Pen & Paper - Rollenspiel > Pen & Paper - Spielberichte

[Changeling: The Dreaming | Ironsworn] Dunkelblaue Teestunde der Seele

<< < (5/16) > >>

Schalter:
Ich will den Geharnischten zum Kapitulieren bringen. Das mache ich mit dem Move Compel. Dafür würfelt Til als Extended Action Charisma+Überzeugen. Ich gebe ihm dabei den Bonuswürfel von seinem Aspekt ‚Abgeklärt, wünscht allen Leuten insgeheim Gutes‘, vielleicht scheinen seine guten Absichten durch. … Sieben Erfolge bekommt er hin:

„Hör' zu, Mann: Du bist den Einheimischen in die Falle gegangen. Die haben uns hier komplett umstellt! Und in den Bäumen sind noch viel mehr als Du sehen kannst, die meisten sind viel zu gut verborgen. Die sind wie eins mit den Wäldern! Das sind hunderte! Aberhunderte, klar? Und die haben Dich jetzt maximal auf dem Kiecker.“
„Jener, der mit vollem Glauben den Gesetzen dient, der ist unerschütterlich“, sagt die Stimme unter der dunklen Kapuze, aber sie klingt nach wie vor eher schleppend als wirklich unerschütterlich.
„Was willst Du denn hier?! Niemand hätte gedacht, dass Du überhaupt so weit kommen würdest!“
„Der aufrichtige Glaube an das höhere Recht von Grimgoromn verleiht mir Riesenkräfte … ich wäre nicht hier, Pooka, wenn Du mich nicht verraten hättest, und aus dem Everreach gestürzt hättest! Hierher, in das Reich dieser Primitivlinge.“
Unter seinem Harnisch spannt der Ritter seine Muskeln an, die Klinge scharrt mahlend auf seiner Schulterplatte. Til tritt ängstlich einen Schritt zurück. Das Schwert von Yvamore verlangt in diesem Moment umso stärker danach, gezogen zu werden! Das fühlt sich für Til an wie ein enervierender Impuls in seinem Verstand, der aber nicht von ihm selber kommt.
Defensiv fragt er, „Aber warum hast Du Dich daraufhin nicht den Wachen ergeben? Das wäre echt mal das Schlauere gewesen. Das was Du gemacht hast, das mussten die doch als Kriegshandlung auffassen!“
„Wo ich schon hier bin, kann ich auch meine Aufgabe als Kundschafter ausführen! Ich bin meinem Herren verpflichtet, bis über mein Ende hinaus. Mit der Kunde um die Lage des Harzherz werde ich mich tief im Labyrinth verschanzen, und dort erwarte ich das Eintreffen meiner Streitmacht. Dann gebe ich die Lage an die Waffenbrüder weiter.“
„Ja, schöne Idee, aber jetzt ist Dein Spiel aus. Außerdem ist das Harzherz magisch geschützt! Das kann sich sowieso niemand merken, wo das liegt! Dieses Harzherz kann einen Dinge vergessen lassen — zum Beispiel seine genaue Position! Sogar die Aevalori betrifft das!“

Damit wären die beiden Überzeugen-Würfe wohl ausgespielt; um den Move jetzt zu vollenden, würfle ich daraufhin die Challenge Dice gegen meine oben ermittelten sieben Erfolge. … Ein Strong Hit! Yeah! Das Gegenüber kooperiert demnach erst einmal vollumfänglich.

„Ich strecke die Waffen“, sagt der schwarze Ritter dumpf, „Aber die Einheimischen brauchen nicht zu hoffen, dass ich rede, in Gefangenschaft oder unter Folter. Ich bin ganz und gar meiner Sache verpflichtet, für immerdar und ewig!“
„Und hast Du schon einmal darüber nachgedacht, dass die Leute dieses Reiches möglicherweise mit ihren eigenen Gesetzen ganz zufrieden sind? Dass die das Gesetz von Grimgoromn nicht brauchen?“
„Hier ist nichts weiter als gesetzlose Wildnis. Die Einheimischen sind Barbaren. Nur das höhere Recht von Grimgoromn kann sie befrieden.“
„Oh Mann“, sagt Til genervt zu sich selbst, „Der Typ kann echt nicht locker lassen ...“

Tatsächlich stellt sich auch heraus, dass der Panzerhandschuh um den Griff des übergroßen Zweihänders festgerostet und dadurch buchstäblich verschmolzen ist. Man kann den Geharnischten nicht entwaffnen. Also behält er sein Schwert weiterhin geschultert, und die Aevalori-Wächter zurren es kurzerhand auf seiner Schulter mit vielen ihrer Taue fest, so dass der Gefangene zwar marschieren kann, aber nicht mehr fechten. Til hat irgendwie Mitleid mit ihm, dieser Anblick unterstreicht den Eindruck nur noch mehr, dass er unter der bedrückenden Last seiner überdimensionierten Klinge zu tragen hat wie unter einem Kruzifix.



Der Kundschafter aus Grimgoromn ist dingfest gemacht


Weil das so schön geklappt hat mit dem Compel-Move muss das wohl der zweite Milestone sein für die
Queste (Gefahrvoll): Versuchen, den Bäumen von Aevalorn zu helfen, gegen die Grimgoriminatori, und mit ihrem eigenen Kummer.
Die Gefahr für Aevalorn aus Grimgoromn ist jedenfalls erst einmal gebannt. Das erhöht meinen Questen-Fortschritt auf vier.

Jetzt heißt es nur noch, den Delve abzuschließen. Das wird dann auch nochmal Fortschritt generieren! Dafür müssen Til, die Kleinen Bunnies, und Jinva noch das Harzherz erreichen ...

Im Gespräch mit den örtlichen Wächtern hole ich mir ein Stichwort vom Orakel: Evade Idea. Das passt ja insgesamt zum eingangs ausgeheckten Thema dieses ganzen Traumreichs: Ein Gedanke wird gemieden, oder verdrängt. Die Orakelwürfel antworten auf die Frage, ob die lokalen Wächter etwas verdrängen, mit einem extremen Nein (mit Pasch). Dann ist es das Harzherz selbst, das die Lebewesen in seiner Domäne eine Idee meiden lässt, und zwar mit telepathischer Kontrolle:

„... Irgendwie halte ich es für falsch, zu versuchen, weiter vorzudringen …“, murmelt Til plötzlich, während er in die wirbelnden Nebel starrt.
„Wir sollten sofort umkehren“, bestätigt Jinva tonlos, „Wir helfen, den Gefangenen zurück zur Grenze zu eskortieren.“
„Manche Sachen sollte man einfach sein lassen …“
„Wir haben ja ohnehin erreicht, was wir ausgeschickt wurden zu tun, Pooka Til. Lady Ysandra wird zufrieden sein.“
„Ach, Lady Ysandra, immer diese Lady Ysandra …! Hm. Aber irgendwie war ich die ganze Zeit über der Meinung, dass wir wissen wollten, wie das Harzherz aussieht, und ob wir dort irgendetwas Gutes tun können …“, sagt Til verwirrt, „Komisch, dass das jetzt so abwegig scheint.“
Er sieht sein Spiegelbild in dem breiten Harzbach neben seinen Füßen im Gras. Ein Mann mit Hasenkopf. Dann schillern plötzlich die Gestalten junger Leute im goldgelben Bild der Reflexion, Menschen mit aufgeregten Gesichtern, Bürgerrechtler bei einer Kundgebung, die versuchen, die Einebnung von Hamburg-Vährwerder aufzuhalten. Eine seiner eigenen Erinnerungen, die das Harz widerspiegelt.
„… Wahrscheinlich ist es das Harz, das uns davon abbringt, weiterzugehen …“, sagt er leise, eher zu sich selbst, „wie eine Art … ungewöhnlicher Schutzmechanismus. Wow.“

Ich würfle Willenskraft für Til, um zu bestimmen, ob er sich zusammenreißen kann. Er erreicht zwei Erfolge, mit einer Neun und einer Zehn. Während die Aevalori noch unter sich reden, verkriecht er sich zwischen den titanischen Baumwurzeln, und verwandelt sich ungesehen in seine Gestalt als großer, weißer Feldhase. Wenig beachtet hüpfen dieser Hase und seine fünf befreundeten Kaninchen durch die Nebel davon, weiter in die Richtung, in welche der Geharnischte vordringen hatte wollen.

Das ist der Move namens Find Your Objective, für den muss ich nur meinen bisherigen Fortschritt beim Delve von acht unterwürfeln mit den Challenge Dice. Nur ein Weak Hit, wegen einer ehrgeizigen Zehn! Das bedeutet, dass der Delve vollständig ist, aber sich eine unvorhergesehene Schwierigkeit ergibt …!

Das Harzherz taucht schlagartig aus dem Dunst vor ihnen auf! Es ist ein gewaltiger, schimmernder Orb aus durcheinander fließenden Strömen goldenen Baumharzes, mehrere Meter über dem von Baumwurzeln durchzogenen Waldboden schwebend, auf einem unsichtbaren Kraftfeld! Die Nager verharren gebannt bei diesem unglaublichen Anblick.



Das Harzherz von Aevalorn


Aber worin besteht die unvorhergesehene Schwierigkeit, welche die Spielregel des Moves eben angekündigt hat? Machen wir das mal so:

Til hat das Gefühl, eine Stimme wahrzunehmen: Sie sagt ihm und seinen Freunden, dass dies ein Heiligtum sei — eine Stätte des Erinnerns. Und gleichsam des Vergessens. Der Lebensstrom des Waldlabyrinths von Aevalorn führt auch lebendig gebliebene Zeit mit sich, er kann Momente herantragen, oder mit sich nehmen …
Til legt ehrfürchtig die Löffel an und versucht ein Nicken. Er konzentriert sich auf den Gedanken: Wir wollen nur helfen!
Die Gedankenstimme entgegnet, dass es die Last des Erinnerten selbst sei, was die Bäume des Labyrinths peinige. Nichts aus der Herbstwelt oder dem Träumen könne ihnen damit helfen. Ein fremder Pooka sowieso nicht. Große Gelehrte und Schamanen der Aevalori mit demselben Ansinnen hätten Wochen damit verbracht, über den brodelnden Windungen des Harzherz zu meditieren, ohne eine Vision zu bekommen, was sie ausrichten könnten.
Til konzentriert sich angespannt auf die Frage, warum das Harzherz ihnen nicht einfach den Grund für den Unbill sage? Sie alle wollten ihm helfen, dass der Wald wieder froh würde!
Die Stimme sagt vage, diese Antwort könne nicht ausgesprochen werden, auch nicht in Gedanken: Sie könne nur erinnert werden, und jene Erinnerungen seien verloren im Strom der Zeit ...

Ich habe schon eine Idee, was es sein könnte, das hier noch bisher unentdeckt geblieben ist. Dafür mache ich den Move namens Gather Information. Ich gebe Til hier den Würfel seines Aspekts ‚Kann nicht loslassen‘ als Bonus mit. Er sucht gefolgt von den Bunnies also hoppelnd, schnuppernd, und scharrend das Wurzelwerk unterhalb des Harz-Orb ab. Seine Extended Action liefert neun Erfolge, aber erneut verhindert eine Zehn bei einem der Challenge Dice einen Strong Hit. Der Weak Hit bei Gather Information bedeutet, dass das Herausgefundene die Queste verkompliziert:

Was auch immer unter den Baumwurzeln liegt, die den Waldboden hier bedecken … es ist nicht einfach nur Erdreich. Die sechs Nager finden schließlich ein Schlupfloch, und kriechen neugierig tiefer …

In einer kleinen Höhle sehen sie im Schein der blauen, phosphoreszierenden Pilze, dass die Baumwurzeln um Steinquader geschlungen sind. Diese scheinen nur mehr aus Rissen und Splittern zu bestehen, so alt sind sie. Einige davon waren außerdem einst mit Runen graviert. Diese ähneln denen, die oben in die Baumrinden geschnitzt sind, aber komplizierter und weniger kunstvoll. Wie eine noch ältere Vorgänger-Schriftform … die Glyphenschrift der heutigen Aevalori ist vielleicht nur aus dieser hervorgegangen …

Emsige, neugierige Vorderpfoten beginnen gemeinsam zu buddeln! Til bemerkt, wie leicht seinem Hasenkörper das fällt, und wie viel Spaß ihm das Graben bereitet. Noch tiefer im Erdreich sind schließlich kleine Gänge zu finden, die zwischen diesen uralten Steinquadern entlang führen, geräumig genug für Hasen und Kaninchen. Die Luft ist mittlerweile extrem stickig. Til und die Bunnies sehen in der unwirklichen Bioluminiszenz in tiefere Erdhöhlen hinab, die erfüllt sind von derartigem Mauerwerk. Die gewaltigen Baumwurzeln reichen auch bis hier hinab, und umwinden und durchdringen alles. Eine ganze, lange verlassene Stadtlandschaft liegt unterhalb des Labyrinths von Aevalorn, verschluckt vom Erdreich und verloren vom Lauf der Zeit. Die Wurzeln der Bäume sind untrennbar mit diesen gravierten Steinen verankert, bis heute.
Ich glaube, dass ich verstehe, was los ist, signalisiert der Feldhase mit seiner Körpersprache den Kaninchen. Diese kichern aufgeregt. Gemeinsam kriechen sie an die Oberfläche zurück.

Diese Entdeckung ist also jene vom Weak Hit (beim Reach-Your-Destination-Move) ermittelte unerwartete Schwierigkeit. Dadurch, dass diese nun etabliert ist, ist jetzt aber der Delve komplett abgehandelt, und wir erhalten (dadurch, dass der Delve verquickt mit der eigentlichen Queste war) den nächsten Milestone für unsere
Queste (Gefahrvoll): Versuchen, den Bäumen von Aevalorn zu helfen, gegen die Grimgoriminatori, und mit ihrem eigenen Kummer.
Damit ist der Fortschritt auf sechs!


Wieder als zweibeiniger Hasenmensch tritt Til aus dem Nebeldunst hervor, gefolgt von seinen fünf Kaninchen. Die Aevalori-Wächter und Jinva stehen immer noch in verschiedenen Grüppchen, und sehen ihn erstaunt an. Einige ihrer Anführer sind mittlerweile auch hierher hinab geklettert, um untereinander zu sprechen, unter anderem auch ein Häuptling oder Schamane, mit prächtigem Geschmeide behängt.
„Es könnte sein, dass wir einen Hinweis auf das Problem für das hiesige Ökosystem gefunden haben!“, sagt Til leise.
Die Ureinwohner gucken ihn befremdet an, sie verstehen seine moderne Ausdrucksweise nicht.
„Ähm. Wie soll ich das erklären? Die Bäume hier … sind verwurzelt mit etwas aus der Vergangenheit. Steinquadern, Fundamenten … den Überresten von irgendwas von früher! Und mit einer Sphinx-Statue mit Aquamarin-Augen, tief verschüttet im Geröll, sieht ziemlich wertvoll aus, ehrlich! … Wusstet Ihr das?“
„Die Legenden vom altvorderen Reich Edovoldda sind allesamt umstritten, Pooka Til“, sagt Jinva vorsichtig.
„Edovoldda! Was ist das?!“
Der große Häuptling antwortet an ihrer statt: „Eine Zivilisation, oh Fremder, die vor vielen Tausenden von Jahresläufen hier irgendwo existiert haben soll. Sogar noch bevor es die Bäume des Labyrinths gab! Wir Aevalori erzählen unseren Kindern davon, wenn wir ihren Verstand mit Gedankenspielen beschäftigen wollen.“
Til fragt ihn, „Kann es nicht sein, dass die Antworten auf die Frage nach dem Kummer der Bäume nicht vom Harzherz selbst gegeben werden können … sondern von diesem Rätsel der Vergangenheit …? Das Harzherz hat vorhin kurz zu mir gesprochen … Ich glaube, das hätte es meinen können, mit dem was es zu mir sagte! Es hat klipp und klar gesagt, die Lösung für das alles sei eigentlich ganz einfach! Kinderleicht, so sagte es wörtlich!“
Fast will Til sich auf die Zunge beißen, als er sich reden hört. Warum muss er denn ständig auch noch Lügen in seinen Bericht einbauen? Die Wahrheit ist doch schon spektakulär genug! Aber er scheint gar nicht anders zu können.
„Ein Überbleibsel vom altvorderen Edovoldda …“, sinniert der Häuptling, „Es ist nicht unvorstellbar. Jene aus dieser vergangenen Epoche sahen sich mit dem eigenen Untergang konfrontiert. Sie hatten die größte Kultur aller Zeiten errichtet, aber sie weigerten sich, ihre Lebensweise zu ändern, als ihre Welt sich schließlich veränderte. Und dies, so besagen die Legenden, besiegelte ihren Untergang. Wir wussten nicht, wo ihre versunkenen Bauten zu finden sein könnten. Wer weiß, welche Erinnerungen dort drunten vergraben sind?“
„Eure Labyrinthbäume wissen es, denn sie holen sich das Grundwasser von dort herauf“, vermutet Til, „Und ihr Wurzelwerk ist untrennbar mit den Überbleibseln von damals verwachsen. Wow …! Könnte da ein Zusammenhang sein zu den Phänomenen, die Ihr jüngst in Eurem Labyrinth beobachtet?“

Schalter:
Die vielen Aevalori beginnen auf ihrer Muttersprache untereinander zu raunen, Wachen wie Gelehrte. Vielleicht hat der Wechselbalg ihnen da den entscheidenden Hinweis zugespielt? Til versteht nicht, was sie untereinander sagen, wenn sie nicht auf Englisch mit ihm sprechen. Er wartet also ab, auf einer Baumwurzel sitzend, und verfüttert dabei den restlichen Klee und anderen Proviant an seine Bunnies.

An der Stelle könnte ich einen neuen Orakelspruch gebrauchen. Die Würfel sagen, Suppress Price, also das Unterdrücken von Kosten, oder ist vielleicht die Unterdrückung eines Lohns gemeint? Tils Lohn wäre ja die Erfüllung seines Eides gegenüber dem Setzling! Bedeutet der Orakelspruch also vielleicht, dass die telepathischen Impulse des nahen Harzherz bei den Aevalori die Einsicht unterdrücken, dass dies die Lösung ist? Ein extremes Ja, mit Pasch. Das Herzherz wirkt auf seine Einheimischen ein ...!

Til und die Bunnies können geradezu dabei zusehen: Nach und nach schwindet die Aufregung über die neue Spur wieder von den Gesichtern der Eingeborenen, und ihre Stimmen klingen immer resignierter in den vielen Gesprächen, die sie führen.
„… Jinva! Was besprecht Ihr?“, fragt Til seine Führerin.
„Die Wächter haben den Schluss gezogen, dass Du Dich geirrt haben könntest in der Natur Deiner angeblichen Entdeckung, Fremder. Und ohnehin Du bist ein Pooka: Deiner Art kann nicht ganz getraut werden! Eine Sphinx mit Edelstein-Augen? Wahrscheinlich, so sagen unsere Häuptlinge, ist diese Geschichte von den Fundamenten von Edovoldda ein Schabernack!“
„Ein Schabernack?! Wohl kaum! Ich sage doch die Wahrheit! Ich bin für meine Ehrlichkeit bekannt, dort wo ich herkomme. Erinnere Dich, selbst Lady Ysandra hat meine Aufrichtigkeit gelobpreist. Äh, gelobpriesen? … Wie heißt das Wort noch gleich richtig ...?“
„Wir sollten an den Hof der Hohlkrone zurückkehren, Pooka Til. Meine Lady wird für Dich und mich über das alles entscheiden müssen.“
Die langen, dünnen Aevalori beginnen einen Halbkreis um Til zu formieren. Manche sehen ziemlich kritisch aus, ihm gegenüber ...
„Oh Junge“, sagt Til leise, er hat keine Lust Kleinbei zu geben.
Noch dazu würfelt er abermals Willenskraft, um der Gedankenkontrolle zu widerstehen, und schafft wieder zwei Erfolge.
Er schnellt davon, in den Nebel hinein. Er kann sich kurioserweise nicht mehr erinnern, wo genau er das Harzherz vorhin gefunden hatte! Dessen Schutzmechanismus wirkt auch auf ihn!

Mit drei Erfolgen bei Wahrnehmung+Gewahren führt sein Feengespür ihn jedoch schließlich instinktiv wieder auf das goldene Glühen zu. Die Nebelschleier lichten sich, und er und die Kaninchen stehen wieder vor dem riesenhaften, schwebenden Orb.
„Harzherz! Das kannst Du doch nicht machen? Warum verschleierst Du unsere Gedanken?! Die Fundamente könnten die Lösung Deines Rätsels sein! Die Aevalori können diesen Hinweis nutzen, um einen Weg zu ersinnen, Dir und den Bäumen des Labyrinths zu helfen!“
Die Antwortet lautet, dass die Wurzeln der Bäume längst untrennbar mit der Vergangenheit geworden seien. Das Labyrinth sei eins mit den Erinnerungen aus Edovoldda. Ein Versuch, sie davon zu trennen, wäre vermessen.
„Dann willst Du, dass die Bäume Kummer haben?!“, fragt Til ungläubig.
Die fremden Gedanken antworten, nein, aber ihre Wurzeln wüchsen seit Jahrtausenden tiefer. Das, was sie seit den letzten Jahrzehnten von dort drunten aufgenommen hätten, mache sie in der Tat traurig. Mittlerweile spüre der Rest des Waldes dies auch. Na und? Die Wurzeln würden allmählich noch tiefer wachsen, und irgendwann wieder andere Erinnerungen aufsaugen, andere Überreste der vergangenen Zeit. Irgendwann würden sie sich ganz durch die Fundamente des einstigen Edovoldda hindurch gearbeitet haben. Was seien schon ein paar Jahrtausende mehr? Ein Wechselbalg könne dies nicht verstehen, gefangen in einer einzelnen, menschenähnlichen Inkarnation! ... Wahrscheinlich würde Til in seiner kommenden oder übernächsten Inkarnation erneut vor das Harzherz treten, und ihm dasselbe Ansinnen vortragen wie heute …!
Til erschaudert bei dieser Vorstellung.
„… Aber ich will nicht, dass der Wald weitere Jahrtausende lang Kummer haben muss! Die Aevalori und die Tiere leiden mit ihm! Und Ihr seid irgendwie alle verbunden, nicht? Ich will nicht, dass Du Kummer hast, Harzherz.“

Aus diesem Zwiegespräch mache ich mal den Move Compel. Ich würfle zweimal in Folge als Extended Action Charisma+Überzeugen für Til, und erneut soll er seinen Bonuswürfel des Aspekts ‚Abgeklärt, wünscht allen Leuten insgeheim Gutes’ dazu bekommen. Dank einem Punkt temporärer Willenskraft werden es sieben Erfolge … und dadurch tatsächlich ein Strong Hit.

Das Harzherz zögert eine ganze Weile, und schließlich raunt seine Gedankenstimme, dass es erleichtert wäre, wenn ganz Aevalorn sich wieder aus seiner Düsternis erheben würde.
Aber die Vergangenheit und die Hinterlassenschaften jener aus Edovoldda könnten nun einmal nicht rückgängig gemacht werden. In ihren Steininschriften stünden ihre Triumphe und ihre Verfehlungen eingemeißelt für viele Jahrtausende. Obschon die Augen der Oberweltler diese Inschriften nicht sehen könnten, seien die Baumwurzeln doch eins damit.
„Was ist, wenn wir die ferne Vergangenheit umdeuten?“, fragt Til, „Wir könnten ihre Inschriften fortführen, ergänzen. Vervollständigen?“
Aber jene aus Edovoldda sind selbst längst verschwunden …
„Ja, aber vielleicht würden sie sich wünschen, dass man sich an sie anders zurückerinnert. Nicht an die größte aller Zivilisationen, die schließlich gescheitert ist. Sondern an ein Volk, das ganz am Schluss seinen Frieden gefunden hat?“
Aber so etwas wäre doch nur eine Fälschung?, vermutet das Harzherz, aber unsicher.
„Manche Lügen sind nur versteckte Wahrheiten, denkst Du nicht auch? Wir studieren ihre Inschriften! Ergründen ihren Schreibstil! Finden das Ende, das sie selbst in die Steine gemeißelt hätten, wenn sie genügend Zeit dafür gehabt hätten!“

Das soll der nächste Milestone sein für die Queste. Damit ist der Fortschritt acht, und ich will mich am Move Fulfill Your Vow versuchen! Ist das Rätsel von Aevalorn damit gelöst? Das sollten wir die Spielregeln der Moves entscheiden lassen. Eventuell wird das eine weitere unterirdische Reise bedeuten, um die Glyphenschriften weiterzuführen, mit neuerlichen Einmeißelungen. … Die Challenge Dice gewähren jedoch einen Strong Hit!

Das bedeutet, dass nun alle Elemente sich fügen: Das Harzherz wird den Verstand seiner Aevalori nicht mehr verschleiern, deren Gelehrte werden Wege in die unterirdischen Höhlen finden, und die Glypheninschriften aus dem altvorderen Edovoldda werden um neue, versöhnliche Einträge erweitert werden. Wenn die Bedeutung der Aufzeichnungen sich ändert, wird sich auch die Bedeutung der Fundamente ändern, die Bäume absorbieren ein positives Andenken aus ihnen, und das Labyrinth von Aevalorn wird seine Trauer überwinden.
Til bekommt für die abgeschlossene Queste drei zusätzliche EXP.

Es gibt in den Lagern der Wächter rund um die Nebellichtung daraufhin viel zu erklären. Schließlich wird gerastet und übernachtet. Als Til und die Kaninchen wieder aufgewacht sind, bricht Jinva mit ihnen auf, um sie zurück zum Everreach zu eskortieren.


Als sie nach einer halben Tagesreise wieder in die Nähe des Hofs der Hohlkrone kommen, drängt Jinva darauf, bei ihrer Herrin persönlich Bericht zu erstatten.
„Das ist vielleicht das Richtige“, vermutet Til, „Ich sollte sie vermutlich auch darum bitten, das gefundene Schwert behalten zu dürfen. Immerhin ist es angeblich ihrs. Und ich hatte unsere Queste nicht wie von ihr verlangt in ihren Namen gestellt.“
„Vielleicht wäre es klug, gar nicht erst unter ihre Augen zu treten, Pooka Til“, lässt Jinva ganz betreten vernehmen, „Die Lady kann manchmal aufbrausend sein, und ihre Wut ist dann schrecklich!“
„Ja, aber ich sollte das Erbstück trotzdem von ihr erbitten. Als Finderlohn oder so! Sonst würde ich mich fühlen, als hätte ich es ihr geklaut! Und ich bin kein Lügner, und auch kein Dieb! … Außerdem habe ich gestern alle Deine Artgenossen nach Niedzwiedz gefragt, aber Lady Ysandra noch nicht.“
... Und vielleicht kann er sie nebenbei bequatschen, um sie von ihrem Irrglauben abzubringen, dass ihr Hof noch nicht an Bedeutung verloren habe?


Til bekommt ohne Verzögerungen eine Audienz im Thronsaal des Hohlkronen-Hofs. Lady Ysandra scheint schlecht auf ihn zu sprechen zu sein, weil er ihren Eid nicht geschworen hatte, bevor er übereilt aufbrechen musste. Sie ist dennoch sehr interessiert daran, seine Erzählung zu vernehmen. (Eigentlich will sie das Ganze in Gedicht- oder Liedform hören, aber Til hat leider die Darbietung-Fertigkeit nicht und muss diesbezüglich passen.)

Ich mache den Move Compel: In den Bericht muss man doch Stück für Stückchen einfließen lassen können, dass die Hohlkrone überhaupt keine wirkliche Rolle bei dem allen gespielt hatte, und dass Lady Ysandra tatsächlich gut daran täte, die Aevalori aus ihrer Dienerschaft zu entlassen, und sich tiefer ins Labyrinth zurückzuziehen? Sie könnte sich unter den Schutz von Aelhunara selbst stellen …
Hierbei darf man natürlich nichts davon rundheraus aussprechen oder tölpelhaft rüberkommen; Til weiß noch genug aus seinem Geschichtsunterricht über Feudalsysteme, um zu ahnen, dass er sich buchstäblich um Kopf und Kragen reden könnte, wenn er's ungeschickt anstellt.
Beim Compel-Move bringe ich sowohl seinen Aspekt 'Abgeklärt, wünscht allen Leuten insgeheim Gutes' ein, für einen Bonuswürfel, als auch den Hasenkopf, der die Regel der Eins aktiviert. Der Hasenkopf ist hier ein Nachteil, die Herrscherin stört sich an der nichtmenschlichen, undurchsichtigen Mimik. Tatsächlich fallen beim zweiten Wurf jede Menge Einser: Nur fünf Erfolge bleiben insgesamt für den Move. Oh ha. Aber was soll man sagen: Die Challenge Dice zeigen eine Doppeleins! Ein Strong Hit, und obendrein ein extremes Resultat also.

Til Haselberger erzählt also haarklein alle Erlebnisse, vielleicht recht hölzern, aber einfühlsam. Und er flechtet immer öfter Warnungen und Appelle an die Vernunft der hohen Sidhe ein.
Er endet also, „… Ich denke, dass jetzt eine Zeit anbricht in Aevalorn, in welcher alle zusammenstehen müssen! Beim Schutz der Grenzen einerseits, und bei der Erforschung der Zeitzeugnisse von Edovoldda. Auf die Sidhe und ihre Vielzahl ist selbstredend immer Verlass, Hoheit! Aber jetzt für die nächsten Wochen wäre es vielleicht ratsam, stattdessen den Schutz anderer Verbündeter aufzusuchen.“
Lady Ysandra bricht dabei unvermittelt in Tränen aus. Til guckt sie bedröppelt an, damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet.
„Ich muss immerzu an die Worte des Harzherzens denken!“, erklärt sie, und tupft sich ihre zartblauen Wangen, „Es ist gewisslich wahr: Alles in Aevalorn gehört zusammen! Ist eigentlich eins! … Nur ich nicht, ich bin ein Relikt anderer Zeiten, eine Usurpatorin. Das Labyrinth sollte Aelhunaras Obhut überlassen werden. … Ich ziehe mich jetzt zurück. Ich muss nachdenken.“
„Äh … was ist mit der Herbstwelt, Mylady? Sagtet Ihr nicht neulich, viele der Sidhe seien ebenfalls dorthin gegangen?“
„Was spielt dies für eine Rolle? Sie sind dort ja nur noch Changelings!“
„Aber dort wäret Ihr wieder unter Euresgleichen, Mylady! Der Bevölkerung der Herbstwelt kann ja so manches nachgesagt werden, aber gewiss nicht, dass sie ihre Adelstreue mittlerweile vergessen hätte. Und außerdem … es ist ehrlich gesagt eine Wucht, ein Changeling zu sein!“

Jedenfalls bittet Til darum, das Schwert von Yvamore mit sich nehmen zu dürfen, und die Herrscherin tut dies mit einem Handwedeln ab, er soll es haben. Nach einem Wesen namens Niedzwiedz befragt weiß sie allerdings leider keine Hinweise, so wie auch die Aevalori gestern.

Das extreme Resultat eben könnte durchaus heißen, dass sie komplett umdenken wird! Wer weiß, was aus dem Hof der Hohlkrone und seiner einsamen Regentin wird, bis zu unserem nächsten Besuch …?

Schalter:
Mit seinen Kleinen Bunnies zusammen durchquert Til abermals den Everreach, diesmal von Jinva und einigen anderen der Scouts begleitet. An einem der Ausgänge verabschieden sie sich. Til wünscht ihnen alles Gute, und verspricht, sich alsbald wieder hierher zu träumen, um zu sehen, ob es den Gelehrten und Schamanen gelingt, die Vergangenheit auszutricksen, mit neuen Inschriften in den altvorderen Steinquadern.

Im Inneren des Everreach treffen sie auch den Setzling wieder. Dieser hat Wort gehalten: Er hat den Bryndrick überzeugt, geduldig auf Tils Rückkehr zu warten, und er hat außerdem wie versprochen einige der Bäume der Endlosen Wälder befragt, nach dem Namen Niedzwiedz. Was aber hat er dazu herausbekommen?

Die Orakelwürfel entscheiden sehr klar, dass der Setzling dabei einen Hinweis erhalten hat: Dies ist die erste Spur für meine andere
Queste (Extrem): Das Wesen namens Niedzwiedz finden und beschützen.
Worin besteht denn der Hinweis? Die Orakelwürfel sagen dazu, Inspect Desolation.

„… Jedenfalls ist er ein guter Bekannter der Bäume der Ewigen Wälder, Herr Pooka!“, endet der Setzling stolz, „Er wurde schon oft gespürt, wie er hier umher streifte! Mal wandernd auf den Wurzeln, mal kletternd in den Zweigen. Immerzu allein und meistens hungrig, ja, so kennt man ihn. Um ihn zu finden, musst Du die einsame Ödnis inspizieren, Herr Pooka! So jedenfalls sagen Dir die Bäume.“
„Aber welche einsame Ödnis ist gemeint?“
„Die Wüstenei, die jenseits des dunklen Waldes dorten liegt“, orakelt der Setzling, „Geh' nur immerzu in diese Richtung, und Du wirst zu einem alten Turm im Wald kommen. Dort irrt ein Blinder umher, dem sind ja die Augen von Dornen ausgestochen. Sprich' ihn nicht an und grüße ihn nicht, schleiche vielmehr an ihm vorbei, auch wenn er Dir noch so kläglich erscheint! Gehst Du weiter in dieselbe Richtung, kommst Du in die Wüstenei, und dorthin hat es Deinen Gesuchten Niedzwiedz verschlagen.“

Das ist dann der erste Milestone für die neue Queste, denn jetzt hat Til erstmals eine Spur.

„Danke, Setzling! Ich werde mich sofort auf den Weg machen!“
Der Setzling schaut zweifelnd, „Denkst Du, dass Dir das wohl bekommt, Wechselbalg? Du bist schon lange im Träumen!“
„Ich habe mich mein Lebtag noch nie energetischer gefühlt, außer auf bestimmten Rock-Festivals!“
„Denkst Du nicht, dass Dich diese Reise in die Tollheit führt, wenn Du nicht zwischendurch in Deinen sterblichen Schein zurückkehrst? Euereins ist immerhin gebunden an die Herbstwelt!“
„Och, das passt schon.“
„So manch ein Changeling wurde von der Tollheit ergriffen, um für immer im Träumen zu verschwinden, so heißt es!“
„Ach ja? Das klingt ehrlich gesagt ein bisschen riskant. Wer kann mich darüber unterrichten? Ich meine, ich weiß ja eigentlich schon alles aber auch alles über das Leben als Wechselbalg, aber … eine kleine Auffrischung, ja, das wäre nice.“
„Hast Du etwa keinen Mentor in der Welt, aus der Du entstammst?!“
„Doch natürlich! Den besten seines Fachs sogar. Aber er ist ein berüchtigter Geheimniskrämer. Äh, er hat fast alles bisher für sich behalten, außer den Geburtstagen der wichtigsten örtlichen Sidhe natürlich. ... Ich habe bisher ehrlich gesagt bei allem improvisiert, was ich tue.“
„Seid Ihr wirklich mittlerweile so wenige in der Herbstwelt?! So wenige, dass Ihr nicht einmal von Euresgleichen gefunden werdet, wenn Ihr Erwacht?“
„Och, komm. Die Lady Ysandra hat mir schon zu genüge vorgebetet, wie beklagenswert die Herbstwelt angeblich ist.“
„Wohlan! Du bist natürlich selbst Deines Schicksals Schmied!“

Til nickt, aber insgeheim vermutet er, dass der Setzling doch Recht haben könnte. Der weiß zwar nur wenig über die normale Welt und die Menschen, aber kennt immerhin mehr Gesetzmäßigkeiten der Feenwelt als Til!


Also kehrt er zurück zu seiner Freistatt. Nach einigem Hin und Her rücken die Kleinen Bunnies sogar den Schlüssel raus, nachdem sie ihr Versteck von neulich wiedergefunden haben. Til tritt mit ihnen gemeinsam durch die Tür, und schließt sorgsam hinter ihnen wieder ab.
Was in Aevalorn nur als Traumvision in den Harz-Spiegelbildern zu sehen war, ist hier innerhalb der Freistatt wieder erlebbare Wirklichkeit. Eine unglaublich friedvolle Abendstimmung hat sich über die sommerlichen Straßen von Vährwerder gelegt. Vor einigen Hauseingängen und in ihren kleinen Gärten sitzen noch ein paar Einwohner verschiedenster Nationalitäten und Kulturen, viele winken Til fröhlich zu, als er vorübergeht. Kaum sind noch Stimmen zu hören, und gar keine Automotoren, aber die Abendvögel zwitschern noch ihre Lieder. Til kassiert natürlich ein paar merkwürdige Blicke wegen seiner primitiv gewebten Aevalori-Stammeskleidung aus dem Hohlkronen-Hof, und dem umgegurteten Schwert. Er muss darüber kichern.

Er versteckt den Schlüssel erneut hinter dem losen Stein unter dem Vogelhäuschen an der Straße, und wacht auf.


Evolution: Damit beende ich die Session, und für seine angesammelten EXP kaufe ich Til einen fünften Punkt Glamour. Diese Reise nach Aevalorn hat ihn mehr in Kontakt gebracht mit seiner mystischen Natur.


Soundtrack: Meredith Monk, Eon
https://www.youtube.com/watch?v=Q73XzOAws_o

Til war (entgegen seines Plans als er aufgebrochen war) viele Tage und Nächte lang im Fernen Träumen. Die Zeit dort vergeht unberechenbar im Vergleich zur Herbstwelt: Jahre im Träumen können nur eine einzelne Nacht in der physischen Welt der Dunkelheit bedeuten. Oder vielleicht auch umgekehrt! Ich befrage also die Orakelwürfel, und die sagen, dass es in Tils Doppelhaushälfte erst der nächste Morgen ist nachdem er zuletzt auf seiner Couch eingeschlafen ist. Er reibt sich die Augen, und spürt, dass der Hasenkopf wieder verschwunden ist, jetzt hat er wieder sein normales Gesicht, nur eben von Hasenfell bedeckt, wie immer. Neben ihm liegt ein langes, schweres Holzlineal an seiner Seite. Das Ding hat er in seinem Haus noch nie zuvor gesehen. Es sind leichte Spuren von Moosen darauf … Wenn er die Augen leicht zusammenkneift, sieht er stattdessen das Schwert von Yvamore dort liegen, es glänzt verheißungsvoll. Er tastet konfus nach seinem alten Radiowecker, blinzelt auf die Datumsanzeige, und die Uhrzeit. Es ist tatsächlich erst der nächste Tag. Verschlafen hat er leider dennoch! Er sputet sich, um zur Arbeit an der Volkshochschule los zu kommen. Aus Regalfächern und Kommodenschubladen bildet er sich ein, das Gekicher der Kleinen Bunnies zu hören, sie zeigen sich heute Morgen nicht, aber sind mitnichten in der Freistatt geblieben!
„… Danke Euch für Eure Hilfe!“, raunt er in den Raum, und stellt ihnen hastig noch einen Teller Müsli auf den Dielenboden, bevor er durch die Tür in den Januarmorgen hinaus eilt.

Schalter:
In seiner Pause sucht er in der Volkshochschulbibliothek und auf Wikipedia nach den Begriffen Aevalorn, Aevalori, Grimgoromn, und anderen, aber er findet nur Vorschläge wie Avalon stattdessen. Alles vielleicht nur Traumgespinste? Aber siehe da, der Begriff Sidhe ist zu finden, der kommt von den alten Kelten. Je länger er recherchiert, desto ferner und absurder kommt das alles ihm vor. Er tippt kurzentschlossen die Fragen in seinen Browser ein: „Hilfe, ich bin ein Changeling“, und „Mentor gesucht für einen Wechselbalg“, aber die Suchergebnisse sind alle nur Quatsch. Er beginnt, sich wie ein Spinner zu fühlen, und lässt die Internetsuche schnell wieder bleiben.


Dann hätte ich gerne einen Orakelspruch für die Herbstwelt, bevor Til die Gelegenheit bekommt, wieder ins Träumen aufzubrechen. Die Würfel sagen, Risk Vow. Uh, spannend: Geht es um ein Risiko für Tils eigenen übrigen Eid? Das bejaht das Orakel. Da ich beide anderen Questen erfolgreich abgeschlossen habe, betrifft dies meinen Eid, Niedzwiedz zu finden und zu beschützen. Der ist tatsächlich ziemlich eilig, denn endlich habe ich ja eine heiße Spur! Das klingt nach einer Verzögerung von Tils Aufbruch gen der vom Setzling beschriebenen Wüstenei. Aber durch was? Ein neuerlicher Wurf auf der Themen-Tabelle sagt Protection. Hm! Tils größtes Schutz-Ansinnen in der Herbstwelt gilt seinem Wohnort, Hamburg-Vährwerder. Die Bauprojekte der Energiefirmen sind zwar seit Langem aufgestoppt, aber der Fortbestand des Stadtteils ist mitnichten garantiert. Die Orakelwürfel bestätigen: Es tut sich politisch gerade etwas. Til ist bis heute immer noch in mehreren übrigen Gremien als Gasthörer und Bürgervertreter, und gerade jetzt kommen diese zusammen. Noch heute soll es eine Eilabstimmung geben.

Während er in seinem besten Anzug auf einem Plastikstuhl in einem der Konferenzräume des Hamburger Rathauses sitzt, und dem absurd fettleibigen Repräsentanten der Energiefirma zuhört, ist er in Gedanken die ganze Zeit bei Niedzwiedz und Aneta. Wer weiß, wie viel Zeit im Träumen vergeht, während er Zeit damit vertut, dem Eigenlob von Herrn Doktor Schoffner zuzuhören! Schweißperlen erscheinen auf Tils Stirn. Er sehnt verzweifelt das Ende der Veranstaltung herbei, mit der Abstimmung. Er muss nach Hause, zu seiner Freistatt! Aber wenn er gleich abhaut, dann riskiert er, dass zu wenig Stimmen zusammenkommen; und er hat keine Lust, dass in einem Jahr oder so plötzlich die Bagger und Abrissbirnen vor seinem Grundstück anrollen. Früher hätte er hier mit einem halben Dutzend weiterer Bürgerrechtler in diesem Zimmer gesessen, und ein weiteres Dutzend wäre draußen vor dem Rathaus gestanden, mit Plakaten und Infozetteln. Das war gut, damals. Aber damals war die Diskussion um Vährwerder auch noch viel erbitterter geführt. Alles in Tils Leben scheint letztlich ‚im Wartemodus‘ zu sein, denkt er genervt. Dafür ist es mit seinen Träumen heute Nacht umso dringlicher!



Herr Doktor Schoffner ist mal wieder übellaunig


Ich mache den Move Secure an Advantage mit zwei Würfen auf Geistesschärfe+Politik, um Til argumentativ seinen Teil beitragen zu lassen, die Eilabstimmung zu seinen Gunsten ausgehen zu lassen. Til erreicht elf Erfolge! Der Typ  hat Talent, der hätte wohl sein Politik- und Jura-Studium doch durchziehen sollen, sein Dad sagt's ja immer. Das wird ein Strong Hit: Die Eilabstimmung läuft gut, zumindest für die Bewohner von Vährwerder, Herr Doktor Schoffner und die anderen Konzern-Dudes erbosen sich ziemlich heftig und poltern, ‚diese Stadt sei rückständig‘, das würde alles ‚Zeit und Geld und Arbeitsplätze kosten‘; und endlich gehen alle auseinander.

Soundtrack: Floex, Going On An Adventure
https://www.youtube.com/watch?v=HO7wsHW-lFU

Da ist es schon nach halb acht! Til lässt sich nicht aufhalten von den Leuten, die gern spontan noch mit ihm netzwerken wollen, er joggt durch die Gänge des Rathauses und zur Bahnhaltestelle. Bis raus nach Vährwerder ist es ja von der Innenstadt noch eine Dreiviertelstunde …!


Drinnen lockert er sofort seine alte Krawatte, wirft das Jackett auf einen Stuhl, und eilt ins Wohnzimmer. Er macht große Augen, als er die Kleinen Bunnies auf dem Wohnzimmertisch vorfindet, sie sind jetzt zu siebent, das letzte hüpft gerade auch vom Teppich auf die Tischplatte, lautlos. Alle sehen ihn aus ihren schwarzen, glitzernden Knopfaugen an. Als würden sie sein Vorhaben schon kennen, und ihn erwarten. Sie hocken um das Vogelhäuschen herum, das immer noch dort steht seit heute früh, und aus dessen Inneren dringt bereits der goldene Lichtschein ... Til schluckt bei diesem Anblick, es wirkt so besonders auf ihn, so entrückt. Dann setzt er sich in Bewegung, behutsam hockt er sich dazu.

Hoffentlich, denkt er nur noch sehnlich, ist es nicht schon zu spät!

Aber da der Move eben ein Strong Hit war, ist es das nicht — das sagen wir Til aber noch nicht.

Die Realität innerhalb der Freistatt ist idyllisch wie immer, jetzt gerade ist es ein sonniger Mittag, und die Straßencafés sind gut besucht. Die sieben Bunnies halten inne und schnuppern interessiert die Luft. Sie beginnen leise untereinander zu quieken, und sehen aus, als würden sie sogleich einen Plan machen, wie sie die eine oder andere Caféküche berauben könnten!
„Oh Mann“, entfährt es Til, „Das ist der Geruch von dem Kumpir-Laden! In der normalen Welt hat der längst schließen müssen …!“
Dann aber besinnt er sich wieder darauf, dass er es eilig hat. Auch der Bryndrick und Aneta bei den Boggans warten schon länger auf sein Zurückkommen. Jetzt aber ruft die Wüstenei jenseits der Ewigen Wälder! Aber Proviant werden sie wieder brauchen. Also kauft er den Bunnies und sich in dem einen Café eilig einen Schwung Kumpir-Kartoffeln und Fladenbrote, und einen Stoffbeutel dafür.
„Ein Rucksack, so wie in Aevalorn, der wäre jetzt nicht schlecht“, stellt er fest, „Und ich hab' das mit der richtigen Kleidung auch immer noch nicht raus“, und er sieht an sich hinab, er ist ja noch in seiner abgetragenen Anzughose und in Hemd und Schlips. Er krempelt sich die Hemdsärmel hoch. Zumindest die Schuhe und Socken kann er mal ausziehen, die sind kaum geeignet für einen Marsch durch die Wildnis dort draußen. Da ist er mit seinen Pfoten-Fußsohlen und Krallen-Zehennägeln bestens ausgestattet.

Soundtrack: Vitamin String Quartet, White Rabbit
https://www.youtube.com/watch?v=FGGfDM2Qg2E

Mit dem Freistatt-Schlüssel öffnen sie die Pforte hinaus ins Ferne Träumen, wo die Märchenwälder rauschen. Erneut schließt Til seine Freistatt sorgfältig ab, und lässt die Kaninchen den Schlüssel verstecken. Dann wandern sie hinaus in die immergrüne Wildnis.

Sie haben die Beschreibung des Setzlings, um die Wüstenei jenseits des verlassenen Turmes zu finden, das sollte reichen; darüber wird der Move Undertake a Journey entscheiden. Da es nicht allzu weit ist (Distanz im Fernen Träumen ist sowieso relativ), definiere ich diese Reise als Gefahrvoll.



Bald umgibt tiefster Wald die acht Wanderer. Für diese Etappe würfle ich Wahrnehmung+Überleben für Til, er soll mithilfe der gestrigen Beschreibung den Weg finden. (Da er zwischendurch nicht melancholisch geworden ist, hat er nicht den Hasenkopf, und darum zieht seine Spezialisierung leider nicht, denn ich hatte bei ihm sein Wahrnehmung-Attribut ja auf ‚Hasen-Ohren‘ spezialisiert.)
Trotzdem sieben Erfolge bei den zwei Würfen. Die Challenge Dice lassen dies zu einem Weak Hit werden. Dieser lässt meinen Wanderungs-Fortschritt auf zwei steigen, auf Kosten eines ersten meiner fünf Punkte Supply.

Til macht eine längere Rast, auf einem Sonnenflecken zwischen den dichten Baumschatten, um zusammen mit den Bunnies welche von den Kumpir und Fladenbroten zu essen.
„Warum werdet Ihr eigentlich immer mehr?“, fragt er seine mumpfelnden Begleiter, „Vermehrt Ihr Euch … wie die Kaninchen? Oder spricht sich unter Euereins nur herum, dass man bei mir in der Wohnung prima unterkommen kann?“
Kichern, mumpfeln.
„Könntet Ihr eigentlich sprechen, wenn Ihr wolltet? Eure Gesichter sind so anthropromorph! Vielleicht habt Ihr sogar sowas wie menschliche Stimmbänder? ... So wie ich auch, wann immer ich gerade meinen Hasenkopf habe?“
Sie melden mit deutlichen Gesten ihrer winzigen Pfoten an, dass sie noch eine Kumpir haben wollen. Til greift in den Stoffbeutel, wo eines von ihnen schon drin steckt, und hilflos mit den Hinterbeinen zappelt. Als er es hervorzieht, ist sein Gesicht voller Kumpir, vor einem Auge hat es eine Olivenscheibe. Til muss lachen.

Der düstere Märchenwald wird zusehends unwegsamer, die Bäume knorrig, die letzten Pfade von Wurzeln, Farnen, und Pilzen überwuchert. Für diese Etappe würfle ich Konstitution+Überleben. Immerhin fünf Erfolge, obwohl Konstitution nicht so ganz Tils Ding ist. Das ist erneut ein Weak Hit: Ein weiterer Punkt Supply wird verbraucht, und dafür steigt unser Fortschritt auf vier.

Til wundert sich über sich selbst, dass er so lange durchgehalten hat, immerhin hat er den ganzen Tag gearbeitet und saß bis Abends spät in der Eilkonferenz im Rathaus. In den Endlosen Wäldern zu wandern scheint ihm ungewohnte Kräfte zu geben ... Aber nun senkt die Nacht sich auch hier hernieder. Und natürlich hat er nicht daran gedacht, eine Lichtquelle mitzubringen! Der Wald ist tagsüber schon duster, jetzt sieht man kaum noch die Hand vor Augen. Ein Feldhasen-Instinkt beschleicht Til: Es verlangt ihn danach, sich irgendwo zu verkriechen! Sie werden morgen weiterreisen müssen.

Ich mache den Move namens Make Camp, mit Geistesschärfe+Supply. Das wird ein Strong Hit:

Tatsächlich ist eine verlassene Erdhöhle zu finden, in die ein Feldhase und sieben Kaninchen passen. Aneinandergekuschelt schlafen sie ein, während draußen vor dem Eingang des Erdlochs der Nachtwind durch die mächtigen Bäume pfeift.

Schalter:
Am nächsten Morgen mümmeln sie etwas Gras und Kräuter zum Frühstück, man kann ja nicht immer Kartoffeln und Fladenbrot essen. Dann verwandelt Til sich zurück, und reckt seine wiedergefundene Menschen-Physiologie. Er hat hervorragend geschlafen. Das Schwert von Yvamore ist hier im Träumen kein Holzlineal mehr, wie zwischendurch in der Herbstwelt. Es ist eine bläuliche Klinge mit goldenem Griff, und egal, wie sehr er die Augen zusammenkneift und blinzelt, sie bleibt das auch, vielleicht war das Holzlineal einfach Einbildung. Til zieht es aus der Schwertscheide, die ihm am Hohlkronenhof mitgegeben worden war. Gründlich reinigen muss man das Erbstück immer noch, es sind noch letzte Reste von Moos daran. Til macht das, und der magische Stahl glänzt schließlich wieder prächtig in den kleinen Sonnenflecken, die durch die Baumkronen hinab fallen.
„Wo kommst Du wohl her? Welche Geschichte hast Du hinter Dir, und wie haben die Sidhe von Aevalorn Dich verloren?“, sinniert Til, „Und wie kannst Du einen eigenen Kampfeswillen haben? ... Davids D&D-Charakter hatte sowas ähnliches, ein sprechendes Schwert, in unserer Kampagne damals …“, aber dieser Gedanke kommt ihm nun fern und abstrakt vor. Hier ist er selbst, körperlich, an der Quelle von dem, was ihm an diesen komischen Rollenspielen damals so reizvoll vorkam. Als wäre das Träumen der Urgrund von all dem.

Was sagen denn die Orakelwürfel zu diesem neuen Tag; geschieht unterwegs etwas Unerwartetes? Deliver Family, ist der Orakelspruch. Das ist passend zum Thema:

Nach ein paar Wegstunden hören sie ein lautes Greinen und Jammern. Gelegentlich Schelte. Beide Stimmen sind menschlich, eine alt, eine jung. Die acht linsen neugierig um einen Baumstamm herum, zu der Geräuschquelle: Auf einem der überwucherten Waldwege gehen zwei mittelalterlich gekleidete Menschen dahin. Ihre Kluften sind graubraun und ärmlich. Ihre Gesichtszüge wirken ein kleines bisschen überzogen, fast karrikaturenhaft, so wie die der Menschen in Holz-Giebel-Brunnen-Dorf. Wie kommen eigentlich überhaupt Menschen in diese Träume?, rätselt Til, normalerweise scheint dies doch ausschließlich die Welt der Kithain und Schimären zu sein, und anteilig der Changelings so wie ihm. Sind die irgendwann hier verloren gegangen? Im Fall dieser beiden schon zu Zeiten des Mittelalters, wie's aussieht ...
„... Genug von diesem Geheul und Zähnegeklapper! Daheim konnt'st Dich nicht benehmen, jetzt ist’s zu spät! Nicht mehr weit bis zur Hütte vom Großonkel!“
„Ich will nicht! Ich will nicht hier im Walde hausen, beim Großonkel!“, ruft der Bube.
„Manieren lehren wird der Dich!“, keift der Alte.
„Ui, Familiendrama!“, raunt Til zu den Kleinen Bunnies.
„Wer da!“, ruft der Alte, und behält seinen Sohnemann am Schlafittchen gepackt, aber legt die freie Hand an seinen Dolch. Er hat scheinbar Ohren wie ein Wachhund.
Til kommt hinter dem Baum vor, legt den Kopf schief, beäugt die beiden. Die Kaninchen hoppeln hinterher.
„Gott behüte! Ein Mann mit Fell und Schweif?! Bist Du etwa der Leibhaftige?“, bringt der Alte hervor, und er und sein Sohn weichen erschrocken zurück.
(Ja stimmt, hier im Träumen können auch Sterbliche das Fell und den Löwenschwanz sehen, im Gegensatz zur Herbstwelt, wo sie Til für einen gewöhnlichen Mitmenschen zu halten scheinen.)
„Nee, ich bin Til. Was macht Ihr hier draußen? Ihr seid die einzigen Menschen weit und breit!“
„Ich liefer' meinen Fridjof bei seinem Großonkel im Walde ab! Was hat einen Gestaltwandler das zu kümmern?“
„Das scheint Dein Sohn aber nicht so gut zu finden. Äh. Kann man Euch helfen?“

Wollen die einfachen Leute denn einer Fee überhaupt Rede und Antwort stehen? Ich würfle Charisma+Überzeugen für Til, ohne Move, nur als reguläre Entscheidungshilfe. Leider ein Patzer!
„Lauf', Lümmel! Renn' um Dein Leben!“, befielt der Alte, und beide machen sich panisch davon. Der Alte wendet sich noch einmal um, um mit einem wütenden Schrei sein Messer zu werfen! Til hat plötzlich sein Schwert in der Hand, hat es aus der Halterung gerissen, und es hat ein Pfeifen und ein sphärisches Zischen getan, und den herbei fliegenden Dolch aus der Luft geschlagen! Fünf Erfolge bei Geschick+den beiden relevanten Aspekten. Gleißend blau leuchtet die Schwertklinge auf. Til guckt fast ebenso überrascht wie der Bauer.

Kurz darauf hören die beiden schwer atmenden Leute in der Düsternis des Unterholzes eine Stimme hinter sich: „… Willst Du Deinen Dolch nicht wiederhaben?“
Beide zucken zusammen und wirbeln herum. Da steht der Mann mit dem weißen Fell hinter ihnen, in der Dunkelheit, und er hat dem Bauern sein Messer nachgebracht!
„Wer—bist—Du!“, keucht der, atemlos.
„Na,—Til“, keucht dieser, den atemlosen Tonfall spöttisch nachahmend, „Sag' ich doch!“
„Was willst Du von uns! Warum treibst Du Deinen Schabernack mit braven Leuten?“
„Ich will doch nur wissen, warum Klein-Fridjof in den Wald abgeschoben wird? Ist das nicht irgendwie scheiße, wenn er das gar nicht will?“
„Das“, erbost sich der Bauer, und rüttelt den Bengel am Schlafittchen, „das ist ein ganz unverbesserlicher Rotzlöffel! Ein Tagedieb und Faulenzer! Und wir haben schon zu viele Mäuler, die gestopft werden müssen auf unserem Hofe. Der Großonkel wird ihn schon hinbiegen!“
„Der Großonkel ist ein Räuber, und ein Menschenfresser!“, bringt der Bube hervor, „Der wird mich auffressen! Kochen und auffressen wird der mich, wenn ich nicht mach', was er sagt!“
„Dann lernst Du immerhin mal, zu spuren!“
„Stopp“, sagt Til.
„Was soll das heißen, stopp?!“
„Das geht zu schnell! Du hast doch bestimmt Deinen Sohn heute Morgen nicht nochmal gefragt, ob er sich bessern will, bevor Du ihn davon geschleift hast, oder? Dabei bin ich höchstpersönlich letzte Nacht als gerupfte Schneeeule auf seinem Fenstersims erschienen, und habe ihm gesagt, schuhuu, das ist Deine letzte Chance! Das Versprechen nach Besserung habe ich ihm entlockt!“
„Schneeeule?“, fragt Fridjof perplex.
„Ja, ich war das. Die gerupfte, sprechende Schneeeule, 'n richtiges Suppenhuhn. Mehr war gestern Nacht nicht drin. Die mit dem fiesen rechten Glotzauge! Ich war das. Und, Herr Bauer: Besserung hat er gelobt! Reue hat er gelobt! Eine versteckte Gabe, künftig die einträglichsten Händel vorherzusagen habe ich ihm gegeben, und die poetische Zunge des künftigen Marktschreiers Eures Dorfplatzes! Und nach all dem willst Du, Herr Bauer, jetzt sagen, er soll trotzdem zum menschenfressenden Verwandten gebracht werden? Das ist nicht recht!“

Das soll mal ein Compel-Move sein. Til lügt sich mit Charisma+Überzeugen acht Erfolge zusammen, und die führen laut Challenge Dice zu einem Strong Hit!

„Oh, na, dann“, bringt der überforderte Bauer hervor, „Das hatte ich ja nicht gewusst! Danke, hoher Herr!“
„Bitte. Hier ist Dein Dolch wieder. Fridjof, denke daran: Niemand kann einen guten Handel künftig so gut vorhersehen wie Du mit Deiner Spürnase! Und niemand wird solch ein begnadeter, eloquenter Marktschreier sein wie Du es werden wirst! Gehe hin und nutze die Gaben der Schneeeule mit dem fiesen Glotzauge gut!“
„Ja, Herr!“, nickt dieser begeistert, er scheint sich selbst nicht mehr ganz sicher zu sein, dass er das nächtliche Treffen mit der Eule gestern nicht erlebt hat.
Dann ziehen sie ab, zurück in die Richtung aus der sie kamen.
Til und seine Bunnies sehen ihnen nach.
„Glaubt Ihr, das war ganz gut, Freunde?“, fragt Til, „Ich habe das nur so daher improvisiert! Eigentlich sollte man Leute ja nicht so verarschen. Andererseits, der Placebo-Effekt hat schon oftmals Wunder gewirkt, nicht wahr?“
Die Bunnies nicken, sie fanden das alles ziemlich unterhaltsam und komisch.

Die nächste Wegetappe würfle ich mit Wahrnehmung+Überleben. Ein Strong Hit wird daraus: Der Reise-Fortschritt steigt auf sechs.

Der Wald wird im Verlaufe des Mittags etwas weniger dicht, ein paarmal überqueren die Wanderer einen breiten Sandpfad für Pferde und Kutschen. Abseits aller Wege jedoch liegt ein weites, völlig verwildertes und heruntergekommenes Gebiet, welches einst prächtige Gartenanlagen gehabt haben muss. Nun sind im Zwielicht des Waldes davon nur noch ein paar warnende Steinmonolithen zu sehen. Über den Dornenhecken und Büschen ragt die Spitze eines windschiefen Turmes auf.



Ein merkwürdig bekannt aussehender Turm im Wald


Drei Erfolge bei Intelligenz+Gremayre lassen Til diese Hinweise zusammensetzen:
„Ein einzelner Turm im Wald, ohne Türen, nur mit einem Fenster? Hey, Freunde, das passt ja zu der Geschichte von dem Blinden, an dem wir vorüber schleichen sollen! Versteht Ihr?“
Die Bunnies reißen die Knopfaugen auf und sperren die Mäulchen auf, und schütteln die Köpfe.
„Rapunzel! Dies hier, das sieht nicht nur aus wie ein Grimm'scher Märchenwald — er ist es auch. Hier ist Rapunzel im Turm eingesperrt von der fiesen Ziehmutter! Aber wir kennen ja die Losung, um da hoch zu kommen! Und von da oben kann man über viele der Bäume hinweg sehen, da können wir vielleicht den Waldrand erspähen, und dahinter … die Wüstenei!“

Also schleichen sie sich bis zu den Fundamenten des windschiefen Turms. Er sieht wirklich ziemlich einsturzgefährdet aus, als würde nur noch ein frommer Wunsch ihn zusammenhalten.
„Rapunzel, Rapunzel! Lass' Dein Haar herunter!“, raunt Til, unter dem Fenster an die Wand gepresst. Das Fenster bleibt jedoch dunkel. Jetzt entdeckt er lange, helle Fäden, die am Fensterhaken wehen, und an der Seite des Gemäuers, und dahinter in den dunklen Zweigen. Die hatte er für überlange Spinnenfäden gehalten.
„Fuck, das sind ja Rapunzels Haare!“, raunt er.
Und mit seinen drei Erfolgen erinnert er sich detailliert an das Märchen: „Dann, oh Bunnies, ist der Moment schon geschehen, da die Ziehmutter Rapunzel in Wut die Haare abgeschnitten hat! Wir sind zu spät. Klar, denn der arme Königssohn irrt ja angeblich schon mit ausgestochenen Augen hier umher. Jetzt kapiere ich. Und dann kommen wir auch nicht hinauf in den Aussichtsturm — außer mit unserer eigenen Zauberei!“

Til rennt also leise und hurtig dreimal um die Basis des alten Turmes herum, und zählt keuchend dabei mit: „Eins — zwei — drei!“
Das ist sein Schelmenspiel für Hopscotch. Ich würfle daraufhin drei Erfolge bei Wayfare+Fae, und husch!, hebt ein mächtiger Sprung ihn in die Höhe empor.

Elegant setzt er auf Zehenspitzen und Händen auf dem gemauerten Fenstersims auf.

Ist die mysteriöse Ziehmutter noch hier als Bewohnerin des Turms? Nein, sagt das Orakel:

Im Inneren sind alle Möbel von Staub und Spinnweben bedeckt. Ein großes Ölgemälde von einem jungen Mädchen hängt über einem Möbelstapel an der Wand.



Rapunzel auf dem Gemälde, vor ihrer Verbannung


„Sie ist tatsächlich superschön, ‚ward das schönste Kind unter der Sonne‘, alles klar. Schade drum“, sagt Til, als er das Bildnis betrachtet. Dann späht er aus dem Fenster, und vermeint, die Baumgrenze am Horizont zu sehen, und dahinter eine flimmernde, gelbbraune Landschaft.
„Das Wüste Land“, sagt er gedankenverloren, „Dort marschieren wir raus aus Grimms Märchen, und rein in Tankred Dorsts Geschichte von der Tafelrunde … Vielleicht. Mal sehen.“

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln