Pen & Paper - Rollenspiel > Pen & Paper - Spielberichte

[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea

<< < (33/33)

Jenseher:
Der Geruch von Gebratenem, von Suppe, von Gewürzen und von Alkohol strömte Zussa, Neire und Bargh entgegen. Sie traten durch einen beengten Raum und gelangten in eine rundliche Kammer, an deren Ende ein Kaminfeuer brannte. Lampen erhellten den schummrigen Gastraum, in dem sie Nachtzwerge, Tiefengnome und zwei Grottenschrate an hölzernen Tischen sitzen sahen. Kleinere Gestalten huschten zwischen den Tischen hin und her. Sie trugen Ketten um Armgelenke sowie Fußknöchel und zeigten Spuren von körperlichem Missbrauch. Zwei junge Goblins und zwei männliche Menschenkinder konnten sie sehen. Am Kaminfeuer stand ein Nachtzwerg von gewaltigem Wanst. Melrig Dunkelfort hatte schütteres weißes Haar, einen langen Bart und nachtblaue Augen. Über seinem Bauch trug er einen breiten Gürtel, der eine hölzerne Schatulle hielt. Als die Tür hinter ihnen zuknallte, blickte der Nachtzwerg grimmig in ihre Richtung. Auch einige der Zecher betrachteten sie. Trotz der nicht gerade freundlichen Blicke, schien eine Last von den Schultern der Jiarlirae-Anhänger abzufallen. Sie erinnerten sich zurück an ihren Weg durch Erelhei-Cinlu. Sie waren durch die Straßen gegangen und hatten die Bauwerke und Paläste bewundert. Das vielfarbige Dunkelfeuer hatte ein fahles Farbenspiel in der endlosen Weite der Sternenhalle offenbart. Rote Augen von Dunkelelfen hatten sie mit Ekel und Abscheu betrachtet und Neire hatte die Einwohner hinter vorgehaltener Hand Flüche und Verwünschungen murmeln gehört. Die Einsamkeit und die Stille der Höhlen, durch die sie zuvor gewandert waren, war hier durch die lauten Geräusche der Stadt abgelöst worden. Sie hatten zudem auf ihre Wertgegenstände geachtet und schnell bemerkt, dass eine Vielzahl von Dunkelelfen sich Leinentücher über Mund und Nase gebunden hatten. Schließlich waren sie an einen zentralen Platz gelangt, in dessen Mitte sie die Statue einer wunderhübschen dunkelelfischen Frau gesehen hatten. Die Füße der Statue waren in einem Meer von stilisierten Steinspinnen verschwunden. Diese Darstellung der Spinnengöttin Lolth hatte die Arme verschränkt und boshaft-grimmig dreingeblickt. Sie hatten auch die Käfige gesehen, die an gebogenen Stangen aus schwarzem Stahl um den Platz aufgehängt waren. Dort hatten sie die Überreste von Kreaturen erkannt, die sich in den verschiedensten Verwesungszuständen befunden hatten. Sie hatten den Platz und die Ansammlung von Dunkelelfen verlassen und waren der Straße in Richtung des Gasthauses von Melrig Dunkelfort gefolgt. Vor einer Schmiede hatte Neire dem Gespräch zweier dunkelelfischer Sklavenhändler gelauscht. Ein Dunkelelf hatte dem anderen einen menschlichen, muskulösen Mann angeboten, dessen blasse Haut von alten Narben und frischeren blauen Flecken übersäht war. Der Sklave hatte einen kahlrasierten Schädel und war bis auf einen Knierock nackt. Sein rechter Unterarm war unnatürlich zur Seite geknickt und die Haut bläulich unterlaufen. „Und was ist damit? Wie kann er damit arbeiten?“ Hatte der andere Dunkelelf gefragt, während er auf den gebrochenen Arm gezeigt hatte. „Macht euch darüber keine Sorgen. Das heilt wieder“. „Wieviel wollt ihr für dieses Exemplar haben?“ Hatte der potentielle Käufer gefragt. Der Verkäufer hatte sich vorgebeugt und den Rock des Sklaven hochgehoben. Dann hatte er gesagt. „Schaut… ich habe dafür gesorgt, dass er sich benehmen wird.“ Sie hatten die Narbe des abgeschnittenen Geschlechtsteils und des entfernten Hoden gesehen. Der Verkäufer hatte weiter ausgeführt. „Man muss aufpassen, wenn man es abschneidet. Sie gehen schnell ein, wenn es sich entzündet. Ihr werdet damit keinen Ärger mehr haben. Ich will 100 Goldstücke für ihn.“ Der andere hatte mit dem Kopf geschüttelt und gesagt. „Nein… ich gebe euch 90 Goldstücke. Mehr nicht.“ „Gut, für 90 Goldstücke verkaufe ich ihn euch.“

Die Händler hatten den Kauf abgeschlossen, doch die Jiarlirae Anhänger waren bereits weiter mit dem Strom von Passanten gegangen. Neire hatte versucht zu lauschen und die neuesten Gerüchte aufzuschnappen. Er hatte gehört, dass man sich erzählte, dass das Haus Eilserv wohl der hohen Herrin Lolth abgeschworen hatte und jetzt anderen Göttern diente. Auch hatten sich viele Bürger über die hohen Schulden beschwert, die Erelhei-Cinlu wohl bei den verschiedenen Adelshäusern hatte. In vielen Gesprächen war das Theater der Schmerzen thematisiert worden, dessen dunkelelfischer Name Kyor’lil’Qu’Uente war. Das Theater war kürzlich von Haus Tormtor übernommen worden und hatte der Kampfarena die Gäste genommen. Gerade gab es wohl eine Vorführung in Kyor’lil’Qu’Uente, die von den Einwohnern als Spiel des Blutes, des Schmerzes, des Willens und der Komödie bezeichnet wurde. Neire hatte zudem einige abfällige Bemerkungen über die Akademie von Jabbuk Elain-Elghinn gehört, deren männliche Wirker schwarzer Künste wohl als Taugenichtse bezeichnet wurden. So hatten sie dann schließlich die Gaststätte gefunden, die ihnen vom Herrn von Xarann empfohlen worden war. Jetzt blickte sich Bargh nach einem freien Platz um. Der große Krieger mit dem verbrannten Schädel schritt auf einen langen Tisch zu, an dem zwei kleinere Gestalten saßen. Die beiden jungen Männer hatten waren recht muskulös und hatten eine graue Haut. Sie hatten zudem spitze Ohren, haarlose Schädel, buschige Augenbrauen, grüne Umhänge und rundliche Gesichter. Einer besaß gelbliche Augen, ein rasiertes Kinn und einen weißlichen Backenbart. Der andere hatte einen silbernen Vollbart. Die Gnome waren in ein Gespräch vertieft, nickten Bargh zu und reden dann weiter, in ihrer fremden Sprache. Neire erwiderte die Geste und sagte zischelnd auf dunkelelfisch. „Seid gegrüßt. Ich sehe, dass diese Plätze noch frei sind.“ Als die Tiefengnome eine einladende Geste machten, lächelte Neire. „Wie nett von euch.“ Sie setzten sich, doch sie hörten schon die schweren Schritte von Melrig Dunkelfort. Der Nachtzwerg streckte seinen Bauch vor, als er an ihren Tisch trat. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Was darf es denn sein, Fremde?“ Bargh antwortete mit lauter Stimme. „Was habt ihr im Angebot, mein junger, starker Freund.“ Für einen Augenblick murmelte der Nachtzwerg grimmig. „Jung sagt er…“ dann fuhr er fort „wir haben nichts im Angebot. Aber das Rothefleisch ist bald gut. Ich mache es mit meinem eigenen Gewürz. Ich habe auch eine Suppe mit dem besonderen Etwas.“ Jetzt lachte Neire. „Etwas, sind das vielleicht Spinnen?“ Melrig fluchte, musste aber selbst lächeln. „Was? Verdammt Junge… wollt ihr uns denn alle vergiften? Nein, es ist Rothefleisch in der Suppe und mein besonderes Gewürz.“ Jetzt schlug Bargh seinen Panzerhandschuh auf den Tisch. „Bringt uns drei Stücke Fleisch und fünf Bier. Drei Bier für uns und zwei für die Herren Svirfneblin hier.“

Die beiden Tiefengnome hatten ihnen danach zugeprostet und sich ihnen vorgestellt. Der mit den gelblichen Augen und dem Backenbart hieß Degga. Sein Freund mit den weißen Augen hatte den Namen Kratil. Beide waren in bester Trinklaune gewesen, da sie gerade ihren Handel in Erelhei-Cinlu abgeschlossen hatten und nach ihrem geplanten Saufgelage in ihre Heimathöhlen aufbrechen wollten. Die beiden Gnome hatten versucht sich gegenseitig mit ihrem lauten Rülpsen zu übertrumpfen und hatten dabei gelacht. Nachdem Neire, Bargh und Zussa sich vorgestellt hatten, hatten sie sich über Handelsruten ausgetauscht. Degga und Kratil hatten ihnen erzählt, dass sie den Tempel der Fischmänner mieden, da die Kuo-Toa wohl hohe Weggebühren erheben würden. Neire hatte genickt, dass sie es auch so getan hätten, doch Zussa hatte einen unüberlegten Witz über Feuchtigkeitsprobleme und Fischgestank im Tempel gemacht. Die Gnome hatten sichtlich Spaß gehabt, an ihren Geschichten und Witzen. Nur als Neire die Spinnengöttin verfluchte, hatten sie sich vorsichtig umgedreht. Sie hatten ihn gewarnt, dass er in Erelhei-Cinlu auspassen solle. Dass schon Fremde für kleinere Frevel hingerichtet worden waren. Sie hatten sich auch über das Theater der Schmerzen unterhalten. Degga und Kratil hatten ihnen erzählt, dass die Plätze im Theater wohl sehr begehrt waren. Man brauchte wohl einen kleinen Kristall um hineinzugelangen. Doch die Kristalle waren schwer zu bekommen. Sie hatten dann Melrig eine Summe von fast 30 Goldstücken für das Essen, Bier und Brandwein bezahlt. Zussa hatte zunehmend gelallt und davon erzählt, dass Bargh Drachenärsche versohlt hätte. Degga und Kratil hatten gelacht und Zussas Geschichte für einen Witz gehalten. Als Melrig ihnen gerade weiteren Schnaps brachte, rief Bargh angetrunken. „Melrig, wir wollen Musik. Wo sind die Barden? Lasset sie aufspielen, jawohl!“ Der Nachtzwerg winkte ab und schritt zum Kamin zurück. Dann rief Neire. „Wir wollen singen, ja… alle zusammen. Ich kenne ein Lied, dass euch noch aus Fürstenbad bekannt sein müsste, Bargh.“ Neire stimmte die erste Strophe an und Bargh kannte die Verse. Er hatte sie einst im Winter, wie im Sommer gesungen. Er war mit seinen Kameraden marschiert und manchmal hatten sie damals gegrölt. So tat es jetzt auch Zussa, die einige Worte nur noch lallte.

Trinkt aus, ihr zechtet zum letzten Mal,
Nun gilt es Sturm zu laufen;
Wir stehn zuvorderst aus freier Wahl,
Wir sind der verlorne Haufen.

Wer länger nicht mehr wandern mag,
Wes Füße schwer geworden,
Wem zu kalt die Nacht, wem zu hell der Tag,
Der tritt in unsern Orden.

Trinkt aus, schon färbt sich der Osten fahl,
Wir wollen von Dunkelheit singen,
Und blinkt der erste schimmernde Strahl,
So will ich die Flamme mein‘ schwingen.

Und wenn die Sonne im Mittag steht,
So wird die Bresche gelegt sein;
Und wenn die Sonne zur Rüste geht,
Wird die Mauer vom Boden gefegt sein.

Und wenn Dunkelheit sich niedersenkt,
Sie raffe den Schleier zusammen,
Daß sich kein Funke drein verfängt
Von den lodernden Siegesflammen!

Nun vollendet der Mond den stillen Lauf,
Wir seh’n die Dunkeheit niemals mehr weichen
Flammend zieht ein neuer Morgen herauf
Dann sammeln sie unsere Leichen.


Neire hatte einige Worte des Gedichtes geändert, was Bargh zuerst nicht bemerkte. Doch er lächelte und sang noch inbrünstiger, als er die versteckten Huldigungen an Jiarlirae hörte. So trank Bargh mit Zussa, Neire, Degga und Kratil. Bargh und Zussa erinnerten sich nicht mehr, wie sie in ihr Zimmer gekommen waren. Sie erinnerten sich nur an das Licht der drei Fackeln und die zischelnden Worte des Jünglings. Das Kind der Flamme wachte über sie und sang seine Lobhymnen Jahrtausende alter Choräle Nebelheims.

Jenseher:
Neire, Zussa und Bargh traten in den Schankraum hinein. Nachdem sie ihren Rausch ausgeschlafen hatten, waren sie zwei Tage in ihren Gemächern geblieben. Sie hatten sich ausgeruht, gebetet und in ihren erbeuteten Büchern gelesen. Dann hatte es an ihrer Türe geklopft und eines der menschlichen Sklavenkinder hatte ihnen die Botschaft überbracht, dass Besuch in der unteren Gaststätte auf sie wartete. Sie hatten sich danach aufbruchbereit gemacht und waren hinabgestiegen. Im Raum, der durch Fackellicht und das Feuer des Kamins erhellt wurde, konnten sie keine Gäste sehen. Da war die fettleibige Gestalt von Melrig Dunkelfort, der einen Fleischspieß über dem Feuer drehte. Der Nachtzwerg blickte grimmig auf eine Gruppe weiblicher Dunkelelfensoldaten, die sich um ihre Anführerin postiert hatten. Die Dunkelelfin war in schlichte graue Roben gehüllt, trug lange schwarze Stiefel und hatte sich an einen der Tische gesetzt. In ihrem Gesicht konnten sie silberne Tätowierungen erkennen. Die Frau, die ein menschliches Vergleichsalter von vielleicht 40 Jahren hatte, trug zudem ein goldenes Diadem auf ihrer Stirn, das einen verzierten Krummsäbel darstellte. An ihren Händen waren protzige Ringe aus Gold und Silber zu erkennen. Ihre roten Augen zeigten einen kalten, berechnenden Blick, als sie sich zu ihnen drehte und die Hand auf den Säbel an ihrer Seite legte. Bargh baute sich vor der Dunkelelfin auf und sprach. „Hier sind wir.“ Für einen Augenblick herrschte Stille, dann sagte die Frau. „Ihr habt gut gehorcht. Ihr habt meinen Befehl befolgt. Wisst ihr, wer ich bin?“ Bargh und Zussa schwiegen und so antwortete Neire. „Ihr werdet nicht Jhalass da’Kilsek sein.“ Die Frau lächelte kalte, hob dann aber ihrer Stimme. „Damit habt ihr nicht unrecht, Männlein. Jhalass da’Kilsek, unsere hohe Mutter, soll gesegnet sein. Mein Name ist Zesstra da’Kilsek.“ Neire verbeugte sich höfisch und begann sie vorzustellen. „Mein Name ist Neire von Nebelheim. Das ist Bargh und das ist Zussa.“ Die Dunkelelfin nickte ihnen zu, beachtete Zussa aber nicht. „Ich mag es nicht um die Dinge herumzureden und komme direkt zu dem Anliegen, wieso ich hier bin. Kennt ihr die alten Geschichten der Häuser?“ „Ihr meint die Geschichten, die von der Zeit erzählen, als die Elfen noch unter der Sonne lebten?“ Zesstra machte ein abfälliges Zischen in Neires Richtung. „Stehlt nicht meine Zeit. Wer kümmert sich um solche Märchen. Legenden, die erlogen wurden. Nein… ich meine die hohen Häuser von Erelhei-Cinlu.“ Neire tat so, als würde ihm jetzt die Antwort einfallen. „Oh, ihr meint diese Geschichte. Nun, wir wissen um Haus Kilsek und Haus Eilserv. Wir kennen die Gerüchte um Haus Eilserv und das Verschwinden von Eclavdra.“ Zesstra lachte und zeigte ihre raubtierhaften, weißen Eckzähne. „Eclavdra verschwand, doch sie wurde schnell ersetzt. Haus Eilserv hat es nicht viel geschadet. Aber was glaubt ihr? Wer ist mächtiger: Haus Eilserv oder Haus Kilsek?“ Bargh grummelte Worte auf Dunkelelfisch, die einen starken menschlichen Dialekt hatten. „Mit uns auf eurer Seite, wird euer Haus stärker sein.“ Wieder lachte die Adelige und blickte hinauf zu Bargh. „Gesprochen wie ein Politiker und ein Händler. Aber machen wir uns nichts vor. Haus Eilserv ist mächtiger – noch sind sie es. Sie sind mächtiger, auch wenn Eclavdra ihre Spiele mit diesen kolossalen Abnormitäten gespielt hat. Ihren lächerlichen Krieg, den sie in die Oberwelt bringen wollte. Wen kümmert es schon, wenn dort ein paar Bauern zerquetscht und totgetrampelt werden. Unter der Sonne vermehren sie sich wie Ratten und werden bald wieder ihre Reihen aufgefüllt haben.“ Dabei blickte Zesstra provokant in Zussas Richtung. „Wir haben gehört, dass Haus Eilserv der Spinnengöttin abgeschworen hat. Dass sie jetzt dem Gott der Schlicke und Schleime, dass sie Ghaunadaur dienen,“ fügte Neire hinzu. Die Dunkelelfin schüttelte aber den Kopf. „Ja und nein. Ihr wisst viel, doch ihr kennt nicht die gesamte Wahrheit. Eilserv dient vermutlich vier Göttern, die die Elemente repräsentieren. Ghaunadaur für die Erde, Tsathoggua für das Wasser, Azathoth für Feuer und Ithaqua für Luft. Sie versuchen ihre Energien zu kanalisieren und sie sind sehr erfolgreich damit. So beherrschen sie bereits gewaltige Mächte. Wir wissen aber nicht genau, was und wie sie es machen.“ Zesstra machte eine Pause, bevor sie fortfuhr. „Sieht es schlecht aus für uns, ist der Krieg verloren? Nun es gibt Regeln in der Stadt, die einen offenen Kampf verbieten. Die anderen Häuser würden es nicht tolerieren.“ Bargh nickte, während Neire noch immer über Ithaqua nachdachte. „Und da kommen wir dazu, in das ewige Spiel von Erelhei-Cinlu. Ich ahne, was wir für euch tun könnten.“ Diesmal war das Grinsen von Zesstra echt. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Andere möchten sich ihre Reiche aufbauen und ihren Ne’ilurum Stahl aus Unterirrling verkaufen. Wir könnten ihnen dabei helfen. Die Dankbarkeit von Haus Kelsek wäre groß und ein Ne’ilurum Monopol in Erelhei-Cinlu würde euch zu unbeschreiblichen Reichtümern verhelfen. Was sagt ihr dazu?“ Sie tauschten sich danach noch eine weitere Zeit aus und schmiedeten Pläne. Zesstra gab ihnen bereitwillig Auskunft, welche Häuser und Einrichtungen mit Eilserv im Bunde standen. Schließlich einigten sie sich darauf mit dem Theater der Schmerzen anzufangen. Die Besitzerin, eine Adelige namens Lythrana da’Tormtor sollte das Ziel sein. Haus Tormtor war Eilservs Verbündeter und so würde es die Richtigen treffen. Doch Zesstra warnte sie auch. Sie sagte, dass ein offener Angriff für Aufmerksamkeit sorgen würde und sie sich nicht mehr sehen lassen könnten, in Erelhei-Cinlu. Zudem versprach sie ihnen, die Eintrittskristalle zu besorgen. Bevor sie ging, zahlte eine ihrer Untergebenen ein Schweigegeld an Melrig Dunkelfort.

Sie hatte sich danach auf ihre Zimmer begeben wollen, um sich vorzubereiten. Jedoch waren sie von Melrig angesprochen worden, der sich über den Besuch der Dunkelelfen beklagt hatte. Der Nachtzwerg hatte gesagt, dass jetzt seine Kunden für einige Zeit nicht mehr kommen würden. Bargh hatte geantwortet, er solle nicht anfangen zu weinen. Neire hingegen hatte ihm vorgeschlagen, eine Taverne in Unterirrling zu eröffnen. Auf die Frage Melrigs, wie er denn dort erfolgreich sein könne, hatte ihm Neire versprochen zu helfen, falls er sich denn entscheiden solle, mit ihnen mitzukommen. Melrig hatte eine Zeit nachgedacht. Dann hatte auf einem Handschlag beharrt, den Neire ihm zugestanden hatte. Sie waren dann auf ihre Zimmer zurückgekehrt und hatten mit ihren Vorbereitungen angefangen. Neire hatte schließlich drei Zaubersprüche gewirkt, die ihre äußere Form und ihr Aussehen geändert hatten. Sie alle hatten sich in Dunkelelfen verwandelt. Aus Zussa war Zilvra Nym geworden. Eine mittelalte, übergewichtige Dunkelelfin mit Speckfalten und großen Brüsten. Zilvra hatte eine pechschwarze Robe und einen grauen Pferdeschwanz, mit Haaren bis zum Gesäß, getragen. Aus Bargh war der Dunkelelf Arganith geworden, dessen klobiges Gesicht an die Konturen von Rowa erinnerte. Arganith hatte kurzes, weißes Haar gehabt und war in dunkle Lederkleidung gehüllt gewesen. Aus Neire war Lyandor do’Duorg geworden. Der Dunkelelfenjüngling war muskulös und athletisch gewesen. Lyandor war in eine Rüstung aus gold-verziertem Adamant gehüllt gewesen und hatte ein schwarzes Schwert getragen. Seine weißlichen Locken hatten ein schönes, fast weibliches Gesicht umhüllt. Lyandors Bauch und Brust waren nackt gewesen, so dass man seine definierten Muskeln sehen konnte. Er hatte zudem eine Halskette mit einem Amulett eines grünen Edelsteins getragen. So waren sie schließlich aufgebrochen und hatten das Gasthaus hinter sich gelassen. Sie waren eingetaucht in den Verkehr, der, erhellt durch das fahle Wirrwarr der Dunkelfeuer, durch die Straßen floss. Sie waren an verschiedensten Passanten vorbeigekommen – Dunkelelfen, Sklaven, Nachtzwergen, Tiefengnomen, Grottenschraten und anderen. Einige Dunkelelfendamen hatten bei Lyandors Anblick gekichert und schmutzige Bemerkungen gemacht. Schließlich waren sie zu einem größeren Gebäude gelangt, dessen gotische Schwarzsteinstrukturen in einem Feuer blutroter Farbe brannten. Der Glanz war aber – wie alle Dunkelfeuer in Erelhei-Cinlu - schwach und fahl, fast wie die Flammen eines Alkoholbrandes, gewesen. Das Gebäude hatte zwei seitliche Flügel und eine große Kuppel gehabt. Breite Treppen hatten sie auf einen säulenverzierten Eingang hinzugeführt. Zilvra schritt jetzt voran und wuchtete ihren Wanst die Stufen hinauf. Sie vernahmen die verschiedensten Parfümnoten der dicht gedrängten Besucher, die teilweise schlimmere Körpergerüche überdeckten. Sie gelangten in eine dunkle Marmorhalle, in der menschliche Sklavenkinder in feinen Gewändern Schalen und Karaffen herumreichten. Hinter dem Wartebereich sahen sie den Eingang in das Rund des Theaterdoms. Vor diesem weiteren Eingang standen drei männliche Wachen, die in feine Umhänge gekleidet und mit Dolchen bewaffnet waren. Ohne zu zögern ging Zilvra auf diesen Eingang zu, verbeugte sich ungelenk, überreichte die drei Kristalle und sprach in arrogantem Ton. „Hier, für euch Männlein. Für uns wären ein paar Logenplätze angebracht, was meint ihr?“ Die Mienen der Dunkelelfen versteiften sich augenblicklich und man konnte ihnen die Furcht ansehen. „Es tut mir leid meine Dame. Ihr bräuchtet rote Kristalle,“ antwortete einer der Wachen. Danach zögerte er kurz, fügte dann aber hinzu. „Aber für eine gewisse Bezahlung… vielleicht… bestimmt werden heute nicht alle Gäste erscheinen. Einige Logenplätze bleiben immer frei.“ Lyandor trat zu Zilvra und übergab ihr eine goldene Krone. Zussa reichte sie dem Soldaten. „Das ist für euch, kleiner Wächter. Drei Logenplätze für mich und meine Männlein.“ Der Mann nahm den glitzernden Gegenstand entgegen, ließ die Krone unter seiner Robe verschwinden und hauchte: „So sei es. Ich wünsche euch eine angenehme Unterhaltung, meine Dame.“ Sie ließen die Wächter hinter sich und traten ein in die Kuppelhalle, deren Boden zur Mitte hin absank. Im Herzstück des zwielichtigen Doms konnten sie eine hölzerne Plattform erkennen. Auf dem Boden und in alle Himmelsrichtungen waren Kissen angeordnet, auf denen bereits einige Dunkelelfen Platz genommen hatten. Sie bewegten sich jedoch auf die Sitzliegen zu, die in kleinen Wandnischen aufgebaut waren. Dort ließen sie sich nieder und betrachteten den Vorführungsraum, der sich langsam zu füllen begann. Auch hier bedienten hübsche menschliche Sklavenkinder blasser Haut die dunkelelfischen Gäste. Es wurden Wein und Drogen verteilt. Einige Dunkelelfen hatten sich silberne Platten mit gebratenen, aber auch blutigen, Fleischstücken mitgebracht. Sie betrachteten, wie sich der Saal langsam füllte. Es dauerte eine Weile und einige der Dunkelelfen starrten bereits mit glasigen Blicken in die Leere. Dann wurde der Vorhang des Eingangs geschlossen und die Halle wurde gehüllt in völlige Dunkelheit. Mit einem Knarzen begann sich die hölzerne Plattform aus der Senke der Mitte zu erheben und das Schauspiel begann.

„Seid gegrüßt werte Damen und Anhängsel. Es wartet ein großes Spiel auf euch. Eine Geschichte einer Sinnlosigkeit und einer Komödie, die im Verderben endet. Lasset uns also teilhaben am Irrwitz eines Tors. Ein Tölpel, der wieder und wieder scheitern wird und es nicht lassen kann.“ Die kleinere, dickliche Dunkelelfin war in ein grünes Kleid mit tiefem Ausschnitt gehüllt. Sie wirkte hektisch, als sie die Worte in den Saal rief. Sie verbeugte sich und verschwand unter dem brausenden Applaus der Menge in das Innere der hölzernen Plattform. Als sich das Klatschen legte, kamen zwei Dunkelelfinnen fortgeschrittenen Alters hervor. Beide trugen Gewänder mit Silber- und Goldstickereien sowie einen Kragen, auf dem die Wappen aller acht noblen Häuser von Erelhei-Cinlu zu sehen waren. Sie verbeugten sich vor der Menge und präsentierten die scharfen Säbel, die sie trugen. Es gab einen weibisch-gedämpften Applaus, als die Menge ihre Handgelenke aufeinanderschlug. Dann stolperte eine weitere Kreatur aus den Innereien des hölzernen Podestes hervor. Der Mensch war in weiße Gewänder gehüllt, doch seine blasse Haut war mit Kohle schwarz gefärbt worden. Der Mann machte einen ausgemergelten Eindruck. Seine Augen sowie seine Bewegungen ließen die Effekte berauschender Mittel erahnen. Neire, Zussa und Bargh erkannten zudem, dass die Ohren des Mannes so zurechtgeschnitten waren, dass sie in Spitzen endeten. Für eine Zeit wichen die beiden Damen den torkelten Bewegungen des, mit einem stumpfen Säbel bewaffneten, Mannes aus. Dann gingen sie raubtierhaft in den Angriff über. Unter dem Grölen und Kreischen der Menge, packte eine Dunkelelfin den Tölpel, während die andere begann auf seinen rechten Arm einzuhacken. Rotes Blut spritze auf sein Gewand. Nach einigen Schlägen fiel der Arm zu Boden und der Mensch brach auf seine Knie. Über dem Applaus und der wahnsinnigen Lärmen der Zuschauer, war da plötzlich eine laute weibliche Stimme im Raum. „Aber es war noch nicht seine Zeit, seine Sinnlosigkeit zu erkennen.“ Nach einigen Zuckungen blieb der Körper reglos liegen und wurde von den beiden Frauen von dem Podest getreten. Es herrschte Tuscheln und Gelächter. Wieder torkelte eine Kreatur hervor, sichtlich benebelt durch den Einfluss von Drogen. Dem dunkelelfischen Mann fehlte der rechte Arm. Die Wunde schien frisch verbunden. In der linken Hand trug er einen Säbel. Er versuchte sich an die beiden Frauen heranzuschleichen und sie zu packen. Seine Bewegungen waren plump und stolpernd. Er schien so, als rechnete er damit, dass sie ihn nicht bemerkt hätten. Dann ging das Spiel weiter. Die Frauen packten ihn und hackten ihm die verbliebene Hand ab. Nachdem der Mann zu Boden gesunken war, wurde auch er von der Plattform gestoßen und stürzte in seinen Tod. Wieder war da die Stimme: „Doch er hatte noch nicht genug gelernt und die Göttin war noch nicht fertig mit ihm.“ Jetzt erschien ein weiterer Mensch, gekleidet in weißes Leinen. Sein rechter Arm war entfernt worden und von seiner linken Hand war nur noch der Armstumpf zu sehen. Auch dieser Mann schien berauscht zu sein. Er balancierte eine Schale mit brennendem Öl, die an seinen Unterarm gebunden war. Ein Raunen ging durch das Publikum. Dann stellte eine der dunkelelfischen Damen ihm ein Bein und er geriet ins Straucheln. Die andere Frau entleerte von hinten ein Gefäß über seinen Oberkörper. Er konnte die Schale nicht waagerecht halten und Öl und Flammen brachen zu Boden. Dann züngelten sie an ihm herauf und sie alle hörten die hellen Schmerzschreie. Das Schauspiel ging nicht lange, dann stießen die beiden Frauen den noch brennenden Körper von der Plattform hinab. Unter tosendem Beifall sagte die Stimme jetzt. „Nun… konnte der Tor seinen Irrwitz erkennen? Konnte er das Schicksal verstehen, dass die hohe Herrin für ihn geplant hatte? Wir wollen schauen, ob es ihm gelingt.“ Jetzt waren vereinzelte weibliche Lachschreie und Applaus zu hören. Dann trat ein Elf aus der Oberwelt hervor. Seine einst weiße Haut war grauenvoll verbrannt und sein nobles Gesicht verunstaltet. Auch er besaß einen abgetrennten rechten Arm und eine fehlende linke Hand. Die Ohren des abgemagerten Geschöpfes wiesen blutige Schnitte auf. Einige Zuschauer gerieten bei dem Anblick in rasenden Hass. Sie verlangten seinen sofortigen Tod. Die beiden Frauen traten ihm von hinten in die Beine und der Elf sank in die Knie. Sein aufgequollenes Gesicht blickte zu Boden. Dann war da wieder die Stimme. „Unser Herankömmling hat auf wundersame Weise seine Lektion gelernt. Es ist die Sinnlosigkeit, der Irrwitz allen Daseins. Trinkt meine Schwestern, trinkt darauf, auf das auch andere davon lernen. Wir wissen, dass der einzige Ausweg das Schicksal ist, das unsere hohe Herrin für uns bereithält.“

Jenseher:
Geschützt durch die Schatten seines Mantels schlich sich Neire in die Mitte des dunklen Theatersaals. Es war eine unheimliche Stille eingekehrt. Nur in der Ferne konnte er das Gemurmel der Gäste hören, die sich in Richtung der Straße bewegten. Zwischen den Liegekissen bemerkte er die Reste von Drogensud, hinabgefallenen Fleischstücken und Weinpfützen. Da war der Geruch von Alkohol, Ausdünstungen und Parfüm. In der Nähe der hölzernen Plattform, die bereits wieder in den Boden hinabgesenkt worden war, wurde der Hauch von frischem Blut stärker. Neire blickte sich um. Er hörte die Schritte von Zussa und Bargh hinter sich, doch er konnte sie nicht sehen. Zuvor hatte er seine schwarze Kunst gewirkt und die beiden unsichtbar gemacht. Neire wendete sich der hölzernen Treppe zu, die in der Mitte des Podestes im Boden verschwand. Sein Herz pochte, als er sich mit gezogenem Degen aus grünlich glitzerndem Dämonenstahl die Stufen hinabschlich.

~

„Es ist alles vorbereitet… wenn ihr wollt, können wir,“ sagte eine weibliche Stimme auf dunkelelfisch. Neire konnte sie gedämpft durch das Holz hören. Die antwortende Stimme kannte er. Es war die der Dunkelelfin, die zuvor die Vorstellung eröffnet hatte. „Gut, dann lasset uns beginnen, meine Schwestern,“ sagte Lythrana da’Tormtor. Neire verharrte noch einen Augenblick im Tunnel. Er blickte sich immer wieder um. Irgendwo dort hinter ihm mussten Bargh und Zussa sein. Doch wie konnten sie erahnen, welchen Tunnel er genommen hatte? Er war die hölzerne Treppe hinabgestiegen, an deren Ende er in eine kleine Halle gelangt war. Bläuliches Licht aus Laternen hatte auf dem dunklen Stein des Gewölbes geisterhafte Schatten tanzen lassen. In einem der Tunnel hatte Neire die Stimmen der beiden Schaustellerinnen gehört. Eine hatte gesagt: „Wie fandet ihr die Leistung unserer Opfer?“ Die andere hatte ein abfälliges Geräusch gemacht und dann geantwortet. „Sie findet keine Guten mehr. Sie sind nicht mehr so bei der Sache.“ Die Fragende hatte gelacht und erwidert. „Nicht mehr so bei der Sache? Das sollen sie auch nicht sein, meine Gute.“ Die zweite Stimme hatte dann gesagt. „Naja, ein bisschen mehr könnten sie, aber, nun… der einstige Zauber geht sonst verloren. Die Gäste merken so etwas schnell.“ Neire hatte dem Gespräch weiter lauschen wollen, doch dann hatte er die Stimme von Lythrana da’Tormtor aus einem anderen Gang gehört. Er war dann in diese Richtung geschlichen. Jetzt begann er seine Dietriche hervorzuholen. Er knackte das Schloss und öffnete die Türe lautlos. Dort hinter lag ein Gemach, das in einem chaotischen Zustand war. Verteilt waren Requisiten wie stumpfe Degen, Vasen, Büsten, Pergamentrollen, Schreibfedern, Tintentöpfe, Kleider, Gewänder, Schminkutensilien, Perücken und Masken. An einigen Stellen bedeckten Blutspuren den Boden. Da war der Geruch eines schweren, erdigen Parfüms. Der rechte Teil war von einem Garderobenschirm versperrt, der Neire die Sicht nahm. Von dort hörte er die gedämpften Stimmen, die nun einen rituellen Singsang angestimmt hatten. Neire schlich sich vorsichtig näher und lugte hinter den Garderobenschirm. Er konnte drei Schränke, aber keinen Ausgang erkennen. Dennoch hörte er den Singsang aus der Wand hinter den Schränken hervordringen. Er bewegte sich weiter vorwärts, als er die Schritte von Bargh und Zussa hörte. Hinter ihm begann sich die Eingangstüre in den Raum wie von Geisterhand zu schließen. Neire folgte dem Geräusch der Gebete, bis er zu einer Steinwand zwischen zwei Schränken kam. Hier konnte er klar die Konturen von drei Steinen erkennen, die man anscheinend eindrücken konnte. Er begann Wand, Boden und Decke nach Fallen abzusuchen. Schnell wurde er auch fündig. Im Boden sowie in der Decke waren kleine Löcher zu erkennen. Neire vermutete Speere, die dort hinausschießen würden. Er begann die Falle zu studieren. Nach kurzer Zeit war er sich sicher. Die Kombination musste die Reihenfolge, mittig, oben und dann unten sein. Er warte nur noch bis Zussa und Bargh in seiner Nähe waren. Dann drückte er leise die Kombination und begann die sich abzeichnende Geheimtüre nach vorne zu schieben. Dahinter konnte er ein dunkles steinernes Gewölbe sehen. Der Raum hatte keine weiteren Ausgänge und war bis auf einen Kreis von vier Statuen leer. Im Kreis knieten drei Dunkelelfinnen und waren in Gebete vertieft. Die Statuen, die sie umgaben, waren nicht groß und stellten ein einzelnes Auge, einen hässlichen Froschdämon, eine brennende Kugel und ein kantiges Gesicht ohne Augen dar. Es musste sich wohl um eine Darstellung der Gottheiten, Ghaunadaur, Tsathoggua, Azathoth und Ithaqua handeln. Zwei der knienden Dunkelelfinnen waren in Kettenhemden aus feinstem Adamant gehüllt. Sie hatten ein menschliches Vergleichsalter von etwa 25 Jahren und trugen ihre langen weißen Haare offen. Neire konnte aber auch Lythrana da’Tormtor sehen, die dort betete. Sie war älter, vielleicht 40 Jahre und gekennzeichnet durch ein rundliches Gesicht, das in ein Doppelkinn überging. Obwohl ihr weißliches Haar wirr vom Kopf abstand, war ihrem Gesicht ihre edle Herkunft anzusehen. Sie trug eine grün-schwarze, schimmernde Robe und einen goldenen Armreifen. Das enge Kleid drückte ihre üppigen Brüste hervor. Mit klopfendem Herz schlich sich Neire in den Rücken einer der Kriegerinnen. Dann stach er zu und die Klinge drang aus der Brust der Gestalt hervor. Die drei Frauen rissen jetzt ihre Augen auf und suchten nach dem Angreifer. Eine von ihnen musterte Neire in der Dunkelheit. Die verletzte Frau schrie, nicht vor Schmerz, sondern vor Wut und Hass. Ihre Stimme überschlug sich und sie hustete Blut. Die drei Dunkelelfinnen sprangen auf und begannen ihre Waffen zu ziehen. Sie waren zu langsam. Plötzlich waren da Bargh und Zussa, wie aus dem Nichts. Streich um Streich – Schnitt um Schnitt fügten sie den zuvor Betenden zu. Erst als Zussa die Herrin des Theaters niedergestochen hatte, erstarben die Schreie. „Geht zur Tür, ich habe Stimmen gehört. Ich werde mich um Lythrana kümmern. Sie atmet noch.“ Bargh und Zussa nickten Neire zu, der sich bereits über den blutverschmierten Körper von Lythrana gebeugt und einen Verband hervorgeholt hatte.

~

Bargh musste grinsen, als er zurückdachte. Der Kampf im Theater der Schmerzen war wie ein Rausch gewesen - wie ein blutroter Rausch. Zussa und er hatten sich um die Schauspieler und um die Gefolgschaft von Lythrana gekümmert. Zussa hatte den Eingang bewacht und er selbst hatte alle anderen hinweggeschlachtet. Glimringshert hatte die blutige Arbeit vollbracht und die Körper regelrecht zerhackt. Neben den Schauspielerinnen hatte er auch einige männliche Dunkelelfen getötet, die sich zuvor mit der Beseitigung der Überreste der menschlichen Sklaven und der dunkelelfischen Gefangenen beschäftigt hatten. Bargh war auch an einem Zellentrakt vorbeigekommen. Hinter den Türen hatte er junge menschliche Sklaven gesehen, die sich in einem tiefen Drogenrausch befunden hatten. Er hatte die Türen geöffnet, aber die Sklaven leben lassen. Dann war ihr Prophet zu ihnen gestoßen und sie hatten das Theater Kraft Neires schwarzer Künste verlassen. Sie waren in ihrem Zimmer im Gasthaus von Melrig Dunkelfort erschienen, durch dessen Fenster das blasse Licht der Dunkelfeuer von Erelhei-Cinlu gedrungen war. Der Dunkelelf, den Neire noch immer repräsentierte, hatte sie angegrinst und er hatte gefragt: „Wer von euch möchte beim Verhör dabei sein?“ Die dickliche Dunkelelfin, in die sich Zussa verwandelt hatte, hatte schnell und laut gesagt. „Ich will… ich will dabei sein.“ Auch Bargh, in Form des Dunkelelfs, hatte genickt. Dann hatte Neire den seidenen Vorhang in das extradimensionale Versteck Ortnors aufgespannt und sie waren in ihren Schatzraum geklettert. Dort, zwischen Juwelen und kostbaren Waffen, neben Ortnors merkwürdigen Werkzeugen und Utensilien, hatten sie die verletzte Lythrana da’Tormtor liegen sehen. Blutflecken und dunkelrote Verbände bedeckten ihren Körper. Sie war nicht bei Bewusstsein, doch ihre Brust hob und senkte sich langsam. Neire hatte die Gestalt mit der Kraft ihrer Göttin geheilt und Lythrana hatte ihre roten Augen aufgeschlagen. Dann hatten sie mit ihrer Verwandlung begonnen. Neire hatte sich seine dunkelelfische Haut vom Kopf gerissen und sie flatschend zu Boden geworfen. Zussa hatte nach sich selbst gebissen und große Fetzen Fleisch hinfortgespuckt. Zuletzt hatte Bargh tief Luft geholt und sich aufgebläht. Er hatte gelacht, als seine Haut anfing zu platzen und ein Schwall von schwarzem Blut in das Gesicht von Lythrana gespritzt war. Schwarze Haut und Blut waren wie ölige Schatten gewesen und immer mehr Partikel hatten sich gelöst und waren davongeschwebt. Bargh sah, wie Neire sich über die Dunkelelfin beugte und sie anlächelte. „Lythrana, meine Liebe, wisst ihr, wo ihr seid?“ Der Jüngling mit den gold-blonden Locken sprach die dunkelelfische Weise mit zischelndem Nebelheimer Singsang. Bargh sah keine Reaktion von Lythrana, nur einen grimmigen Gesichtsausdruck. „Was ist mit der vielbesungenen dunkelelfischen Höflichkeit?“ Fuhr Neire fort. Als immer noch keine Antwort kam, verlor Bargh die Geduld. Er packte Lythrana an der Kehle und würgte sie. „Antwortet, dunkelelfisches Hexenweib,“ grollte er in ihre Richtung. Die mittelalte Frau hustete Blut und verzog schmerzverzerrt ihr Gesicht. „Ihr könnt mich freilassen und ich werde reich euch belohnen. Ihr wisst nicht wer ich bin… wisst nicht, mit wem ihr euch eingelassen habt. Ich habe Freunde, mächtige und wohlhabende Freunde.“ Bargh zischte nun noch wütender. „Sprecht oder ihr werdet den Herankömmling in unserem kleinen Theaterstück spielen!“ Lythrana zuckte auf und Angst war in ihrem Gesicht zu sehen. Sie nickte langsam. „Wieso betet ihr zu diesen schwachen Göttern? Zu Azathoth, Tsathoggua, Ghaunadaur und Ithaqua. Sagt uns die Wahrheit und wir werden euch gehen lassen.“ Lythrana verzerrte ihr Gesicht zu einem schmerzerfüllten Grinsen. Ihre weißen Zähne schimmerten blutrot. „Ja, es gibt das Gerücht, dass einige abgeschworen haben und jetzt zu den Vieren beten. Sie machen es, um mächtiger zu werden. Und bald werden die Vier überall sein. Überall wo Feuer, wo Wasser, wo Schlamm und wo Sturm ist, werden sie sein.“ Wieder schnappte Lythrana nach Luft und begann Blut zu husten. „Und wo haben sie ihr Heiligtum? Wo beten sie zu ihnen? Wer ist ihr Anführer?“ Bargh konnte die Gier nach Wissen in Neires Stimme hören. Er zog den Jüngling zurück, der der Dunkelelfin bedrohlich nahekam. „Wieso wollt ihr das wissen?“ Bargh begann wieder nach dem Hals von Lythrana zu greifen, doch die Dunkelelfin schüttelte mit dem Kopf. „Sie werden euch jagen und töten. Ihr werdet keine Chance haben, schwache Sonnenanbeter. Es sind die Hallen unter der Festung der Kriegerkaste. Dort liegt der heilige Schrein. Ich selbst war nie dort, doch ich weiß, dass Chessintra Dro die Anführerin und Hohepriesterin ist. Aber genug der Geheimnisse. Geht zurück. Geht dorthin, wo ihr hingehört. Bevor das Wissen meiner Rasse eure niederen Schädel zum Platzen bringen. Geht und legt euch in die Sonne, wie faule, wertlose Lastenechsen. Tut das was ihr könnt und schon immer getan habt. Vermehrt euch wie die Ratten, die ihr seid!“ Bargh hörte Neire und Zussa lachen und er stimmte mit ein. Lythrana, die etwas an Selbstsicherheit zurückgewonnen hatte, wirkte wieder verunsichert und ängstlich. „Was wisst ihr über Eclavdra, was über Haus Kilsek?“ Lythrana hustete, dann sprach sie mit zitternder Stimme. „Eclavdra war schwach. Nun ist sie verschwunden oder tot. Haus Eilserv und Haus Tormtor sind stärker als je zuvor. Was auch immer Eclavdra dort mit diesen kolossalen Abnormitäten plante, es hat unseren Häusern nicht geschadet. Es hat uns stärker gemacht und bald werden wir die wahre Macht kosten…“ Sie machte eine Pause holte rasselnd Luft und fuhr dann fort. „Haus Kilsek und ihre Verbündeten? Sie sind schwach… da ändert auch das angebliche Seuche nichts, deren Gerücht sie in die Welt gesetzt haben. Es soll in den Krematorien von Erelhei-Cinlu angefangen haben, die jetzt geschlossen wurden. Ich frage euch also, wer hat die Kontrolle über die Krematorien?“ Bargh sah, wie Neire die Stirn runzelte. „Wenn nicht Kilsek, dann vielleicht Despana?“ Lythrana lachte wieder hustend. „So dumm seid ihr nicht, unwerte Sonnenanbeter… es ist Haus Despana. Sie kontrollieren die Krematorien. Doch sie stehen mit Haus Kilsek im Bunde. Und zusammen haben sie dieses Gerücht in die Welt gesetzt… über eine Krankheit, die es überhaupt nicht gibt.“ Neire nickte ihm zu und Bargh wusste was zu tun war. Er erhob sich aus seinem Kniesitz und ging zu Ortnors Werkbank. Dort zog er eine Zange hervor, mit der er zu Lythrana zurückging. Die Frau fing augenblicklich an zu zittern, als sie das Werkzeug sah. „Ihr… ihr habt gesagt, ihr werdet mich gehenlassen.“ Neire nickte und flüsterte zischelnd. „Sagt uns wie sie aussieht, Lythrana. Beschreibt Chessintra Dro für uns.“ Lythrana zitterte, als Bargh näherkam. Sie stotterte hustend: „Es ist die höchste Priesterin. Die stärkste Kämpferin der Kriegerkaste. Sie ist mittelalt, wie ich… hat eine Rüstung, die silbern schimmert, fast wie die Sterne unserer Halle. Ihre Haut wirkte älter, wie ausgemergelt. Sie wurde von den Elementen gesegnet…“ Neire nickte ihm jetzt zu und Bargh begann die Zange in das Gesicht von Lythrana zu führen. „Ihr habt es gesagt, ihr lasst mich laufen,“ schrie die Dunkelelfin mit ihrer letzten Kraft. Bargh lachte und antwortete dunkel. „Wir lassen euch laufen, doch ihr werdet eure Zähne nicht mehr brauchen.“ Neben ihm erwiderte Zussa bockig. „Wir wollten doch mit einem Ohr anfangen, ihr wisst schon, unserem großen Meister zu Liebe. Schneidet ihr ein Ohr ab, macht schon.“ Bargh hatte bereits die Kiefer von Lythrana gepackt und brachte die Zange in Position. Er hörte nicht auf Zussa. Blut schoss hervor, als er die Schneidezähne begann zu drehen und dann zu ziehen. Lythranas Schreie hallten durch das extradimensionale Versteck, doch es sollte sie keiner hören. Sie waren hier in ihrer eigenen Dimension und es gab nur sie – Bargh, Zussa und Neire. Sie waren hier und ihre Göttin Jiarlirae war mit ihnen.

Jenseher:
Zussa, Neire und Bargh hatten einige weitere Tage im Gasthaus des Nachtzwerges Melrig Dunkelfort verbracht. Sie hatten Gebete zu ihrer Göttin von Feuer und Dunkelheit angestimmt. Bargh und Neire hatten zudem in den alten Schriften gelesen, die sie aus dem versteckten Labor von Arberdys erbeutet hatten. Als sich die Wogen um das Theater etwas geglättet hatten, hatten sie wieder im Schankraum des Gasthauses gespeist. Hier hatten sie dann den Dunkelelfen gesehen, der an einem der Tische gesessen und mit einer Münze gespielt hatte. Der Mann hatte sie unauffällig beobachtet. Irgendwann hatte er seine Münze auf den Tisch geschlagen, war aufgestanden und hatte das Gasthaus verlassen. Neire war ihm unauffällig gefolgt. Der Dunkelelf war zu dem jetzt geschlossenen Theater gegangen und hatte die dort wachenden Soldaten nach den jüngsten Ereignissen gefragt. Er hatte jedoch nur ausweichende Antworten erhalten. Der wachhabende Offizier hatte gesagt, dass nur Leichen gefunden worden waren und dass Lythrana da’Tormtor verschwunden wäre. Neire war dem Mann zu seinem Wein- und Spirituosenstand gefolgt, an dem er weiter seine Getränke verkauft hatte. Nachdem eine gewisse Zeit nichts passiert war, hatte Neire die Beschattung aufgegeben und versucht neuere Informationen herauszufinden, die über den Vorfall im Theater im Umlauf waren. Doch anscheinend waren keine weiteren Details über die Anbetung der vier elementaren Götter nach außen gedrungen. Er hatte sich auch nach der Kriegerkaste der Frauen umgehört. Sie stellten eine der ältesten Zünfte von Erelhei-Cinlu dar und standen neuerdings dem Hause Eilserv nahe. Die Kriegerinnen hatten seit etwa einer Dekade den silbernen Ohrring als ihr Erkennungszeichen eingeführt und erst kürzlich war Chessintra Dro unter mysteriösen Umständen an die Macht gelangt. Neire hatte zudem gehört, dass der Ausbildung eine ältere Dunkelelfin namens Tallrene Vrinn vorstand. Legenden zufolge sollte sie eigenhändig ganze Armeen feindlicher Rassen des Unterreichs besiegt haben. Schließlich war Neire in das Gasthaus zurückgekehrt und sie hatten sich eine knappe Woche mit dem Studium der alten Schriften beschäftigt. Dann hatten sie einen der Münzenträger durch die Kristallspange beobachtet, die ihnen Zesstra da’Kilsek gegeben hatten. Die Münze hatte von silbernen Fäden umschlungen geleuchtet und sie hatten die Dunkelelfin in ihr Gemach beordert. Sie hatten sich ausgetauscht über das nächste Ziel, das die Kriegerkaste der Frauen sein sollte. Sie hatten der Spionin Informationen für Zesstra übermittelt. Sie hatten ihr das, was sie im Theater herausgefunden hatten sowie den geheimen Ort des Tempels der vier Elementargötter genannt. Die Spionin hatte ihnen den Hinweis gegeben, dass sie sich als Anwärter der Kaste einschleichen sollten. So hatten sie die Dunkelelfin entlassen und es war ein Plan gereift.

~

Die drei Dunkelelfinnen standen vor der Mauer aus schwarzem Stein, hinter deren Wehrgängen sie das magische Feuer eines Turmes schimmern sehen konnten. Die beiden metallenen Flügel eines großen Portals waren geschlossen. Über ihnen waren die Lichter der Sternenhalle, die den dunklen Saum des Riesenpilzwaldes hinter ihnen sanft erhellten. Über dem Portal waren jetzt schattenhafte Bewegungen zu sehen - weißliches Haar, rote Augen und die schwachen Konturen von Armbrüsten. Eine Stimme hallte in militärischem Befehlston hinab: „Ihr dort, bleibt stehen. Wohin wollt ihr?“ Eine der drei Dunkelelfinnen, eine ältere Kriegerin mit kurz geschorenem weißen Haar, breiten Schultern und einem vernarbten Gesicht, trat aus der Gruppe der Ankömmlinge hervor und erhob ihre Hand. „Ich grüße euch, meine Schwestern. Wir haben von den ruhmreichen Geschichten der Kriegerzunft gehört. Wir sind gekommen um aufgenommen zu werden. Mein Name ist Shimyra Vietyn und mit mir ist meine Schwester Triel Vietyn sowie Ryeldre Dro.“ Zussa, in der Gestalt von Shimyra Vietyn, zeigte zuerst auf Triel Vietyn. Hinter der zierlich-athletischen, jüngeren Dunkelelfin mit langen silbernen Haaren, einem hübschen Gesicht und einer adamantenen Rüstung, versteckte sich Neire, der die Form von Triel Vietyn angenommen hatte. Bargh hatte sich Kraft Neires Zauberspruch in Ryeldre Dro verwandelt: Eine größere Dunkelelfin mit athletischem Körper, langen weißen Haaren und großen Brüsten, die in einen Plattenharnisch gekleidet war. Bei der Erwähnung ihres Namens beugten Triel und Ryeldre ihre Köpfe. Nur Triels feine Ohren konnten die geflüsterten Worte hinter dem Wehrgang der Mauer hören. „Was meint ihr? Können wir es riskieren?“ Eine andere Stimme antwortete. „Sie werden erst aufgenommen, wenn sie die Prüfung bestehen. Wenn sie es nicht schaffen, gibt es kein Problem. Nun… wir werden schon ehrwürdige Herausforderer finden.“ Bis der Befehl zum Öffnen des Tores kam, herrschte einen Augenblick Stille. Dann hörten sie das Rasseln von Ketten und die beiden Metallflügel begannen aufzuschwingen. Shimyra, Triel und Ryeldre traten hinein, in das Hoheitsgebiet der Kriegerkaste. Sie wurden von einem Halbkreis von dunkelelfischen Kriegerinnen empfangen, hinter denen das vielfarbige Dunkelfeuer eines schwarzen Turmes strahlte. Die Anführerin trat hervor und sprach sie in barschem Ton an. „Ihr bewerbt euch hier, bei den größten Kriegern von Erelhei-Cinlu. Welche Taten könnt ihr vorweisen?“ Wieder war es Shimyra, die zuerst antwortete. „Einmal habe ich einen Grottenschrat mit meinem Schnitzwerk zunichte gemacht. Es waren nicht nur einige Finger, die ihm danach fehlten.“ Shimyra fasste sich unflätig in den Schritt und einige der Dunkelelfinnen fingen an zu lachen. Dann drehte sie sich um und zeigte auf Triel. „Triel wurde einmal von Strauchdieben heimgesucht. Glaubt mir, sie konnte sich ihrer selbst gut erwehren.“ Die zierliche Dunkelelfin nickte und antwortete. „Das Leben auf den Straßen von Erelhei-Cinlu ist hart, doch wir waren stärker.“ Die Anführerin, die in einen Feldharnisch aus runenbesetztem Adamant gekleidet war und ein Langschwert trug, fragte mit wachen roten Augen. „Von der Straße, eh? … Ihr kommt aus dem Armenviertel?“ Triel schaute verträumt nach oben, als sie antwortete. „Der Schlaf, den wir dort hatten, war kurz. Doch ich hatte diesen Traum, dass ich einst hinaufsteigen würde in die oberen Reiche. Dass es dort dunkel sein würde und dass ich Menschen mit meinem Stahl ausweide. Dass ich mir Sklaven nehme, wie es mir passt. Und dass ich reich werden würde…“ Das Gesicht der Anführerin verzerrte sich machthungrig, als sie an Triels Vision teilnahm. „Euer Traum könnte bald schon wahr werden, Schwesterlein. Vielleicht werdet ihr es erleben. Aber ihr werdet euch erst beweisen müssen. Ihr werdet aufgenommen, fürs Erste. Also folgt uns!“ Sie hörten hinter sich das Rasseln von Ketten und die doppelflügeligen Türen begannen sich zu schließen. Sie folgten dem Trupp von Kriegern, die sich auf den Turm aus schwarzem Stein hinzubewegten. Von den Dunkelfeuern wurden einige Vorgebäude erleuchtet, die um den Turm erbaut worden waren. Die Flammen brannten in Lila, Blau, Gelb und Silber. Doch die schwachen Farben vermengten sich nicht. Das silberne Feuer war stärker, als alle anderen Flammen und warf die Höhlenaussparung in einen mystischen Schimmer.

Sie waren in eines der Seitengebäude geführt worden. Die Halle, die sie nun betraten, war mit Gestellen von Betten und vielen anderen Gegenständen geschmückt. Sie erkannten Wappenschilde und mumifizierte Schädel. Schwarze Felle und Stoffbahnen, die verschiedenste Banner trugen. Im violetten Licht von Öllampen aus gefärbtem Glas, konnten sie Kriegerinnen sehen, die sich unterhielten. Einige saßen auf ihren Betten, andere an Tischen. Als sie die Halle betraten, verstummten die Gespräche und die Dunkelelfinnen sammelten sich. Die Anführerin erhob jetzt ihre Stimme. „Meine Schwestern, wir haben Neuankömmlinge. Ihr kennt den alten Brauch. Sie müssen sich erst beweisen.“ Eine Kriegerin stellte einen Krug zur Seite, aus dem sie gerade getrunken hatte. Sie rülpste und lachte, während sie sprach. „Drei Dirnen, wie es scheint. Wer seid ihr?“ Wieder antwortete Shimyra und stellte sie vor. Die ältere Kriegerin schien nicht überzeugt und fuhr mürrisch fort. „So so… ihr seht aus, als hättet ihr einiges hinter euch, Shimyra.“ Shimyra antwortete und man konnte das bockige Verhalten von Zussa in ihrer Reaktion erkennen. „Wie ihr seht, leben wir noch.“ Die ältere Kriegerin verzog das Gesicht und zeigte auf eine ihrer Schwestern. „Oder ihr seid feige geflüchtet. Wir werden es gleich herausfinden. Daedra, seid so gut. Weißt sie in ihre Schranken. Lasst sie leben, wenn sie sich als fähig erweisen. Wer von euch ist die Erste, die sich im Zweikampf stellt?“ Hervor trat eine massige Gestalt einer großen Dunkelelfin, deren glatzköpfiger Schädel mit silbernen Runen tätowiert war. Sie trug ein Kettenhemd aus feinstem Adamant und war mit einem Langschwert bewaffnet. Einige der Kriegerinnen zogen hastig die Tische zur Seite. In der Gestalt von Ryeldre trat Bargh hervor und sagte. „Ich bin die Erste. Ich werde kämpfen.“ Daerdra hob ihr Langschwert und die Dunkelelfinnen jubelten ihr zu. Daedra stellte sich Ryeldre im Zweikampf. Für einen Augenblick musterten sich die beiden Kontrahentinnen, dann schlug Ryeldre los. Zwei elegante Hiebe führte sie gegen Daedra und Blut spritzte auf. Mit dem dritten Angriff stieß sie ihr Schwert in Daedres Herz und die Dunkelelfin hauchte ihr Leben aus. Die Jubelschreie verstummten, als Ryeldre sich umdrehte und das Blut von ihrer Klinge wischte. Die Anführerin beugte sich über Daedre und schüttelte dann mit dem Kopf. „Es war nicht notwendig, sie umzubringen. Daedre war eine starke Kriegerin. Wer ist der nächste?“ Shimyra hob ihren Säbel und rief. „Ich bin es. Ich werde kämpfen und mich beweisen.“ Wieder trat eine Kriegerin hervor, doch diesmal war der Jubel geringer. Shimyra war schneller und griff als erste an. Wieder und wieder fand ihr Säbel sein Ziel. Schließlich stach Shimyra ihre Gegnerin nieder. Auch diesmal beugte sich die Anführerin über die noch atmende Kriegerin und rief. „Sie lebt noch, kümmert euch um ihre Wunden.“ Dann zeigte sie auf eine weitere Dunkelelfin, die sich zum Zweikampf bereitmachte. Triel machte einen Schritt zurück und fragte mit zitternder Stimme. „Bin ich die nächste, Schwester? Kann ich vielleicht noch zurücktreten und es mir anders überlegen?“ Bevor die Anführerin antworten konnte, gab Shimyra Triel einen Stoß und rief lachend. „Nein, könnt ihr nicht Schwester. Ihr müsst kämpfen. Denkt daran. Wir haben es uns versprochen.“ Die zierliche Triel trat ängstlich nach vorn und zog einen ihrer Degen. Jetzt war kein Jubel zu hören, als die Kriegerin der Kaste ihr entgegentrat. Die Dunkelelfin der Kaste hatte ein vernarbtes, tätowiertes Gesicht. Sie griff die junge Anwärterin mit einem Langschwert an. Triel stolperte zurück. Dem ersten Angriff konnte sie noch ausweichen, doch das Schwert aus dunklem Stahl fand zweimal sein Ziel. Blut schimmerte auf der Klinge und die Angreiferin begann zu grinsen. Dann ließ Triel ihren Degen tanzen. Wieder und wieder stach sie nach ihrer Angreiferin. Der letzte Angriff zerschnitt die Kehle ihrer Kontrahentin und die Kriegerin der Zunft stürzte mit einem Gurgeln von Blut zu Boden. Auch sie hauchte ihr Leben aus. Die Bestürzung über den Verlust des Lebens währte aber nur kurz. Die Stimme der Anführerin hallte durch den Saal. „Ihr habt gekämpft und ihr habt gesiegt. Und wie empfangen wir einen Sieger?“ Grölende Jubelschreie überschlugen sich, als ihre neuen Gefährtinnen sie begrüßen und sie zu ihrem Sieg beglückwünschten.

Jenseher:
Schwaches Licht aus Öllampen warf zwielichtige Bilder in der hallenartigen Stube der weiblichen Dunkelelfenkrieger. Die schwarzen Rüstungen der Anhängerinnen der Zunft reflektierten den violetten Schimmer. Der Triumpf war nun abgeebbt und ein Teil der Kriegerinnen schlugen Shimyra (Zussa), Triel (Neire) und Ryelde (Bargh) auf die Schultern. Zwei Dunkelelfinnen zogen die Leichname ihrer einstigen Kameraden aus der Blutlache, während sich zwei weitere um die Wunden der von Shimyra schwer verletzten Kämpferin kümmerten. Besonders Shimyra und Triel ließen sich feiern. Die athletische Ryeldre betrachtete währenddessen den Raum der Kriegerinnen, der mit Betten, Kisten, einer Speisetafel und Stühlen versehen war. Die Wände waren verziert mit Wappenschilden und Trophäen der Unterreiche. Der Blutgeruch des Kampfes lag schwer in der Luft, doch da war auch der Gestank von Schweiß, von Parfüm und von schlechtem Atem. Ryeldre begann gerade ihr Schwert von verbranntem Blut zu säubern, da erhob Shimyra ihre laute Stimme. Die ältere Dunkelelfin, mit den kurzen weißen Haaren, wendete sich zum Saal und rief. „Seht ihr, Kriegerinnen… wir können kämpfen. Und ihr hattet Zweifel an meiner Schwester Triel. Aber ihr habt es selbst gesehen. Auch sie kann Schmerzen ertragen. Das sollte also ausreichend sein, um uns in euren Orden aufzunehmen.“ Rote Augenpaare der Frauen glotzten Shimyra an. In einigen der Mienen war Respekt, in anderen Abscheu zu erkennen. Dann hörten sie die dunklere Stimme der Kommandantin. „Ihr habt Recht… Ihr habt den Zweikampf bestanden. Und was machen wir also jetzt. Nun, ein siegreicher Zweikampf soll gefeiert werden.“ Wieder waren da die hohen weibischen Brüllschreie der Kriegerinnen, von denen einige unflätige Gestiken machen. Kurzerhand wurde die Tafel in die Mitte gerückt und die Krieger der Zunft setzten sich und warteten auf den Ausschank der Getränke.

Sie hatten sich danach an die Tafel gesetzt. Sie hatten getrunken mit den Kriegerinnen der Zunft, die das Leeren der großen Hörner als eine Art Wettkampf betrieben hatte. Shimyra hatte es ihnen versucht nachzumachen, obwohl der älteren Dunkelelfin eine nicht geringe Menge des Weines über ihren Harnisch gelaufen war. Der Wein war stark und erdig gewesen; sie hatten deutlich die Anreicherung mit Honig geschmeckt. Ein Unteroffizier namens Relonor hatte ihnen dann zugeprostet. Die ältere Frau war mager und drahtig gewesen und hatte ein grobschlächtiges Gesicht gehabt, das von einer unsymmetrischen und zu großen Nase dominiert wurde. Relonor hatte ihren Humpen gegen die ihren geschmettert, so dass der Wein über den Tisch gespritzt war. Die Kommandantin hatte dann einen Trinkspruch erhoben: „Auf den Krieg und auf einen glorreichen Sieg. Und auf das Blut, was vergossen wurde.“ Die Kämpferinnen hatten, bereits angetrunken, einstimmig in einem Chor geantwortet: „Auf das Blut, was vergossen wurde!“ Ein weiteres Mal hatte Relonor ihr Horn geleert und danach angefangen zu lallen. „Auf euch, ihr jungen Dinger! Auf euch.“ Wieder hatte sie ihr Trinkgefäß gegen die ihren geschlagen. Shimyra hatte geantwortet: „Auf uns!“ So hatte sich ein Gespräch entwickelt, in dem Relonor trunken ihre Pläne parodiert hatte. Der Unteroffizier der weiblichen Kriegerzunft hatte ihnen zu erkennen gegeben, dass ihre Aufnahme noch nicht beendet wäre und sie sich Zeit lassen und feiern sollten. So war das Gespräch eine Zeit gegangen, bis die Kommandantin Ristel sie zu sich herbeigeordert hatte. Sie hatten sich zu der älteren Frau gesetzt, die in einen goldverzierten Panzer aus Adamant gekleidet war und ein kostbares schwarzes Langschwert trug. Ristel hatte sie mit ihren rot schimmernden Augen betrachtet. Sie hatte die distanzierte, abwägende Art eines Offiziers gehabt. Sie sagte dann: „Ihr könnt es also nicht abwarten in unseren Dienst zu treten und euch euren Ruhm zu verdienen.“ Shimyra nickte begierig und strich sich ihr weißes, bis zu den Ohren reichendes Haar zurück. „Wir haben tapfer gekämpft und wir haben uns unsere Aufnahme verdient, so ist es doch, oder?“ Jetzt lächelte der Kommandant der Schar, antwortete dann aber mit ernster Miene. „Ja, ihr habt tapfer gekämpft. Doch in unserer Zunft dienen, heißt nicht nur kämpfen, sondern auch gehorchen. Ihr habt eure erste Prüfung bestanden. Ihr hättet sie nicht töten müssen, nein… es waren tapfere Krieger, meine Schwestern. Doch es ist wie es ist. Ihr werdet noch eine weitere Prüfung ablegen müssen. Werdet lernen müssen, zu gehorchen.“ Shimyra nickte eifrig und sagte. „Wir sind bereit diese Prüfung abzulegen. Wir waren nicht unterlegen und wir werden auch nicht versagen.“ Shimyra hob ihr Trinkhorn und wollte mit Ristel anstoßen, doch die Anführerin zeigte keine Reaktion. Sie lächelte dann und erwiderte: „Ihr könnt es also wirklich nicht abwarten.“ Shimyra zog einen kindischen Schmollmund, doch Ryeldre ließ ihr Trinkhorn auf den Tisch knallen. „Sie vielleicht, ich nicht,“ sagte die athletische Dunkelfin mit den großen Brüsten und den langen weißen Haaren. Jetzt beugte Triel ihr hübsches, puppenhaftes Gesicht und sprach die Kommandantin mit unterwürfigen Augen an. „Herrin, eure Gesellschaft ist sehr angenehm. Wir freuen uns nur bei euch zu sein und sind begierig auf Ruhm und Reichtum. Wir hoffen, unsere Zeit in der Gosse hinter uns gelassen zu haben.“ Ristel begann niederträchtig zu grinsen, dann hob sie die Nase ihres vernarbten Gesichts und sagte. „Man wird den Gestank der Gosse nur schwer los, Mädchen. Doch ihr habt die Gelegenheit euch hier zu beweisen. Enttäuscht mich und ich werde mich persönlich um eure Bestrafung kümmern.“ Sie machte eine Pause und fuhr dann fort. „Ihr habt euch aber für eine glorreiche Zukunft entschieden. Es gibt viele in Erelhei-Cinlu, die sich ein gemütliches Leben aufgebaut haben. Sie haben vergessen, um unsere Vergangenheit, um unsere Bestimmung zu erobern, zu töten und zu versklaven. Es ist Abschaum, der sich dort suhlt im Abglanz des Ruhmes unserer Vorfahren. Doch sie sind mir egal. Es ist belanglos, über sie zu reden. Es sind aber nicht alle so… es gibt noch den großen Geist unserer altehrwürdigen Mütter. Unser Schwur ist es, die Stadt zu verteidigen. Es ist unsere heilige Pflicht und dafür müssen wir stark sein.“ Triel nickte unterwürfig und lächelte Ristel zu. In Gedanken dachte Triel aber an die Begriffe der Dunkelelfen und die Auslegung und Dehnbarkeit des Wortes Verteidigung, welche die Spinnen anbetende Rasse der Tiefe nach Belieben erweiterte. Sie unterhielten sich danach mit Kommandantin Ristel und die Dunkelelfin antwortete in ihrer distanzierten Art auf ihre Fragen. Sie erzählte von den Kämpfen, die die Zunft der Kriegerinnen geführt hatte. Sie berichtete von einem Klan von aufständischen Nachtzwergenhändlern, die für mehr Gold rebelliert hatten und die dann von ihnen exekutiert worden waren. Kommandantin Ristel erzählte und sie tranken. Schließlich wurden ihnen jene Betten und Truhen zugewiesen, die zuvor ihren Kontrahenten gehört hatte. Sie warteten den Schlaf der Kriegerinnen ab, um sich dann in der Dunkelheit hinfort zu stehlen.

~

Relonor blickte sie mit glasigen Augen an. Die Dunkelelfin rieb sich den Schlaf aus den Augen und gähnte. In der Nähe des älteren Unteroffiziers war der Hauch von Alkohol zu vernehmen. Relonors abgemagertes Gesicht wirkte eingefallen und grobschlächtig. Sie drohte immer wieder einzuschlafen und würgte einen Löffel des warmen, süßlichen Breies herunter, der ihnen am Morgen serviert wurde. Shimyra, Triel und Ryeldre hatten sich während der Nachtruhe heimlich hinfortgestohlen. Triel hatte ihre schwarze Kunst gewirkt und sie in ihr Zimmer des Gasthauses von Melrig Dunkelfort gebracht. Dort hatten sie sich um ihre Gefangene Lythrana da’Tormtor gekümmert und ihre Zauber der veränderten Form erneuert. Erst danach hatten sie sich wieder in ihre neue Behausung begeben und waren in ihren Betten eingeschlafen. Am nächsten Morgen waren sie übermüdet und verkatert aufgewacht. Einige Dunkelelfinnen hatte es aber viel schlimmer getroffen. Insbesondere Relonor hatte sich kaum auf den Beinen halten können. Zudem hatte sie bei jedem Löffel des Breies einen Würgereiz unterdrücken müssen. Sie unterhielten sich jetzt schon eine Zeit mit Relonor. Die Dunkelelfin hatte ihnen erzählt vom Kommandanten der Zunft, der Frau, die sich Chessintra Dro nannte. Sie hatte ihnen auch von Tallrene Vrinn berichtet, dem General. Relonor hatte ihnen zudem Auskunft über die Kriegerzunft gegeben. So hatten sie herausfinden können, dass es insgesamt fünf Züge von Fußsoldaten gab, die jeweils aus neun Kriegerinnen und einem Offizier bestanden. Die Kriegerkaste verfügte zudem über zwei zauberkundige Dunkelelfinnen und eine Elitegruppe, die Chessintra Dro beschützte. Sie hatten einige Zeit den Worten von Relonor gelauscht, bis sie abermals von Ristel zum anderen Ende der Tafel gewunken wurden. Dort begrüßte sie Ristel nun mit den Worten: „Ihr seid begierig, in unserer Zunft aufgenommen zu werden. Aber seid ihr auch bereit eine Aufgabe zu erfüllen?“ Shimyra antwortete rasch und trotzig. „Natürlich sind wir bereit!“ Erst dann schaute sie schuldbewusst auf Triels Verbände. Die zierliche Dunkelelfin mit dem hübschen Gesicht und den silbernen langen Haaren nickte aber. So fuhr Ristel fort. „Es ist nur eine Kleinigkeit für euch. Es ist etwas, was die hohen Damen der Stadt schon länger stört. Heutzutage werden die Toten der Stadt verbrannt. Wenn es aber nach den hohen Damen geht, ist das nicht standesgemäß. Früher war alles anders. Die Toten aus den Häusern adeligen Blutes wurden in einer Höhle beerdigt, die außerhalb der Sternenhalle liegt. Es hat aber eine Plage dieses Grabmal befallen. Sklaven, welche die Toten beerdigen sollten, sind einfach hinfort gelaufen. Seitdem hat sich niemand mehr dorthin getraut. Nehmt euch der Sache an und macht diesen Ort sicher. Dies ist eure Aufgabe, habt ihr alles verstanden?“ Sie stellten danach einige weitere Fragen – wie sie an diesen Ort gelangen könnten – wie sie beweisen könnten, dass sie ihre Aufgabe erfüllt hätten – ob sie denn die Schätze der Grabnischen behalten könnten. Ristel stand ihnen Rede und Antwort und wies ihnen Relonor zu, die sie auf ihrer Reise begleiten sollte. Der Aufforderung von Ristel kam der Unteroffizier mit einem lallenden „Jawohl Herrin, ich werde sie begleiten,“ nach. Die Dunkelelfin knirschte zwar mit den Zähnen, fügte sich aber dem Befehl. So begannen sie ihre Sachen zu packen. Sie durchwühlten die Truhen ihrer Gegnerinnen und brachen dann auf.

~

„Was wollt ihr tun, wenn ihr nach dort oben kommt Relonor?“ Shimyra und Triel hatten Relonor mit Fragen gelöchert, während sie die Sternenhalle durchwandert hatten. Relonor war inmitten der von dunklen Riesenpilzen gesäumten Händlerstraße stehengeblieben und hatte nachgedacht. Sie hatte sich nicht um die Wagen der Händler gekümmert, die in einem Bogen um sie herumfahren hatten müssen. „Ihr stellt seltsame Fragen. Lasst mich einmal nachdenken.“ Mit offenem Mund hatte Relonor ins Leere gestarrt. „Wartet, ich habe es gleich…“ hatte die Dunkelelfin mit dem grobschlächtigen Gesicht dann gesagt, als sie nach Gedanken gesucht hatte. „Ja, jetzt habe ich es… “ Relonor hatte angefangen schäbig zu grinsen. „Ich werde mir einen dieser Menschen nehmen und sie aufschneiden. Ich will sehen, wie ihre Frauen von innen aussehen. Dann nehme ich mir vielleicht ein Männchen.“ Das dumpfe, hohle Lachen der Dunkelelfin war zu hören gewesen. Triel hatte mit einem Kichern eingesetzt und dann erzählt. „Ich hatte einen Traum in den Gossen von Erelhei-Cinlu, meine liebste Relonor. Ich habe geträumt von den Reichen unter der Sonne. Dass ich dort hinaufsteigen würde und dass ich erobern würde. Ich habe geträumt von den Menschlein, die ich mit meinem Stahl tötete. Die anderen wurden wie Vieh zusammengetrieben und als meine Sklaven verkauft. Dann lebte ich in einem Palast mit 1000 Zimmern. Ich war eine Prinzessin und was ich in diesen Zimmern versteckt hatte, war nur mein Geheimnis. Nur eine Prinzessin konnte so viele Zimmer haben und nur eine Prinzessin konnte so viele Geheimnisse haben.“ Relonor hatte danach laut aufgelacht über den Traum, den Triel als monotonen Singsang vorgetragen hatte. Sie hatte spöttisch zu Shimyra geschaut und gesagt, dass Triel vielleicht wirklich die Zukunft gesehen hatte. Shimyra hatte Triel daraufhin verschmitzt angeblickt; wissend, dass doch Neire der Prophet von Jiarlirae war. Sie waren danach weitergegangen und Relonor hatte – noch immer angetrunken – wild über die Zimmer in Triels Traum spekuliert. So hatten sie schließlich die Sternenhalle über das Eingangsportal verlassen. Die Wachen hatten sie durchgewunken, als sie Relonors Ohrring gesehen hatten. Dann waren sie einem verlassenen Tunnel in die Dunkelheit gefolgt. Schon bald hatten sie die Schreie der der Händler nicht mehr gehört. Sie waren durch eine Höhle gelangt, die von Wurzeln überwuchert gewesen war. Die ausgetrockneten Pflanzen waren teilweise von einer grauen Flechte überwachsen gewesen, die Neire und Bargh als tödliche Pilzflechte identifiziert hatten. Sie hatten diese Bereiche gemieden und waren über einen Tunnel in eine knochenbedeckte Grotte gelangt, die von schwachem, grünlichem Licht erhellt wurde. Jetzt bewegten sie sich vorsichtig vorwärts und betrachteten das dunkle Zwielicht. Das Glimmen ging von den Fäden eines Spinnennetzes aus, das unter der Decke gespannt war. Aus der Höhle strömte ihnen der faulige, verrottende Geruch des Todes entgegen. Kleine Seitenarme mündeten in Sackgassen, in denen Grabnischen zu sehen waren. Alles war von Spinnenweben bedeckt und sie konnten die Symbole der adligen Häuser von Erelhei-Cinlu in den Grotten sehen. Vorsichtig begannen sie die erste Grabhöhle zu erkunden. Dort glitzerte ein Säbel aus leuchtendem Gold, das Symbol des Hauses Kilsek. Triel bewegte sich vorsichtig voran und suchte nach Fallen. Die Dunkelelfin hatte ihren Degen gezogen, der das Licht des Spinnennetzes in besonderer Weise reflektierte. Als sie eindrangen knisterte das Spinnennetz und schattenhafte Riesenspinnen begannen sich hinabzulassen. Rötlich leuchtende Augen blitzten in der Dunkelheit auf, als Kreaturen aus purer Schwärze sie angriffen. Acht waren es an der Zahl. Acht, wie die Zahl der Häuser in Erelhei-Cinlu. Die Kreaturen bewegten sich schnell über Knochen und Gebein. Shimyra, Triel und Ryeldre erwarteten die Monstrositäten und töteten eine nach der anderen. Als wieder Stille einkehrte, begannen sie mit der Durchsuchung der Grabnischen.

Navigation

[0] Themen-Index

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln