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[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea
Jenseher:
Zussa, in der Form der Dunkelelfin Shimyra, blickte Kommandant Ristel an. Die Dunkelelfin der Zunft war in ein kostbares adamantenes Kettenhemd gehüllt und besaß ein Langschwert. Ihre erfahrenen roten Augen musterten sie, als sie die Frage scharf stellte. „Anwärter, berichtet… was ist mit Relonor passiert?“ Shimyra schaute dem Häufchen Elend nach, das von Relonor übriggeblieben war. Der weibliche Unteroffizier der Kaste wurde gerade von zwei Kriegerinnen fortgetragen. Seit ihrem Unfall war Relonor in ein Koma gefallen, von dem sie nur ab und an erwacht war. Ryeldre (Bargh) hatte die Dunkelelfin aus den Grabhöhlen und bis in die Hallen der Kriegerzunft getragen. Vor dem Vorfall hatten sie mit Relonor gesprochen, nachdem sie alle Grabnischen, bis auf eine, geplündert hatten. Triel (Neire) hatte Relonor erzählt, dass er in der kleinen Seitenhöhle ein Geräusch gehört hatte. Triel hatte Relonor gebeten dort nachzuschauen, um zu bestätigen, dass ihre sie ihre Aufgabe erfüllt hatten. Die einfältige Dunkelelfin hatte zugestimmt und vorsichtig die Grabnische erkundet. Dann war plötzlich heißer Wasserdampf aus Löchern aus dem Boden geströmt und die Schreie von Relonor waren durch das steinerne Reich gehallt. Die Soldatin der Zunft hatte sich gerade noch aus den Schwaden hinausschleppen können, war dann aber ohnmächtig zusammengebrochen. Sie hatten sich um ihre Wunden gekümmert; hatten ihre verbrühte und aufgeplatzte Haut verbunden. Triel hatte die Worte geflüstert: „Ja… es war ein Zischen, was ich gehört hatte.“ Doch Relonor war dort bereits in eine Bewusstlosigkeit gefallen, in der sie weiter vor Schmerzen gewimmert hatte. Shimyra verwarf die Gedanken und senkte respektvoll ihren Kopf, als sie Ristel antwortete. „Relonor hat unsere Aufgabe überwacht. Sie hat einen alten Mechanismus ausgelöst, der ihr diese Wunden zugefügt hat. Wir haben uns um sie gekümmert. Wir haben sie nicht zurückgelassen, Herrin Ristel.“ Die Dunkelelfin mit dem purpurnen Offiziersmantel nickte, schaute Shimyra jedoch weiter grimmig an. „Und die Aufgabe, Anwärter! Wart ihr erfolgreich?“ Shimyra sagte bejahend. „Der Ort ist gesäubert Herrin. Wir haben listig gekämpft und wir waren siegreich. Es waren Spinnen aus Schatten, die dort hausten. Mindestens 20 an der Zahl. Auch meine Schwester Triel hat sich bewiesen. Allein von ihr wurden acht Spinnen erschlagen. Die Gräber der hohen Herrinnen sind dank unseren Taten wieder sicher.“ Shimyra grinste nicht, als sie mit der Anzahl der Spinnen maßlos übertrieb. Ristel betrachtete sie einen Augenblick und sprach lauter, so dass es die gesamte Halle hören konnte. „Relonor sollte eigentlich Bericht erstatten. Es wird einige Zeit dauern, bis sie dazu fähig ist. Wenn sie überhaupt jemals wieder zu etwas fähig sein wird. Vielleicht kann sie ein paar Teller waschen… oder uns bedienen. Sie war schon immer etwas einfältig unsere Relonor.“ Ristel machte eine Pause und im Saal beobachteten sie die roten Augenpaare der anderen Kriegerinnen. „Und was euch angeht… wir werden zusammen speisen und trinken. Ihr habt die Ehre unseren General Tallreene Vrinn und unseren Kommandanten Chessintra Dro kennenzulernen.“ Damit wendete sich Ristel von Shimyra ab und ging in Richtung des zentralen Turms. Um sie herum war nun ein Jubel zu hören, als die Kriegerinnen zu ihnen kamen und sie für ihre Taten beglückwünschten.
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Gedämpftes purpurnes Licht strömte aus magischen Wandkristallen. Das Turmgemach war in brütendes Zwielicht gehüllt. Auf drei, in Richtung des Einganges offen angeordneten, Tischen standen kostbare Speisen und Karaffen mit dunklem Wein. Das glühende Kohlenfeuer eines Kamins hüllte die Halle in wohlige Wärme. Shimyra, Triel und Ryeldre vernahmen den Geruch von Parfüm, von Alkohol und von Gebratenem, als sie von Ristel in das höhere Geschoss des Turmes geführt wurden. Das Murmeln ebbte ab und die roten Augenpaare etlicher Offiziere betrachteten sie. Die Frauen der Zunft waren in kostbare Kettenhemden und Harnische aus gold- sowie silberverziertem Adamant gekleidet. Sie waren von Narben und alten Kriegsverletzungen gekennzeichnet. Nachdem sie die Neuankömmlinge betrachtet hatten, richteten die weiblichen Offiziere ihre Blicke auf zwei Frauen, die am Kopfende saßen. Tallreene Vrinn, die den Rang eines Generals trug, war mit einem königlichen Kettenhemd aus feinstem Adamant geschützt. Sie kennzeichnete ein faltiges Gesicht, das von langen weißen Haaren eingerahmt wurde. Auf der linken Schädelseite war jedoch eine kahle vernarbte Stelle zu sehen. Tallreene hatte muskulöse Arme und war groß für eine Dunkelelfin. Neben dem General saß Chessintra Dro. Sie war jung, kleiner und hatte keinerlei Haare auf ihrem Schädel. Die Haut der Anführerin war eingefallen und schrumpelig, als ob sie von den Elementen gezeichnet worden wäre. Ristel trat mit ihnen vor die hohen Damen und verbeugte sich. Dann sprach sie. „Geehrte Herrin Chessintra Dro. Ich bringe euch die Anwärter. Sie haben sich als tapfer bewiesen. Sie haben gezeigt, dass sie kämpfen und töten können. Sie haben Schmerzen ertragen und Befehle befolgt.“ Die Gestalt mit dem schmalen Gesicht erhob sich. An Chessintras Hand funkelte ein vierfarbiger Ring und an ihrer Seite war ein verdrehter Stecken zu erkennen. Sie nuschelte als sie sprach – es war, als ob sie ihre Lippen nicht richtig bewegen konnte. „Sind das die neuen Anwärter? Sind das unsere neuen Kriegerinnen?“ Nach kurzer Pause fuhr sie fort. „Tretet vor, junge Schwestern und dreht euch etwas.“ Sie schritten vor Ristel und wendeten sich den anderen Offizieren zu. „Ihr seht kräftig aus, Schwestern. Sagt, was bringt euch dazu bei der Zunft der mächtigsten Kriegerinnen um Aufnahme zu bitten?“ Shimyra verbeugte ihr Haupt und antwortete rasch und laut. „Herrin… dort wo wir herkommen, gibt es nur Gesinde und Abschaum. Es gibt keinen Ruhm. Wir haben gekämpft und gewonnen, wir waren siegreich. Wir haben unseren Gegnern die Gliedmaßen abgehackt, doch was haben wir dafür bekommen? Nichts… Wir wollen Ruhm und Macht. Wir wollen Reichtum. Und, wie wir alle, wollen wir in die oberen Reiche unter der Sonne und das Gewürm dort töten.“ Shimyra verbeugte sich nochmals und trat zurück. Einen Augenblick herrschte Stille, dann sagte Chessintra. „Offizier Ristel. Habt ihr alles vorbereitet? Holt die silbernen Ringe und lasset uns beginnen.“ Die anderen Offiziere begannen sich zu erheben und Ristel kam mit einem spitzen Messer und drei silbernen Ohrringen zurück. Dann vollzog sie das Ritual. Nur Shimyra konnte sich den Spruch nicht verkneifen: „Passt auf, dass ihr mir nicht mein Ohr abschneidet. Es würde schrecklich aussehen.“ Ristel schien die Aussage zu überhören. Dann rammte sie das Messer durch Shimyras Ohrläppchen. Durch das blutende Loch stieß sie das Metall des Ohrrings. Ristel wiederholte das Ritual bei Triel und bei Ryeldre. Nachdem alle ihren Ohrring trugen, setzte der Jubel der Offiziere ein. Einige Frauen klopften mit ihren Humpen auf den Tisch, während andere ihre Fäuste erhoben und grölten. Als der Jubel verebbte, setzten sie sich auf ihre Plätze, an den Rändern der Tafel. Sie aßen und sie tranken – sie lauschten den Gesprächen. Ristel hatte einen Teil ihrer Reserviertheit abgelegt und erzählte von den Einrichtungen der Zunft. So hörten sie von den Lusthallen, die die Kriegerinnen nach Belieben aufsuchen konnten, um sich dem Liebesspiel mit den männlichen Sklaven verschiedenster Rassen hinzugeben. Ristel erzählte, dass sie sogar einen Tiefengnom dort hatten. Sie bezeichnete ihn spottend als Exemplar kleinerer Bauart und lachte höhnisch, als sie erwähnte, dass Relonor ihn wohl bereits aufgesucht hatte. Triel lauschte währenddessen den Gesprächen der hohen Offizierschaft. Bis auf die Neuigkeiten, dass das Haus Eilserv die Zunft wohl gerade mit einer Lieferung von Münz- und Edelsteintruhen versorgt hatte, wurden keine besonderen Dinge besprochen. Dann stand Triel auf und bewegte sich auf Chessintra Dro zu. Sie verbeugte sich und sprach leise. „Herrin… verzeiht, doch kann ich euch unter vier Augen sprechen. Es ist etwas, was wir auf dem Weg hierhin von den Händlern gehört haben.“ Chessintra nickte ihr zu und sagte. „Sprecht Schwester, wir haben hier keine Geheimnisse.“ Triel nickte und senkte unterwürfig ihr hübsches, puppenhaftes Gesicht. „Sie sprachen von dem Schrein, in dem sie die Seemutter angebetet haben. Es ist die Gottheit, deren Namen ich hier nach alter Sitte nicht aussprechen will.“ Der Blick, den sich Chessintra und Tallreene austauschten, währte nur kurz, doch Triel sah es zwischen ihren langen silbernen Haaren. Chessintra nuschelte jetzt. „Fahrt fort Mädchen. Was wisst ihr noch?“ „Sie sagten, der Tempel wäre angegriffen und zerstört worden. Sie sprachen von einer Armee, von einem kommenden Krieg.“ Chessintra nickte ihr zu und sprach. „Ihr wisst viel. Sagt, woher habt ihr diese Gerüchte.“ „Wir kümmerten uns um die Gräber der hohen Herrinnen vor der Stadt. Es waren die Händler an der Pforte zur Sternenhalle.“ Chessintra lächelte und wendete sich dann Tallreene zu. „Ihr seid hier um zu kämpfen Mädchen. Lasst Gerüchte dann Gerüchte sein. Überlasst die Politik denen, welche einen scharfen Geist besitzen. Es ist Zeit zu gehen, Mädchen.“ Triel nickte und verbeugte sich tief. Dann verließen sie das Gelage. Aus der Ferne konnte Triel jedoch die Stimme von Chessintra hören, die ihre Offiziere fragte: „Meine Schwestern und treue Kriegerinnen, die Stärksten, die die Sternenhalle jemals gekannt hat. Wir haben sie begutachtet und was meint ihr? Sind sie es wert am Leben zu bleiben oder sollen sie noch heute Nacht sterben?“ Einen Augenblick herrschte Stille. Dann meldeten sich reihum die Stimmen. „Ja, sie sollen leben und kämpfen.“ „Ja, sie sind es wert.“ „Wir werden zusammen kämpfen, mit ihnen.“ Nachdem die Offiziere einstimmig ihre Aufnahme beschlossen hatten, fügte Chessintra hinzu. „So sei es. Zusammen werden wir kämpfen und siegen. Wir werden das rote Blut fließen lassen und wir werden töten. Und wisset eines… wir werden einst zusammen sterben.“ Dann kamen Shimyra, Triel und Ryeldre in ihre Kammer zurück, wo sie von ihren neuen Schwestern empfangen wurden. Der Jubel war groß und sie feierten und tranken zusammen. Doch die drei neuen Kriegerinnen der Zunft taten nur so, als ob sie trinken würden. Sie waren bereit für ihre Aufgabe und sie wussten: Ihre Göttin Jiarlirae war mit ihnen.
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Das obere Turmgemach in vollständige Dunkelheit gehüllt, die nur von ihren geübten Augen durchdrungen wurde. Da waren kostbare Felle und Truhen. Zwei einfache Holzbetten standen sich gegenüber. Der Geruch von modrigem Parfüm und von Schweiß war zu vernehmen. Vom linken Bett war ein Schnarchen zu hören, während vom rechten Bett ruhige Atemgeräusche kamen. Shimyra, Triel und Ryeldre hatten zuvor in der unteren Stube gewartet, bis die Kriegerinnen in einen tiefen alkoholgeschwängerten Schlaf gefallen waren. Dann hatten sie sich Kraft Triels schwarzer Kunst vor die eiserne Türe versetzt, die sie am Ende der Treppe des oberen Gemachs erspäht hatten. Triel hatte eine Falle entdeckt und entschärft. Sie hatten lautlos die Tür geöffnet und waren in das dahinter liegende Gemach vorgedrungen. Shimyra hatte schließlich die Türe hinter sich zugezogen. Jetzt blickten sie auf die beiden Gestalten, die dort in den Betten ruhten. Es waren Chessintra und Tallreene, die sie sahen. Triel eröffnete den Angriff und stach in das Herz von Chessintra. Shimyra und Ryeldre begannen auf Tallreene einzuschlagen. Der Kampf war grauenvoll, blutig und kurz. Die Schmerzschreie erstarben, als sie ihre Waffen in die Leiber stießen. Chessintra war sofort tot, doch Tallreene atmete noch. Zu dritt kümmerten sie sich um den sterbenden General der Zunft. Sie bandagierten Tallreenes Wunden und riefen Jiarlirae um Heilung an. Die beiden Körper zogen sie in Ortnors altes extradimensionales Labor, in dessen Inneren die gefesselte und geknebelte Lythrana da’Tormtor sie mit einem Grauen anstarrte. Als Tallreene ihre Augen aufschlug, begannen sie mit der Befragung. „Ihr habt ganze Armeen besiegt, doch ihr wolltet mir keine Audienz gewährleisten“, sagte Triel zu der blutverschmierten Dunkelelfen. Tallreene zitterte und schnappte nach Luft. Dann knurrte sie hasserfüllte Worte. „Ihr… ihr seid es… Verräter. Das Letzte, was ihr wahrnehmen werdet, ist der Geruch eurer eigenen Eingeweide, wenn ich sie euch herausreißen werde.“ Triel schüttelte grinsend den Kopf und Shimyra kicherte überheblich. Dann entfernte Shimyra den Knebel aus Lythranas Mund. Die bereits abgemagerte und erbärmlich nach Urin stinkende Theaterbesitzerin stammelte vor Furcht. „Tut was sie sagen, Tallreene. Sie sind verrückt. Sie spielen keine Spiele und sie werden uns töten.“ Von Tallreene kam nur ein verächtliches Zischen. Triel zog einen scharfen Dolch aus einem Haufen von glitzernden Edelsteinen und kniete vor Lythrana nieder. „Wir werden euch schon nicht töten, meine lieben Schwestern. Ihr sollt euch gegenseitig aufessen. Und wir fangen mit euren Ohren an.“ Lythrana stieß einen heiseren, hohen Schrei aus, der schon bald in einem Röcheln erstarb. Von Shimyra war wieder ein Kichern zu hören, als sie sagte. „Wir fangen mit dem linken Ohr an. Das wird euch gutstehen, meine Schwestern.“ Langsam begann Triel die Ohren abzuschneiden. Dann drückte sie den Mund von Lythrana auf. Die geschwächte Dunkelelfin begann zu kauen und würgen. Dann schluckte sie Ohr hinab. Tallreene hingegen wehrte sich vehement. Triel zwang ihr Kaubewegungen auf, doch sie versuchte das blutende Fleisch auszuspucken. Dann begann sich Triels Welt rot zu färben. Ihre Augen leuchteten übernatürlich glimmend. Sie drang in Tallreenes Geist und sprach. „Esst meine Liebe, es wird euch guttun. Es wird euch stark machen und wir haben erst angefangen.“ Tallrene begann selbstständig zu kauen und dann zu schlucken. Dann beugte sich Triel zu ihr hinab. „Tallreene, wo ist der Tempel der vier Götter?“ Tallreene nickte, spuckte Blut und röchelte. „Er ist unter den Kammern der Lust… unter den Gefängniszellen. Unsere Schwestern der Zellen bewachen den Eingang.“ „Was befindet sich dort? Was führt ihr im Schilde?“ Wieder nickte Tallreene und stammelte. „Euch kann ich es erzählen, Freundin. Es ist eine Pforte… ein Portal für sie, in unser Reich. Es wird sich öffnen und die Strahlen von Azathoth, die Masse von Ghaunadaur, die Wasser von Tsathoggua und der Eiswind von Ithaqua werden sich über diese Welt ergießen. Die Herrin von Eilserv wird auf ihrem Schädelthron platznehmen und sie werden ihr huldigen. Sie werden vor ihr niederknien und alle die gegen sie aufbegehren, werden die Schädel unter ihrem Thron sein. Es wird ein neues Zeitalter anbrechen. Wir werden durch die Vier herrschen und sie durch uns. Wir werden die Macht der Elemente besitzen.“ Triel nickte und blickte Shimyra an. Dann fragte sie weiter. „Wie viele Priesterinnen gibt es dort?“ Nur Chessintra versteht die Stimmen der unheiligen Vier. Doch es gibt auch eine andere. Bautha da’Eilserv ist ihr Name.“ „Wie erkennen wir sie?“ „Sie ist ein junges Ding und noch nicht voll ausgewachsen. Sie ist schön anzusehen, hat silbernes langes Haar, in das sie sich goldene Strähnen eingeflochten hat. Und sie trägt ein Artefakt von ihrer Tante. Ein Diadem auf ihrem Haupt.“ Triel lächelte jetzt. „Und das Portal? Wann öffnet es sich?“ Da war ein glühendes Funkeln, wie von Vorfreude, in Tallreenes Augen zu sehen. „Es sollte sich bereits geöffnet haben. Die Stimmen, die Chessintra hörte, sind schwächer geworden. Selbst Chessintra weiß nicht wieso.“ Jetzt lachten Triel und Shimyra. Sie dachten an die Tempel von Ghaunadaur, von Azathoth und von Tsathoggua, die sie im heiligen Krieg ihrer Göttin Jiarlirae zerstört hatten.
Jenseher:
Die junge Dunkelelfin Triel (Neire) blickte in das vollkommen düstere Kerkergewölbe. Der Stein war glattgeschliffen und alt. Trotz des Geruchs von Moder, Verwesung und Fäkalien, war ein kalter Winterhauch zu vernehmen. Eiserne Zellentüren waren in die gegenüberliegende Wand eingelassen. Triel hatte sich in ihren Schattenmantel gehüllt und lauschte den Stimmen der Wachen. „Es ist so langweilig hier, es ist immer das Gleiche,“ lallte eine Dunkelelfin. Eine andere gähnte und antwortete trunken. „Auch diese Wache wird irgendwann vorbei sein. Dann gehen wir wieder hinauf und trinken Wein, Schwester… und danach verschlägt es uns vielleicht zu den Huren?“ Ein Kichern war zu hören und einige andere der vielleicht 20-25 Jahre alten Dunkelelfinnen machten obszöne Bemerkungen. Triel dachte zurück an die verschlossenen Gemächer an denen sie vorbeigekommen waren. Zusammen mit Shimyra (Zussa) und Ryeldre (Bargh) hatten sie die oberste Turmkammer der Anführerinnen verlassen und hinter sich verschlossen. Sie waren leise hinabgestiegen, hatten jedoch nur Schlafgeräusche aus den Türen zu den Kasernenhallen der Zunft gehört. Im Erdgeschoss waren sie der Treppe in die Tiefe gefolgt und bald in ein Untergeschoss gelangt. Dort hatten sie ebenfalls Schlafgeräusche aus verschlossenen Zellen und hinter einer größeren doppelflügeligen Türe gehört. Auf der doppelflügeligen Türe hatten sie ein stilisiertes und obszönes Bild von vier nackten, ineinander verschlungenen Dunkelelfen gesehen. Triel hatte an die männlichen Huren gedacht, die sich die Kriegerinnen der Zunft hier als Sklaven hielten. Da sie jedoch nur Schlafgeräusche und ein leises Schleifen von Ketten hinter den Türen gehört hatten, waren sie weiter in die Tiefe gestiegen. Triel hatte von dort die dunkelelfischen Stimmen vernommen und war vorgeschlichen. Jetzt streckte die Dunkelelfin vorsichtig ihren Kopf hervor und betrachtete das Gewölbe, in dessen Mitte vier Kriegerinnen saßen. Alle trugen den silbernen Ohrring als Erkennungszeichen der Zunft. Sie hatten sich an zwei von vier Tischen verteilt. Unter ihrem Schattenmantel zog Triel zitternd ihren Degen und begann langsam in den Raum zu schleichen. Sie wusste um das todbringende Gift, das sie zuvor auf die Waffe aufgetragen hatte. Sie stellte sich hinter eine der Dunkelelfinnen und wartete auf das Erscheinen Shimyras und Ryeldres. Ihren Degen positionierte sie so, dass sie möglichst das Herz treffen konnte. Dann erschien Ryeldre. Die athletische Kriegerin trug ihre magische Armbrust und visierte die Kerkerhalle an. Triel stach im gleichen Augenblick zu. Der Degen drang durch Rücken und Bauch. Sie hörte das Zischen von Säure, welche die Klinge hervorbrachte. Die Bauchdecke brach auf und verätzte Gedärme quollen hervor. Der Gestank war fast unerträglich und der Schmerzschrei nur kurz. In einem Hagel von Bolzen sprangen die Dunkelelfinnen auf und begannen nach ihren Waffen zu greifen, die sie zuvor achtlos auf die Armlehnen von Stühlen gelegt hatten. Eine Kriegerin war bereits von einem halben Dutzend Bolzen getroffen, bevor das Gift anfing zu wirken und sie zusammensackte. Triel stürzte auf die zwei verbliebenen Kriegerinnen hinzu. Weitere Bolzen zischten durch die Luft. Noch bevor sie die Dunkelelfinnen erreichte, hörte Triel neben sich ein Knacken von Knochen. Ein Bolzen hatte ein Loch in den Schädel einer Frau geschlagen und Blut und Gehirn spritzen hervor. Der noch lebende Körper begann in spastischen Zuckungen zu Boden zu sinken und Schaum bildete sich vor dem Mund. Dann kam der Schatten Triels zur letzten Kriegerin. Wieder und wieder hieb sie den grünlich schimmernden Degen in den Rücken der Wachhabenden. Bis auch die letzte Kriegerin ihr Leben aushauchte. Nach dem kurzen Kampf kehrte Ruhe ein. Triel lauschte und Ryeldre sowie Shimyra begannen die Leichen zu durchsuchen. Sie fanden einen Zellenschlüssel, Platin- und Goldstücke sowie die Rüstungen und Waffen der Wächterinnen. Nachdem sie alles in Ortnors extradimensionalem Labor verstaut hatten, begann Ryeldre vor den Zellen nach Spuren zu suchen. Nur vor einer Türe konnte sie frische Abdrücke von fünf Paar Schuhe finden. Sie führten in die Zelle hinein, doch nicht wieder hinaus. Sie berichtete Triel und so öffneten sie diese Zellentür. Dahinter lag eine kleine Kammer, aus der ein modriger Geruch kam. Doch auch hier war der kalte Winterhauch, den sie schon vorher vernommen hatten. Die Zelle war bis auf einen verschimmelten Holzeimer leer. Triel begann nach Fallen zu suchen und wurde schnell fündig. Auf der gegenüberliegenden steinernen Bank konnte sie ein magisch glühendes goldenes Runenmuster erkennen, das in drei Kreisen endete. Die drei Kreise mussten wohl gleichzeitig von drei Personen berührt werden. Nachdem sie Ryeldre und Shimyra die Funktion erklärt hatte, berührten sie die Punkte. Sofort begann das Muster zu glühen und mit einem Knirschen und Knacken zog sich die steinerne Bank in den Felsen der Wand zurück. Darunter offenbarte sich ihnen ein Gang, der in die Tiefe hinabführte. Kühle Winterluft strömte hervor und Triel hörte das Heulen eines Windes aus der Ferne. Eine Zeit verweilten sie hier, die drei Dunkelelfinnen. Ryeldre hob ihr Schwert und sie legten ihre Hände auf die dunkle Klinge. Sie sprachen die Gebete zu ihrer Göttin, flehten um Hilfe und sangen die heiligen Choräle von Nebelheim. Erst dann ließen sie die Leichen hinter sich, verschlossen die Zelle und stiegen die Treppe hinab in die unbekannte Tiefe.
Shimyra spürte den Sturm, wie er ihr ins Gesicht peitschte. Staub und Steinsplitter wurden aufgewirbelt. Sie kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich auf die geschrienen Gebete, die sie aus der unterirdischen Höhle hörte. Sie waren eine ganze Weile die Treppe hinabgestiegen und dann einem Tunnel gefolgt, der durch das Felsgestein gehauen war. Das anfängliche Rauschen war immer lauter und schließlich zu einem ohrenbetäubenden Brausen geworden. Dann waren sie an den Eingang in eine kuppelförmige Höhle gelangt, die einen Durchmesser von fast 20 Schritten besaß. Die Wände und der Boden der Höhle waren mit Ablagerungen von dickem schwarzem Schlamm bedeckt und die Luft von Partikeln erfüllt. Der Wind wehte gegen den Uhrzeigersinn und um eine Sphäre, die gänzlich aus Schwärze bestand. In Richtung der Sphäre und vor den von Schlamm bedeckten Fresken stehend, schrien vier Dunkelelfinnen ihre Lobpreisungen in den Wind. Es waren Gesänge auf die vier elementaren Aspekte, die die Priesterinnen ausriefen: Gebete zu Ehren von Azathoth, Tsathoggua, Ghaunadaur und Ithaqua. Die Priesterinnen trugen dicke schwarze Fellroben und Kapuzen. Trotzdem flatterten ihre Haare im Sturm. Shimyra wurde übel vor Hass, den sie tief in sich spürte. Der Wind brachte Erde und getrockneten Schlamm, der an ihrer Haut riss. Es war ihr, als wollten sie die rauen Lüfte schänden… den heiligen Ort entweihen, der Euborea unter der Herrschaft Jiarliraes werden sollte. Shimyra betrachtete die Fresken im Schlamm, von denen sich jeweils eine in jeder Himmelsrichtung befand. Drei waren bereits unkenntlich, die vierte Stelle zeigte aber eine Monstrosität mit langen schlanken Gliedmaßen, deren augenloser Kopf sich durch ein riesenhaftes Maul spitzer Zähne auszeichnete. Shimyra hatte auch eine fünfte Priesterin gesehen, die nicht mitsang und lächelnd in Richtung der schwarzen Sphäre blickte. Diese Dunkelelfin hatte ein menschliches Vergleichsalter von etwa 16 Jahren und langes, silbernes Haar, in das sie sich goldene Strähnen eingeflochten hatte. Sie besaß ein hübsches, schlankes, nobles Gesicht und war in eine Robe aus rötlichem Stoff gekleidet. Sie schien nackt unter der Robe zu sein, denn der Wind peitschte immer wieder ihre Kleidung zur Seite. Die Kälte und der Staub schienen ihr jedoch nichts auszumachen. Auf der Brust trug sie kostbare Ketten sowie Amulette und auf dem Kopf ein unbezahlbares Geschmeide mit dem Symbol Haus Eilservs. Shimyra hielt sich in Ryeldres Schatten und wartete auf Triels Erscheinen. Plötzlich sah sie Bewegung hinter einer der Priesterinnen. Triels Degen stieß durch die Brust einer Schreienden und die Worte ebbten augenblicklich ab. Dann hörte Shimyra die durch den Wind gedämpfte Stimme neben sich. „Kämpft für Jiarlirae!“ Die Worte rief ihr Ryeldre zu, doch sie selbst begann bereits wahnsinnig kichernd loszulaufen. Endlich würde sie töten, dachte sie sich. Dann erfasste sie der Sturm und warf sie nach rechts. Sie wurde regelrecht auf die Priesterin zugetrieben, die sie erreichen hatte wollen. Innerlich dankte sie Jiarlirae und ließ ihre Chaosklinge tanzen. Die Dunkelelfin begann gerade Kampfesgebete an die elementaren Aspekte zu richten. Dann fraß sich ihr Stahl in Fleisch. Shimyra war schneller und tötete die Frau mit mehreren grausamen Schnitten. Blut begann hervor zu sprühen und wurde vom Wind in Fäden davongerissen. Sie sah, dass Ryeldre an ihr vorbeirannte. Der Sturm machte ihre Schritte groß. Ryeldre tötete die zweite Priesterin mit flammendem Schwert. Auch Triel hatte bereits eine Dunkelelfin getötet und das Mädchen Bautha da’Eilserv schwer verletzt. Die Jugendliche hatte sich zu Boden fallen lassen und angefangen zu weinen. Ryeldre und sie selbst schritten jetzt auf die letzte Priesterin zu, die ihnen entgegenrief: „Ihr könnt uns bezwingen ihr Narren, doch Arngor wird euch niedermachen. Das Portal wird stehen und ihr werdet sterben. Flieht, solange ihr noch könnt.“ Shimyra blinzelte, doch sie schaute der Priesterin in ihre Augen. Sie lachte kreischend, als sie ihren Säbel in den Hals ihrer Widersacherin stieß. Auch Ryldre war neben ihr und ihr Schwert kannte keine Gnade.
Jenseher:
„Sie sprach von Arngor und sie sagte etwas von einem Portal. Wisst ihr etwas darüber, Prophet?“ Ryeldre schrie die Worte gegen den Wind. Kaum sah sie die Silhouette der jungen Dunkelelfin mit dem puppenhaften Gesicht, so stark waren die Stiche der fliegenden Kristall- und getrockneten Schlammpartikel. Triel hatte gerade den Puls der Dunkelelfin geprüft, die Ryeldre zuvor mit ihrem Schild niedergeschlagen hatte. Ihre Stimme war leise, obwohl auch sie gegen den Sturm schrie. „Bautha da’Eilserv lebt. Sie ist bewusstlos.“ Dann richtete Triel ihren blutverschmierten Degen in Richtung der Sphäre. „Dort ist das Portal. Ich habe es gespürt. Der Wind dringt dort hinein und heraus. Es droht uns keine direkte Gefahr, doch wir sollten uns vorbereiten. Es lauert etwas dort drüben und ich weiß nicht, ob es Arngor sein wird.“ Dann bemerkte Ryeldre, wie Triel langsam begann ihre Form zu verändern. Es war, als würde der Sturm die Haut wie schattenhafte Asche abtragen. Hervor kam Neire, dessen gold-blonde Locken im Wind tanzten. Der Jüngling brachte Ortnors Labor hervor und zeigte auf den Körper Bauthas. „Kommt Bargh. Wir fesseln sie und bringen sie in Ortnors Kammer.“ Jetzt blickte er auf seine Hände und sah, dass auch seine Form sich gewandelt hatte. Ebenso hatte sich Shimyra in Zussa gewandelt, die sie durch den Sturm angrinste. Bargh und Neire verbanden sowie fesselten hastig die junge Dunkelelfin und brachten sie in das Labor. Neire wendete sich danach Zussa zu und reichte ihr eine gläserne Viole rötlich schimmernder Flüssigkeit. „Hier Zussa, trinkt dies. Ich bin mir nicht sicher, wohin das Portal führt, doch es wird euch helfen.“ Nachdem Zussa das Fläschchen entkorkt und hinuntergestürzt hatte, fügte er hinzu. „Es ist nicht die elementare Ebene der Luft, da bin ich mir sicher. Das Portal lässt sich jedoch nur von der anderen Seite schließen.“ Bargh nickte und begann in Richtung der Sphäre zu schreiten. Dann drehte er sich um und schrie: „Kommt… für Jiarlirae… wir werden es herausfinden.“ Vorsichtig folgte Neire der großen Gestalt des unheiligen Ritters. Er murmelte die Beschwörungsformeln eines mächtigen Spruchs. Er spürte, wie die elektrisierende Energie von Schattenflammen seinen Körper durchdrang. Neire begann zu zittern. War es die Furcht vor dem Ungewissen oder die schwarze Kunst? Er verwarf die Gedanken und drang in die Schwärze vor. In der Nähe der Sphäre begann ihn der Wind hinein zu saugen. Für einen Augenblick wurde es dunkel. Er spürte seinen flauen Magen. Dann riss etwas an ihm und er öffnete die Augen. Da war zuckendes Licht wie von entferntem Wetterleuchten - Wassertropfen und Brocken von zähem Schlamm. Er hörte ein ohrenbetäubendes Pfeifen, Brausen und Rauschen. Windböen zerrten an seinem schwebenden Körper und warfen ihn in verschiedene Richtungen. Er blickte sich um und sah, dass er im Nichts schwebte. Nur in der Ferne konnte er weiße Nebelwände aufragen sehen. Sie wurden von Blitzgewittern durchzogen und waren in allen Richtungen. Wie Feuer und Kometen zogen sich ihre weißlich glühenden Bahnen. Es war ihm weder kalt noch warm. Dann sah er es. Unter, über oder neben ihm. Himmelsrichtungen gab es hier nicht. Das Gebilde war eine Kugel, wie ein kleiner schwebender Mond. Der Körper war in vier Flächen unterteilt, die alle andere Beschaffenheiten hatten. Da war wabernder Schlick, Wellen im Wasser, schwarzer Stein und Steelen. Eine leichte Anziehungskraft ging von dem Gebilde aus. Er drehte sich um, zu Zussa und Bargh. „Dort… wir müssen dorthin!“ Durch den Wind konnten sie ihn kaum hören. Dann benutzte Bargh seine Schwingen und stieß sich voran. Zussa schwebte aufgrund ihres Zaubertrankes und er selbst benutzte den dunkelelfischen Ring des Fliegens. Langsam kamen sie näher. Das Gebilde war nicht allzu weit entfernt gewesen. Die Größe des Raumes dieser fremden Dimension war verzerrt. Zwischen den steinernen Stelen sah Neire einen metallischen Obelisken aufragen, der an seinem Ende eine eingestülpte Kuppel hatte. Er änderte seine Flugrichtung und sie folgten ihm. Irgendwann rief Zussa. „Seht ihr es? Was ist das?“ Sie kamen näher und das Gefühl der Bedrohung nahm zu. Irgendetwas lauerte hier. Doch sie hatten keine Wahl. Sie landeten im Meer von Stelen und betrachteten die stählerne Säule. Der Wind war hier weniger. Von dem vierteiligen Mond ging außerdem eine geringe Schwere aus, die sie vorher nicht gespürt hatten. Sie mussten jedoch aufpassen, dass sie sich beim Gehen nicht zu kräftig abstießen. Neire begann gerade die Stele abzutasten, da hörten sie den brüllenden Schrei. Augenblicklich schaute der Jüngling nach oben und sah die monströse Kreatur, die dort erschienen war. Das Wesen hatte eine Körperlänge von über zehn Schritten. Es war von einer langen, grauen, schuppigen Haut geschützt, aus der gebogene Stacheln aufragten. Zwei von vier Gliedmaßen endeten in leder-artig gespannten Hautlappen, die wie Flughäute von Adern durchzogen waren. Ein silberner Glanz war um den Körper. Der Schrei kam aus einem weit aufgerissenen Maul eines Kopfes, der keine Augen besaß. Neire konnte dort Reihen Dolch-artiger Zähne sehen. Auf der Brust der Kreatur war die Haut durchsichtig und es pulsierte dort etwas in hellerem Silber. Neire zitterte vor Erschrecken. Das Wesen brachte sein Haupt in Bewegung und stieß es nach vorne. Die Luft flimmerte und Neire spürte die Schmerzen, als die Kreatur versuchte ihren Geist zu martern. Dank Jiarliraes Kraft konnte er sich aus dem unsichtbaren Griff befreien. Zussa reagierte schneller und rief einen Zauber hervor, der jedoch an den Schuppen der Kreatur zerfloss. Dann hob er beide Hände und entfesselte die Essenz von Jiarlirae. Ein brennendes Licht von Feuer und Schatten fuhr in den Kopf der Kreatur und begann das Fleisch zu zersetzen. Blut, in der Form von flüssigem Silber, sprühte hervor und wurde vom Wind in feinen Tropfen hinfort gerissen. Das Brüllen wurde jetzt das eines Schmerzes. Neben ihm stieß sich Bargh in Richtung der Kreatur ab. Er breitete seine schwarzen Rabenschwingen aus. Sein Schwert begann im Feuer der Dame des abyssalen Chaos zu brennen, als der unheilige Krieger mit Wesen zusammenstieß. So kämpften der Antipaladin und Arngor. Schließlich rammte Bargh der Kreatur die Klinge Glrimringshert in die Brust und das Brüllen wurde das eines Todesschreies. Arngor fing an zu taumeln. Er fiel in Richtung des elementaren Mondes und brach mit einem Getöse hernieder. Steinstelen splitterten zu allen Seiten davon. Auch Bargh ließ sich zurück auf die Oberfläche sinken und schrie in Richtung Neires. „Der Sieg ist unser Prophet. Wir mehren den Ruhm Jiarliraes.“ Zussa, deren rote Locken im Wind flatterten und deren Magie Arngor nicht hatte berühren können, lachte fanatisch. Dann wurde ihr Gesicht ernst und sie schaute Neire an. „Wie sollen wir das Portal schließen? Wie wollen wir den Zugang zerstören Neire?“ Immer noch zitternd trat Neire an den riesigen Leib. Dann schrie er in den Wind. „Vielleicht ist es das Herz. Vielleicht müssen wir es auf der in der Mulde der Stele platzieren…“ Bargh nickte und begann mit dem schwarzen Schattenschwert das Herz aus der Brust zu schneiden. Wie leichtflüssiges Quecksilber strömte das Blut der Kreatur hervor. Dann griff Neire nach dem Herz, das aufgehört hatte zu pulsieren. Es war weder warm noch kalt. Das Blut fühlte sich auch nicht nass an. Es perlte von seiner Haut ab. Neire riss das Herz von Arngor heraus und stemmte sich gegen den Wind. Dann legte er es auf die Stele. Sie alle betrachteten mit aufgerissenen Augen, doch nichts passierte. Nur dort, wo das Blut des Herzens den dunklen Stahl berührte, begann das Metall zu rosten. Neire erinnerte sich an die Stele, die er auf einem anderen Element des Mondes hatte aufragen sehen. Das Metall dort war bereits vollkommen verrostet gewesen. „Vielleicht ist es das… vielleicht ist es der schwarze Stahl, der die Kraft des Elementes Aufrecht erhält.“ Neire begann auf das Herz zu drücken und silbernes Blut quoll hervor. Es füllte die Mulde und begann an der Stele hinabzulaufen. Der schwarze Stahl begann augenblicklich zu rosten, als ob sich das Blut wie Säure dort hineinfressen würde. Dann hörte Neire das Donnern aus der Ferne und ein Knacken aus nächster Nähe. Risse begannen sich über die Oberfläche des Mondes zu ziehen. Steinstelen wackelten und brachen zusammen. „Dort schaut, es kommt näher… von allen Seiten,“ rief Zussa, die auf die blitzdurchzogenen Wolkenwände zeigte. Die Gewitter wirkten nun chaotisch und wütend in ihrer Gewalt. Es war, als ob der Sturm alles verschlingen wollte. Neire bewegte sich zu der Kreatur und ließ den Strom von silbernem Blut in eine Viole laufen. Seine Hände zitterten vor Angst, doch er brauchte den Lebenssaft von Arngor. „Neire, was tut ihr, wir müssen zurück durch das Portal,“ rief Zussa und riss an seiner Schulter. „Nur noch ein paar Tropfen, wartet nicht auf mich. Bringt mir vier Zähne von Arngor, Bargh.“ Zussa schüttelte grinsend den Kopf, als Bargh nickte und begann dem Wesen die Zähne zu ziehen. Wieder schrie sie und die Angst war ihr anzuerkennen. „Wir gehen alle zusammen. Ich lasse euch nicht zurück Neire… oh nein.“ Jetzt richtete sich Neire auf und nahm Zussa an der Hand. Sie stießen sich hinauf in den stürmischen Wind. Sie flogen in Richtung des Portals. Bargh benutzte seine dunklen Rabenschwingen. Neire wusste, dass sie dieser Welt den Untergang gebracht hatten. Jiarlirae hatte ihr Urteil gesprochen. Sie mussten das Portal erreichen, um die Welt zu verlassen oder mit ihr untergehen.
Jenseher:
Die junge Dunkelelfin hatte ein menschliches Vergleichsalter von vielleicht 16 Wintern. Sie war von schlankem, grazilem Körperbau. Ihr Gesicht war wohlgeformt. In ihre langen silbernen Haare hatte sie sich goldene Strähnchen eingeflochten. Sie war besudelt von Schlamm sowie getrocknetem Blut und trug mehrere Verbände. Neire, der sich um ihre Wunden gekümmert hatte, gab Bautha da’Eilserv einige kleine Ohrfeigen. Er beugte sich über sie und flüsterte. „Bautha, wacht auf. Es ist vorbei… das Portal ist geschlossen.“ Nur langsam öffnete Bautha ihre Augen. Ihre Schminke war verlaufen durch die Tränen, die sie zuvor vergossen hatte. Ihr Gesicht wirkte erschöpft und verzerrt, so als ob sie dem Tode nahe wäre. Neire hob Bauthas Kopf indem er den Zahn unter ihr Kinn führte, den Bargh Arngor ausgerissen hatte. Dann fuhr er fort. „Arngor ist tot, Bautha. Wir haben ihn getötet. Blickt euch um… nur Tallreene Vrinn, Lythrana da’Tormtor und ihr seid übrig.“ Bautha fing an zu zittern, als sich ihre Augen weiteten. Hinter Neire waren Bargh und Zussa zu sehen. Unweit von ihr knieten die beiden anderen gefesselten Frauen. Von Lythrana war ein Schluchzen zu hören. Nur Tallreenes Blick folgte fasziniert den Worten und Bewegungen des jugendlichen Propheten. „Tut was sie sagen Mädchen oder sie werden euch töten,“ sagte Lythrana wehleidig. Tränen liefen über Bauthas Wangen und sie zitterte stärker. „Was wollt ihr von mir. Ich habe nichts getan. Wer seid ihr?“ Neire lächelte Bautha zu und strich sich seine von getrocknetem Schlamm und Blutspritzern bedeckten langen gold-blonden Locken zurück. Dann nickte er der Dunkelelfin zu. „Wir waren in der anderen Welt. Jenseits des Tors. Wir haben Arngor getötet und ihm sein Herz herausgeschnitten. Wir haben jene Welt zerstört für unsere Göttin. Doch ihr müsst uns erzählen Bautha, wer ihr seid. Ihr müsst uns erzählen woher ihr kommt und wieso ihr an diesem Ort seid.“ Neire zischelte, als er die dunkelelfischen Worte sprach. Zussa kam näher und grinste das Mädchen an. „Mein Leben? Was soll… was wollt ihr wissen? Lasst mich in Ruhe.“ Bautha schluchzte herzzerreißend und Neire wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht. „Von woher kommt ihr Bautha? Wo lebt ihr? Wo ist euer Zimmer?“ Das Schluchzen wurde etwas weniger und die Dunkelelfin öffnete ihre rötlichen Augen. „Ich wohne im Schloss von Eilserv. In einem der Türme. Ein Zimmer teile ich mir mit meiner Schwester, mit Faeza da’Eilserv. Aber wieso wollt ihr das wissen?“ Neire lächelte ihr zu und zeigte seine weißen, perfekten Zähne. „Vielleicht zeigt ihr uns einmal euer Zimmer. Vielleicht ladet ihr uns ein, in die Hallen von Haus Eilserv. Wie kommen wir in euer Zimmer Bautha?“ Das Mädchen nickte und das Weinen wurde weniger. Dann antwortete sie Neire. „Ihr könnt dort nicht hinein. Ihr seid Unterlinge, nicht erwünscht in den Hallen. Außerdem liegt ein alter Zauber über den Hallen, der…“ Da war die verzweifelte Stimme von Lythrana zu hören, die Bautha anstarrte, als sie sie unterbrach. Die dickliche Dunkelelfin war in ihr enges Gewand gehüllt, das jede ihrer Speckfalten betonte. Ein Gestank von Urin und Fäkalien ging mittlerweile von der einstigen Theaterbesitzerin aus. „Wählt eure Worte weise, mein Kind. Verratet nicht eure Herrin Bautha, denkt an euer hohes Haus!“ Neire zog zischend die Luft ein und blickte zu Lythrana. Die Dunkelelfin senkte ihr Mondgesicht. Dann nickte Neire Bargh zu und der unheilige Ritter bewegte sich hinter Lythrana. Seine dunkle Stille erfüllte die unterirdische Halle der vier Elementargötter. „Ihr könnt wählen Lythrana. Wollt ihr den Schwur zu Jiarlirae sprechen und eure Seele an sie binden?“ Lythrana senkte ihr Haupt. Der Ton ihrer Stimme verriet, dass sie bereits alle Hoffnung aufgegeben hatte, nachdem sie das abgeschnittene Ohr von Tallreene Vrinn hinabgewürgt hatte. „Was habe ich für eine Wahl? Werdet ihr mich leben lassen?“ Neires Antwort schwang voller Mitgefühl. „Ihr werdet leben Lythrana und ihr werdet euer Theater füllen. Denkt an die Geschichten, die ihr erzählen werdet. Denkt an die Feste, die ihr feiern werdet.“ Bargh beugte sich über ihre Gestalt und sagte. „Sprecht mir nach Lythrana. Dreimal… Frei und frohmütig reiche ich Jiarlirae meine Seele. Oh Herrin von Flamme und Düsternis, für immer werde ich eure Dienerin sein. Im Hier und im Jenseits!“ Lythrana wiederholte die Worte und obwohl sie den Namen Jiarliraes einmal falsch aussprach, schien sich die Dunkelheit des Ritters um sie anzureichern. Dann stieß Bargh die Klinge Glimringshert hinab, aus der nun Flammen schlugen. Das Schwert durchschnitt den Hals und der Kopf Lythranas fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Die roten Augen der einstigen Theaterbesitzerin waren noch immer geöffnet und schienen in Richtung Bautha zu starren, die wiederum wieder anfing zu weinen. Neire strich dem Mädchen sanft die Haare zurück und sprach. „Weint nicht um Lythrana. Sie hat jetzt ein besseres Leben. Sie muss nicht vor der Spinnengöttin kriechen, für ihren Frevel.“ Als Bauthas Weinen weniger wurde, fragte Neire weiter. „Wie kommen wir also in euren Palast Bautha, was ist euer Geheimnis?“ Bautha zögerte. Dann hörten sie alle Tallreene sprechen. „Ihr solltet ihnen antworten, junge Herrin von Eilserv. Sie sind unsere Freunde.“ Bautha blickte die breitschultrige Kriegerin mit dem vernarbten Gesicht an. Dann überschlug sich ihre Stimme. „Wie können es unsere Freunde sein? Sie töten uns, sie haben Lythrana da’Tormtor getötet und sie haben die Priesterinnen getötet.“ Tallreene nickte und schaute dann bewundernd in Richtung Neire. „Sie haben Arngor getötet, wie sie sagten. Sie bringen die Kraft von Jiarlirae über uns. Wir haben den falschen Göttern gehuldigt. Die elementaren Vier waren schwach und die Schwertherrscherin ist stärker.“ Neire stimmte in Tallreenes Rede ein und fuhr fort. „Tallreene hat Recht Bautha. Sie hat die Wahrheit erkannt. Wir haben diesen niederen Göttern ein Ende beschert, um den Weg für Flamme und Düsternis zu bereiten. Dieser Ritter dort ist der Drachentöter Bargh. Er zerstörte den Altar von Ghaunadaur. Zussa, die Hand der Flamme, vernichtete den Tempel von Tsathoggua. Ich selbst, Neire, Prophet von Jiarlirae, löschte den Schrein von Azathoth aus. Ihr habt den falschen Göttern gedient Bautha. Sie alle waren schwach und ihr solltet euch abwenden.“ Bautha nickte langsam, doch die Verzweiflung und der Horror waren nicht aus ihrem Gesicht gewichen. „Und wenn ich ihnen abschwöre, wenn ich mich abwende… was werdet ihr mit mir machen?“ „Es liegt an euch, Bautha da’Eilserv. Es kommt auf eure Zukunft an. Wollt ihr nach der Macht greifen? Wollt ihr die Herrin von Eilserv sein? Wir können Freunde sein Bautha.“ Für einen Augenblick spürte Neire die Machtgier in Bauthas Augen, doch das Mädchen zögerte. Wieder erhob Tallreene ihre Stimme. „Herrin Bautha da’Eilserv. Das hat wahrlich einen Klang. Die Männchen würden sich vor euch in den Staub werfen. Vor eurer Schönheit und in Furcht vor eurer Macht.“ Bauthas Blick schaute verträumt ins Leere und ihre Tränen versiegten. Dann nickte sie und sagte. „Ich könnte euch führen, doch wie sollte ich es mit meiner Tante aufnehmen? Sie wird mich töten. Sie ist mächtig und umgeben von ihren Leibwachen.“ „Wir werden euch helfen sie zu besiegen. Ihr werdet gewinnen und wir können Freunde sein. Glaubt mir, ich verspreche es euch,“ sagte Neire und strich durch ihre Haare. Als Bautha weiter zögerte, hörten sie wieder die feste Stimme von Tallreene. „Ihr solltet ihm glauben Bautha. Welche Freunde habt ihr noch, wenn ihr zurückkehren würdet. Ihr habt hier versagt. Sie würden euch ausstoßen. Ihr kämt vielleicht mit eurem Leben davon, doch was wäre das für ein Leben? Im Armenviertel von Erelhei-Cinlu würdet ihr hausen. Ihr würdet im Schlamm kriechen und wärt nicht mehr als Dreck. Ein Abschaum, nicht mehr als ein hübsches Stück Fleisch. Vielleicht könntet ihr euren Körper verkaufen… oder sie würden euch mit Gewalt nehmen und dann in den Dreck werfen.“ Neire sah das Grauen in Bauthas Augen, dann sprudelten die Worte aus ihr hervor. „Ihr seid mächtig und habt Arngor getötet. Ihr sagt ihr würdet mir helfen, ja? Ich kann euch in mein Haus führen und ihr helft mir meine Tante umzubringen. Ihr verhelft mir zur Macht und ich werde euch für immer dankbar sein. Ihr werdet reich und mächtig werden.“ Neire lächelte ihr nickend zu und sie fuhr fort. „Mein Diadem, das ich in den Haaren trug. Es ist der Schlüssel. Es hebt den alten Schutzzauber auf, der seit tausenden Jahren über dem Palast liegt. Nur so könntet ihr in die Hallen eindringen. Doch sie würden euch nicht lassen. Unterlinge sind als Gäste nicht erlaubt. Nur Sklaven gibt es dort.“ „Wir werden uns schon etwas einfallen lassen. Gibt es Männchen, die im Palast von Eilserv leben?“ Fragte Neire und in seinen Gedanken reifte ein Plan. Bautha nickte und sagte. „Duagoth a’Darag ist ein älteres Männchen. Er dient der Herrin mit seiner schwarzen Kunst. Dann ist da noch Durdyn Dro. Er lebt mit dem Viehzeug in den Ställen.“ Bei letzterem Namen verzog Bautha angeekelt das Gesicht. „Wir werden uns als sie ausgeben. Und Zussa wird eure Schwester sein. So werden wir in euer Haus gelangen und euch zur Macht verhelfen, Bautha.“ Bautha nickte, sagte aber. „Und da ist noch Nyloth Philom, die Leibwächterin meiner Tante. Sie ist eine mächtige Kriegerin und sie wird euch vielleicht töten.“ Als Bautha ihren Satz beendete, hörten sie alle das schallende Lachen. Tallreene Vrinn prustete vor Spott und Hohn. Das Echo ihres Wieherns erfüllte die von getrocknetem Schlamm bedeckte Halle, deren vier monströse Fresken längst verblasst waren.
Jenseher:
Bargh hatte gebetet mit Neire und Zussa. Er fühlte sich wie in einem Rausch. Ab und an hörte er ferne Stimmen. Sie riefen ihm zu; sie schrien die Macht der Göttin an diesem verlassenen Ort. Bargh dachte oft zurück an das, was auf der anderen Seite des Portals passiert war. Doch seine Taten im Diesseits wirkten stärker in ihm nach. Er hatte die Macht und die Zuneigung Jiarliraes gespürt, als er die beiden Seelen geopfert hatte. Nachdem Neire Bautha in das extradimensionale Labor getragen hatte, das einst Ortnor gehört hatte, war Bargh hinter Tallreene Vrinn getreten. Er hatte sie die Worte an Jiarlirae beten lassen. Die Kriegerin hatte ihre Seele freimütig gegeben. Hatte sie geahnt was passieren würde? Bargh hatte Glimrings¬hert geschwungen und ihren Kopf abgeschlagen. Da hatte er die Stimmen das erste Mal gehört. Wie ein Raunen aus der Ferne. War es der Henker der letzten Einöde, der ihn rief? Oder waren es vielleicht die Worte der Göttin selber? Bargh kniete und starrte auf sein schwarzes Schwert, auf die Schatten, die aus den Venen aufstiegen, die sich durch die Klinge zogen. Bargh achtete nicht auf das Plätschern von Wasser, das er hinter sich hörte. Zussa badete gerade Bautha in einem Zuber mit warmem Wasser. Nachdem sie nach ihrer Rückkehr gegessen hatten, hatte Neire sich um die Wunden von Bautha gekümmert und Jiarlirae um ein Wunder gebeten. Danach hatten sie Bautha ein neues Kleid gegeben und Melrig nach einem Bad gefragt. Der Nachtzwerg hatte mürrisch eingewilligt und seine jugendlichen Sklaven die Eimer mit warmem Wasser bringen lassen. Es hatte einige Überredungskunst gebraucht, um Zussa zu überzeugen. Schließlich hatte sie sich gefügt und säuberte jetzt den schlanken, von frisch verheilten Narben überzogenen Körper der Dunkelelfin. Neire brütete über seinen Büchern und er selbst kniete und betete zu seiner Schwertherrscherin. Erst als sich Bautha getrocknet und angekleidet hatte, richtete sich Bargh auf. Er drehte sich um und sprach zu seinen Gefährten. „Wie werden wir durch das Portal der Stadtmauer kommen? Wie kommen wir zum Palast von Eilserv?“ Bautha antwortete schnell und fast frei von Furcht. Nach ihrem Bad hatte sie ihre Fassung zurückgewonnen. Sie zeigte höfisches Gehabe und eine wiederkehrende Selbstsicherheit. „Lasst mich das tun. Ich werde mit den Stadtwachen reden. Sie werden uns passieren lassen. Sie kennen mich und sie haben keine andere Wahl.“ Bargh nickte, fragte aber weiter. „Und was, wenn sie nach unserem Begehr fragen? Was, wenn sie fragen, was wir im Bereich der hohen Häuser wollen?“ Bautha schnaubte verächtlich und schaute zu ihm hinauf. „Faeza und ich wohnen dort. Wenn sie fragen, werde ich drohen sie auspeitschen zu lassen. Was sollen sie schon tun? Es sind Männchen… wertlos, dumm und zu Gehorsam verpflichtet.“ Bargh konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, dann knirschte er mit den Zähnen und zischelte. „Und keine hinterlistigen Spielchen. Ich werde hinter euch sein Bautha und ihr habt gesehen, was mein Schwert anrichten kann.“ Bautha zuckte bei den Worten zusammen. Doch Neire löste die Spannung. „Wir vertrauen euch Bautha und wir stehen zu unserem Wort. Habt keine Angst. Führt uns vor eure Tante und ihr sollt die hohe Herrin von Eilserv werden.“
Neire hatte danach seine Sprüche gewirkt und sie hatten ihre anderen Formen angenommen. Zussa hatte sich in Faeza da’Eilserv gewandelt, die Schwester von Bautha. Sie war jetzt eine junge erwachsene Dunkelelfin, die einen vollschlanken Körperbau hatte. In ihrer neuen Form hatte Zussa ein Mondgesicht mit einem stets geöffneten Mund, was ihrem Ausdruck eine gewisse Dummheit verlieh. Sie war geschminkt und trug ärmellose, grüne Gewänder, sowie einen Haarkamm aus Platin, mit dem Symbol des Hauses Eilserv. Bargh hatte die Form des Stallmeisters Durdyn Dro angenommen. Er hatte ein widerlich grobschlächtiges Gesicht und ungepflegte fettige graue Haare. Um ihn herum war der Gestank von Schleim und von Fäkalien der Lastenechsen. Durdyn trug schwarze abgewetzte Lederkleider und eine lange Peitsche. Zu guter Letzt hatte sich Neire in die Erscheinung von Duagloth a’Darag gewandelt. Seine Größe hatte sich verkleinert und sein menschliches Vergleichsalter war etwa 40 Jahre. Duagloths Haupt wurde von langem, schütterem, silbernem Haar umhüllt. Sein Gesicht machte einen kränklichen Eindruck. Seine rötlichen Augen wirkten matt sowie glasig und er trug eine Robe aus feinstem schwarzem Samt. Dort waren goldene Stickereien eingelassen worden. In ihren neuen Formen hatten sie das Gasthaus verlassen und waren auf das Tor in der Stadtmauer hinzugegangen. Bautha da’Eilserv hatte sie geführt, mit ihrer Schwester Faeza (Zussa). Durdyn (Bargh) und Duagloth (Neire) waren demütig hinter den beiden adeligen Damen hergetrottet. Die Wachen am Portal hatten Bautha erklärt, dass sie sie kontrollieren müssten. Bautha hatte ihnen gedroht und eine der Wachen hatte nur kurz durch eine der metallenen Gabeln geschaut, die sie an ihren Gürteln trugen. Dann hatten sie sie passieren lassen. Sie waren danach über eine obsidianene Brücke gegangen, die über einen schwarzen, schnellen Strom führte. Der Weg war danach angestiegen und hatte sie auf ein Plateau geführt, das selbst die Stadt überragte. In der Dunkelheit der Sternenhalle hatten sie die Paläste der noblen Häuser Erelhei-Cinlus gesehen. Vielfarbige magische Dunkelfeuer hatten auf den Zinnen verschachtelter Türme gebrannt. Ein anderes Gebäude hatte wie eine gewaltige gotische Kathedrale ausgesehen. Sie waren dann über die karge dunkle Steinebene gegangen, bis sie an einen Palast kamen, aus dessen zentralem Turm viele kleinere erwuchsen. Das Bauwerk hatte gigantische Ausmaße und erinnerte entfernt an die Verworrenheit eines eichenen Astwerks. Dunkelfeuer einer schwächeren Flamme brannten in Gold, Silber, Blau und Lila von den Zinnen. Das Anwesen war von einer hohen Steinmauer umgeben, von der eiserne Stacheln wie Dornen aufragten. Sie hatten ein doppelflügeliges Tor aus purem Gold passiert, auf das schmerzverzerrte Gesichter verschiedenster Rassen aufgebracht waren. Bautha hatte das Tor berührt, welches sich dann von selbst geöffnet hatte. Sie hatten sich kurz an den Händen gehalten und die uralte Macht erahnt, die über die hinweggefegt war. Dank Bauthas Schutzzauber waren sie jedoch unbeschadet in das Innere gelangt. Hinter dem Portal hatte sie ein glitzernder Urwald aus vielfarbigen Riesenpilzen erwartet. Fremde, doch wundervolle Gerüche hatten sie vernommen. Von überall hatten sie das Summen von Insekten gehört und die vielfarbigen Feuer der Zinnen Eilservs hatten den Wald in ein magisches Zwielicht gehüllt. Bautha hatte sie auf das dunkelelfische Portal hinzugeführt, an dem fünf weibliche Krieger Wache gehalten hatten. Bautha hatte die Wachen mit den Worten: „Macht Platz, die Herrin Bautha da’Eilserv kehrt nach Hause zurück,“ angeschnauzt. Faeza hatte die Worte dann wiederholt und ihren Namen genannt. Unterwürfig hatten ihnen die Frauen das Portal geöffnet. Lediglich über den Körpergeruch von Dardyn Dro hatten sie abfällige Bemerkungen gemacht. Jetzt schritt Bautha zielstrebig durch eine Halle, die sich vor ihnen auftat. Dort war ein Geraune von Gesprächen, von Gelächter und von leisem Gesang. Alles war von schwachem violettem Licht erfüllt, das von sanften Flammen der Feuerschalen herrührte. Die Halle war mit samtüberzogenen goldenen Sesseln und mit verzierten Tischchen gefüllt. Aufgebahrt standen perlenverzierte Karaffen und edle Speisen. Ein würziger Rauch ging von kleinen Kohlebecken aus. Wertvolle Teppiche, Felle und Vorhänge dämpften die Geräusche. Die Decke der Halle war von einem sich wandelnden Bilde - einer Illusion täuschend echter Schärfe erfüllt. Dort war eine Sonne und Wolken zu sehen, die sich abwechselten. Auch Schleier von Regen, eines Mondes und einer Sternennacht erschienen plötzlich, um dann wieder zu verschwinden. Das Bild war beeindruckend in seinem Detailreichtum und fast hätten sie die Steinstatuen von Menschen, Zwergen und Elfen übersehen, die lebensecht und schmerzverzerrt vor den Vorhängen standen. In der Halle hatten sich dunkelelfische Frauen auf Sofas und Triclinia niedergelassen. Sie aßen, tranken Wein oder unterhielten sich. Einige lachten, andere sangen. Bautha ging auf eine der Treppen zu, die in Form einer eckigen Rampe in die Decke führt. Als sie dem Mädchen folgten, drehte sich eine fettleibige Dunkelelfin ruckhaft um. Sie verschüttete dabei ihren Wein, der sich in ihr offenes Dekolleté ergoss, aus dem zwei übergroße Brüste hervorgedrückt wurden. Sie bewegte sich ungeschickt und warf ihr langes graues Haar mit einer Bewegung ihres aufgedunsenen Gesichtes zurück. Dann schrie sie in hellem, schrillem Ton. „Was macht dieses Männchen hier? Es stinkt. Es soll bleiben bei seinem niederen Getier.“ Da war der vermischte Geruch von Schweiß und Parfüm, der von der dicken Frau ausging. Bautha wendete sich ihr zu und hielt inne. „Hütet es euch uns aufzuhalten. Wir haben wichtige Geschäfte zu erledigen, meine Schwester und ich. Auch ihr, meine Dame da’Tormtor, werdet es verstehen oder werdet ihr euch etwa beschweren bei meiner hohen Tante?“ Die Frau winkte ab und wischte sich mit vulgären Bewegungen den Wein aus ihrem Busen. „Nein Mädchen, das werde ich nicht. Doch schafft es weg, dieses Etwas und bestraft es. Es stinkt uns hier alles voll.“ Bautha verbeugte sich und lächelte die Frau an. „Natürlich Herrin da’Tormtor. Ich werde es wegschaffen und persönlich dafür sorgen, dass es bestraft wird. Aber sagt, kann ich euch etwas bringen lassen? Vielleicht etwas von unserem wertvollen Kraut?“ Ein Grinsen zeichnete sich bei der Frau ab, die antwortete. „Ihr wart schon immer ein schlaues Mädchen Bautha und ihr wusstet schon immer, wie man seine treuesten Gäste behandelt.“ Bautha verbeugte sich nochmals, dann bewegte sie sich auf die rechte Treppe hinzu – vorbei an den kindlichen Sklaven, welche die Damen bedienten. Danach kamen sie durch königliche Gemächer und Hallen. Ein Wirrwarr von Türen, Treppen und Gängen. Alles schimmerte im Glanz von Silber, von Gold und von Juwelen. Sie passierten grimmige Dunkelelfenkrieger – allesamt Frauen und gekleidet in unvorstellbar wertvolle Prunkharnische. Neire lauschte in die seltsamen Gemächer. Er vernahm ein Quietschen, ein Schaben und ein Polten. Da war das helle Kichern von Kinderstimmen – gemurmelte Worte und ein Flüstern. Sie wagten nicht sich umzublicken. Sie sprachen nicht mit Bautha. Sie folgten ihr tiefer und tiefer in die heiligen Hallen von Eilserv. Dorthin wo Fremde seit Jahrtausenden nicht mehr eingedrungen waren. Sie hatten ihrer Göttin Jiarlirae ihre Leben und ihre Seelen verschrieben, doch war es ein Fehler gewesen, Bautha zu trauen?
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