereint, so wollen wir uns an sie binden. Den Geheimnissen ihrer Heiligkeit geben wir freudig und frei unser höchstes Gut. Ihr der Schwertherrscherin der niederen Ebenen, des großen Unteren, versprechen wir unsere Seelen. Auf dass sie einst aufgehen mögen, im Mysterium der schwarzen Sonne.“ Der Chor der sechs Knaben sprach die Worte nach und der Augenblick war heilig. Dann legte Neire die sechs Platinstücke Nebelheimer Prägung in seine linke, verbrannte Hand. Er sah dort das Wappen der Menschenschlange des reinen Blutes aufblitzen. Neire beschwor die Chaosflamme aus brennender Düsternis und langsam begannen die Platinstücke weißlich zu glühen. Dann schritt er zu den Svirfneblin und sprach zu ihnen. „Ein jeder soll sein Platinstück in seiner Faust halten, bis es kalt ist. Nur so erweist ihr euch als würdig, Jiarlirae zu dienen.“ Angst war in den Augen, doch die jungen Tiefengnome taten wie angewiesen. Neire legte jedem eine Münze in die Hand. Da war das Zischen von verbrannter Haut und der Geruch von verzehrtem Fleisch. Einige der Wesen schluchzten. Doch bis auf einen, bissen sie ihre fauligen Zähne zusammen. Einer jedoch hielt den Schmerz nicht aus und ließ die Münze fallen. Der Drachentöter, der heilige Krieger Jiarliraes, stand bereits hinter ihm und er fällte das Urteil augenblicklich. Glimringshert schnitt durch den kleinen Hals der Kreatur. Der Kopf, dessen Gesicht noch immer von Schmerz und Furcht gezeichnet war, fiel zu Boden, getrennt vom Rumpf. Seine Seele befand sich bereits auf dem Weg in das Reich seiner neuen Herrin. Neire blickte die anderen Gestalten an und sie schienen den Tod ihres Gefährten stoisch zu ertragen. Einige lächelten sogar, als sie die erkalteten Münzen von ihrem Fleisch abzogen. Neire wendete sich ihnen zu und holte ein Stück leeres Pergament und eine Schreibfeder hervor. Er würde ihnen den Weg in die Festung von König Isenbuks weisen. Von dort an sollte es an Meister Halbohr liegen, ihr Schicksal weiter zu spinnen.
Jenseher:
Sie standen mit ihrem Wagen im Strom der Händler. Gerade ging es nicht weiter vorwärts. Bargh blickte sich um und dachte an ihren Weg hierher. Sie hatten die Tiefengnome verabschiedet und die wertvollsten Güter auf einer der beiden Wägen umgeladen. Bargh hatte mit Neire die Wunden der ehemaligen Sklaven begutachtet, von denen ihnen keine gefährlich erschien. Dann hatte sie die Tiefengnome ihre ehemaligen Meister plündern lassen und dabei zugeschaut, wie sich die kleinen Geschöpfe gestritten hatten. Bargh hatte den Wagen gezogen und sich nicht mehr umgedreht. Natürlich hatte er irgendwann gemerkt, dass sich Zussa heimlich auf den Wagen gesetzt und sich von ihm hatte ziehen lassen. Aber Bargh hatte nichts gesagt. Verglichen zu den Stahlbarren, von denen einige Spuren von Ne’ilurum hatten, war ihm das leichte Gewicht von Zussa nicht einmal aufgefallen. Auf ihrem Weg hatten sie zwei weitere Händler des stämmigen Volkes getroffen, von denen jeder eine große Schubkarre schob. Beide waren gedrungene Gestalten gewesen, deren Kleidung, wie deren Körper, einen verwahrlosten Eindruck gemacht hatte. Ihre weißlichen Haare hatten wirr von ihren Köpfen gestanden und ihre weißen Augen hatten keine Pupillen gehabt. Neire hatte mit ihnen geredet und Bargh hatte nicht alle Worte verstanden. Sie wollten Neire wohl sein Amulett von Xarann abkaufen. Einer bot Neire 20 Goldstücke dafür. Als Neire ablehnte, drohten sie ihm. Bargh hatte dann gesehen, dass Neire die Augen des Jenseher benutzt hatte und einer der Derro vom Kauf abgesehen hatte. Der andere war wütend geworden und Neire hatte ihm gedroht. Bargh hatte ihn töten wollen, doch der Händler, der sich ihnen als Diinalzblin vorgestellt hatte, war feige hinfort gerannt. Der andere Händler hatte nur gelacht und gesagt, dass er jetzt wohl mehr Gewinn haben würde. Dann hatte er die kostbarsten Gegenstände seines Kameraden auf seine eigene Schubkarre umgeladen. Sie waren danach weitergeschritten und hatten den schwer belasteten Derro schon bald hinter sich gelassen. Aus weiteren Tunneln, waren immer mehr Händler hervorgekommen und so hatten sie sich schließlich in den Strom eingereiht. Dieser Strom war dann langsamer geworden, je weiter sie sich der Höhle genähert hatten, die jetzt vor ihnen eröffnete. Im Lichte von purpurnen Fackeln hatten sie die Mauer aus schwarzem Stein betrachtet, welche die Höhle zerteilte. Bargh hatte lange scharfe Metallspitzen gesehen, die aus der Mauer ragten. Dort hatten Leichname verschiedenster Rassen und Verwesungszustände gehangen, die dort aufgespießt worden waren. Bargh hatte sich immer wieder umgeblickt und die dunkelelfischen Wachen betrachtet, die er auf den Zinnen gesehen hatte. Um sie herum war ein Gemurmel verschiedenster Sprachen gewesen. Der Schweißgeruch von Nachtzwergen, Grottenschraten, Tiefengnomen, Troglodyten und anderen Geschöpfen war penetrant gewesen. Bargh hatte auch Ochsen eines langen Fells gesehen, deren süßlich-modriger Geruch Bargh an Neires Parfüm erinnerte. Er hatte gewusst, dass diese Tiere im Unterreich als Rothe bekannt waren. Bargh wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er die Stimme des Dunkelelfen vor ihnen hörte. Sie hatten sich auf etwa 20 Schritte einem doppelflügeligen Portal genährt, dessen metallverstärkte Türen weit nach außen geöffnet waren. Vier Dunkelelfen umringten einen Grottenschrat, der eine gefüllte Schubkarre vor sich herdrückte. Der Verkehr kam wieder zum Erliegen, als der Anführer, ein schlanker Mann mit weißem Haar und weiblichen Gesichtszügen, zu dem Händler sprach. Bargh verstand nicht alle Worte, doch die Stimme des Mannes hatte einen hohen, weibisch-arroganten Unterton: „Ihr müsset doch wissen, was es mit solchen berauschenden Getränken auf sich hat. Es ist eine besondere Steuer erforderlich.“ Bargh spürte nur Abscheu, als er die Kreatur sprechen hörte. Er vermutete, dass es sich um Schikane handelte. Der Grottenschrat stammelte gebrochene dunkelelfische Worte. „Steuer? Keine Steuer… noch nie Steuer hier.“ Der Dunkelelf schüttelte mit dem Kopf und sagte. „Ihr müsst die Steuer zahlen, wisset ihr es denn nicht?“ Wieder verneinte der Grottenschrat und wiederholte seine Worte. Der Dunkelelf brüllte nun lauter, als wolle er es der gesammelten Menge mitteilen. „Allein für euer Weigern gibt es eine Strafe. Ihr müsst 20 Platinstücke zahlen, falls ihr zur Sternenhalle wollt.“ Der Grottenschrat schüttelte mit dem Kopf. „Var‘kurr nur zehn haben. Nur zehn.“ „Jetzt sind es schon 30 Platinmünzen und vielleicht werden es noch mehr für euch.“ Wieder schüttelte sich der Grottenschrat und schrie: „Var‘kurr nur zehn, nur zehn!“ Bargh konnte Verzweiflung in seiner Stimme hören, als er die Worte immer wieder brüllte. „Nur zehn haben. Nur zehn. Var‘kurr nicht mehr Platin.“ Bargh sah, wie der Dunkelelf, den drei Soldaten ein geheimes Zeichen gab. Er erinnerte sich an seine militärische Ausbildung. Augenblicklich stachen die vier Dunkelelfen auf den Grottenschrat ein. Varkurr versuchte zwar noch auszubrechen aus dem Kreis, doch er brach röchelnd und Blut spuckend zu Boden. Der Dunkelelf gab seinen Untergebenen ein weiteres Zeichen und sie begannen den Leib hinfort zuziehen. Dann rammten sie Var‘kurr in einen der Stachel an der Mauer, wo er kopfüber hängenblieb. Ein anderer Dunkelelf hatte bereits grinsend die Schubkarre mit Var‘kurrs Fässern hinter die Mauer gebracht. Als der Strom sich wieder zu bewegen begann, hörte Bargh die Erleichterung der anderen Händler. „Endlich geht es weiter…“, „Er konnte nicht zahlen, habt ihr das gesehen?“, „Es ist nicht schade um den Bastard…“ waren Wortfetzen, die er hören konnte. Bargh legte seine Hand auf den Griff seines Schwertes. Sein Herz pochte. Dann zog er den Wagen weiter. Irgendwann gelangten sie an das Portal. Er konnte die rötlichen Augen der Dunkelelfen spüren, die von oben auf sie hinabglotzten. Er hatte gesehen, dass ein Nachtzwerg den Wachen ein Säckchen mit Münzen übergeben hatte. Wieder trat der Dunkelelf mit seinen Soldaten heran. Er blickte Neire und Zussa fast lüstern an, als seien sie seine kindlichen Spielzeuge. Dann hörte Bargh abermals die hohe weibische Stimme. „Ihr dort, Händler. Haltet ein.“ Langsam wurden sie von vier Soldaten umzingelt. Von oben richtete man Armbrüste auf sie hinab. „Natürlich!“ Sagte Bargh und stellte das Ziehen ein. „Woher kommt ihr, Händler?“ Fragte der Dunkelelf. Es war Neire der antwortete. „Aus der Nähe von Urrungfaust.“ Der Dunkelelf trat jetzt näher zu Neire und roch an ihm. „Aber ihr stinkt ja gar nicht. Ganz Urrungfaust soll stinken, der See…“ „Nun wir kommen aus der Nähe von Urrungfaust. Nicht aus Urrungfaust selbst.“ Bargh bemerkte, dass der Anführer Neires Amulett betrachtete. „Und was bringt ihr, Händler?“ „Strahlrohlinge aus Urrungfaust und einige Gewürze,“ log Neire. Der Jüngling führte die Gestalt zu einer Kiste und zeigte ihm einen Rohling mit Ne’ilurum Spuren. Die Gestalt hob eine Augenbraue. Dann blickte sie Bargh an. „Es ist nicht die wertvollste Sorte, nun, aber… der Weg ist lang für eine solch kostbare Fracht. Ihr müsset vielen Wegelagerern getrotzt haben. Aber mit einem solch stattlichem Exemplar... Ich wusste gar nicht, dass es so große Exemplare gibt. Der Kopf wäre eine schöne Trophäe, wahrlich.“ Neire verbeugte sich und sagte. „Die Oberwelt ist groß und hell. Es gibt viele wunderliche Sachen. Wenn ihr mich fragt, sage ich: Die Oberwelt ist groß und viel zu hell.“ Bargh sah ein kurzes Lächeln über die Lippen des Dunkelelfen gehen, doch dann sprach der Soldat weiter. „Und für wen? Für wen ist er bestimmt, euer Stahl aus Urrungfaust?“ Neire deutete auf das Amulett das er trug „Nun ihr wisst es doch. Immer für den, der am meisten zahlt.“ Die Gestalt ging einige Schritte zurück und gab eine militärische Anweisung. Sofort hörte Bargh das Rasseln von Ketten, als sich die Tore hinter ihnen zu schließen begannen. „Ihr wartet hier mit eurer Fracht. Ich werde gleich zurück sein.“ Sie verweilten eine Zeit vor dem geschlossenen Tor und Zussa und Neire warfen Bargh verschworene Blicke zu. Hinter dem Tor hörte der Antipaladin das Murren der Händler. Dann sah er zwei Gestalten aus einem Wachgebäude kommen, das an einer Felswand der Höhle stand. Der dunkelelfische Unteroffizier hatte seinen Anführer informiert, der jetzt auf sie zukam. Bargh sah, dass der Offizier langes silbernes Haar trug. Sein athletischer Körper war von einem schwarzen, feinen Kettenhemd bedeckt, in dessen Metallschienen eingravierte Runen zu sehen waren. Zudem trug er ein wunderschönes Schwert im Gürtel. Der Anführer wurde vom Unteroffizier zu ihnen geführt. Dann sprach der Untergebene. „Mein Herr. Sie bringen wertvollen urrungfauster Stahl.“ Bargh musterte das Symbol, das die Gürtelschnalle des Offiziers darstellte. Es war eine silberne Scheibe, auf der ein grünlicher Säbel dargestellt war. Bargh hatte von diesem Symbol bereits etwas gehört und er brachte es mit dem dunkelelfischen Haus Kilsek in Verbindung. „Für wen bringt ihr den Stahl? An wen verkauft ihr?“ Neire verbeugte sich bei den Worten des Anführers und antwortete. „Ich dachte es wäre klar. Natürlich für Haus Kilsek, mein Herr.“ Rasch fragte der Dunkelelf weiter. „Wie viele Rohlinge habt ihr?“ „Etwa 60 – 70 Rohlinge.“ „Zeigt sie mir!“ Bargh ging mit Neire und dem Dunkelelfen zu den Kisten. Er öffnete einige Deckel und zeigte dem Anführer den Stahl. Währenddessen wurde das Murren hinter dem Tor lauter. „Kommt ihr an den richtigen Stahl, den wertvollen? Den, den man Ne’ilurum nennt?“ Wieder antwortete Neire unterwürfig. „Es ist schwierig mein Herr, aber wir könnten es schaffen.“ Dann nickte der Anführer, wies seinen Untergebenen an zu warten und verschwand in Richtung des Wachhauses. Es dauerte nicht lange und ein anderer niederer Soldat erschien. Er bewegte sich auf sie zu und übergab ihnen ein Pergament mit Siegelwachs. „Der Kommandant sagt, sie können passieren.“ Neire nahm das Papier entgegen und verbeugte sich, während er sprach. „Habt Dank.“ Dann war da wieder die helle weibische Stimme, die Bargh wütend machte. „Ihr habt es gehört. Sputet euch!“ Er nahm die Ketten und begann den Karren zu ziehen. Hinter sich hörte er das Rasseln und sah, wie die Tore sich wieder öffneten. Da waren auch die erleichterten Rufe der Menge. Erst als sie das Tor hinter sich gelassen hatten, begann Neire die Worte vorzulesen. Bargh lauschte dem seltsamen Singsang der nebelheimer Intonation des Propheten, während er die dunkelelfische Zunge sprach: „An das Handelshaus Xarann. Diesen Händlern wird befohlen ihren Stahl an das Haus Kilsek zu verkaufen. Ihnen wird weiterhin befohlen, innerhalb von 60 Tagen 20 Wagenladungen puren urrungfauster Ne’ilurum Stahls in Rohform und unbeschadet in Erelhei-Cinlu zu übergeben. Der Stahl darf nur an das Haus Kilsek verkauft werden. Ihnen soll jener Preis bezahlt werden, den sie verlangen mögen. Weitere Lieferungen um jeden Preis. Gezeichnet, Elarka do’Kilsek.“
Jenseher:
Neire, Bargh und Zussa waren dem Strom von Händlern gefolgt, der sich hinter dem Tor in einem Tunnel verdünnt hatte. Bargh hatte unermüdlich den Karren mit den Stahlrohlingen gezogen, während Zussa sich wieder hatte ziehen lassen. Nach einer Zeit war Zussa dann eingenickt. Plötzlich wurde sie durch die Stimme Neires geweckt. „Zussa wacht auf und passt auf den Karren auf. Wir werden dort hinauf gehen.“ Zussa rieb sich schläfrig die Augen und folgte dem Arm des Jünglings. Sie befand sich in einer gewaltigen Höhle, deren Ausmaße sie nur erahnen konnte. Über ihr war ein Funkeln und ein Glitzern von fixen Lichtpunkten, die eine Ähnlichkeit zu Sternen hatten. In der Ferne konnte sie die Konturen von riesigen Pilzen und monumentalen Gebäuden erkennen. Neire zeigte aber auf eine steinerne Anhöhe, auf der Zussa einen Turm aus pechschwarzem Stein aufragen sah. Acht krallenartige Auswüchse auf dunklem Stahl – wie die Beine einer Spinne – ragten von der obersten Plattform und waren gehüllt in vielfarbige kalte Flammen. Zussa kannte die Lichter als Dunkelfeuer, das in immerwährend kalter und feenhafter Form brannte. Zussa war fasziniert von dem Anblick. Einige schwer beladene Karren zogen an ihnen vorbei und folgten dem ausgetretenen Steinpfad zum Turm. „Was habt ihr vor Neire? Wie lange habe ich geschlafen?“ Fragte sie den jungen Propheten mit den gold-blonden Locken. „Ihr habt eine Zeit geschlafen, in der wir dem Tunnel gefolgt sind. Wir werden dort hinauf gehen und uns einige dieser grünen Mäntel holen.“ Neire wies dabei auf die mit grünen Umhängen bekleideten Händler, die von dem Turm hinabkamen. Obwohl sich ihre Laune verschlechterte, sagte Zussa. „Na gut, aber lasst mich nicht zu lange warten.“ Neire aber auch Bargh grinsten sie an und sie rollte mit den Augen. „Nutzt die Zeit und betet zu unserer Herrin. Und stellt keine Dummheiten an,“ scherzte Neire, während er sich bereits umdrehte. Zussa wollte noch einige Widerworte geben. Dann aber blickte sie sich um und schaute auf die Wägen, die in ihrer Nähe waren. Einige Augenpaare ruhten auf ihr. Zussa wurde mulmig und sie begann mit ihrem Säbel zu spielen.
„Wieso hat es so lange gedauert? Ich habe mich hier zu Tode gelangweilt.“ Zussa war wütend, obwohl sie sich freute, dass Neire und Bargh wieder zurückgekommen waren. Neire reichte ihr gerade einen grünen Mantel, an dem sie roch. „Wenigstens stinkt er nicht so, wie die Lumpen die…“ Sie verkniff sich den letzten Teil des Satzes, den ihre Erinnerung an den Plan Ortnors in Unterirrling hervorgebracht hatte. Jetzt trat Bargh zum Wagen und redete mit gedämpfter Stimme. „Wir mussten warten, wie die anderen Händler auch. Alles wurde dort protokolliert. Sie fragten nach der Fracht, deren Herkunft und deren Bestimmung. Wir mussten zahlen, da wir nur ein Amulett hatten, das wir abgeben konnten.“ Auch Neire war nähergekommen und führte die Erzählung fort, als Bargh eine Pause machte. „Wir sahen die Flaggen einiger Händlerorden. Coborel hat das Symbol eines Adamantbarrens. Sie handeln größtenteils mit Stahl und dienen Haus Eilserv. Elpragh besitzt ein Knochensymbol. Sie dienen Auvyndar und sind wohl eher unbedeutend. Dann war da noch das Pilzsymbol von Naerth. Ein Handelshaus, das spezialisiert ist auf berauschende Kräuter.“ Zussa langweilte sich und gähnte. „Sie notierten sich unsere Fracht und ich bemerkte, dass der Dunkelelf eine besondere Notiz machte.“ Zussa rollte mit den Augen und antwortete betont gelangweilt. „Und… was hat er geschrieben?“ „Er schrieb Vorsicht Fremde! Wir sollten also auf der Hut sein. Vielleicht wird man uns folgen.“ Für den Augenblick verschwand die Langeweile und Zussa blickte sich um. „Und jetzt?“ Bargh begann die Ketten des Wagens aufzunehmen und sagte. „Wir werden erst einmal die Waren verkaufen. Dann sehen wir weiter, was es mit dem Handelshaus Xarann auf sich hat.“ Zussa sprang vom Wagen und ging neben Bargh. Sie folgten dem ausgefahrenen Weg im Stein und dem Strom der Händler, die jetzt, wie sie selbst, grüne Mäntel trugen. Nach einiger Zeit rückte der Pilzwald näher und sie sah hölzerne Lanzen, auf denen Gestalten aufgespießt waren. Die Leichen waren von unterschiedlichen Rassen und in unterschiedlichen Verwesungszuständen. Von einigen ging noch ein Fäulnisgestank aus und sie hörte das Summen von dicken, schwarzen Leichenfliegen. Jählings steuerte Bargh den Wagen auf zwei Leichen zu. Die Gestalten waren wohl schon länger tot und mussten einst muskulös gewesen sein. Sie konnte die Leichen als Menschen identifizieren. Bargh ließ die Ketten sinken und begann die Stiefel zu untersuchen. Sie trat heran und blickte Bargh an, der leise sprach. „Es könnte sein. Die Größe dieser gepanzerten Stiefel. Es könnten jene Spuren sein, die ich bereits im Kerker von Isenbuk gesehen habe.“ Auch Neire nickte und deutete auf den Verwesungszustand. „Vielleicht vier bis sechs Monate. Länger hängen sie noch nicht hier. Zieht ihn hinab Bargh. Wir nehmen einen Leichnam mit.“ Bei den Worten Neires begann sich Zussa vorsichtig umzublicken, denn sie waren nicht allein. Sie hörte das Knirschen von Wagenrädern auf Stein. Bargh zögerte nicht und begann den Leichnam hinabzuziehen. Er wuchtete die Knochen der Gestalt nach oben. Dann war da die Stimme eines Dunkelelfen. „He, ihr dort. Was macht ihr da?“ Zussa begann bereits ihren Säbel zu ziehen, um den Händler zu töten, doch Neire war schneller. Er brachte einen schwarzen Edelstein hervor und ging auf den Karrenfahrer hinzu. Leiste flüsterte er: „Ihr habt doch nichts gesehen oder etwa doch?“ Gierig nahm der Dunkelelf den Edelstein entgegen und antwortete. „Nein, ihr macht ja nur Platz für den Nächsten. Irgendjemand muss ja diese Arbeit machen. Also gehabet euch wohl.“ Dann ging alles schnell. Neire zog den schwarzen Seidenvorhang zu Ortnors Labor hervor und der Leichnam des toten Kriegers verschwand in dem geheimen extradimensionalen Raum.
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Neire lauschte dem Klimpern von Platinstücken. Vor ihm hatte der ältere Dunkelelf eine schwere Schatulle geöffnet, die er an zwei über seine Schultern gelegten Bändern trug. Jeweils fünf Münzen zählte der Verwalter von Xarann ab, die er dann in den ledernen Beutel fallen ließ, der für sie bestimmt war. Diesen Vorgang wiederholte er immer wieder. Das Schauspiel ging jetzt schon einige Zeit. Bei dem Klang der Reichtümer ließ Neire seine Gedanken zurückschweifen. Sie waren nach einem Fußmarsch an eine Kreuzung gekommen, an der fast alle Händler den Weg nach links genommen hatten. Es waren keine Wegweiser zu sehen gewesen, also hatten sie den Fahrer eines Karrens gefragt, dessen Gefährt von zwei zotteligen Rothe gezogen wurden. Der Wagen war von einer jüngeren Frau mit steingrauer Haut, spitzen Ohren, grauen Augen und langen dunklen Haaren gesteuert worden. Die Frau war klein und dicklich gewesen, aber geradezu schlank im Vergleich zu ihrem männlichen Begleiter. Der Tiefengnom hatte einen gewaltigen Wanst, einen weißen Bart und lange weiße Haare gehabt, die unterhalb seiner Glatze hinabfielen. Als Neire nähergetreten war und die beiden nach dem Weg gefragt hatte, hatte er den Gestank von Alkohol vernommen, der von dem fetten Svirfneblin ausging. Die Gnomfrau hatte Neire antworten wollen, doch der Mann mit der Peitsche hatte sie mit einem Schlag auf den Hinterkopf zum Schweigen gebracht. Er hatte Neire dann mit leicht lallender Stimme geantwortet – hatte ihm erzählt, dass der Weg zur Linken zu den Kontoren der Handelshäuser führen würde. Auf den Verweis auf ihre grünen Roben und die Frage, ob sie in der Stadt nicht mehr Gold für ihre Waren bekommen würden, hatte der Svirfneblin grimmig gelacht. Er hatte gesagt, dass man dort vielleicht mehr bekommen würde, für seine Ware. Doch dort müsse man den Verkäufer erst finden. Außerdem könne es passieren, dass irgendjemand einen anrempelte und man dann eine Klinge im Bauch hätte. Der Tiefengnom hatte betont, dass er darauf verzichten könne. Zussa hatte ihn gefragt, ob er einen Ortnor Wallenwirk kennen würde. Der Peitschenträger hatte genickt und gemeint, einen solchen Namen schon einmal gehört zu haben. Auf die Geschichten von Ortnors Unternehmungen – insbesondere die von seiner seltsamen Maschine, die sich durch die Erde fressen konnte – hatte der Tiefengnom grimmig reagiert. Der Mann hatte betont, dass er selber schuld wäre, wenn er die Fehler in der Konstruktion nicht beseitigt hätte, welche die Dunkelelfen durch die lauten Geräusche in seine Svirfneblin Stadt gelockt hätten. Er hatte gesagt, dass Ortnor wohl damit klarkommen müsse, die Leben der getöteten und versklavten Svirfneblin auf seinem Gewissen zu haben. Zussa hatte zustimmend gelacht und Neire hatte ihm etwas von dem Dunkelelfenschnaps angeboten. Der Gnom hatte gierig getrunken. Auf Neires Frage, ob er nicht seiner Tochter auch etwas von dem Gebräu geben wolle, hatte der Karrenfahrer gelacht. Er hatte die Brüste der Frau gepackt und sie hochgehoben. „Liebling, sie nennen euch meine Tochter,“ hatte er gesagt. „Sie ist meine Frau! Schaut sie euch gut an, denn sie hat ihre Qualitäten. Dieses Gebräu ist aber nichts für ein gutes Weibsstück, wie sie es ist.“ Dann hatte er mit dem Kopf geschüttelt und Neire den Schnaps zurückgegeben. Er hatte gelacht und seiner Frau einen weiteren Schlag auf den Hinterkopf gegeben. Neire hatte sich dann verabschiedet und sie hatten das seltsame Paar hinter sich gelassen. Sie hatten die Kontore vorgefunden, wie sie ihnen der Tiefengnom beschrieben hatte. Es war eine Ansammlung von steinernen Gebäuden gewesen, über deren Wappen verschiedenste Dunkelfeuer brannten. Schließlich hatten sie den Haken, das Symbol der Händler von Xarann gefunden und ihre Ware verkauft. Sie hatten mit einer Dunkelelfin verhandelt, die ihnen als Narcelia Nym vorgestellt wurde. Neire hatte jeweils 800 Goldstücke für jene Barren verlangt, die mit Ne’ilurumstahl angereichert waren. Als Zeichen des guten Willens hatte er nichts für die anderen Barren verlangt. Narcelia hatte eingewilligt und gerade wurden ihnen 1600 Platinstücke für 20 Barren angereicherten Ne’ilurumstahl ausgezahlt. Nachdem die Summe abgezählt war, gab Neire den schweren Beutel an Bargh weiter. Dann richtete er seine Stimme an Narcelia. „Habt Dank, verehrte Frau. Und was den Handel mit Urrungfauster Stahl betrifft…“ Die ältere Dunkelelfin mit dem grau-weißen langen Haar unterbrach ihn. Rötliche Augen funkelten Neire aus einem pummeligen Gesicht an. „Das müsst ihr Männchen untereinander ausmachen. Sprecht mit Herrn Xarann. Er hat sein Haus im Pilzwald, nicht weit von hier.“ Neire nickt und verbeugte sich. Er bat nach dem Weg, welchen Narcelia ihm betont gelangweilt beschrieb. Dann drehte sich die Frau ohne ein Wort des Abschiedes um.
Jenseher:
Sie waren danach in die Richtung aufgebrochen, die ihnen Narcelia Nym gewiesen hatte. Doch Bargh und Neire waren müde gewesen und so hatten sie nach einer Stelle im Pilzwald Ausschau gehalten. Sie hatten eine kleine Lichtung gefunden, die gut geschützt war. Die Riesenpilze hatten gewaltige Hüte gehabt und die Höhe von alten Eichen erreicht. Sie hatten kein Feuer gemacht und ihre Decken ausgerollt. Außer dem Summen von dicken Fliegen, war es still gewesen. Bargh hatte die erste Wache übernommen. Lange hatten Neire und Zussa aber nicht schlafen können. Bargh hatte einen Schrei und Stimmen aus der Entfernung gehört. Er hatte Zussa und Neire geweckt und so hatten sie sich an die nahe gelegene Straße gepirscht, aus welcher Richtung Bargh das Geräusch gehört hatte. Im sternenhaften Licht der Höhle hatten sie ein groteskes Schauspiel gesehen. Eine zerlumpte Gestalt eines menschlichen Sklaven hatte sich auf der anderen Seite der Straße unter einem kleineren Pilz versteckt. Der Mann mittleren Alters war ausgemergelt und verwundet gewesen. Am Rande der Unterernährung, hatte er auch alte Spuren von Narben getragen. Ein Trupp von Dunkelelfen hatte ihn verfolgt. Zwei der Soldaten hatten riesige Lastenechsen gesteuert, die große eiserne Käfige getragen hatten. Neben den Echsen waren weitere Soldaten gegangen und ein Mädchen im Alter von vielleicht 14 Jahren. Die Dunkelelfin hatte ein nobles Aussehen, feine Kleidung und die Haarspange in Form eines Blitzes getragen. Neire hatte das Symbol als Wappen des Hauses Tormtor erkannt. Das Mädchen hatte den Kopf mit den silbernen Locken gesenkt, als ob sie horchen würde. Dann hatte sie gerufen. „Ich habe ihn gehört… dort! Lasst sie frei, lasst sie frei… ich will es sehen.“ Die Soldaten hatten gehorcht und die Käfige geöffnet. Aus dem dunklen Inneren waren zwei Kreaturen hervorgekommen, die gelb leuchtende Augen gehabt hatten. Beide waren muskulöse Raubkatzen eines schwarzen, seidigen Fells gewesen. Aus den Schultern waren Tentakel hervorgekommen, die in Widerhaken-besetzten Fleischlappen geendet waren. Die Kreaturen waren auf den Sklaven zugeschlichen, doch ihre Position hatte sich ab und an schlagartig geändert. Dann hatten sie plötzlich vor dem Sklaven gestanden und mit ihren Tentakeln zugeschlagen. Immer und immer wieder. Sie hatten Fleischstücke aus ihrem Opfer gerissen. Grauenvolle Schreie hatten den alten Pilzwald erfüllt. Das Schauspiel im schwachen Licht der Sternenhalle war grausam gewesen. Nachdem der Sklave sich nicht mehr bewegt hatte, hatten die Raubkatzen das Blut vom Körper geleckt, waren dann aber von ihrem Opfer gewichen. Da war auch das Kichern des Mädchens gewesen, die zu den Wachen gesprochen hatte. „Hihihi, das war lustig. Können wir es nochmal machen? Ich will es nochmal sehen!“ Die Soldaten hatten nur genickt. „Wann denn? Wann wiederholen wir es?“ Hatte die Dunkelelfin gefragt. „Bald meine Herrin, schon bald.“ Während die beiden Echsen den Leib des Sklaven zerrissen und verschlungen hatten, hatte das Mädchen gesagt. „Ich hoffe sehr bald. Meine Tiere hätten dann auch etwas mehr Auslauf.“ Ein älterer Dunkelelf hatte eine Pfeife benutzt und drei hohe Töne von sich gegeben. Während die Raubkatzen in ihre Käfige zurückgekehrt waren, hatte er gesagt. „Wir sollten vielleicht einen stärkeren Sklaven finden. Die Jagd würde länger dauern und ihr hättet einen größeren Spaß, meine Herrin.“ Das Mädchen hatte wieder gelacht und den Soldaten umarmt. Dann war die Gruppe über die Straße verschwunden.
Neire, Bargh und Zussa waren zu ihrem Lager zurückgekehrt und hatten die Rast fortgesetzt. Sie waren nicht mehr gestört worden. Nach ihrer Ruhe hatten sie zu Jiarlirae gebetet und Neire hatte sein Fackelritual durchgeführt. Dann hatten sie den Leichnam aus Ortnors Labor geholt und ins Moos gelegt. Neire hatte Weihrauch entzündet und mit den Beschwörungsformeln begonnen. Jetzt griff er den Leichnam an den verfaulten Hals und sprach zischelnde, okkulte Worte. Zittern und Knacken gingen durch die morschen Knochen. Der Kiefer begann sich zu bewegen, als wolle der Leichnam sprechen. Neire beugte sich hinab und versuchte den Gestank der Leichenfäule nicht zu beachten. Er flüsterte die Worte. „Ihr müsst mir antworten, bei ihrer Flamme. Ich rufe euch aus der ewigen Düsternis zurück.“ Ein röchelnder Hauch war zu hören, doch der Leichnam bewegte seinen Kiefer nicht. „Was wolltet ihr einst in Erelhei-Cinlu?“ Für einen Augenblick herrschte Stille. Dann war da das Raunen, wie aus den Tiefen einer Gruft. „Ich will das, was wir alle wollen. Ruhm, Macht, Ehre und Reichtum.“ Neire nickte und verstärkte den Griff seiner Hand. „Welchem Gott dient ihr?“ „Keinem…“ Seine Fingernägel bohrten sich in das tote Fleisch. Der Geist wollte Neire entfliehen, doch noch durfte, noch konnte er nicht. „Dient ihr der Triade?“ „Noch nicht…“ „Was wolltet ihr für sie tun?“ Die Stimme ächzte, doch sie musste antworten. „Sie beschenken, sie umwerben, sie überzeugen.“ Neire fragte direkt weiter. „Mit was?“ „Mit dem Einzigen was zählt. Mit der Macht im Dunklen und im Hellen. Nicht nur im Jenseits, sondern auch im Diesseits.“ Neire hörte das triumphierende Lachen in der Stimme. Langsam entfloh die tote Seele seiner Gewalt. Er wusste, dass er noch eine Frage hatte. „Wer versteckt sich hinter der Triade?“ „Die drei, die sich ihre Pakte erkauft haben. Die drei, die ihre Reiche gegründet haben. Die drei, die nicht im Diesseits. Die drei, die fliehen mussten vor den Anderen, die ihre Macht fürchteten.“ Dann verschwand der Geist dorthin, wo er hergekommen war. Sie ließen den Leichnam unter den Riesenpilzen zurück und machten sich auf den Weg zum Herrscher von Xarann.
Jenseher:
Bargh blickte durch den Einschnitt im Wald der Riesenpilze. Ein kalter gelblicher Schimmer drang von einer Lichtung und ließ die dicken Stämme der gigantischen Fungi lange Schatten werfen. Der Drachentöter schritt weiter voran. Bargh führte Neire und Zussa einem Gebäude entgegen, das zwischen den Riesenpilzen aufragte. Kalte magische Feenfeuer brannten auf dem schwarzen Stein; eine große Mauer umgab ein fünfeckige Wehrburg, aus deren Mitte ein hoher runder Turm aufragte. Das Licht der tanzenden Flammen überdeckte das ferne Gefunkel der Decke der Sternenhalle. Bargh atmete die modrige Höhlenluft und nickte Neire und Zussa zu. Im Schatten der Dunkelheit, derer seine Göttin Jiarlirae ihn bemächtigt hatte, traten sie weiter dem Gebäude entgegen. Plötzlich hörte er die Stimme eines der vier dunkelelfischen Soldaten, die vor dem Tor Wache hielten. „He, ihr da! Was schleicht ihr euch hier heran. Kommt hervor und zeigt eure Hände.“ Bargh steckte sein Schild in den Befestigungsmechanismus, den einst Ortnor konstruiert hatte. Dann ließ er das schwarze heilige Schwert Glimringshert in die Scheide gleiten und hob seine Hände. Auch Zussa und Neire taten es ihm gleich. „Wir kommen von Elarka do’Kilsek. Wir möchten mit dem Herrn Xarann sprechen,“ rief Neire in die Richtung der Wachen. Bargh hörte von dort ein Lachen. Die Dunkelelfen trugen Waffen und Rüstungen aus glänzendem Chromstahl. Sie waren noch nicht alt und ihre rötlichen Augen glühten im Licht des Gebäudes. Alle vier hatten Broschen eines Hakens aus Bernstein mit Lederbändern um ihre Hälse gelegt. „Das behaupten viele… wieso sollte sich das große Haus Kilsek jetzt von Anderlingen bedienen lassen. Wer sollte uns hindern euch der Lüge zu bezichtigen? Wer sollte uns hindern euch hier und jetzt zu töten?“ Bargh bemerkte, dass Neire das Pergament hervorholte und zu einer Antworte ansetzte. Doch in ihm grollte ein Hass, als er den vielleicht siebzehnjährigen Dunkelelfen betrachtete. „Es ist eure Angst, die euch daran hindert. Es ist eure Angst, hier und jetzt zu sterben.“ Die Stimme Barghs donnerte über den Platz und er bewegte sich näher auf den Eingang hinzu. Das Lachen erstarb augenblicklich und die Soldaten hoben zitternd ihre Kurzschwerter. „Wir haben einen Brief mit dem Siegel von do’Kilsek,“ rief Neire in ihre Richtung. Die Stimme des Anführers, die Neire antwortete, klang deutlich unterwürfiger. „Wenn es so ist, werden wir den Brief holen. Bleibt dort stehen und bewegt euch nicht weiter.“ Der Dunkelelf mit den kurzen weißen Haaren stieß einen seiner Kameraden nach vorn, der sich ängstlich näherte. Neire überreichte ihm das Dokument, mit den Worten. „Wir hätten es dann gerne wieder, wenn ihr es gelesen habt.“ Der Soldat kehrte daraufhin zurück und es dauerte einige Augenblicke, bis die Wachen den Brief gelesen hatten. Dann schlug der Anführer seinen Schwertknauf auf das Holz des Portals und rief: „Flüsterwasser!“ Bargh hörte ein Rasseln von Ketten. Die dunklen Flügel öffneten sich und er kam dem Wink des Anführers nach. Auf die Worte, „Folgt dem Gang. Ein Bote hat bereits den Herrn Xarann informiert. Doch ihr müsst eure Waffen abgeben.“ Bargh knurrte den Soldaten an. „Ich trage dieses Schwert seit Jahren. Eher sterbe ich, als es abzugeben.“ Er beugte sich dabei über die zitternde Gestalt. Der Dunkelelf stammelte. „Gut… gut… es ist… es ist bestimmt euer Erbstück und die Ehre eurer Mutter liegt darin es zu tragen. Behaltet es.“ Bargh nickte, wandte sich ab und begann den Gang in Richtung des mittleren Turmes zu gehen.
Flackerndes gelbliches Licht drang in das hohe Gemach des Turmraumes, das von schwarzen Fellteppichen ausgelegt war. Zussa, Neire und Bargh hatten weitere Gänge erblickt, die von dem Raum hinfort führten. An einer jeden Öffnung hatten sich dunkelelfische Armbrustschützen postiert, die ihre Waffen auf sie gerichtet hatten. Aus den höheren Wänden ragten Metallstäbe hervor und noch weiter darüber sahen sie die Gemälde einer dunkelelfischen Frau. Zur linken und rechten Seite gingen sie an jeweils einer Adamantstatue eines großen Dunkelelfen vorbei. Dort hinter hatten sich, abgeschirmt von vier Soldaten, zwei Dunkelelfen postiert. Der jüngere Mann war in einen Mantel gekleidet und trug ein Buch in der einen sowie einen Kohlestift in der anderen Hand. Der ältere Mann war groß gewachsen und hatte langes, weißes, geöltes Haar. Er trug eine Bänderpanzer aus feinsten Metallschienen, unter dem goldene und silberne Unterkleidung hervorkamen. Er hatte einen Degen auf seinen Unterarm gelegt, dessen Klinge von derartigen Widerhaken überzogen war, die an Rosenstachel erinnerten. Neire trat jetzt einen Schritt hervor und verbeugte sich vor dem älteren Dunkelelf. „Seid gegrüßt Herr Xarann und habt Dank, dass ihr uns in eurer Halle empfangt.“ Die Gestalt verzog ihr altes, faltiges Gesicht. Ein Grinsen zeigte Abscheu. Der Mann erhob seine Hand und sprach. „Spart euch euer Getue, Menschlein aus der Oberwelt. Warum stört ihr mich und meine Arbeit?“ Neire reichte den Brief mit Siegel an Zussa und sagte. „Gebt es ihm.“ Nachdem Zussa den Brief mit einer übertriebenen Hochnäsigkeit überreicht hatte, las der Dunkelelf und antwortete schnell. „So so… das Haus Kilsek empfiehlt uns einen Handel mit euch. Einen Handel um das seltene Erz Ne’ilurum, das vielleicht das zehn- bis hundertfache seines Gewichtes in Gold wert ist. Sagt… wieso kommt ihr zu mir? Wieso kommt ihr mit eurem Handel zu Herrn Jivvin Xarann? Wieso habt ihr diese großen Mühen auf euch genommen? Wieso seid ihr so weit gereist?“ „Vielleicht seid ihr wert,“ antwortete Bargh. Dann sprach Neire, der sich nochmals verbeugte. „Wir beantworten gerne eure Fragen, Herr Xarann, doch wir lernten einmal vom großen Meister Halbohr, dass, bevor man einen Vertrag schließt, seinen Gegenüber kennenlernen sollte. Also… wer seid ihr Jivvin Xarann?“ Für einen Augenblick schien der Dunkelelf nachzudenken. Dann verwandelte sich sein Ausdruck der Abscheu in ein gieriges Lächeln. „Ahh, ihr dient also Meister Halbohr. Ich habe schon viel von ihm gehört. Ich will euch erzählen, mit wem ihr es zu tun habt. Mein Name ist Jivvin Xarann und mein Name ist nicht so hoch angesehen, wie ich es verdient hätte. Wie kommt ein Mann in Erelhei-Cinlu also zu so viel Reichtum und Macht? Nun ich habe das Geschäft von meiner werten Frau übernommen, die leider nicht mehr unter uns währt.“ Sein Grinsen wurde diabolisch, als er auf die Gemälde an den Wänden über ihnen zeigte, die das dümmlich wirkende Gesicht einer übergewichtigen Dunkelelfin zeigten. „Sie ist viel zu früh von uns gegangen, doch ich lernte viel von ihr. Ich übernahm die Geschäfte und jetzt steht das Handelshaus Xarann reicher und mächtiger da, als je zuvor.“ Neire und Bargh nickten anerkennend, nur Zussa gähnte, warf ihre roten Locken zurück und spielte Langeweile vor. „Ihr dient Haus Kilsek, aber dient ihr auch der Spinnengöttin und der Stadt Erelhei-Cinlu?“ Jivvin verneinte Neires Frage und sagte. „Ich diene nur mir selbst. Natürlich bin ich Haus Kilsek und ihren Verbündeten verpflichtet. Auch habe ich ein Interesse daran, dass Erelhei-Cinlu reich und stark ist. Doch ich diene nicht der Spinnengöttin und ihren niederen Intrigen. Das überlasse ich den Priesterinnen mit ihren hohen und edlen Namen.“ Wieder war es Neire, der eine weitere Frage stellte. „Was ist mit Ghaundaur, dem Gott der Schlicke und Schleime? Was ist mit dem Gott des elementaren Bösen, dem einen älteren Auge?“ Der alte Dunkelelf hob eine Augenbraue und sein Gesicht wurde ernst. „Ihr solltet aufpassen, welche Namen ihr in Erelhei-Cinlu aussprecht. Auf die Leugnung und Schändung der Spinnengöttin stehen hohe Strafen. Es gibt jene, die diesen Göttern – für mich sind es Aspekte ein und desselben Gottes – dienen. Sie tun es aber im Verborgenen. Haus Kilsek und ihre Verbündeten, Haus Tormtor, dienen treu der Spinnengöttin.“ Als Neire eine weitere Frage stellen wollte, fuhr Jivvin fort. „Aber nun zu euch. Wer seid ihr? Wer möchte mit Jivvin Xarann Geschäfte machen?“ Neire zeigte auf seine Mitstreiter und sagte mit zischelndem Nebelheimer Akzent. „Das ist Bargh, der Drachentöter, heiliger Ritter unserer Herrin. Dies ist Zussa, die Hand der Flamme und ihre ergebene Dienerin. Mein Name ist Neire von Nebelheim, ihr Prophet. Wir alle dienen Jiarlirae, der Schwertherrscherin, der Dame des aufsteigenden abyssalen Chaos, der größten und ältesten unter allen Göttern. Wir sind interessiert an den Geheimnissen unserer Herrin. Es ist Meister Halbohr, mit dem ihr handeln werdet.“ Jivvin nickte, dann war Wohlwollen, vielleicht Gier, in seinem Gesicht zu sehen. „Ihr drei seid mir nicht zuwider. Ihr haltet unsere Gepflogenheiten ein und ihr weist den notwendigen Respekt auf. Doch lasset uns zuerst über unseren Handel sprechen. Es ist einfacher als der Austausch von Geheimnissen. Geheimnisse bergen eine gewisse Gefahr, für den Bewahrer und den Empfänger, gleichsam.“ Der Dunkelelf machte eine kleine Pause, dann fuhr er fort. „Wir sollten vielleicht mit einer kleineren Menge Stahl und Erz anfangen. Eine Wagenladung, was meint ihr? Rohlinge mit angereichertem Ne’ilurum und Stahlbarren aus reinem Ne’ilurum. Was möchtet ihr dafür haben und bis wann könnt ihr liefern?“ Danach drehte sich das Gespräch eine Zeit um den Preis für das Erz und dessen Beschaffung. Die Anhänger der Schwertherrscherin stellten dabei fest, dass Jivvin ein großes Interesse an Ne’ilurum in Reinform hatte. Sie einigten sich schließlich auf 80 Platinstücke für einen angereicherten Rohling sowie 200 Platinstücke für einen Barren aus reinem Ne’ilurum. Sie erörterten auch die Möglichkeit des Transportes über ein Portal mit Hilfe der schwarzen Kunst. Neire deutete an, dass Meister Halbohr über diese Möglichkeiten verfüge. Schließlich willigten alle in den Handel ein und der Schreiberling notierte alles in seinem Buch.
Nach ihrem Handel war Jivvin Xarann gesprächiger geworden. Sie hatten ihn gefragt, ob er etwas über die dunklen Machenschaften der Triade gehört hatte. Nachdem ihm Neire von den dreien erzählt hatte, die ihre Reiche im Diesseits nicht errichten konnten, also im Jenseits herrschten, hatte Jivvin abgewunken. Er hatte es als Schreckgeschichte abgetan, die kleinen Kindern erzählt würde. Er hatte gesagt, dass je nach Erzähler die dunklen Drei als Drachen, Dämonen, untote Herrscher oder untote Könige dargestellt würden. Auch war ihm nicht bekannt gewesen, dass es Anhänger der dunklen Drei gegeben hätte, die ihren Weg aus den Oberreichen hinab nach Erelhei-Cinlu gefunden hätten. Ihr Gespräch hatte sich danach über Erelhei-Cinlu, die Häuser und die dortigen Örtlichkeiten gedreht. Jivvin hatte ihnen gesagt, dass Haus Eilserv noch immer das mächtigste Haus in der Dunkelelfenstadt sei und mit Haus Tormtor verbunden wäre. Die neue Mutter des Hauses, Amrae da’Eilserv, hatte Eclavdra wohl nach ihrem Verschwinden abgelöst. Die Häuser Noquar, DeVir und Despana waren treu der Spinnengöttin ergeben und dienten Haus Kilsek. Auch Haus Aleval und Auvyndar dienten Lolth, waren aber sonst relativ unbedeutend und ohne Verbündete. Sie hatten dann über die Gesetze von Erelhei-Cinlu gesprochen, die wohl größtenteils Auslegungssache waren. Herr Xarann hatte sie jedoch gewarnt, sich nicht von adeligen Dunkelelfen provozieren zu lassen. Es wurde ihnen erklärt, dass auf Vergehen gegen Angehörige eines hohen Hauses wohl immer die Todesstrafe stand, die zumeist durch das Verfüttern der eigenen Eingeweide an den Verurteilten durchgeführt wurde. Jivvin hatte ihnen von der Arena und von einem schaurigen Theater erzählt, wobei Letzteres wohl von Haus Tormtor geführt wurde. Er hatte ihnen auch von einem Ort berichtet, an dem sie sich in Erelhei-Cinlu niederlassen konnten. Es hatte sich um ein Gasthaus gehandelt, dass einem Nachtzwerg namens Melrig Dunkelfort gehörte. Nach einem Wort der Warnung hatten sie sich dann verabschiedet. Jivvin hatte von einer Krankheit gesprochen, die in Erelhei-Cinlu umging. Genaueres hatte er aber nicht gewusst. Sie waren dann aufgebrochen und hatten den Turm von Xarann hinter sich gelassen. Leise hatten sie sich über ihre Erfahrungen unterhalten. Erst nachdem sie an einer Kreuzung in die Straße nach Erelhei-Cinlu abgebogen waren, waren ihre Gespräche abgeebbt. Sie hatten schweigsam den Pilzwald beobachtet und hatten die Karren der Händler an ihnen vorziehen sehen. Auf diesem Weg zur Stadt steuerten ausschließlich Dunkelelfen die Gefährte. Dann hatte Bargh die warnende Stimme Neires gehört. „Vorsicht Bargh, der Karren hinter euch. Er weicht nicht aus.“ Bargh drehte sich in Richtung der knirschenden Räder, während Zussa und Neire bereits in Richtung des Pilzwaldes gesprungen waren. Hinter ihm näherte sich ein von zwei Grottenschraten gezogener Karren. Die beiden groß gewachsenen und kräftigen Kreaturen waren ausgemergelt. Um ihre felligen Hälse war ein ledernes Zaumzeug befestigt, das ihnen die Luft nehmen konnte. Bargh vernahm das Hecheln und bemerkte einen tiefen Hass in den bernsteinfarbenen Augen der Kreaturen. Auf dem Karren saß ein Mann mittleren Alters, der einen grünen Mantel, einen Säbel und die Brosche eines Knochens trug. Der Dunkelelf hatte kurzes weißes Haar und eine längst verheilte Narbe über dem rechten Auge. Zwei rötliche Augen funkelten Bargh hasserfüllt an, als der Mann den Karren auf ihn zulenkte. Bargh tat einen Schritt in Richtung Pilzwald, doch der Wagen drohte ihn zumindest anzufahren. Nur im letzten Augenblick bemerkten ihn die beiden Grottenschrate und änderten ihren Laufweg. Als das Gefährt ihn passierte, trat Bargh mit seinem Stahlstiefel unauffällig gegen das Bein des ihm näheren Grottenschrates. Die nach Schweiß stinkende Gestalt fing augenblicklich an zu taumeln und brach zu Boden. Der Wagen lief jedoch noch weiter und der Dunkelelf wurde von der Kraft der Zügel von seinem Gefährt gerissen. Bargh hörte ein unschönes Knacken des Schulterknochens. Zudem schleifte der Wagenfahrer mit dem Kopf über die spitzen Steine. Seine Haut wurde ihm dabei von der betroffenen Gesichtshälfte geschält. Als das Gefährt zum Stillstand kam, gingen sie an dem Wagen vorbei. Bargh hörte Zussa und Neire lachen. Auch er brachte ein Glucksen von sich. Die Grottenschrate waren aufgestanden und versuchten sich ihre Halsfesseln zu lösen. Der Dunkelelf saß zusammengekauert auf der Straße. Unter seiner Schulter war die Ausbeulung seines gebrochenen Schlüsselbeins zu erkennen. Von ihm ging ein leises Wimmern aus. Dann sah Bargh den Jüngling mit den gold-blonden langen Locken neben sich. Er hört Neires einflüsternde Worte. „Ihr wurdet misshandelt. Man gab euch nicht genügend essen und deswegen habt ihr Hunger.“ Das Kind der Flamme zeigte mit rot-schimmernden Augen auf den Dunkelelf. „Esst ihn auf. Es ist genügend für euch beide da.“ Mit einem Röcheln und einem Grunzen fielen die beiden Kreaturen mit dem humanoiden Bärenschädel über den Dunkelelf her. Da war ein Knacken und ein Reißen. Der Dunkelelf wimmerte, als sein gebrochenes Schlüsselbein durch einen Biss zum Vorschein kam. Zussa, Neire und Bargh betrachteten das Geschehen mit kindlicher Faszination. Doch schon bald wurden die Schreie weniger und das Wimmern erstarb. „Lasst uns hier verschwinden. Ich höre die nächsten Karren kommen,“ sagte Neire und sie ließen den geschändeten Leichnam des unglücklichen Karrenfahrers zurück. Weit hinter sich sahen sie, wie die Grottenschrate von herannahenden Dunkelelfen niedergemetzelt wurden.
Erelhei-Cinlu – Vor ihnen ragten die gewaltigen Stadtmauern auf. Ein unüberwindbares Bollwerk aus dunklem, leicht glänzendem Stein. Der Festungswall zog sich zu beiden Seiten durch die Höhle hinfort. Neben vielen kleinen Winkeln und Erkern, ragten aus der Mauer kleine Türme hervor. Fratzenartige Fresken waren in den Stein hineingearbeitet und zeigten die Köpfe von Kreaturen mit leeren Augenhöhlen, spitzen raubtierhaften Zähnen, geschwürigen Auswüchsen sowie Pusteln und verdrehten Hörnern. Von den Wehrgängen des Bollwerks konnten Neire, Zussa und Bargh Bewegungen schattenhafter Dunkelelfen erahnen, die schwere Armbrüste trugen. Die Mauer war zwar in Dunkelheit gehüllt, doch von dahinter erreichte sie ein Schimmer vielfarbiger kalter Feenfeuer. Die Straße führte sie durch zwei kolossale Portalflügel, die sich wie in einen sündigen, dunklen Schlund eröffneten. Von dort hörten sie die Geräusche der Stadt: Schreie, Stöhnen, Peitschenhiebe, Gemurmel, Gesang, Gebrabbel von humanoiden Rassen, dunkelelfische Rufe und Klänge ferner Glocken. Sie schritten durch den Tunnel, der durch die Mauer hindurchführte. Sie schritten dem Licht der Stadt entgegen. Ein Geruch von Parfüm und seltener Gewürze strömte ihnen entgegen. Aber da waren auch Nuancen von Schweiß, Alkohol und bitteren, süßlich-modrigen Pflanzen. Sie tauchten ein in die Straßen, die von schmalen, hohen Häusern eines schwarzen Basalgesteins gesäumt wurden. Sie betrachteten die Dunkelfeuer, die kalt und ewig von den stachelbesetzten Zinnen hoher Türme, Minarette und Paläste brannten. Sie konnten die wahre Größe der Stadt nur erahnen.
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