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[Savage Worlds | Ironsworn] Savage X-Men
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Zwischendurch mal wieder was anderes:
Die X-Men sind seit der Zeichentrickserie in den frühen Neunzigern meine Lieblingstruppe bei Marvel. Also mache ich hier mal dasselbe, was Marvel Comics auch immer wieder macht (und mittlerweile sogar zur Tugend erhoben hat, mit dem ganzen Multiversum-Quatsch, den sie inszenieren): Nach Gusto von neuem erzählen! Und da ich durch Savage World of Eternia umso mehr Bock auf Wild Cards mit Superkräften habe, mache ich das wieder mit dem Super Powers Companion (3. Edition).
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Eine Sache hat mich allerdings immer irgendwie irritiert bei diesem speziellen Superhelden-Team: Was für eine Art von Instanz sind die eigentlich? Sie nennen sich eine Schule (‚Charles-Xavier-Schule für begabte Jugendliche‘), sind aber mehrheitlich zu alt dafür, die Schulbank zu drücken. Sie sind eine paramilitärische Eingreiftruppe, allerdings ohne staatliche Legitimation, sie agieren eher wie eine NGO, nur eben mit Kampfeinsätzen. Sie sind nicht die klassischen Crimefighter-Superhelden, sondern haben sich ursprünglich zusammengefunden, um böse Mutanten-Artgenossen aufzuhalten, beziehungsweise auf der anderen Seite die Mutantenhasser in ihre Schranken zu weisen. Handfester Erzählstoff. Warum aber beschäftigen sie sich dann gefühlt die halbe Zeit stattdessen mit extraterrestrischem Klimbim, Parallel-Dimensionen, und Multiversums-Hopping …?
Kurzum: Der übergroße Blumenstrauß an Themen soll für diese Kampagne hier mal massiv runtergedampft werden. Diese Version der Marvel-Erde ist dementsprechend weniger vollgepackt mit Sci-Fi- und Fantasy-Elementen. Marvel-Erde 7723057 nennen wir die mal. Die X-Men werden hier auch keine schillernde, wohlfinanzierte High-Tech-Eingreiftruppe sein, sondern was völlig anderes: Eine Gang aus Geächteten. Mal sehen, wie das sich entspinnt ...!
Gleichermaßen werden für meine Zwecke die Vorgeschichten der einzelnen Charaktere so weit zusammengekürzt, dass sie (für meinen Geschmack) halbwegs glaubhaft werden. Im Original der Comics sind die Hauptfiguren in den 1960ern Twens — aber immer noch in ihren Dreißigern in den 2020ern. Die innere Logik ihrer Lebensgeschichten scheint unter der schieren Fülle von Superlativen und Blödsinn in sich zusammenzufallen. Das hätte ich auf jeden Fall hier gerne anders gemacht!
Ich will ausnahmsweise mal das Spiel mit Novice-Charakteren beginnen; das bedeutet, dass die meisten der X-Men-Anwärter bei Spielbeginn tatsächlich nicht viel mehr als Kids sind. Nur ihre Superkräfte machen sie mächtig, nicht ihre bisherige Kampferfahrung.
Passend dazu peile ich hier einen anderen Ton an als in den meisten der Comics und Filme zum Thema: Anstatt sich damit zu beschäftigen, wer hier der Coolste, Mächtigste (und bisweilen Mörderischste) ist, sollen die Hauptfiguren in dieser Version der Story als fehlbarer daher kommen, und als durchaus auch verletzlicher.
Gespielt wird das Ganze mal wieder mit CMON-Miniaturen, für die habe ich ein Faible, diesmal mehrheitlich (wie könnte es anders sein) die aus dem Zombicide-Brettspiel zu Marvel Zombies.
Kleiner Disclaimer #1: Mein Marvel-Fanboy-Wissen war mal recht umfänglich, aber ist in den letzten Jahren ordentlich abgehängt worden, ich habe ja nicht mal die ganzen Serien (wie ‚Agents of S.H.I.E.L.D.‘ und so weiter) gesehen, oder auch nur alle von den MCU-Filmen. Und gerade die X-Men-Filme fand ich weitestgehend abschreckend. Haupt-Inspirationsquelle für diese Kampagne sind daher die alte X-Men-Trickserie von '91, die Comics aus den 90ern und die Serie ‚Ultimate X-Men‘ aus den 00ern, und ansonsten schnöde Wikipedia-Zusammenfassungen! Da die Handlung auf einer der alternativen Marvel-Erden spielen soll, kommt mir das aber stimmig vor, ich will eh weit weg vom Plot, wie er sich im offiziellen Kanon entspinnt.
Kleiner Disclaimer #2: Obwohl hier politische Themen berührt werden, ist dieser Text dennoch natürlich zu Entertainment-Zwecken und gewissermaßen als Satire gedacht. Rechtsextreme wie Linksextreme sind auch in dieser Spielwelt voll daneben. Alle kriegen ihr Fett!
Setting
Unsere brandneu erstellte Marvel-Erde 7723057 soll folgendermaßen aussehen. Ein paar Grundideen lege ich im Vorhinein fest, der ganze Rest der Details ergibt sich womöglich nach und nach im Spielverlauf.
Soundtrack: Primer 55, Revolution
https://www.youtube.com/watch?v=rTk56qLQm30
Mutanten tauchen in den 1960ern erstmals in den Amerikanischen Medien auf, aber nur in einzelnen Berichterstattungen. In einigen ländlichen Gegenden kommt es in dieser Zeit zu Konfrontationen oder Verfolgungen. In New York ziehen besonders entstellte Mutanten sich Gerüchten zufolge in verlassene Bereiche der Kanalisation zurück und bekommen dort daraufhin den Namen ‚Morlocks‘.
Schließlich wird es wieder still um die angebliche versteckte Mutanten-Population der USA.
In den 2010ern strömen jedoch neue Gruppen von Mutanten zusammen. Es kommt zu einer Masseninhaftierung von solchen Mutanten in Los Angeles. Die Öffentlichkeit der USA richtet schlagartig wieder ihr Augenmerk auf das Thema. Versammlungen von Mutanten werden verboten, und eine Meldepflicht wird eingeführt, allerdings noch nicht durchgesetzt. Mutanten, die unauffällig aussehen, können diese leicht umgehen.
Die US-Behörde Mutant Control Agency (MCA) wird dafür gegründet, als Mutanten-Überwachungs-Büro.
In vielen US-Städten eskaliert der Hass auf Mutanten
Daraufhin kommt es zu Mutantenjagden und Gewaltexzessen in vielen ländlichen Gegenden von Missouri, Florida, Alabama, und Wyoming. Ab 2015 kursieren Genozid-Aufrufe im Internet seitens der ‚Friends of Humanity’ und anderer radikaler Gruppen.
Magneto und die Bruderschaft der Mutanten
Um den charismatischen jüdisch-stämmigen Psychologen Erik Magnus, nun auch als Magneto bekannt, formieren sich mehrere radikale Widerstandsgruppen. Die bekannteste — und am meisten Gefürchtete — wird von Magneto ‚Bruderschaft der Mutanten‘ genannt. Eine Reihe von Drohvideos sind im Internet zu finden, die auf die Bruderschaft zurück gehen, und kleine Schurkenstreiche und Internetverbrechen werden seit den 2010ern von ihr durchgeführt.
Magnetos Unterstützer finden zusammen
Schließlich findet ein Anschlag von Magneto in New York City statt, der spektakulärste der Bruderschaft bisher. Magneto persönlich fliegt in der Militärbasis Cape Citadel ein, und ein Kampf entbrennt, und zieht sich herüber bis nach Manhatten. Er zerstört dabei mit seinen spektakulären Mutantenkräften im Alleingang vier Kampfjets und zwei Panzer des Militärs, nebst einem Dutzend Polizeifahrzeuge verschiedener Art. Sein Mob von Untergebenen plündert daraufhin die Upper Eastside. Die Plünderer bestehen zum Teil aus Mitgliedern der Bruderschaft, aber ansonsten aus radikalen Linksgruppen und Gesetzlosen, die von der eigentlichen Fraktion nur aufgehetzt und instrumentalisiert wurden.
Das Weiße Haus und die Mutant Control Agency verhängen als Reaktion auf Magnetos Anschlag den Ausnahmezustand über New York.
President Thaddeus Vane, Ronnie Platton, und Edgar Gyrich
Der populistische Republikaner Ronnie Platton hat seine zweite Amtszeit als US-Präsident gerade beendet. Er ist in seinen massiven Bemühungen gescheitert, die Verfassung in den USA zu seinen Gunsten zu verändern, damit er eine dritte und vierte Amtszeit würde durchlaufen können. Auch sein Versuch im letzten Moment, das Amt des Präsidenten erblich zu machen, um ganz ohne Wahlen zumindest seinen Sohn als Nachfolger ernennen zu dürfen, scheiterte kläglich. Platton ist alt, fett, und noch exzentrischer geworden, und selbst die Hardliner aus seiner republikanischen Anhängerschaft haben begonnen zu vermuten, dass er sich und seine Geschäftsfreunde nur weiterhin durch politische Winkelzüge bereichern wollte, durch sein Amt als Präsident.
Die Präsidentschaftswahlen sind gerade von dem jüngeren Republikaner Thaddeus Vane entschieden worden. Ronnie Platton verlässt das Weiße Haus als Witzfigur. Präsident Vane tritt jedoch in Plattons Fußstapfen, und tutet in dasselbe Horn — wie Zweifler sagen, ein weiterer Schritt auf dem Weg in ein faschistisches Amerika. Thaddeus Vane ist jedoch vornehmlich von den politischen Ränkeschmieden Edgar Gyrich und Bolivar Trask aufgebaut worden, um genau dies zu ermöglichen.
Edgar Gyrich ist einer der wichtigsten Männer bei der MCA, und zieht es vor, aus den Schatten heraus zu agieren. Ronnie Platton hatte ihm und seiner Behörde mit seiner faschistoiden Politik seinerzeit bereits in die Hände gespielt. Vom neuen Präsidenten Thaddeus Vane verspricht Gyrich sich noch mehr.
Ex-Präsident Ronnie Platton, sein Nachfolger Thaddeus Vane, und MCA-Chef Edgar Gyrich
President Vane und Ronnie Platton haben zu Beginn des Ausnahmezustandes die Gründung von Bürgermilizen legitimiert, und ihnen gegenüber Mutanten allerlei Sonderrechte eingeräumt, welche ansonsten nur Polizei und Militär haben. Hier strömen augenscheinlich die dümmsten und korruptesten der gewaltbereiten Schlägertypen der Ostküste zusammen, um ihren Fremdenhass offen ausleben zu können — genau jene Wählerschaft also, die Vane und sein Speichellecker Platton insgeheim schon immer bevorzugt haben.
Im Zuge dieser Ereignisse kommt es zu einem ersten Einsatz von fortschrittlicher Roboter-Technologie, welche die Firma Trask Industries der US-Regierung zur Verfügung stellen möchte. In Florida und Texas wird ein ‚System zur Niederschlagung von Mutanten-Bedrohungen‘ erprobt, womöglich erfolgversprechend, aber bei Nacht und Nebel …
Trask Industries
Unterstützt wird die neue Vane-Regierung und die MCA von denselben Großkonzernen, die bereits die beiden Amtszeiten der korrupten Platton-Regierung ermöglicht haben. Die Konzerne gehen händereibend davon aus, dass Präsident Vane ihnen dieselben heimlichen Zuwendungen geben würde wie Platton es während seiner Präsidentschaft gemacht hatte mit seiner fortwährenden Trickserei. Die Prominenteste unter diesen Firmen ist Trask Industries. Dieser Technologiekonzern ist weltberühmt für seine Roboterforschung, und versucht verbissen, den erbitterten Konkurrenten Stark Industries endlich in den Schatten zu stellen.
Ihr Gründer Bolivar Trask ist nun bereit, mit den korrupten Kräften der neuen US-Regierung gemeinsame Sache zu machen, um seine wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Die Etablierung von Thaddeus Vane als neuer US-Präsident ist für ihn der nächste Schritt auf dem Weg in die Plutokratie, in der sein Konzern sich als treibende Kraft hervortun soll. Der nächste Schritt dabei ist der Start seines zukunftsweisenden Roboter-Programms. Die extremistischen Kräfte im Staat wie Vane, Platton, und die MCA sehen sich gezwungen, eine solche Fratze aufzusetzen, und Bolivar Trask ist gerne bereit, ihnen die technischen Möglichkeiten dafür zu liefern.
S.H.I.E.L.D.
S.H.I.E.L.D. ist in den 1940ern gegründet worden, ursprünglich, um das Amerika und die UN-Staaten der Nachkriegszeit vor Bedrohungen durch verbleibende Übermenschen zu verteidigen. Die Gewaltakte durch Mutanten-Gruppen aus dem Untergrund haben sie dementsprechend in den 1960ern und 2010ern auf den Plan gerufen. Das Direktorat der Organisation zögert jetzt jedoch, aus der berechtigten Angst heraus, ein bloßes Werkzeug der Unterdrückung für die korrupte Regierung zu werden. Der Einfluss auf S.H.I.E.L.D. durch die Vereinigten Staaten ist allerdings stärker als der von der UN. S.H.I.E.L.D. ist deswegen derzeit unter die Kontrolle der Vane-Regierung gefallen, und muss Befehle von der MCA ausführen.
Während des Ausnahmezustandes in New York müssen die Agenten von S.H.I.E.L.D. bisweilen Seite an Seite auftreten mit den korrupten, radikalen Bürgermilizen, die von Präsident Vane und Ex-Präsident Platton legitimiert wurden. Dies kommt der Mehrheit der Agenten vor wie eine unerträgliche Schande, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die internen Streitigkeiten bei S.H.I.E.L.D. deswegen eskalieren werden.
Nick Fury und S.H.I.E.L.D. betrachten die jüngsten Entwicklungen mit grimmiger Skepsis
Chaos in New York City
Der MCA werden von Präsident Vane hastig umfassende Möglichkeiten eingeräumt, und die Meldepflicht für Mutanten wird verschärft. Zahlreiche kleinere Aufstände von Bürger- und Mutantenrechtlern folgen. In mehreren Stadtteilen von Manhatten kommt es eine Woche nach Magnetos Anschlag zu Straßenschlachten und neuerlichen Plünderungen. Magneto und die Bruderschaft der Mutanten gelten als Staatsfeind Nummer Eins, und im ganzen Land wird aufgeregt nach ihnen gefahndet, allerdings bisher vergeblich. Der Ausnahmezustand in New York City ist immer noch nicht aufgehoben, weil MCA und Polizei immer noch auf der Suche nach allen Mutanten sind, die sich der Meldepflicht bisher entzogen haben, und daher den Verdacht hegen, sie könnten der Bruderschaft der Mutanten zuarbeiten.
An dieser Stelle beginnt die Handlung, ausgerechnet in New York City, wo die Wild Cards zusammengerufen wurden, bevor der Ausnahmezustand verhängt wurde ...
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Setting-Regeln
Folgende Setting-Regeln aus SWADE beziehungsweise dem Super Powers Companion kommen diesmal zum Einsatz:
Additional Skill Points
Wild Cards haben Zugang zu modenem Wissen, und starten daher das Spiel mit 15 Skillpunkten.
Conviction
Wild Crads können in dieser Kampagne durch besondere Taten Conviction-Punkte sammeln.
Death & Defeat, Knockback, Power Stunts
Aus dem Super Powers Companion nutze ich für diese Kampagne diese drei zusätzlichen Setting-Regeln (S. 30 & 34).
Death & Defeat funktioniert ähnlich wie die Setting-Regel Heroes Never Die aus dem SWADE-Grundbuch, und macht es unwahrscheinlicher, dass Wild Cards abnibbeln (und permanent tot bleiben).
Knockback lässt durch Angriffe mit Super-Stärke getroffene Figuren rückwärts über das Spielbrett schleudern (eine Regel, die so cool ist, dass es sie eigentlich meiner Ansicht nach in den meisten SWADE-Setting geben könnte!).
Power Stunts ermöglicht Wild Cards, andere Kräfte aus dem Super Power Companion als Einmal-Anwendungen zu emulieren, obwohl sie die gar nicht aufgeschrieben haben, durch kreative Anwendungen ihrer eigentlichen Superkräfte.
Diese drei Setting-Regeln werden im Spielbericht näher beleuchtet, wenn's jeweils soweit ist.
Siegespunkte
Das ist eine selbsterdachte Setting-Regel (inspiriert vom Rollenspiel ‚Dungeon Slayers‘) für noch mehr Powergaming: In jeder Kampfrunde, in der eine Wild Card einen oder mehr Gegner Incapacitated macht, erhält sie einen Sieges-Benny, wenn sie derzeit unter drei Bennies hat.
Superkräfte und Power Levels
Alle Wild Cards bekommen in dieser Kampagne den Vorteil Super Powers gratis, wenn sie Mutanten sind (oder im Fall von Gastauftritten andere Marvel-Dudes mit Superkräften). Für meine Zwecke eignet sich diesmal mehrheitlich ganz gut Power Level IV. Das umfasst sogenannte Alpha Class Mutants, das sind die mit den vielseitigen Kräften, wie eben die Spielercharaktere. (Auf der Anwärter-Liste für Professor X’s Schule stehen mehrheitlich Alpha-Klasse-Mutanten.) Sogenannte Omega Class Mutants haben sogar Power Level V, das sind aber nur Leute wie Professor X, Magneto, Apocalypse, und so weiter.
Omega Class Mutants: Power Level V
Alpha Class Mutants: Power Level IV
Beta Class Mutants: Power Level III
Gamma Class Mutants: Power Level II
Delta Class Mutants: Power Level I (oder in manchen Fällen sogar 0)
Die Wild Cards sind von Professor Xs Philosophie zumindest so weit berührt, dass sie in den meisten Fällen versuchen werden, ihre Gegner friedlich zu überkommen, oder zumindest nur nicht-tödlichen Schaden zu machen (SWADE S. 104). Die meisten Attacken durch Mutantenkräfte eignen sich für solche nicht-tödlichen Angriffe.
Connections
Im Untergrund ist man, wen man kennt, und Netzwerk-Geflechte sind sowohl komplex als auch wirkmächtig. Ich schneide mir für diese Kampagne deshalb eine Scheibe von der Logik der alten World of Darkness ab. Der Vorteil Connections ist hier daher gelevelt: Jeder gekaufte Connections-Vorteil bringt drei Würfelschritte für verschiedene Alliierte, die persönliche Anlaufpunkte oder kleinere Untergruppen der betreffenden Connection sind. Der zugewiesene Würfel wird verwendet um die Connections „makro“ arbeiten zu lassen, und dies darf pro Connection normalerweise nur einmal pro Session versucht werden. Wie die Würfelschritte aufgeteilt werden, liegt beim Spieler. (Ein Kontakt mit W8, zwei Kontakte mit W6 und W4, oder drei Kontakte mit jeweils W4.) Weitere Connections-Vorteile dürfen hier auch Würfelschritte für eine bestehende Vorteil-Version einbringen, um diese Gruppen effizienter zu machen.
Wenn Connections gebeten werden, selbsttätig zu ermitteln oder zu agieren, wird dafür der betreffende Würfel gerollt, zusammen mit dem Wild Die des Charakters, wenn dieser eine Wild Card ist. Dies ersetzt einen regulären Wurf für Research, Hacking, Persuasion, Intimidation, Thievery, Healing, oder einen ähnlichen Skill der zu der Connection passt.
Nachteile
Ein paar Nachteile (Hindrances) bieten sich in dieser Kampagne besonders an für Wild Cards. Manche machen wir optional, manche mandatorisch (letztere sozusagen als Gegengewicht für den Vorteil Super Powers, den die Wild Cards ja gratis bekommen).
A World that Hates and Fears Them: Alle Mutanten bekommen die Nachteile Outsider (Major: Mutant) und Wanted (Major: Mutant) bei Charaktererschaffung, und zwar ohne Punkte dafür zu bekommen, die Glücklichen!
Poverty: Der Nachteil Poverty ist optional und bringt normale Nachteilspunkte ein.
Code of Honor: Professor X will die X-Men zu einem ritterlichen Ehrencodex einschwören ... aber dazu muss es erstmal kommen.
Prejudiced (Minor / Major): Der Nachteil Prejudiced aus der Deluxe Edition von Savage Worlds ist in dieser Kampagne zurück, hier passt er wie die Faust aufs Auge, für Mutantenhasser-NSCs, oder auch Normalo-Hasser-NSCs.
Solo Engine
Ich bin wie sonst stubenhocker-mäßig drauf, also ist das Ganze ein Solo-Play-Projekt. Ich würfel' also introvertiert vor mich hin und schreibe mit dem Tablet nebenher alles mit. Ich mache das wie bei meinen Solo-Kampagnen bei beispielsweise Deadlands, Ghostbusters, Fading Suns, Dino Riders, Werewolf: The Apocalypse, und Changeling: The Dreaming.
Ich habe früher Savage-Worlds-Projekte immer mit dem One Page Solo Engine bespielt, weil der stilistisch so schön dazu passt (mit sowohl verschiedenen Würfelarten als auch Pokerkarten). Zwischenzeitlich habe ich aber viel Ironsworn gespielt (kombiniert mit Regeln der alten World of Darkness), und finde Ironsworns Systeme für Questen und Moves großartig. Also versuche ich wieder, dessen Logik mit den Spielregeln von Savage Worlds zu verbinden, wie bereits in meinem Spieleprojekt Savage World of Eternia.
Moves: Wo inhaltlich passend machen Charaktere in dieser Kampagne Moves aus dem Ironsworn-Regelwerk, allen voran sind die Mechaniken der Eide nützlich (der Move namens Swear an Iron Vow, und die Moves die damit zusammenhängen), sowie für Reisen (der Move namens Undertake a Journey, und die damit zusammenhängenden Moves). Statt einen Eigenschafts-Wurf nach Ironsworn-Regeln zu machen (W6+Boni), machen die SCs hier natürlich Fertigkeits-Würfe wie im regulären SWADE-Regelwerk beschrieben für den jeweiligen Move.
Action Rolls: Um Ironsworns sogenannte Moves zu machen, muss mit einem Action Roll ein Ergebnis von 2-10 ermittelt werden. Wie sonst auch sind mir die SC-Spielwerte aus Ironsworn zu langweilig und zu breit gefächert, die schmeiße ich raus zugunsten der Spielwerte aus SWADE. Für Moves wird dafür stattdessen ein Skill des betreffenden Charakters verwendet, mit allen anwendbaren Modifikatoren, und möglicherweise Support-Würfen. Bennies dürfen ebenfalls wie bei SWADE gewohnt eingesetzt werden. Das maximale Ergebnis ist wie nach Ironsworn-Logik hierbei zehn. Mit diesem Ergebnis werden die Challenge Dice (2W10) verglichen wie bei Ironsworn üblich. Beispiele folgen dann im Spielbericht.
Momentum: An die Stelle von Ironsworns Spielmechanik von Momentum treten in dieser Version die Bennies aus Savage Worlds. Wenn Moves also Momentum-Punkte bringen oder kosten, werden dafür also Bennies verdient oder abgelegt. Ansonsten werden Bennies natürlich eingesetzt wie bei Savage Worlds üblich, hauptsächlich für Rerolls und zum Negieren von erlittenen Wundleveln.
Erfahrungspunkte: Meine Wild Cards bekommen EXP, eine Regel aus der Deluxe Edition, die in SWADE eigentlich abgeschafft ist. Mir gefällt die trotzdem gut: Für kurze Sessions bekommen Wild Cards einen EXP, für regulär lange (circa vier Stunden oder mehr) 2 EXP, und für epische (besonders lang oder besonders wichtige Ziele erreicht) 3 EXP. Alle vier EXP bekommt der betreffende Charakter einen neuen Advance.
Nach Abschluss von Questen bekommen sie zusätzliche EXP, und zwar in Höhe der gewählten Schwierigkeitsstufe der jeweiligen Queste (wie beim Move namens Fulfill Your Vow definiert).
Im Spielbericht sind Textpassagen, wo's um die Solo-Play-Spielmechaniken geht, kursiv geschrieben, um das besser vom restlichen Text trennen zu können.
Abstraktere Spielbegriffe aus Savage Worlds und Ironsworn lass' ich Englisch, die werden immer in kursiv angegeben, um sie vom Rest des Textes abzuheben.
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Soundtrack: Blue Stahli, Regret
https://www.youtube.com/watch?v=bKlTxJa1HQs
Nur noch zwei Insassen sind übrig
„… Wie haben die Sie drangekriegt?“, fragt Elisabeth in die Stille.
Um diese Zeit ist die alte Lagerhalle in der Hafengegend leer geworden. Jetzt sitzen nur noch zwei Zellennachbarn im Halbdunkel, eine Frau um die zwanzig und ein Mann um die dreißig, ein ziemlich abgerissener Penner. Der schweigt eine ganze Weile auf die Frage hin.
Vielleicht hat er sich mittlerweile gänzlich entschieden, sie zu ignorieren.
„… Jetzt sagen Sie schon, Mister! Hier ist kein Wärter mehr weit und breit. Die haben sich doch alle längst in ihr Kabuff dort hinten verzogen. Sie können genauso gut mit mir reden!“
„… Nervös …?“, lässt er sich schließlich hinreißen zu entgegnen.
Ein Schauder läuft ihren schmalen Rücken hinauf. Sie findet seine Stimme nach wie vor höchst unangenehm, ein heiseres Grollen, sein Ton klingt immerzu lauernd in ihren Ohren. Wie ein räudiges Tier der Wildnis, das irgendwie sprechen gelernt hat, findet sie.
„Ich müsste wohl lügen, wenn ich das verneinen würde“, sagt sie, darum bemüht, dass ihre Stimme gefasst bleibt, „Wir sind die beiden letzten hier drin, in diesem absurden Käfig.“
„Gefangenensammelstelle. Kein Käfig.“
„Das weiß ich selbst. Sie brauchen nicht zu versuchen, mich über die Beamtensprache zu belehren. Die beherrsche ich sehr wahrscheinlich besser als Sie, Mister. Ex-Soldat hin oder her ...“
Schweigen, dann schließlich: „… Ich dachte, Du wolltest reden.“
„Ja, will ich auch. Sie sind jetzt offensichtlich der einzige, mit dem ich noch sprechen kann, sehen Sie ja. Alle anderen sind ja entlassen …“
„Weil die anderen alle sauber sind in deren Augen … nicht wie wir …!“, flüstert er.
„Sie glauben, die haben die ganzen anderen nach der Vernehmung entlassen?“
„Klar.“
„Dann ist es tatsächlich so wie ich doch vermeinen wollte …“, und jetzt hat ihre Stimme doch gezittert. Dennoch spricht sie zu Ende: „… Wir sind am Arsch.“
Ein leises, heiseres Lachen ertönt aus der Nebenzelle, fast hyänenhaft, wie sie findet.
„Was gibt’s da zu lachen, Sie … Sie grober …“, flüstert sie wütend, „Unsere Situation ist lamentabel! Begreifen Sie das etwa nicht?!“
„Ich begreife schon ganz gut, Missy!“, grollt es aus dem Halbdunkel, „Aber Du hast soeben ‚am Arsch‘ gesagt.“
„Und …?“
„Und nichts. Du bist nur sonst so ete-petete. Was‘n das überhaupt für‘n Akzent, hä? Britisch?“
„Ja, und Ihrer?“
Er verschränkt die haarigen Arme, „Kanada, Schätzchen.“
„Ich bin nicht Ihr Schätzchen, und wir sind nicht beim Du.“
„Na, immerhin sind wir beide gemeinsam am Arsch, was?“
„… Wir werden die ganze Nacht hier hocken bleiben. Weil wir die einzigen hier sind, bei denen es sich lohnt, sie da zu behalten.“
„Die können aber nichts beweisen“, knurrt der Penner, „Morgen sind wir hier womöglich wieder raus. Die machen uns nur Schwierigkeiten, weil wir gerade erst in die Staaten eingereist sind.“
Sie beäugt ihn durch die Gitterstäbe hindurch genauer, und versucht, nicht angewidert auszusehen.
„Und dadurch haben die Sie also drangekriegt, was? Wissen Sie was? Sie sehen auch so aus als wären Sie einer. Iih, Sie haben ja spitze Eckzähne im Mund! Wie ein Schimpanse!“
„Und Du hast signal-violette Haare, Missy! Wetten, dass die nicht gefärbt sind?“
„Wir sind nicht beim Du.“
„Ach, lass‘ das hochnäsige Gequatsche doch mal. … Gehst Du Dir nicht selber damit auf den Wecker? Das hier ist nicht der verdammte Buckingham Palace, Prinzesschen!“
„Nein, ganz bestimmt nicht!“
Sie zögert, und lauscht in die Stille der Lagerhalle. Kein Wärter scheint sich zu nähern. Aber sehr wahrscheinlich sind irgendwo Mikrofone versteckt! Die wären ja schön blöd, die Gefangenen nicht heimlich auszuhorchen …
Also versucht sie sich an ihrer Telepathie, mit einem Focus-Wurf. Bisher hat sie nur einen kläglichen W4, um ihre Kräfte zu steuern. Mit einer Fünf hat sie einen ganz knappen Erfolg:
Nicht erschrecken!, hört er ihre Stimme plötzlich in seinem Kopf, als würden ihre Worte unaufhaltsam in seinen Verstand hinein sickern, und er erschreckt sehr wohl; er sieht sie zähnefletschend durch das Gitter an.
Nicht erschrecken, habe ich gesagt!, denkt sie weiter, verhalten Sie sich ja unauffällig, Mister! Es ist ja gleich wieder vorbei. Aber ich muss das wissen, und hier drin können wir nicht offen reden! … Sind Sie … mit auf der Liste?
Er regt sich nicht, schaut dumpf ins Nichts, wie ein Tier im Zoo. Scheint ihr Eindringen in seinen Geist einfach über sich ergehen lassen zu wollen. Sein Verstand fühlt sich für sie an wie eine fest vernagelte Holzkiste, irgendwie garstig (passend zu dem ganzen Rest). Ein Schauder läuft ihr über den Rücken. Sie glaubt, den Kontakt zu verlieren, er entgleitet dem ungeübten Griff ihrer psionischen Kräfte.
Spucken Sie‘s schon aus, dann lasse ich Sie in Ruhe! … Sie sind auch in die USA eingereist, weil Sie eine der Kontaktpersonen von Professor X sind, oder?
Nach einer Weile nickt er bedächtig.
Sie können Ihre Antwort einfach in Ihrem Bewusstsein formulieren, ich lese ja ihre Gedanken! Es muss sein, verstehen Sie? Den Namen von Professor X auszusprechen, und sei es im Flüsterton, ist in Situationen wie dieser wahrscheinlich ein Fehler, der jemandes Schicksal besiegeln kann!
Er verharrt reglos, zieht den zotteligen Kopf ein.
„Geh‘ weg!“, krächzt er schließlich leise. Sie fühlt sich umso mehr abgestoßen von seinem Verstand, und von dessen verborgenem Inhalt, aber weiß nach wie vor nicht genau, warum.
Habe ich Ihr Nicken richtig verstanden, forscht sie weiter, Professor X hat Sie in die Staaten geholt?
„Ja verdammt! Geh‘ weg!“, flüstert er.
Einen wie Sie? Wofür, für die groben Tätigkeiten?, und ein spöttisches Lächeln stiehlt sich auf ihre Lippen.
„Ja, ja. Für die Drecksarbeit. Jetzt hau‘ ab!“
„Okay, okay“, wispert sie, und ist trotz ihrer Neugier insgeheim nun auch froh, den telepathischen Kontakt zu ihm abbrechen zu können. Die Gedanken von Fremden zu lesen macht ihre Finger zitterig und lässt ihre Schläfen schwitzen.
„Du also auch …“, raunt er, „Hab‘s mir schon die ganze Zeit gedacht …“
„Dann ist das tatsächlich kein Zufall, dass wir beide als letzte noch hier sitzen …“, flüstert sie.
Eine Weile sagen sie beide nichts.
Auf dieser ominösen Liste zu sein hat ihnen bisher nichts gebracht, das ist mal klar.
„Ich fürchte, dass diese Station bereits … unser beider Ende sein könnte“, haucht sie schließlich.
Er sieht sie an, und im Halblicht reflektieren seine Schimpansen-Fangzähne. Er sieht aus als hätte er bereits ein geheimes Vorhaben gefasst. Irgendein As im Ärmel. Wer weiß, was für Kräfte er hat …? Was auch immer er aber vorhat zu tun — er wird dadurch vor den Polizeibeamten seine Maske fallen lassen müssen.
Sie sehen sich in die Augen.
Selbst ohne ihre Telepathie zu verwenden ahnt Elisabeth, dass es so kommen könnte. Er sagte vorhin ja, er sei Soldat gewesen. Ob er sie aber bei solch einem Ausbruchsversuch mitnehmen würde, steht nicht in seinem Blick. Und außerdem würde dann ja auch ihre Tarnung endgültig auffliegen! Sie ist sich noch nicht sicher, dass sie nicht vielleicht doch noch irgendwie, irgendwie auf subtilem Wege hier herauskommen könnte. Als Bürgerin, nicht als Gejagte.
An dieser Stelle befragen wir mal das Orakel, wie es weitergeht. Eine der beiden Wild Cards in dieser Szene hat schließlich eine Attacke mit Heavy Weapon und AP 4, dadurch ergeben sich einige Optionen für einen Ausbruchsversuch …! Oder werden die beiden vielleicht von außen rausgehauen …?
Dazu sagen die Orakelwürfel, Locate Structure. Bedeutet das, unseren Verbündeten ist es gelungen, die Gefangenensammelstelle zu lokalisieren? Das verneint das Orakel jedoch. Hm! Ist es dann vielleicht einem Mob gelungen, die Verdächtigen aufzuspüren? Das wird bestätigt. Dann werden sie sich selbst nach draußen kämpfen müssen ...
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Als die beiden Stimmen auf dem Gang zwischen den provisorischen Käfigzellen hören, gefriert ihnen förmlich das Blut in den Adern, denn im Plauderton sagt gerade einer der Wärter, „… ja ja, nur noch diese zwei. Die sind Muties, wie die schon aussehen, und riechen! Ihr habt zehn Minuten mit denen. Aber lasst es so aussehen, als hätten die sich gegenseitig die Fresse poliert, sonst kriegen wir Ärger mit dem Chief!“
„Kein Problem, Officer! Wir machen Ihnen keine Schwierigkeiten. Wir sind ja allesamt heilfroh, dass Sie und Ihre Kollegen hier Ihren Dienst tun, Sir!“
„Und lasst die in der Verfassung, dass sie reden können. Die werden morgen früh noch genauestens vernommen. … Zehn Minuten, klar?“, wiederholt der Wärter, und Zellenschlüssel klappern.
Elisabeth schaut den haarigen Zellennachbarn an, mit Panik in den Augen. Die Schritte von dicken Kampfstiefeln künden von einem Dutzend Leute, die näher kommen. Das sind die Kerle von der FOH, oder einer der vielen anderen selbsternannten Bürgerwehren von New York City.
Der Penner grinst wieder. Jetzt ist es endgültig klar: Er wird die Katze aus dem Sack lassen, und sich als Mutant zu erkennen geben. Wenn Elisabeth irgendwie mit ihm gemeinsam agiert, dann wird nicht nur er diesen Ort als Gesuchter verlassen, sondern auch sie.
Aber jetzt ist das alles eh unerheblich …
Das ist ganz klar ein Face-Danger-Move wie bei Ironsworn üblich! (Ich hätte auch gute Lust, den Kampf detailliert auszuwürfeln, aber das heben wir uns für gleich auf!) Wir werden hier einen unerwarteten Gegenangriff auf die Milizionäre starten. Um den Move zu machen würfle ich Logans Fighting-Skill, unterstützt von Elisabeths Notice-Skill. Folgendermaßen:
Das Dutzend Schlägertypen bezieht bedrohlich Aufstellung vor den Zellen mit den beiden Gefangenen. Sie mustern die zwei Insassen mit angewidert heruntergezogenen Mundwinkeln. Sie tragen Zivil, Kevlarwesten und Camouflage-Hosen, aber sind offensichtlich nicht der Meinung, eine Erklärung für ihr Hiersein abgeben zu müssen. Einige fassen ihre Schlagringe und Gummiknüppel fester. Elisabeth ist aufgesprungen und geht mit zitternden Knien rückwärts. Der einzige Polizist in der Gruppe hebt den Schlüsselbund, um die beiden Zellen für die inoffiziellen Besucher aufzuschließen. In dem Moment gibt es jedoch ein sehr lautes Scheppern auf dem Betonboden der Lagerhalle: Es ist das Schloss der linken Zellentür, es ist von irgendetwas aus dem Gestänge heraus getrennt worden, und zwar komplett mit Schloss und Knauf, aber man sieht keine glühenden Schweißnähte! Der abgerissene Penner hat plötzlich drei Macheten in der Hand. Irgendwie muss er es mit denen geschafft haben, solides Metall zu durchtrennen!
Dieser Penner tut jetzt mal das, was er am besten kann
Es gibt ein Geräusch wie Messer, die aus Halterungen gezogen werden, schnell, brutal, und tödlich, und nun hat er auch noch drei weitere Macheten in der anderen Hand — genau genommen nicht in der Hand, sie sind nämlich aus seinen haarigen Handrücken hervor geschnellt! Es sind bei näherem Hinsehen so etwas wie metallene Klauen, an beiden seiner Hände. Er reißt in einer tierhaften Mimik den Mund auf, und das dumpfe Licht glänzt auf seinen wölfischen Fangzähnen, in seinen Augen glimmt eine erschreckende Blutrünstigkeit!
Also ran an den Move: Logan hat Fighting W8 und kommt auf eine Sieben, mit +1 (weil er seine Klauen benutzt) wird das eine Acht, und eine Neun durch Betsys erfolgreichen Support-Wurf.
Er macht kurzen Prozess mit dem Dutzend Milizionäre, in den verschwommenen Bewegungen des Schlagabtausches sieht man nur, wie er Schlagstöcke mit den schimmernden Messerklauen durchtrennt und ein paar tiefe Kratzer verteilt, ansonsten begnügt er sich mit Nierentritten und Kopfstößen. (Sein Schädel scheint auch hart zu sein wie eine Abrissbirne.) Ein lapidar aussehender Klauenschwinger trennt nebenher Elisabeths Gitterstäbe aus der Verankerung, und lässt sie zu Boden klirren.
Die Menschentraube verstreut sich, der Polizist ist derjenige, der am schnellsten rennt, er schreit panisch in sein Funkgerät. Elisabeth hat sich vorhin den Weg durch die Korridore des Lagergebäudes genau gemerkt, sie verteilt nur ein paar Kinnhaken, während sie den wildgewordenen anderen Ausbrecher hinter sich her dirigiert, auf schnellstem Weg ins Freie ...
Die Challenge Dice haben leider nur einen Weak Hit gewährt trotz unserem Resultat von neun (denn einer der beiden W10 hat eine Höchstzahl gezeigt). Das bedeutet, beide Wild Cards verlieren einen Benny, und eine neuerliche Gefahr zeigt sich ihnen während ihrem Ausbruch:
Auf dem nächtlichen Parkplatz vor der alten Hafen-Lagerhalle gehen die Flutscheinwerfer an, als die beiden Verdächtigen ins Freie fliehen.
„… Noch weniger subtil ging es wohl nicht?!“, keucht Elisabeth überreizt.
„Kopf unten behalten, außer Du bist kugelsicher!“, schnappt er wütend. Er hat das starke Verlangen, dem hochnäsigen Twen ihre Flucht zu ermöglichen, indem er selber einfach Kehrt macht, und alle Verfolger abmurkst, einen nach dem anderen. Mühevoll verdrängt er diesen Instinkt.
Sie rennen wie von Sinnen durch die Dunkelheit. Einzelne Schüsse peitschen hinter ihnen durch die schwarze Nacht. Schließlich finden sie sich auf einem Ponton wieder, unter ihnen klatschen die Wellen des Hafenbeckens gegen den Auslieger. Zahlreiche Taschenlampen nähern sich.
„… Endstation …“, keucht sie.
„Quatsch! Siehst sportlich aus …! Bock auf Schwimmengehen?“
„Bist Du irre?! In dem dreckigen Hafenbecken, bei Nacht? Da verlieren wir uns doch sofort!“
In dem Moment rollt eine Sturmwolke über die Gegend hinweg, der Lichtsmog der Stadt verfärbt ihre Unterseite gelblich. Es ist ein spektakulärer Anblick, wie tief sie dahin zieht, insbesondere weil es ja eben noch sternenklar war …! Gleichzeitig aber zieht ein ominöser, dicker Nebel über dem Wasser auf.
„Wie ist das denn möglich?!“, bringt Elisabeth ungläubig hervor.
Der Nebeldunst beginnt die beiden Geflüchteten einzuhüllen, ganz so, als habe er einen eigenen Willen …
Schalter:
Soundtrack: Donovan, Season of the Witch
https://www.youtube.com/watch?v=GU35oCHGhJ0
Fünf Tage später.
Eine merkwürdige Ruhe hat sich über New York City ausgebreitet. Über den blauen Sommerhimmel ziehen schneeweiße Wolken träge dahin, und die Manhattaner gehen heute Vormittag in die Läden und Supermärkte — beinahe wieder gelassen.
Man könnte meinen, dass überhaupt nichts los ist.
Aber die zurückgekehrte Alltäglichkeit ist nur oberflächlich. Man merkt es, wenn einem auffällt, woran das liegt: Niemand lässt Musik laufen, unterhält sich auf der Straße, oder telefoniert länger.
Alle Leute scheinen aufmerksamer als an einem ganz gewöhnlichen Tag in der Großstadt. Wie als wären sie insgeheim immer noch sprungbereit …
Die Bretterwand zur Rechten ist über und über bedeckt mit verwitterten Bandplakaten und Vermisstmeldungen, dazwischen aber auch immer wieder die großformatigen, einfarbigen Kampagnen-Aushänge verschiedener Bürgerinitiativen und Milizen: Fettgedruckte Kampfaufrufe, politische Slogans, viele davon recht krasse Hetzsprüche, und immer wieder prangt auf solchen Plakaten der derzeit vorherrschende Angstbegriff des New Yorker Bürgers: ‚MUTIE MENACE!‘
Seltsame Tage in New York City
Der kleine Mann in dem abgetragenen Trenchcoat schnippt seine Zigarette weg, zielsicher gegen die Bretterwand, wie als würde er gehässig hoffen, dass die Hetzplakate davon ankokeln. Er ist untersetzt aber muskulös. Seine Haare und sein Backenbart sind so überlang und unordentlich, dass man ihn für einen Penner halten könnte.
„Drake ist also der letzte auf unserer Liste“, raunt Logan in seiner leisen Reibeisenstimme, „Dann können wir hier weg. Hätte gute Lust dazu“, und schnüffelnd sieht er sich um.
„Das ist jedoch nur der obere Teil dieser Liste“, sagt Elisabeth herablassend, „wenn wir wirklich reinen Gewissens sein wollen, wenn wir aus der Stadt abhauen, müssten wir die anderen zwölf auf dem unteren Teil noch abgecheckt haben. Zumindest noch oberflächlich. Für den Fall, dass die vielleicht noch zu retten sind.“
„Aber auf die Gefahr hin, dass die längst hops genommen wurden, Mädel! Und dann riskieren wir unsere Deckung für nichts und wieder nichts“, knurrt Logan angepisst.
„Nenn‘ mich nicht Mädel“, sagt sie mit einem Naserümpfen.
„Bist doch eins“, murrt er, senkt dabei lauernd den Kopf, hündisch, wie sie findet.
„Wenn Du so weitermachst, heißt es für Dich künftig Miss Braddock“, sagt die junge Dame kalt, „Soviel Zeit muss sein. Wir kennen uns ja eigentlich gar nicht.“
„Ein vergebliches Risiko ist es trotzdem!“, knurrt der untersetzte Kanadier.
„Wir können doch auch gleich abhauen!“, sagt Rogue unsicher, sie sieht sich die ganze Zeit schon ängstlich zwischen den Passanten um, „Noch heute!“
„Und dann?“, fragt Logan mit bösem Grinsen, „Scheiß auf Drake, oder was?“
„Nee …“, sagt Rogue leise, und fügt schnell hinzu, „Wir können ja wiederkommen! Dann suchen wir Drake, und die anderen auf dieser Liste. Wenn wieder etwas Gras über die Sache gewachsen ist.“
„Sieht so Deine Solidarität aus?“, setzt er nach, „Erstmal das eigene Ärschchen retten, dann vielleicht nochmal weitergucken?“
„Ach, Solidarität“, sagt Elisabeth schnippisch, „Komm’ ihr mal nicht mit sowas, das sind Plattitüden, wie ich finde. Ich kann jetzt wirklich keine Politisierungen mehr hören! …“
Rogue schenkt ihr einen dankbaren Blick, endlich scheint hier mal jemand auf ihrer Seite zu sein, mal was ganz Neues.
„… Aber mangelndes Pflichtbewusstsein, das müsstest Du Dir schon vorwerfen lassen!“, fährt die Britin fort, jetzt an Rogue gewendet, „Wir haben ihm am Telefon immerhin versprochen, dass wir versuchen würden, den Job auf seine Weise zu machen. Keine Gewalt, aber gründlich, und gewissenhaft.“
„Ihr könnt ja gerne das übrige Dutzend von der Liste genau auskundschaften“, sagt Rogue, jetzt trotzig, „Aber verlasst Euch nicht drauf, dass ich da dabei bleibe. Ich kann ja schon mal vorgehen! Ich bin immerhin diejenige, die jederzeit die Biege machen kann. Vielleicht mache ich das. Und Ihr kommt dann nach, mit Drake, und allen anderen von der Scheiß-Liste, die Ihr vielleicht noch zusammenkriegt! Aber jammert mich bloß nicht voll, wenn es am Ende weniger Fressen sind, die aus dieser Stadt rauskommen, nich' etwa mehr. Dann seid Ihr nämlich womöglich selber auch hinter Schloss und Riegel, so sieht’s aus, Sugah!“, und sie versucht offensichtlich, sich nicht in Wut zu reden. Rogues Stimme ist sehr kaputt und immerzu heiser, anders kennt man sie gar nicht. Der Südstaaten-Akzent ist auch schwer zu überhören, wenn sie sich aufregt.
„Dann holt Dich aber unsere schwarze Schönheit prompt zurück, wenn Du alleine die Flatter machen willst!“, knurrt Logan, er will nicht locker lassen. Obwohl er nicht gern redet, ist er trotzdem irgendwie ein Rechthaber.
„Die versteht ja nicht mal unsere Sprache!“, schnappt Rogue heiser. Dennoch wirft sie einen unsicheren Blick auf Ororo, die daneben steht und zu lauschen scheint, aber tatsächlich nach wie vor nicht so aussieht, als würde sie auch nur ein Wort verstehen von dem, was die anderen drei hier konspirativ tuscheln. Ororo sieht aus wie eine Statue, regt überhaupt keinen Muskel, sie ist die einzige hier, die tatsächlich sowas wie Geduld ausströmt.
„Müsste man mal auf einen Versuch ankommen lassen“, sagt die Südstaatlerin heiser, „… Würde mich sowieso mal interessieren, welche von uns beiden schneller ist, in der Luft …“
„Macht ja keine Scheiße, die haben überall Überwachungsdrohnen hier in der Innenstadt“, knurrt Logan. Er schnuppert in den Wind, wie ein Hund, „Hier kommt unser Schatzilein.“
Alle schauen auf. Ein androgyner, schlachsiger Twen kommt zu ihnen rüber. Er hat einen Lockenkopf und ein kleines Halstattoo und scheint mehr so der Kapuzenpulli-Typ zu sein (aber natürlich ist er schlau genug, keinen Hoodie anzuziehen; das bereits ist diesen Sommer in Manhattan schon zu viel der Meinungsäußerung, und führt mit Sicherheit zu unangenehmen Begegnungen).
„Das ist aber auch kein Schatzilein, Du Chauvi-Blödmann“, sagt Elisabeth mit ihrem britischen Schickimicki-Akzent, der sie in Logans Ohren immer hochnäsig klingen lässt, „Das ist ein Typ!“
Der Lockenkopf-Typ macht vor ihnen Halt, gibt sich bemüht leger, als würde er das Grüppchen der vier Wartenden kennen.
„Seid Ihr die Leute von Professor X?“, raunt er, und seine Stimme verrät seine Nervosität.
Alle zögern. Das wissen sie ja streng genommen selbst nicht, ob sie das sind, ‚die Leute von Professor X’, dieser ominösen Gestalt. Ein paarmal telefoniert haben sie mit ihm, ja. Sonst bisher nichts.
Und wenn die Hetzer in New York City ihren Willen kriegen, dann bleibt das womöglich auch so.
„Klar, sieht man das nicht?“, grinst Rogue schließlich jovial, und tippt auf ihren neuen Aufnäher auf ihrer abgeschrabbelten Lederjacke. Ein rotes X in einem roten Kreis, auf schwarzem Grund. Mal sehen, wie lange dieses geheime Erkennungszeichen verwendet werden kann, bevor auch die Verfolger gelernt haben, es einzuordnen.
„Dann kommt mal mit“, sagt der Junge erleichtert, und wendet sich um, um davon zu schlendern.
„Bist Du das, Countervoice?“, flüstert Elisabeth neugierig.
„Nee, ich bin ihr Laufbote. Ich bring‘ Euch zu Countervoice“, sagt er leise, mehr nicht.
Elisabeth schaut die anderen argwöhnisch an, als sie alle sich in Bewegung setzen. Wer sagt ihnen denn, dass der Junge nicht in Wirklichkeit einer von der Gegenseite ist? Wer sagt, dass die Gegenseite nicht bereits von ihrer Informantin gehört hat, und dass die echte Hackerin namens Countervoice längst inhaftiert worden ist? Oder noch schlimmer, dass sie nicht schon immer ein Bot war, nur eine Online-Präsenz, nichts weiter, Teil einer perfiden Falle?
„Er riecht nicht so, als würde er lügen …!“, raunt Logan, als er Elisabeths Blick sieht.
„Wie willst Du das wissen?!“, flüstert Rogue.
„Viele Menschen riechen komisch, wenn sie lügen! Lügner stinken halt.“
„Das bildest Du Dir wahrscheinlich ein“, kommentiert Elisabeth herablassend.
„Ich wünschte, McCoy wäre hier!“, flüstert Rogue verzweifelt, „Das ist schließlich seine vermaledeite Informantin! Das ist doch alles auf seinem Mist gewachsen. Er sollte das hier übernehmen!“
„Ja, schon …“, sagt Elisabeth vage.
„Er, nicht wir! Was haben wir schon damit zu tun?! Ich weiß ja nicht mal, was von uns erwartet wird!“
Die Britin sagt gefasst, „Jetzt hängen wir eben drin. Wir müssen das jetzt durchziehen.“
„Und McCoy kann wohl schlecht in Manhattan rumlaufen!“, kommentiert Logan, „Was soll er machen, sich 'nen falschen Bart drankleben, oder was …?“
(Das stimmt, Hank McCoy hat den Nachteil Distinctive Appearance gekriegt, das bedeutet, dass er von vornherein zu auffällig ist für diese Sache. Er kriegt einen Benny für seinen Nachteil, für später, während er jetzt gerade im Versteck hockt und sich langweilt.)
„Ich kann versuchen, seine Gedanken zu lesen …!“, flüstert Elisabeth, mit Blick auf den Lockenkopf, aber klingt jetzt sehr unsicher, „Manchmal klappt es.“
„Keine Tricks erstmal“, sagt Logan, „Nicht, dass irgendjemand hier auf offener Straße ausflippt! Wir folgen Schatzilein erstmal!“
Elisabeth und Logan wechseln einen Blick. Ihm wird offensichtlich äußerst unwohl, wenn er daran zurückdenkt, wie sie vor fünf Tagen telepathisch mit ihm gesprochen hat, als sie Zellennachbarn waren, in der Gefangenensammelstelle.
Wir geben (wie bei Ironsworn üblich) unserem Team eine erste gemeinsame Queste, als Start in die Handlung der Kampagne. Die definieren wir so:
Queste (Gefahrvoll): Bobby Drake retten und in die Gruppe rekrutieren.
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