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Ausmanövrieren von Gegnern in Überzahl

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gilborn:
Ich habe oft die Vermutung, dass es relativ realistisch ist, dass ein einzelner erfahrener Nahkämpfer, mehrere unerfahrene Gegner über einen längeren Zeitraum so ausmanövrieren kann, dass ihn nicht jeder Angreifen kann, insbesondere, wenn er viel Bewegungsfreiheit nach hinten hat.

Fragen die hier auftauchen:

* An die Kampfsportler bzw. die, die sich mit dem Thema beschäftigt haben: Ist das tatsächlich so, oder trügt meine Intuition?
* Wenn ja, wie viele könnten den einen Verteidiger Angreifen, wie viele würden tendentiell nicht zur Attacke kommen?
* Gibt es Rollenspiele, die dies Abbilden?
Ein konkretes Beispiel:
Raidri der Schwertkämpfer wird von 4 Redshirts mit ebenfalls 4 Schwertern angegriffen - wie viele von ihm können ihn pro Kampfrunde (6s) Attackieren?


EDIT:
Ein Zwischenfazit aus der Diskussion findet sich hier.

Quaint:
Was ich gelegentlich gesehen habe, ist dass die Mooks dann als Gruppe abgehandelt werden, und das von den Werten her so liegt, dass ein erfahrener Raidri da nur mäßig Angst haben muss.
Wenn man die einzeln auflöst hab ich eher selten, eigentlich bisher nicht, gesehen, dass ein Spiel sagt: ihr dürft jetzt aber nicht dahin gehen und den angreifen *weil*.

nobody@home:
Puh...in Sachen Realität bin ich definitiv kein Experte. Ich hab' allerdings vom einen oder anderen YouTuber, der zumindest so tut, schon aufgeschnappt, daß bereits ein Kampf zwei gegen einen deutlich härter für den Letzteren sein soll, als man auf den ersten Blick vermuten möchte.

In Sachen Fiktion gibt's allerdings einen wichtigen Punkt, der in vielen Medien auftaucht und für uns möglicherweise hier relevant ist: TV Tropes nennt ihn (latürnich auf Englisch) "Mook Chivalry". Dabei geht's um den implizierten stillschweigenden 'Ehrenkodex' für Mooks, der es ihnen beispielsweise verbietet, einen Einzelgegner tatsächlich alle gleichzeitig anzugehen (also sich beispielsweise alle auf ihn zu werfen und schon unter ihrem gemeinsamen Gewicht zu begraben) -- das sieht man gerne mal in einschlägigen Filmkampfszenen, wo immer nur ein oder zwei 08/15-Gegner den Eigentlich Wichtigen Charakter (tm) gleichzeitig angehen, während der Rest mehr oder weniger sinnfrei in der Gegend herumhampelt, und selbst diese Einzelgegner sich nicht wirklich besonders viel Mühe geben, ihn tatsächlich zu besiegen. (Ist ja auf der Darstellerebene auch gar nicht ihr Job.)

Und damit ergibt sich natürlich ein Stück weit die Frage, wie "realistisch" das Thema behandelt werden soll. Denn daß ein Elitekämpfer reihenweise entbehrliche Komparsen ausmanövriert...das paßt mMn im Zweifelsfall tatsächlich besser in einen Film mit entsprechender Kampfchoreographie als in ein reales Szenario, in dem's für die Beteiligten wirklich um mindestens das potentielle Einstecken und Vermeiden von Blessuren, wenn nicht gleich um Leben und Tod geht. Auf der anderen Seite haben die meisten von uns vermutlich nicht zu viel dagegen, auch mal einfach "unrealistisch" gute Kämpfer spielen zu dürfen. Also, in welche Richtung zielt dieser Faden eher?

Runenstahl:
In der Realität hast du verloren wenn mehrere Leute dich angreifen können. Im Zweifelsfall sollte man da weglaufen.

Was aber wenn man nun kämpfen möchte (z.B. weil man in die Enge getrieben ist) ? Sich so zu bewegen das man Gelände und seine Feinde nutzen kann damit diese sich behindern ist die einzige Chance. Wie gut das in Praxis klappt ? Keine Ahnung.

Es gibt eine Anzahl von historischen Kämpfen in denen Einzelkämpfer eine Gruppe von Leuten besiegt haben. Wieviel Wahrheit diese Geschichten beinhalten sei mal dahin gestellt, meist sind sie ja von den tapferen Einzelkämpfern selbst erzählt worden (Miamoto Musashi, Donald Mc Bane) ;)

Wir haben bei uns im Kampfsport bisweilen solche Situationen geübt. Im Training klappt das. Im Training kann man allerdings unbewaffnet auch Messer- und Schwertangriffe ohne einen Kratzer abwehren. Ich wäre also sehr vorsichtig damit sowas als realistisch zu betrachten.

Edit:
Hier noch Youtube Videos zu dem Thema
Donald McBane https://www.youtube.com/watch?v=x6TXmN0eUSk
und was vom Sessel https://www.youtube.com/watch?v=gYcFt8gN3vs

Femenmeister:
Als ehemaliger aber langjähriger Kampfsportler bzw. Selbstverteidungspraktiker gebe ich mal meinen Senf dazu – wie immer bei einem solchen komplexen Thema ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit!
Speist sich nur aus meiner Erfahrung, sowohl im Training als auch auf der Straße. Aber gerade in letzterer Situation kommt es nie so, wie man es vielleicht geplant hat. Und das gilt besonders dann, wenn man es wie in Deinem Beispiel mit unerfahrenen Gegner zu tun hat – dadurch dass sie nicht wissen, was sie tun, machen sie oft irgendetwas, mit dem niemand rechnet. Das macht sie in der Konfrontation manchmal zu einem größeren Problem, als es vielleicht geschultere Zeitgenossen wären.

Zunächst müsste man klären, was „über längere Zeit“ bedeutet. Geht man von einem echten Kampf auf der Straße aus, so ist dieser in den meisten Situationen innerhalb weniger Sekunden vorbei. Es ist nicht wie im Film, wo fein abgestimmte Schläge ausgeführt, geblockt und wieder ausgeführt werden. In der Realität kommt z.B. oft ein Heumacher von der Seite angeflogen und dann heißt es schon gute Nacht – es sei denn man hat es irgendwie geschafft, etwas zwischen sich und dem Angreifer zu bringen, sei es ein Arm oder die nötige Distanz. Und das Risiko ist bei mehreren Angreifern natürlich exponentiell höher.

Dementsprechend gilt: je länger ein Kampf dauert, desto höher ist die Gefahr, ernsthaft verletzt zu werden. Einen Kampf zu verlängern, etwa, in dem man ständig zurückweicht, ohne Perspektive die Gegner selbst zu treffen, ist nicht zielführend. Man wird seinen Gegner nicht durch „zurückweichen“ k.o. schlagen, sondern nur, indem man selbst Wirkungstreffer landet.

Aber um trotzdem nochmal dezidierter auf Deine Frage einzugehen, insbesondere Punkt 1 und Punkt 2: Im absoluten Idealfall (und der ist auf der Straße so ne Sache...) bestimmen nicht die Angreifer, mit wie vielen von ihnen es der versierte Verteidiger zu tun bekommt, sondern der Verteidiger entscheidet es selbst.
Angenommen, es kommen drei Typen auf mich zu. Dann warte ich nicht, bis einer von ihnen mich anpackt, sondern ich ergreife die Initiative und greife mir einen der Äußeren (!). Gegen den Mittleren möchte ich auf gar keinen Fall was starten, denn dann kommen seine Kollegen von der Seite und ich bin von Fäusten mit unfreundlicher Absicht im wahrsten Sinne des Wortes umzingelt. Das gilt sogar, wenn der Mittlere mich zuerst angreift – ich würde dann versuchen, um ihn herum seinen Nebenmann anzugreifen. Wenn ich Glück habe, kann ich bei dem was reißen und ihn dann seinen Kollegen in den Weg zu schmeißen. Ob das wirklich funktioniert, ist dann die andere Frage.

Also: Bewegungsraum nach hinten ist sicherlich gut, aber meist endlich. Wenn ich nur rückwärts gehe, stehe ich meist irgendwann mit dem Rücken an der Wand und das endet dann nicht schön. Lieber nach vorne gehen, ran an den (Seiten)Mann und versuchen, mir eine Möglichkeit zur endgültigen Flucht zu öffnen - was ohnehin immer die beste aller Lösungen ist.

Ach ja, das war ein anderes Leben... Entschuldige, wenn ich mich hier schreibtechnisch etwas entblößt habe. Vielleicht war was dabei, was Dir hilft.


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