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Wann ist die "Realität" außerhalb der Spielgruppe verbindlich?
Zed:
Innerhalb von einem Tag wurde in zwei unterschiedlichen Threads das gleiche Thema angesprochen:
--- Zitat von: nobody@home am 22.05.2025 | 13:47 ---Hm...da könnte man wieder nachhaken, ab wann ein "Ereignis" als "entstanden" gilt, und wie man die (böswillige?) "Absicht" nachweisen soll. Denn rein aus Spielersicht wird ein Ereignis ja erst dann überhaupt zu einem solchen, wenn die SL es verkündet, und das Interpretieren von Regeln und Würfelergebnissen und Herumwurschteln hinter dem Schirm (so sie einen verwendet) ist auch schlicht und ergreifend Teil ihrer Aufgabe -- damit kann sie es aber gar nicht "anders" kommunizieren als genau so, wie sie es tut, denn "vorher" war es ja noch gar keins. :think:
--- Ende Zitat ---
--- Zitat von: gunware am 22.05.2025 | 14:14 ---Wenn die SL würfelt, dann entsteht das Ereignis, den nach den Regeln hat der Wurf Konsequenzen. Falls die SL kein Ergebnis von Würfel will, braucht sie nicht würfeln.
--- Ende Zitat ---
--- Zitat von: Zed am 21.05.2025 | 15:03 ---Angenommen, Baranik bleibt als (scheinbarer?) Antagonist noch etwas länger leben, und irgendwann, beim großen Showdown, stellt er sich überraschend auf die Seite der Gruppe und gegen die Bestar, wie geil wäre das denn, dramaturgisch gesprochen?
Bei Schrödingers Katze ist das Gegenteil gleich wahr: Seine Gedankenexperiment-Katze ist tot und lebendig zugleich, und erst wenn es drauf ankommt (man nachsieht), fällt die Entscheidung, ob die Katze schon tot war oder nicht.
Ich habe in diesem Beitrag mal den Begriff "offen halten" genutzt. Aber genauer wäre, dass ich bei der "Durchdringung" der gespielten Welt einiges gerne und bewusst in einem "Schrödinger Katze"-Zustand halte. Das öffnet die Tür für gut improviserte und auch dramaturgisch interessante Reaktionen.
Schrödinger-Baranik "zugleich" als Feind der Gruppe und "zugleich" als Teil der Rebellion: Ist das nicht eine Art Betrug?
Ja, unter Umständen (die ich vermeide würde ich es Betrug nennen: Sobald eine der beiden Rollen Baraniks zur gespielten Realität geworden sind, ist die eine Rolle festgelegt. Konsistenz der gespielten Welt und so.
...
Solange aber können beide potentielle "Realitäten" wahr sein - und das ist dann kein "Betrug": Dass er für die Invasoren arbeitet oder dass er heimlich gegen die Invasoren arbeitet, und seine Taten im Sinne der Bestar nur seiner Tarnung dienen. Ob ein Schrödinger-Oger Betrug ist, hängt also davon ab, ab wo die Realität beginnt. Und für mich beginnt sie ab dem Moment, wo die Realität sich durch Ausspielen manifestiert hat.
--- Ende Zitat ---
--- Zitat von: Zed am 22.05.2025 | 15:30 ---Ich habe die Vermutung, dass Andere hier es simulationistischer sehen: Nämlich dass die Spielrealität parallel zur Spielgruppe existiert.
--- Ende Zitat ---
--- Zitat von: nobody@home am 23.05.2025 | 07:53 ---Das vermute ich ähnlich, teile den Standpunkt aber nicht. Aus meiner Sicht ist die "Spielrealität" schlicht ein geistiges Hilfskonstrukt, das durchaus seinen praktischen Nutzen hat (ohne "Unterlage" hinter der reinen Beschreibung an die Spieler hätte zumindest ich so meine organisatorischen Probleme im eigenen Hinterstübchen), sich aber nichtsdestoweniger vom Rest des Kopfes der SL nicht so weit trennen läßt, daß letztere sich auf einen reinen Vermittlerstatus o.ä. zurückziehen und berufen könnte -- die Spielwelt ist immer noch so, wie die SL selbst sie will, und wenn sich das für die SL mal anders anfühlt, dann liegt es vermutlich einfach daran, daß sie sich gerade in eine Ecke gedacht und noch keinen Ausweg aus dieser gefunden hat.
--- Ende Zitat ---
Was meint Ihr? Existiert für Dich eine Spiel"realität" außerhalb des Gespielten? Oder ist nur das verbindlich als "real" anzusehen, was auch ausgespielt wurde?
KhornedBeef:
Natürlich existiert die Spielerealität abseits dessen, was bereits gespielt wurde. Es kann nur nie eine objektive Realität sein, solange die SL sich nicht 100% selbst darauf verpflichtet. Und selbst dann muss ja irgendwer Dinge interpretieren und evaluieren. D.h. ein kopfkino ist das,was dann zählt.
Letzteres ist in der OSR meist der Fall: Die SL macht es nach bestem Wissen und Gewissen so, nicht nach Gutdünken.
Für mich ist es so: die Realität ist da, auch unabhängig, aber ich habe sie an den nicht bespielten Stellen einfach gemacht, und ich kann sie ändern. Aber ich weiß dann, dass das ein Eingriff war, und kategorisiere es als solchen.
Issi:
Ich hoffe, dass ich verstanden habe, worauf es hinaus soll.
Würde sagen, dass ich als SL Ingame Realitäten anbiete, "gekauft " werden sie aber erst, wenn die Gruppe sie als "wahr" akzeptiert hat.
Wenn jetzt einer am Tisch sagen würde: "Echt jetzt?"
(Oder ähnliches), müsste man diese Wahrheit neu verhandeln.
Das gilt bei Beschreibungen, Handlungen aber natürlich auch bei Würfelergebnissen oder Charakterwerten.*
* A la "Was der Typ ist immer noch fit? Das kann doch gar nicht sein." Und ähnliches.
Edit.
Das gilt auch für "Realitäten", von denen die Gruppe offiziell nichts weiß.
Sie muss von allen erst als "wahr" akzeptiert werden, bevor sie alle als existent ansehen.
Davor sind sie ein Traum, (m)ein Gedankenkonstrukt.
Boba Fett:
Ich sehe das simulationistisch. Die Spielwelt existiert und hat Handlungen und Entwicklungen auch ausserhalb der Wahrnehmung der Charaktere.
Die Handlungen der Charaktere kann sich darauf auswirken.
Allerdings überlege ich mir als SpL nur grob, was jenseits des Wahrnehmungs-Horizontes der Spieler-Charaktere passiert und meist im Detail nur retrospektiv, wenn es in die Nähe des Horizontes gelangt. Ich dichte definiertes aber noch nicht wahrgenommenes allerdings nicht nachträglich um, nur weil mir das irgendeine Szenerie oder ein Abenteuer ermöglicht.
Wenn der Drache die Prinzessin gestern gefressen hat, ist sie tot, auch wenn die Charaktere das nicht wahrnahmen und es jetzt ein tolles Abenteuer mit Prinzessinnen-Rettung geben könnte.
Am Ende von Abenteuern oder Kampagnen haben wir nicht selten noch "Was Eure Charaktere nicht sahen, ..." Gespräche. Die werden von den Mitspielenden auch interessiert aufgenommen.
aikar:
--- Zitat von: Issi am 23.05.2025 | 09:16 ---Würde sagen, dass ich als SL Ingame Realitäten anbiete, "gekauft " werden sie aber erst, wenn die Gruppe sie als "wahr" akzeptiert hat.
Wenn jetzt einer am Tisch sagen würde: "Echt jetzt?"
(Oder ähnliches), müsste man diese Wahrheit neu verhandeln.
--- Ende Zitat ---
Das sehe ich für mich ähnlich. Wie stark definiert das "Angebot" ist, hängt von der Kampagne/System ab. Bei manchen Runden (vor allem PbtA und Turbo Fate, aber z.T. auch Beyond the Wall und Mutant Jahr 0) entsteht die Welt fast komplett spontan, oft auch unter starker Einbindung von Spieler-Ideen. Bei anderen (z.B. Wildermark in Aventurien oder Vampire) habe ich ein starkes Bild der sich auch von den SC unabhängig entwickelnden Welt und Situation. Selbst in diesem Fall bin ich aber bereit, meine Vorstellung kurzfristig umzuwerfen, zugunsten einer cooleren Idee (von mir oder den Spielenden), die genauso viel oder mehr Sinn macht. Und bitte brecht jetzt nicht die nächste "Schummel"-Diskussion vom Zaun.
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