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(Brainstorming) alternative historisch mit magie
Waldviech:
Am Besten funktioniert dieser Ansatz erfahrungsgemäß, wenn man das Ganze eher am bodenständigeren Ende der Low-Fantasy verortet, eben weil man sich dann keine Gedanken um komplett umgekrempelte Weltgeschichte machen muss. So ein wenig vorschlagsverbreitende Meinungsäußerung von meiner Einer:
- Zunächst einmal ist das Übernatürliche wirklich recht selten und begegnet eigentlich nur den SC so richtig regelmäßig.
- Magier sind auf ihre Art weniger mächtig als typische Fantasy-Magier und ziehen vor allem den Kram ab, den reale Zauberfutzis in der realen Welt auch abgezogen haben. Nur, dass sie im Gegensatz zu diesen nicht bescheißen, sondern tatsächlich Magie wirken. Welche von denen, die wirklich Feuerbälle schmeißen können, sind ganz extrem selten.
- Darüber hinaus würde ich mich, was irgendwelche Götter angeht, nicht definitiv festlegen. "Irgendwas ist da oben", allerdings ist für Sterbliche nicht exakt bestimmbar, was genau, da Erlebnisse mit "Höheren Wesen" immer was traumhaft-halluzinatorisches haben.
- Antike und mittelalterliche Geschichtsschreibung ist voll von Zauber- und Wundergeschichten. In der "Alternativ-Historie mit Magie" sind das keine Übertreibungen und keine Erfindungen, sondern die Wahrheit. Über Konstantins Armee leuchtete wirklich ein Kreuzzeichen am Himmel, Alexander der Große stand tatsächlich am Meeresboden und so weiter und so fort.
- Schaut man sich die Römer genauer an, stellt man fest: Die waren allesamt sacken-abergläubisch und irgendwelche "Hexen" und "Zauberer" gab es an jeder Ecke. Und zwar so fest verankert in der Gesellschaft, dass kein Imperator, egal wie mächtig, da Progrome hätte durchführen können. Hier würde ich ganz einfach ein reales, historisches Ereignis "verzauberisieren". Die furchtbar mächtigen Magier, die die Römer ausradiert haben und deren Verschwinden der "magischen Welt" Europas immensen Schaden verursacht hat, waren schlicht die Druiden.
Torsten (Donnerhaus):
Wenn man mitigierte Fantasy- und Magie-Elemente in einer historischen Welt haben will, empfehle ich das Zwiebelschalen-Modell der russischen Folklore.
Waldviech:
Klingt interessant. Magst Du das etwas näher auswalzen? :d
Torsten (Donnerhaus):
Das Konzept beschäftigt sich mit einem grundlegenden Problem des Übernatürlichen, das leider immer wieder übersehen wird: Menschen sind gar nicht dämlich.
Das Konzept, dass Menschen früher völlig leichtgläubige, abergläubische Trottel gewesen wären, die tooooootal an Götter, Geister und Monster glaubten, ist psychologisch absurd und findet sich in der extremen Ausprägung auch nicht belegt in historischen Texten. Die meisten Menschen erlebten Zeit ihres Lebens nichts, was sie als besonders übernatürlich interpretiert hätten. Hier und da mal ein vages Gefühl, dass dies und das vielleicht Schicksal oder eine übernatürliche Macht war, ja. Und die restrospektive Deutung von Erlebnissen. Aber viel mehr auch nicht. Selbst bei Phänomenen wie der Hexenverfolgung wissen wir ja, dass in vielen beleg- und prüfbaren Fällen völlig rationale Ursachen hinter den Ereignissen standen: Missgunst, Neid, Hass, Angst und Mobmentalität. Das ist jetzt keine Überraschung, denn wir wissen ja, dass es nie Magie, Götter und Monster gegeben hat.
Die russische Folklore löst dieses Dilemma, dass es Mythen und Legenden gibt, aber niemand die jemals live erlebt, dadurch, dass sie die Welt in Sphären der Mythologie aufteilt.
Immer dort, wo du lebst, ist die mundane Welt. Da passiert nichts magisches und jeder weiß das. Das ist in 99% der Fälle "Das Dorf". Im Dorf gibt es keine sprechenden Bären und es gibt keine Untoten Romantiker, die Mädchen verschleppen.
Der nächste Ring ist der Wald. Der Wald ist hier synonym sowohl für den sehr realen endlosen Urwald des früheren Ost-Europas, als auch für jede andere Form weitläufiger Landschaft um den eigenen Wohnort herum. Dort passiert eigentlich auch nichts, aber wenn man weit genug geht, erreicht man die Gebiete, wo etwas passieren könnte.
Danach kommt der Ring des Unbekannten, des Übernatürlichen, der Endlosigkeit. The final frontier. Da wo du noch nie gewesen bist und dein Nachbar auch nicht und niemand den ihr gut genug kennt, um euch für ihn verbürgen zu können. Da ist die Magie. Da sind die Monster, Geister, Drachen, Hexen. Vielleicht. Wenn nicht da, wo dann? Aber da gehst du ja ohnehin nicht hin, wenn du dein Leben schätzt. Wozu auch? Da ist ja nichts, außer obskuren, unbekannten Gefahren.
Es ist eine weitläufige Zone des "es würde niemanden überraschen, wenn dort…!".
Übertragen auf weniger rückständige Gegenden der Welt ist es schlicht und einfach: Magie ist nicht in der Zivilisation. Man muss weit reisen, sie suchen und Pech/Glück haben, um sie zu finden. Und selbst dann ist es vielleicht eine Ausnahme. Etwas das nur dir passiert ist. Und andere Leute werden es dir nicht so richtig glauben, es aber auch nicht völlig ausschließen. Es ist für sie schließlich auch egal. Wenn es ne gute Geschichte ist, kannst du sie bei einer Flasche Vodka erzählen. Danach verpisst du dich bitte, du Weirdo. Sorg gefälligst nicht dazu, dass die Ringe sich verschieben und am Ende das Dorf seltsam wird.
Es ist ein wenig vergleichbar mit dem Es ist das gleiche Konzept wie "The god of the gaps", Der Gott der Lücken. Die Magie ist da, wo du nicht bist und nicht hinschauen kannst und sie wirkt sich nie ausreichend weit aus, dass sie objektiv für viele Menschen belegbar wäre. Der Waldgott hat deinen abgehackten Arm nachwachsen lassen? Cool für dich. Tausende können ihn jetzt suchen, aber sie werden ihn nicht mehr finden. Und du wirst schief angeguckt in deinem Ort, bis du warscheinlich irgendwo hin fortgehst, wo dich keiner kennt und du aufhörst darüber zu reden.
Im Rollenspiel bedeutet das, dass die Protagonisten spannende und magische Abenteuer haben können, solange die SPIELER nicht darauf bestehen, dass das für andere in der Welt normal wäre, geschweige denn das ihre Charaktere es für völlig selbstverständlich hielten. Das Übernatürlich wird per Definition zu Geheimwissen aus sich selbst heraus.
nobody@home:
Klingt mir erst mal sehr nach dem altbekannten "Ferne Gegenden sind immer exotischer und fantastischer als der eigene Vorgarten"-Phänomen. Das ist, denke ich, einigermaßen universell und nicht speziell russische Erfindung (;)), und ist unter anderem der Grund, aus dem Abenteuergeschichten so oft mit Reisen oder alternativ auch mal der Ankunft von etwas "Fremdem" im eigenen Zuhause verbunden sind und sich vergleichsweise selten im normalen Alltag unter immer den gleichen Nachbarsnasen abspielen.
Andererseits, wenn etwas real existiert und hinreichend beweglich und frech genug ist, um doch mal direkt vor der eigenen Haustür aufzutauchen, egal, ob man's da haben möchte oder nicht...dann wird einem reiner Unglaube allein eben auch nicht dabei helfen, besagtes Etwas wieder loszuwerden. Da macht die "Natürlichkeit" des Aufdringlings bzw. sein Mangel daran keinen Unterschied.
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