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[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea
Jenseher:
Bautha da’Eilserv hörte die Schritte ihrer Begleiter hinter sich. Sie bewegte sich auf die Treppe hinzu, die in das Turmgemach führte. Ihr Herz raste und sie wollte weglaufen. Sie drehte sich zu ihrer falschen Schwester Faeza und lächelte ihr zu. Ihre Gedanken kreisten um das, was passieren würde… um das, was sie sagen sollte. Es waren so viele Dinge, an die sie denken musste. Und dann war da der Hass auf ihre Schwester, den sie tief in sich trug. Als sie kleiner war, hatte Faeza sie gequält. Sie war sich sicher, die intelligentere und hübschere da’Eilserv zu sein. Ihre Schwester Faeza hatte sich ihren Status und ihren Einfluss erkämpft. Sie hatte immer behauptet, dass man ihr, dem kleinen, schönen Mädchen, jeden Wunsch erfüllt hätte. Nur sie selbst wusste, dass es nicht so gewesen war. Allein aus diesem Grund konnte sie nicht zurück. Sie musste es ihr zeigen. Die echte Faeza sollte wissen, wer sie war. Bautha öffnete die alte Turmtür, die aus dem Holz eines Riesenpilzes gearbeitet war. Aus der runden Halle dahinter strömte ihr das matte, weißliche Licht von Dunkelfeuerschalen entgegen. Auf der rechten Seite waren langgezogene Bücherregale sowie Schreibtische mit goldenen Beschlägen zu sehen. Zur Linken stand ein großer Kristallspiegel, der von einem verzierten goldenen Rahmen gehalten wurde. Im Gold erkannte sie die vertrauten Muster verschlungener Körper, die sie bereits als Kind angestarrt hatte. Um den Spiegel standen zwei weitere Tische, auf denen Bautha gläserne Apparaturen, gehalten von goldenen Spangen, sah. Dort stand auch die wahre Faeza da’Eilserv, die sich beim Geräusch der Tür aufrichtete. Auch die vier Krieger, allesamt bewaffnete und berüstete weibliche Dunkelelfen, wandten ihre Blicke. Bautha vernahm den vertrauten Geruch von Faezas Parfüm, der sich in dem Gemach verteilt hatte. Sie blickte in das Gesicht ihrer Schwester, die ihren Mund halb geöffnet hatte. Die Stirn ihres rundlichen Gesichts hatte Faeza in Falten gelegt, als sie ihr falsches Abbild betrachtete. Bautha schritt zur Seite und erhob zitternd ihre Stimme. „Ihr kennt mich, Wachen, ihr wisst, dass ich Bautha da’Eilserv bin… doch sie hat sich hier eingeschlichen. Tötet sie, ich befehle es euch!“ Dabei zeigte sie auf ihre wahre Schwester, die ihre weißen Haare mit dem platinernem Wappenkamm Eilservs zusammengesteckt hatte. Für einen Augenblick herrschte Stille, dann starrten die Krieger unschlüssig in ihre, danach in Faezas Richtung. Bautha hörte die eloquente Stimme ihrer Schwester, die im Kontrast zu ihrem dümmlichen Gesichtsausdruck stand: „Ah, meine kleine Schwester Bautha. Welche List habt ihr erdacht, um mich, die Ältere, zu beseitigen?“ Bautha wollte etwas erwidern, doch die Worte ihrer Schwester wirkten lähmend auf sie. Sie spürte, wie sie ihre Tränen zurückhalten musste. Sie hörte das Flüstern des alten Magiers Duagloth (Neire), der sich hinter die falsche Faeza (Zussa) bewegt hatte. Die Täuschung ihrer Schwester erhob jetzt ihre Stimme. „Ihr kennt die wahre Macht von Faeza, Wachen! Ich werde euch zeigen, dass ich die Richtige bin. Ich selbst werde das Trugbild zerstören, das sich an meine Wirkstätte geschlichen hat.“ Bautha hörte die wahre Faeza auflachen. „Es spricht und es will mich töten. Nun dann soll es so sein. Ich werde es vernichten… und danach Schwester… danach werden wir beide unsere Tante aufsuchen und uns mit ihr über eure Ambitionen unterhalten.“ Bautha wurde übel, als sie die Worte hörte. Sie dachte an ihre strenge und grausame Tante Aunrae da’Eilserv. Es gab nur noch einen Ausweg. Ihre neuen Freunde mussten gewinnen. Die falsche Faeza musste die Richtige töten. Ein Kreischen und ein Knallen ließ Bautha aufschrecken. Das Trugbild ihrer Schwester hatte den Kampf eröffnet und ihre Magie gewirkt. Die Haut der wahren Faeza war in Streifen aufgeplatzt und Blut lief ihr aus Ohren und Nase. Ihre roten Augen waren auf die Betrügerin gerichtet, als sie ihre schwarze Kunst wirkte. Sie warf eine Schnur aus Metall, die sich begann wie eine Schlange um die Beine der falschen Faeza zu wickeln. Für einige Zeit war die Hochstaplerin mit dem Entfernen des Metalls beschäftigt, so dass die wahre Adelige Eilservs einen weiteren Spruch wirkte. Eine Welle von Frostmagie breitete sich durch die Kammer aus. Diesmal war es wie durch ein Wunder, dass die Eiskristalle die falsche Faeza nicht erreichten. Hinter ihr stand der grobschlächtige Dunkelelf Durdyn und hielt seine Lederpeitsche vor sich. Die Eissplitter konnten die falsche Faeza nicht erreichen. Die Betrügerin schüttelte die letzten Metallsplitter ab und warf zwei glühende Kugeln aus Feuer auf die wahre Faeza. Eine Kugel brannte sich in ihr Gesicht und mit einem Schrei hauchte die Schwester von Bautha ihr Leben aus. Bauthas Lähmung fiel augenblicklich ab, als sie sich aufrichtete und im typischen Gehabe ihres Hauses sprach. „Da habt ihr es Wachen, die wahre Faeza hat ihre Macht bewiesen. Wie konntet ihr nur zweifeln. Was meint ihr, wird mit euch passieren, wenn ich es der hohen Herrin von Eilserv erzähle?“ Eine ältere der Wachen bewegte sich auf sie zu und begann zu sprechen. „Junge Herrin, wir sollten…“ Bautha unterbrach sie barsch und zeigte auf den verkohlten Leichnam ihrer Schwester. Sie gierte jetzt nach Macht. „Wir sollten was? Wir sollten die hohen Herrinnen von Eilserv beschützen. Mit unserem Leben. Was, wenn es ein Spion von Kilsek war und mich töten sollte? Ihr würdet bereits eure eigenen Gedärme fressen, für eure Verfehlungen. Seid froh Wache, wenn ich es nicht meiner Tante erzähle. Ich selbst werde mich der Sache annehmen und dieses Ding aufschneiden. Vielleicht verbirgt sich die wahre Gestalt des Spions darunter. Und jetzt hinaus mit euch. Tut wenigstens etwas, was ihr könnt und bewacht die Tür in diesen Turm.“ Bautha gewann mit jedem Wort Selbstsicherheit. Die ältere Dunkelelfin zuckte zusammen, beugte ihren Kopf und verschwand wortlos mit ihren Kameradinnen. Dann war sie allen mit ihren neuen Freunden. Bis hierhin hatten sie ihr Wort gehalten, doch konnte sie ihnen wirklich trauen?
Zussa, Neire und Bargh, in den Formen von Faeza, Duagloth und Durdyn, hatten sich danach mit Bautha hastig beraten. Sie hatten sich dann dazu entschlossen, die Form der toten Schwester Bauthas für immer zu ändern. Zussa hatte einen Spruch gewirkt und der Körper der wahren Faeza hatte sich in den eines älteren dunkelelfischen Mannes verwandelt. An den nicht verbrannten Stellen des Gesichts war die Haut des Alten von Wundschorf überzogen gewesen und ein Auge war gänzlich weiß geworden. Der Geruch von Moder und Urin waren von dem Alten ausgegangen. Sie hatten die Gegenstände der wahren Faeza an sich genommen und sich über die mögliche Herkunft des Mannes ausgetauscht. Vielleicht hatte ja Kilsek einen Spion geschickt. Vielleicht steckte auch der wahre Duagloth mit dem Mann unter einer Decke. Bautha hatte ihnen schließlich gesagt, dass wenn sie Aunrae da’Eilserv töten wollten, es jetzt zu tun wäre. Die junge Adelige hatte auf das Fest zu Ehren Haus Tormtors hingewiesen, das Aunrae bald besuchen würde. Würden sie nicht jetzt zuschlagen, hätten sie warten müssen und wären vielleicht mit dem Auftauchen von Duagloth oder Durdyn konfrontiert gewesen. Sie alle hatten sich entschieden jetzt zu handeln. So waren sie aufgebrochen und hatten das Turmgemach mit dem Spiegel verlassen. Bautha hatte sie an eine andere Türe geführt, auf die das Wappen des großen Hauses Eilserv auf ein goldenes Schild eingraviert war. Sie hatten den von Blitzen überzogenen Stab betrachtet, als Bautha an die Tür geklopft hatte. Nicht lange hatten sie warten müssen, da waren Schritte zu hören gewesen. Das Portal war ihnen von einer älteren Dunkelelfin geöffnet worden, die in einen adamantenen Prunkharnisch gekleidet war und ein kostbares, schwarzes Langschwert trug. Unter ihrem goldverzierten Helm waren silberne Haare hervorgefallen und zwei Augen hatten rötlich geschimmert. Die Kriegerin hatte eine Verbeugung angedeutet, dann aber zu ihnen gesprochen. „Junge Herrinnen von Eilserv. Was wünscht ihr?“ Als der Blick der dunkelelfischen Kriegerin die Gestalt von Durdyn erblickt hatte, hatte sie hinzugefügt. „Und was wollt ihr hier mit dieser niederen Kreatur?“ Bautha hatte geantwortet, in ihrer gewohnt überheblichen Weise. „Meine Tante hat nach uns geschickt. Ihr müsst schon sie fragen, was sie mit so einem stinkenden Männchen will. Sie schmiedet die Pläne und nicht ich. Wollt ihr euch etwa gegen ihr Wort stellen, Wache?“ Für einen Augenblick hatte die Kriegerin gezögert, dann hatte sie genickt. „Gut, aber lasst dieses Männchen ihr nicht zu nahe kommen.“ Nachdem die falsche Faeza sie in einem barschen Ton angeherrscht hatte, sie nicht länger warten zu lassen, wurde ihnen die Tür geöffnet. Sie schritten nun durch einen Wachraum, in dem sie fünf weitere Kriegerinnen warten sahen. Durch einen kleinen Tunnel, der sich an einer Kreuzung nach links und rechts teilte, gelangten sie in das innere Gemach der hohen Herrin von Eilserv. Auf ihrem Weg passierten sie eine der beiden metallenen Statuen, die jeweils am Ende des Tunnels standen. Beide waren gänzlich aus Adamant und hatten die grobe Form eines zweieinhalb Schritt großen Humanoiden. Die Augen waren jedoch leer und der Bauch schien so nach außen gestülpt, als wäre dort etwas hervorgebrochen. Scharfe Klingen standen wie schwarze Zacken von Armen und Beinen ab.
Jenseher:
Der Raum war dunkel und wurde dominiert von einem großen schwarzen Himmelbett. Vor dem Bett standen allerlei Puppen in der Größe von weiblichen Dunkelelfen. Sie waren mit Juwelen und Prunkgewändern behangen. Hinter ihnen führte eine Treppe über die Eingangstunnel hinauf zu einem doppelflügeligen Stahlportal. Zwischen den Gliederpuppen trat jetzt eine Frau hervor, deren Gestalt gebrechlich wirkte. Ihr eingefallenes Gesicht war von dunklen Schattierungen, wie Altersflecken, geprägt. Sie trug einen Harnisch, dessen goldene Brustplatte mit einem Wolkenmuster verziert war. In ihrer rechten Hand hielt sie einen Stecken aus Adamant, an dessen Ende ein Diamant von weißlichen Blitzen durchzogen funkelte. Ihre silbernen langen Haare hatte sie sich mit Fett nach hinten gekämmt. Von ihr ging der merkwürdige Geruch eines rauchigen Parfüms aus. Die alte Frau betrachtete sie mit großen roten Augen, dann erhob sie ihre ruhige und liebliche Stimme.
Aunrae da’Eilserv: „Meine lieben Nichten, was führt euch zu mir?“
Aunrae machte eine Pause, fuhr dann aber mit einer zunehmenden Schärfe ihrer Stimme fort.
Aunrae da’Eilserv: „Und wieso habt ihr euch noch nicht schön gemacht Faeza? Wir haben uns um unsere Gäste von Tormtor zu kümmern und ihr solltet mir nicht meine Zeit vertrödeln. Was machen diese beiden Männchen hier? Sprecht!“
Aunrae blickte zu Bautha und zur falschen Faeza; Bauthas Gesicht wirkte wie eingefroren.
Faeza da’Eilserv: „Wir haben ein dringendes, wichtiges Anliegen, hohe Herrin Eilserv. Es sind die Dinge, die das ältere Männchen uns berichtet hat. Sprecht Duagloth und erzählt.“
Duagloth trat hervor und verbeugte sich tief.
Duagloth a’Darag: „Verzeiht die wertvolle Zeit, die wir euch nehmen, hohe Herrin Eilserv. Es war Durdyn Dro, der sich mir anvertraute. Er berichtete von einer Jagd in den Pilzwäldern nahe der Zunft der weiblichen Krieger. Seine Lastenechsen gehorchten ihm plötzlich nicht mehr und stürmten in Richtung der Wehrmauer der Zunft. Durdyn folgte ihnen und er sagte, dass dort etwas war. Es war, als spürten die Echsen die Anwesenheit von Bautha, denn sie fanden die junge Herrin im Pilzwald nahe der Wehrmauer.“
Aunrae blickte erst Duagloth, dann Bautha an. Als Bautha sich nicht rührte, lachte sie schallend.
Aunrae da’Eilserv: „Deswegen seid ihr zu mir gekommen, Nichten? Um mich mit solchen Belanglosigkeiten zu belasten. Was ist sind schon ein paar ausgebrochene Lastenechsen? Wir haben diesem stinkenden Männchen hier die alte Peitsche unseres Hauses vermacht. Sie macht jedes Getier gefügig. Er soll sie einsetzen, dieser Nichtsnutz. Er soll sie einsetzen; er soll seine Arbeit machen und sich weniger mit seinem Getier paaren.“
Aunrae lachte, machte eine Pause und schaute dann wieder Faeza an.
Aunrae da’Eilserv: „Ihr wart immer die Klügere, Faeza. Doch das wird ein Nachspiel haben. Geht und macht euch fertig für das Fest zu Ehren Haus Tormtors. Sie sind nicht so mächtig, wie wir es sind. Doch zeigen wir ihnen gegenüber keine Stärke, so wenden sie sich vielleicht ab von uns.“
Aunrae winkte sie bereits hinaus, da neigte Duagloth sein Haupt und sprach.
Duagloth a’Darag: „Verzeiht hohe Herrin, doch meint ihr nicht, dass eine einzelne Wolke am Horizont bereits die aufkommenden Schatten erahnen lässt? Ist es nicht so, dass ein einzelner Blitz die Saat des kommenden Feuers legen wird?“
Gebannt durch die Analogie aus der Oberwelt, schaute Aunrae erstaunt den Hofmagier an, der wiederum sein Haupt langsam erhob. In dem übermüdeten, kränklichen Gesicht des älteren Dunkelelfen zeigte sich ein kindliches Grinsen. Seine Augen begannen rötlich zu funkeln.
Bautha war wie versteinert gewesen. Sie hatte den Worten gelauscht, die ihre neuen Gefährten mit ihrer Herrin gewechselt hatten. Sie hatte versucht nicht zu zittern. Sie hatte versucht, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen. Dann hatten ihre Freunde die Hölle beschworen. Der gesamte Eingangsbereich war in einem Inferno von grellen, rauschenden Flammen explodiert. Um sie war der Geruch von Schwefel und von Rauch gewesen. Das Licht hatte sie geblendet und sie hatte kaum noch sehen können, was danach passiert war. Ihre falsche Schwester war nach vorne gesprungen und hatte die Matriarchin des Hauses Eilserv angegriffen. Sie hatte plötzlich einen Säbel gehabt und die Waffe unbarmherzig gegen Aunrae geführt. Wieder und immer wieder hatte sie zugeschlagen, bis der Körper in einem Regen von sprühendem Blut niedergegangen war. Die eisernen Statuen waren aus den Feuersbrünsten hervorgebrochen und hatten angegriffen. Ihre neuen Freunde hatten sich aber auch dieser Gefahr gestellt und die Statuen zerstört. Duagloth hatte den Kopf von Aunrae abgeschlagen und sich zu ihr bewegt. Jetzt hielt der Hofmagier mit den rot glühenden Augen das Haupt ihrer einstigen Matriarchin und sprach sanft. „Wir haben unser Wort gehalten Bautha. Aunrae ist tot und ihr werdet herrschen. Vergesst nicht die Macht der Göttin von Flamme und Düsternis, die euch den Weg auf den Thron beschert hat. Wir sind eure Freunde, Bautha.“ Bautha blickte sich um und fing an zu weinen. Um sie herum war nur Chaos, Blut und Tod. Sah so die Herrschaft der Herrin von Eilserv aus? Bautha hatte Angst. Sie zitterte und sie weinte. Sie konnte kaum richtige Gedanken fassen. Ja, sie war in die Zunft der Kriegerinnen gereist, um das Portal in die Ebene der vier Aspekte zu studieren. Sie hatte gesehen wie schwach diese Götter waren, zu denen sie zuvor gebetet hatte. Sie war ihrer Matriarchin gefolgt in ihrem Glauben. Dann hatte sie die Macht Jiarliraes gespürt. Sie spürte sie jetzt, in diesem Augenblick. Bautha nahm ihre Kraft zusammen und versuchte Gedanken zu formen: Nyloth Philom wird mich töten. Wenn sie hinfort sind, wird sie mich foltern. Sie hat dazu die Erlaubnis von Aunrae. Schon Mutter Eclavdra hatte es ihr damals erlaubt. So lange sie lebt, wird die Wahrheit nicht verborgen bleiben und ich werde sterben. „Was habt ihr nur getan? Das ist Wahnsinn… Chaos… das ist Krieg…“ Der alte Magier beugte sich zu ihr hinab und strich tröstend die Tränen aus ihrem Gesicht. Sie mochte seine Berührung, sie mochte seine Art. „Die Flammen werden bald erlöschen und wir werden hinfort sein. Ihr könnt den Verrat Duagloth, Durdyn und euer Schwester Faeza zuschieben. Sie haben Aunrae getötet. Sie werden euch glauben.“ Wieder schluchzte sie begann neue Tränen zu vergießen. Der alte Magier umarmte sie nun und strich ihr durch ihre Haare. Sie konnte seine Macht spüren. „Solange sie lebt, bin ich nicht sicher. Nyloth wird mich verhören, mich foltern. Sie wird die Wahrheit herausfinden und mich töten.“ Jetzt lächelte ihr das Gesicht zu und sie hörte die liebliche Stimme zischelnd raunen. „Dann werden wir sie töten Bautha und der Weg wird frei sein für euch. Ihr werdet neuen Mut finden, wartet nur…“ Bautha brach in sich zusammen, als der Magier mit dem Stallmeister in den Flammen der Feuerwand verschwand. Da war nur ihre falsche Schwester, die bei ihr zurückblieb. Faeza kümmerte sich nicht um sie, sondern durchsuchte die Leichen. Sie selbst schloss die Augen, weinte zitternd und wartete auf die Rückkehr ihrer neuen Freunde.
„Ihr werdet Nyloth Philom nicht mehr fürchten müssen.“ Bautha schreckte auf, als sie den dumpfen Aufschlag des toten Körpers neben sich sah. Sie öffnete ihre Augen, doch die rauschenden Feuer der Flammenwand trieben ihr die Tränen in die Augen. Sie erkannte langsam das verbrannte Gesicht der höchsten Kriegerin von Eilserv. Ihre neuen Freunde hatten anscheinend auch sie getötet. Bautha richtete sich auf. Ihre Angst war nicht gewichen. Sie würde auf sich allein gestellt sein. Sie würde herrschen müssen und das Schicksal ihres Hauses lenken. Wenn sie versagte, könnte Eilserv dem Untergang geweiht sein. Sie blickte den alten dunkelelfischen Magier an, dessen Augen noch immer rötlich glühten. „Wie soll ich… wie kann ich…“ Wieder musste sie die Tränen unterdrücken und wieder trat Duagloth an sie heran. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und flüsterte ihr zu. „Wir werden bald verschwunden sein und wir werden ihre Leichen mitnehmen. Erzählt ihnen die Geschichte der Hinterlist von Faeza, Duagloth und Durdyn. Die drei töteten die hohe Herrin und planten die Übernahme der Macht.“ Bei den Worten des Magiers verlor sie sich in seinen roten Augen. Es war, als würde sie in einen Strudel aus Feuer und Schatten schauen. Sie spürte eine alte, längst vergessene Zuneigung zu ihm. Sie wusste, dass es der Fremde war, den sie als Freund betrachtete; sie sehnte sich nach dem, der sich Neire nannte. Sie erinnerte sich an sein kindliches Gesicht, an seine gold-blonden Locken. In seinen Augen lagen eine Zuversicht und eine Verheißung von Macht und geheimem Wissen. Bautha spürte Hoffnung und eine Gier nach dieser verborgenen Kraft. „Ja… sie werden mir vielleicht glauben. Doch ich bin unverletzt.“ Hinter Duagloth sah sie den Schatten von Durdyn. Er trug ein schwarzes Schwert und kam näher. „Das können wir ändern Bautha da‘Eilserv. Es wird auch nicht wehtun.“ Sie nickte und der grobschlächtige Stallmeister schnitt ihr über Brust und Arm. Der Schmerz war beißend und heiß. Bautha schluchzte auf, als sie den tiefen Schnitt sah, der bis auf den Muskel ging. Blut quoll hervor und besudelte ihr zerschnittenes Kleid. Dann blickte sie wieder in die Augen des Magiers und der Schmerz war vergessen. „Wie werde ich euch finden, wenn ich eure Hilfe brauche?“ Flüsterte sie in Richtung des Fremden. „Wir werden in euer Nähe sein. In Erelhei-Cinlu. Das ist Zussa, die Hand der Flamme. Hier ist Bargh, der Drachentöter. Mein Name ist Neire von Nebelheim, Prophet von Jiarlirae. Betet zur Göttin von Flamme und Düsternis. Betet zur Schwertherrscherin um ihre Macht. Ihr werdet nie wieder alleine sein. Feuer und Schatten werden euch begleiten.“ Bautha nickte ihm zu und lächelte ihn an. Der Prophet griff nach ihrer Hand und strich ihr durch ihre Haare. Sie spürte die Sehnsucht nach seiner Göttin. Oder war es ihre Gier nach Macht, ein niemals versiegender Quell, der sie antrieb. Die Umrisse ihrer neuen Freunde lösten sich bald auf, im Schwefelhauch. Die Feuer brannten langsam herunter und sie war allein. Sie horchte dem Schreien der Kriegerinnen aus der Ferne und sie sehnte nach ihren Freunden. Wann würde sie sie wiedersehen?
Jenseher:
Die tanzenden Schatten des Kaminfeuers lagen über dem dunklen Schankraum. Für einen Augenblick herrschte eine mulmige Stille. Dann war wieder das schmerzerfüllte Stöhnen von Melrik Dunkelfort zu hören. Neire war hinabgeschlichen und betrat gerade das Gewölbe. Es waren jetzt zwei Tage vergangen, nachdem sie aus den Hallen von Eilserv zurückgekehrt waren. Sie hatten sich in ihrem Gemach in Melriks Gasthaus eingeschlossen und dort ihre Zeit mit Gebeten und mit Meditation verbracht. Neire hatte zudem in seinen Zauberbüchern und dem Buch über alte Geschichte gelesen, welches sie in der Bibliothek der Kuo-Toa gefunden hatten. Nach diesen Tagen der Ruhe und der Besinnung, hatte Neire plötzlich die laute Stimme des Wirtes Melrik gehört. Er hatte Bargh und Zussa gewarnt, war dann aber alleine den Geräuschen nachgegangen. Aus dem Treppenhaus hatte er den nachtzwergischen Tavernenbesitzer sprechen hören. „Wenn ihr nichts trinken oder essen wollt, so geht. Verschwindet aus meinem Gasthaus, bevor ich euch Beine mache!“ Neire hatte eine Entschlossenheit in der Stimme des Wirtes gehört. „Wir gehen wann es uns beliebt, Unterling. Wegen solchen wie euch haben wir jetzt Krieg. Ihr seid nicht mehr als Abschaum und Gewürm, Nachtzwergenbastard,“ hatte eine andere Stimme gesagt. Dann hatte Neire einen Schmerzensschrei und die Geräusche eines Gerangels gehört. Er hatte seine Schritte beschleunigt und lugte nun in den Schankraum hinein. Auf dem Boden und hinabgesunken an der dunklen Theke, befand sich Melrik. Sein dickliches Gesicht war kreidebleich und sein schütteres weißes Haar stand aufgewühlt vom Kopf ab. In seiner linken Schulter steckte ein Dolch. Über ihn gebeugt und mit dem Rücken zu Neire gedreht, befanden sich zwei männliche Dunkelelfen. Die beiden hatten ein menschliches Vergleichsalter von 18-20 Jahren. Einer war schlank, hatte schulterlange silberne Haare und ein knabenhaftes Antlitz. Der andere war muskulöser, breiter und trug die grauen Haare in einem Topfschnitt. Der Schlankere hielt seinen Dolch noch in der Hand und sprach zum Muskulöseren. „Dort schaut… habt ihr es gesehen? Der Abschaum glotzt und uns immer noch an. Was sollen wir mit ihm machen? Wollen wir ihn direkt töten oder ihm zuerst seine Äuglein hinausschneiden?“ Der muskulösere lachte, schien aber keine Antwort zu finden. In diesem Moment warf Neire seinen Schattenmantel nach hinten und imitierte eine ängstliche knabenhafte Stimme. „Was… was geht hier vor sich, meine Herren Dunkelelfen? Melrik Dunkelfort ist ein guter Wirt und ein ehrenvoller Mann. Lasst ab von ihm… hört… ihr müsst den falschen Nachtzwerg erwischt haben.“ Die beiden Dunkelelfen fuhren erschrocken herum und blickten zuerst zu Neire, dann aber in Richtung der Tür, die sie bei ihrem gewaltsamen Eindringen zerbrochen hatten. „Es gibt genügend Gold hier, wenn ihr danach aus seid. Doch lasst… lasst den armen Mann leben.“ Langsam begann der muskulösere Dunkelelf seine Fassung zurückzugewinnen. „Natürlich werden wir ihn töten. Haltet euch heraus Unterling, sonst seid ihr als nächstes dran.“ Neire hob seine zitternden Hände, ging aber einen weiteren Schritt auf die beiden zu. Aus den Augenwinkeln sah er fünf weitere Dunkelelfen von der Straße kommen. Der Angreifer zog jetzt den Dolch aus Melriks Schulter, drehte sich drohend um und schrie. „Ich sagte… haltet euch zurück, verdammt… vielleicht hat er die Angreifer geschickt, vielleicht hat er den Krieg der hohen Häuser angezettelt.“ Neire brachte geschwind seinen Degen aus grünlich schimmerndem Dämonenstahl hervor und ging weiter auf die beiden zu. Dabei sagte auf Dunkelelfisch: „Ihr seid wahrlich tapfer, Melrik. Kein Weinen und kein Klagen um euer Leben. Ich sage euch etwas… ihr dürft die beiden Männchen hier töten.“ Melrik zog sich ächzend und stöhnend an der Theke hinauf. Das Blut seiner Wunde war inzwischen über seinen gewaltigen Wanst gelaufen und seine Lederschürze schimmerte nässlich. Der muskulöse junge Dunkelelf fuhr Neire mit einem Zischen an und erhob seinen Dolch. „Ich werde euch die Haut von eurem Gesichtchen schneiden, oberweltlicher Bastard.“ Er stürze auf Neire zu und wollte ihn erstechen. Der Degen des jugendlichen Propheten war aber schneller. Neire durchschnitt die Kehle des Dunkelelfen, der mit einem Gurgeln und einem Sprühnebel von Blut niederstürzte. Der dünnere Dunkelelf blickte sich ängstlich um, doch der Stahl erreichte auch ihn. Neire schnitt ihm die Bauchdecke auf. Wimmernd und zuckend sank der Dunkelelf zu Boden und hauchte sein Leben aus. Langsam drehte sich Neire zur Tür und erwartete die Schritte, die in den Raum führten. Dort erkannte er die Silhouette von Zesstra da’Kilsek, die mit ihren weiblichen Dunkelelfenkriegern die Taverne durch die zerbrochene Türe betrat.
„Bringt mir einen Humpen Bier, wenn ihr euch noch bewegen könnt. Hört ihr Melrik?“ Barghs Worte dröhnten durch das Gemach. Der Geruch von Blut und von frischen, geöffneten Gedärmen lag in der Luft. Neben der Theke ruhten die Leichname der beiden von Neire getöteten Dunkelelfen. Nachdem Zesstra den Raum betreten hatte, hatte die Dunkelelfin sie gebeten an einem Tisch Platz zunehmen. Zwei ihrer Kriegerinnen hatten die Eingangstür verschlossen und blockiert. Die in schlichte graue Roben gehüllte Anführerin hatte sich ebenfalls hingesetzt und sich dann zurückgelehnt. Sie hatte sie alle genau betrachtet und geschwiegen. Bargh, Zussa und Neire hatten in ihr hübsches, schlankes Gesicht geschaut, das sie auf ein menschliches Vergleichsalter von etwa 40 Jahren schätzten. In der aschgrauen Haut ihres Antlitzes waren silberne Tätowierungen zu sehen gewesen und auf ihrer Stirn hatte sie ein goldenes Diadem getragen, das einen verzierten Krummsäbel darstellte. Wie bei ihrer letzten Begegnung, hatten Zesstras rote Augen einen kalten und berechnenden Blick gezeigt und sie hatte ihre rechte Hand auf ihren Säbel gelegt. Bargh brach die unangenehme Stille mit einem weiteren Ausruf. „Wo bleibt ihr Melrik? Wo bleibt mein Bier? So tief ist die kleine Fleischwunde nun auch wieder nicht…“ Neire schmunzelte und Zussa kicherte übertrieben laut, als der fettwanstige Nachtzwerg deutlich übertrieben den Verwundeten spielte. Mit dem schäumenden Humpen in der Hand kam er gar humpelnd an ihren Tisch. „Ihr habt es doch gehört oder? Haus Eilserv ist in den eigenen Hallen angegriffen worden. Ein offener Krieg ist die höchste Blasphemie in Erelhei-Cinlu seit Jahrhunderten!“ Zesstras rauh-herrische, aber wohldefinierte Stimme durchbrach die Stille. Danach herrschte Schweigen, das nur von Melriks schlurfend-humpelnden Schritten und dem Knallen von Barghs Humpen durchbrochen wurde, den er nach gierigen Zügen auf den Tisch stelle. Sie hörten danach alle das tiefe Rülpsen, das Bargh von sich gab und das von einem Kichern von Zussa beantwortet wurde. „Ich frage euch, wart ihr es? Habt ihr den Angriff auf Haus Eilserv ausgeführt? Kennt ihr die Gepflogenheiten in Erelhei-Cinlu?“ Die Schärfe in Zesstras Stimme hatte zugenommen, als sie wieder sprach. Neire beugte seinen Kopf und antwortete dann. „Herrin da’Kilsek… ich dachte zuerst die Schläger gehörten zu euch. Konnte es denn ein Zufall sein, dass ihr zu dieser Zeit erscheint? Wir haben die dunkelelfischen Gepflogenheiten studiert und erlernt, seitdem wir euch in Erelhei-Cinlu dienen, oh hohe Zesstra da’Kilsek.“ Die Miene des versteinerten Gesichts der Frau änderte sich nicht und so fuhr Neire fort. „Wir waren in Kyor’lil’Qu’Uente, dem Theater der Schmerzen. Wir waren in einer Vorführung von Lythrana da’Tormtor und wir haben sie danach besucht. Ihr glaubt nicht, was uns dort passiert ist…“ Ein leichtes Lächeln ging über das Gesicht von Zesstra, während Neire die wahre Geschichte des Theaters erzählte. Als er von dem geheimen Raum der vier Elementaraspekte berichtete und die Namen von Ithaqua, Azathoth, Ghaunadaur und Tsathoggua erwähnte, konnten sie das Aufstöhnen von Zesstra hören. „Was geht nur in ihren Köpfen vor? Wir ahnten, dass sie sich von unserer Spinnenherrin abgewandt hatten, doch das…“ Zesstra nickte Neire zu und betonte. „Ihr habt gutgetan, doch wisst ihr etwas über den Angriff auf Haus Eilserv?“ Neire lächelte und antwortete Zesstra. „Wir haben von den drei dunkelelfischen Anwärtern gehört, die sich in der Zunft der weiblichen Krieger beworben haben. Sie waren erfolgreich in ihrem Tun und sie fanden etwas in der Zunft, von dem nur Chessintra Dro, Tallreene Vrinn sowie einige Eingeweihte wussten.“ Neire erzählte auch die Geschichte ihrer Infiltration der Kriegerkaste und der nachfolgenden Zerstörung des Portals. Er überging jedoch die Geschichte ihrer Begegnung mit Bautha da’Eilserv, deren Namen er mit keinem Wort erwähnte. Neire erzählte von dem Verhör und der Exekution von Lythrana da’Tormtor und von Tallreene Vrinn. Er berichtete auch, dass die beiden Frauen ihnen von der Unterstützung von Eilserv für die Zunft der Kriegerinnen erzählt hatten. Dann log Neire, indem er die Geschichte von Problemen im Hause Eilserv erfand. Er sprach von zwei Männchen, von Duagloth a’Darag und von Durdyn Dro. Er sagte, dass die beiden mit Faeza da’Eilserv einen Hinterhalt vorbereitet hätten, um die Hohe Herrin Aunrae da’Eilserv zu stürzen. Er sprach von offener Rebellion, wider die vier elementaren Aspekte, welche Aunrae da’Eilserv verehrte. Das Lächeln von Zesstra war immer breiter geworden und schließlich hatte sie gesagt: „Ihr habt meiner hohen Herrin Jhalass da’Kilsek einen großen Gefallen getan. Sie zeigt sich dankbar und ihr sollt für eure Taten reich belohnt werden.“ Sie alle hatten gierig gegrinst als Zesstra eine Karte aus Silberpapier auf dem Tisch entfaltet hatte und die transdimensionale Projektion einer verborgenen Schatzkammer sichtbar wurde.
Sie hatten danach noch einige Zeit mit Zesstra da’Kilsek gesprochen. Die Adelige hatte ihnen empfohlen aus Erelhei-Cinlu zu verschwinden. Die Dunkelelfin hatte von Aufständischen berichtet. Von gewalttätigen Mobs – von Pogromen, in denen Händler wie Sklaven geschändet, getötet und bei lebendigem Leibe verbrannt worden waren. Zesstra hatte gesagt, dass sich die Wachen der Stadt bedeckt hielten und nicht eingriffen, um den Hass der Bevölkerung nicht anzustacheln. Auf die Frage hin, wo sie für einige Zeit untertauchen könnten, hatte Zesstra eine Schmiede am zentralen Platz der Spinnenstatue benannt, die sie aufsuchen sollten. Dort sollten sie sich so lange verstecken, bis die Lage sich wieder etwas beruhigt hätte. Dann hatte ihnen Zesstra vorgeschlagen, sie durch das Viertel der Adeligen fliehen zu lassen. Sie hatte vom Tempel der Spinnengöttin gesprochen, in dessen Tiefen es wohl einen Zugang zu einem unterirdischen Strom gab. Mit einem Boot sollten sie über den Strom verschwinden. Auch hatte Zesstra das Ende der Schenke von Melrik Dunkelfort benannt. Neire hatte allerdings gesagt, dass sie sich selbst um Melrik kümmern wollten, da der Nachtzwerg ihnen stets gute Dienste geleistet hatte und sie ihm ein Gefallen schuldig waren. So hatten sie sich von Zesstra verabschiedet und waren für fast zwei Wochen in der Schmiede untergetaucht. Zuvor waren sie in den Tempel des Jensehers zurückgekehrt, hatten Meister Halbohr die erbeuteten Schätze übergeben und hatten Melrik Dunkelfort seinem Kommando unterstellt. Zurück in Erelhei-Cinlu hatte Bargh mit den dunkelelfischen Schmieden an den Essen gearbeitet und Zussa sowie Neire hatten alte Bücher studiert. Sie hatten die düsteren Schwaden und die Wärme der Essen genossen und so war die Zeit verstrichen. Dann hatte die Dunkelelfin Lird da‘Kilsek mit ihren Kriegerinnen an die Tür geklopft und sie abgeholt. Sie hatten das menschliche Vergleichsalter der Adeligen auf etwa 25 Jahren geschätzt. Lird hatte breite Schultern sowie sehnige unbedeckte Arme gehabt und ein Kettenhemd sowie einen Waffengürtel getragen. Um ihren Hals und über ihre Brust hatte sie sich eine schwere goldene Kette mit dem Säbel Kilseks gelegt. Lird hatte ihnen scheinbare Hand und Fußfesseln angelegen und sie von der Gruppe der Kriegerinnen zum Tor über den dunklen Strom eskortieren lassen. Die Wachen hatten sie ohne weitere Überprüfungen hindurchgelassen und so waren sie schließlich auf die Hochebene der adeligen Häuser gekommen. Unter den schwachglitzernden, punktuellen Lichtern der Sternengrotte hatten sie abermals die Paläste der acht Familien gesehen, die seit tausenden von Jahren über die große Stadt herrschten. Neire, Bargh und Zussa legten ihre Hand- und Fußfesseln ab und übergaben sie Lird, die ihnen zunickte. In der Stille und dem leisen fernen Grollen der Stadt und des dunklen Flusses, flüsterte Neire Lird zu. „Sagt, Herrin da’Kilsek… habt ihr etwas von Haus Eilserv gehört? Gibt es Neuigkeiten?“ Lird schüttelte ihren Kopf und starrte sie mit versteinerter Miene an. „Nichts… keine Neuigkeiten. Haus Eilserv hat sich abgeschottet. Doch es gab eine Hinrichtung. Ein Männchen Eilservs, das dem Verrat bezichtigt wurde. Ihm wurde öffentlich die Haut vom Körper gezogen. Die Priesterinnen der Spinnengöttin haben dabei sein Leben verlängert. Schon als die Haut von seinen Armen entfernt war, soll er den Verrat an seiner Herrin Aunrae da’Eilserv gestanden haben.“ Neire nickte und fragte weiter. „Zesstra sagte, wir sollen uns in den Tempel der Spinnengöttin einschleichen und über das Schwarzwasser in der Tiefe verschwinden. Wäre das nicht ein Frevel an eurer Göttin? Was ist, wenn wir ihre Priesterinnen töten?“ Lird nickte, erwiderte dann aber. „Die Göttin ist die Herrin unserer Stadt und ihr solltet euch vor ihren Priesterinnen hüten. Die höchste Priesterin Charinida soll selbst mit der Spinnengöttin sprechen. Ich diene nicht Lolth und ich bete auch nicht zu ihr.“ Lird musterte sie. „Ihr würdet es nicht überleben, sollte man euch bei einem Frevel erwischen. Schlüpft ungesehen durch die Hallen. Falls es zu einem Kampf kommt und ihr sie tötet… nun, wenn ihr stärker seid, sind sie zu schwach und haben den Tod verdient. Jetzt geht und verlasst Erelhei-Cinlu. Die Herrin meines Hauses, Jhalass da’Kilsek erwartet den Handel mit dem Tempel des Jensehers. Sie wird ihr Wort halten und euch reich belohnen. Ich hoffe, wir werden uns nie wiedersehen.“ Zussa, Bargh und Neire verbeugten sich zum Abschied. Sie blickten dem Trupp Dunkelelfen nach, der in der düsteren Leere der Hochebene der Adelshäuser verschwand. Dann deutete Neire in die Richtung, die ihnen Lird gewiesen hatte und sie brachen auf. Nach einer Zeit des Schweigens beendete Bargh mit einem sarkastischen Lachen die Stille. „Wer von euch Narren glaubt nicht, dass wir uns in die klebrige Falle ihres Netzes bewegen?“ Zussa gackerte zustimmend, doch Neire raunte in die Dunkelheit. „Es sind die Fäden der Zeit selbst, die aus Flamme und Düsternis gewoben werden. Sind die Fäden also ihre oder unsere Falle?“
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