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"Theater of mind" richtig gemacht: Tipps, Tricks und Best Practices
gilborn:
"Theater of mind" ist für den Puristen in mir immer noch die Königsklasse der Kampfdarstellung im Rollenspiel.
Gleichzeitig wird es von mir auch immer etwas stiefmütterlich behandelt - ein Kampf wird nicht so akribisch vorbereitet, wie der mit einer Battlemap.
Dabei denke ich, dass, würde man beim "Theater of mind" ähnlich viel Sorgfalt und Zeit investieren, viel Potential zu heben wäre.
Und vielleicht gibt es ja einige Kniffe, die man im "Kopfkino" zur Anwendung bringen kann, die auf dem Spielfeld so gar nicht möglich sind.
Deshalb mal die Frage an euch:
* Welche Tipps und Kniffe habt ihr für Kämpfe, die nur im Kopf der Spielenden stattfinden?
* Welche Chancen gibt es?
* Was sollte man vermeiden, welche Fallstricke gibt es?
EDIT: Zusammengetragene Punkte:
Tipps SL:
* SL sollte im Rahmen des plausiblen Spielern entgegenkommen
* Flächenschaden und ähnliche Effekte sollten entweder als Dilemma präsentiert werden ("Entweder du triffst nur 70% von ihnen, oder alle aber auch zwei eigene Leute") oder es wird dem Würfel überlassen wie viele der Gegner getroffen werden können
* Als SL den Überblick behalten und jede Positionsänderung akribisch beschreiben. (Geht selten gut.)
* Die Gegner mit eindeutigen Merkmalen ausstatten.
* Unnötigen Ballast der Umgebung weglassen.
* Bereite ToM genauso akribisch vor wie eine Battlemap.
* Beim Wechsel zwischen den Zügen kurz die relativen Positionen nochmal angeben
* SL muss zusehen, dass alle da die selben Faktoren im Kopf haben, wo große Entscheidungen fallen und Spielmechanik aktiviert wird (Beim Rest darf es ruhig unterschiedliches Kopfkino geben)
* Denk wie ein Regisseur und Kameramann
* Selbst bei größeren Getümmeln ist es möglich, nur das "Blickfeld" der SCs zu simulieren. Der Rest kann überlegt werden, sobald ein Spieler nachsieht (eher cinematisches Spiel), oder es wird mit höherem Abstraktionsgrad als die Kampfregeln simuliert (eher Simulationismus)
* Macht ein Spieler etwas offensichlich Dummes, kläre ob es aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen geschieht. Erlaube seine Absicht zu korrigieren.
Tipps Spieler:
* Spieler sollten allgemein gehaltene Absichtserklärungen bringen, aus denen der SL was machen kann (z.B.: "Ich will den Weg zum Magier blockieren").
* Konzentriere dich
* Hab Vertrauen in deinen SL. Nicht fragen: "Ist da Deckung?" Sondern: "Ich gehe in Deckung"
* keine Grundsatzdiskussionen anfangen ("Aber der stand doch ganz woanders").
* Wenn ein Spieler merkt, dass er sich vertan hat mit Absichtserklärungen so weit ins Abstrakte gehen, bis es wieder passt. (Oder man macht das von Anfang an so: "Ich greife jeden an, der den Magier bedroht")
Tipps Spielauswahl:
* hoher Abstaktionsgrad, schnelle Abwicklung, Aktionen sollen hohe Relevanz haben
* Spiele, wo NSCs keine einzelnen Züge haben oder am besten gar nie dran sind reduziert Verwaltung.
* Spiele ohne HP oder mit sehr wenig reduziert Verwaltung
* Spiele, wo Gegner nach gewissen Regeln eskalieren. Das macht die Sache schön farbig anschaulich.
Chancen:
* Immersion: Man kann Leichter im Charakter bleiben
* Kein Brettspielgefühl, kein Kästchenzählen, kein auf die Karte starren, weniger "in Regeln" denken, keine Limitierung auf das auf der Battlemap dargestellt
* Kämpfe sind Teil des Rollenspiels, nicht mehr ein eigener Spielmodus
* Flexibilität dabei, auf Wünsche der Spielenden einzugehen
* Breiter gefächerte Maßstäbe als bei Battlemap möglich
* Flüssigerer Ablauf: Kein verlieren im Kleinkram der taktischen Darstellung verlieren, übergeordnete Zielsetzung wird besser im Auge behalten
* Dass der Überblick etwas verloren geht ist ein Bug, kein Feature (Immersion)
* weniger Vorbereitung (oder einkaufen, im Fall guter VTTs)
* Größere Änderungen in der Peripherie, dynamische Hintergründe, größeres Kampfgeschehen lässt sich mit knackigen Sätzen leicht darstellen, bei Battlemaps ist dies aufwändig
* Kämpfe wirken nicht so statisch, sondern dynamisch, gleichzeitiges Handeln aller Beteiligter wirkt glaubwürdiger
Fallstricke:
* Abweichende Vorstellungsräume zwischen den Spielenden
* Wirkung von Effekten kann ggf. schwer eingeschätzt werden
* Unschärfe bei Bewegung
* Frustgefahr: Pläne von Spielern gehen nicht auf, aufgrund von unpräziser Darstellung (Stichwort "Weg versperren")
* Zu detaillierte Beschreibungen
* Nicht unterscheidbare Gegner
* Nicht genau beschreiben, wer denn nun eigentlich wo was macht
* System sollte einen flotten Ablauf bieten und andersrum sollten sich die Spieler dann den Kampf lang konzentrieren (Bei Battlemap kann man sich bestimmte Informationen selbst wieder holen, bei ToM hält dies den Spielfluss auf, da es verbal geklärt werden muss)
* Trage der Lage Rechnung, dass realitätsfernere Settings weniger Vorwissen nutzen und mehr Beschreibung brauchen
* Für mit antagonistischen SL sozialisierten Spielern ist ToM vermutlich problematisch
* Manche Spieler kommen mit ungenauen Beschreibungen nicht klar - dann wird ToM zäh
Runenstahl:
Ich selbst verwende Theater of Mind so gut wie gar nicht mehr. Liegt auch daran das wir vor allem Online spielen wo es extrem einfach ist mit Battlemap zu spielen. Dennoch mein Senf dazu:
Welche Chancen gibt es ?
Der wirklich große Vorteil von "Theater of Mind" ist das man eher im Charakter bleiben kann. Man zählt nicht Kästchen. Man guckt nicht was auf der Karte ist sondern fragt den SL ob da ein Kronleuchter hängt an dem man schwingen kann. Spielt man mit Battlemap können Spieler leicht in den "Brettspielmodus" verfallen und nur noch innerhalb der Regeln denken und nur mit den auch wirklich dargestellten Objekten interagieren.
Welche Fallstricke gibt es ?
Größtes Manko ist, das es egal ist wie ausführlich man etwas beschreibt. Jeder am Tisch wird letztlich seine eigene Version der Umgebung im Kopf haben. Dazu kommt auch das es schwierig sein kann die Wirkung von Effekten gut einzuschätzen, besonders wenn diese große Flächen betreffen. Dazu kommen (je nach Spielsystem) noch weitere Schwierigkeiten was die Beurteilung von Bewegung etc. angeht. Da kommt es schnell zu Frust seitens der Spieler wenn die Goblins am Krieger vorbeirennen um den Magier anzugreifen. "Aber ich stand doch im Weg ?!". Wenn man dieselbe Situation mit Battlemap spielt kann der Krieger sich entweder so positionieren das die Goblins tatsächlich nicht vorbeikommen, oder es wird offensichtlich wenn es eine Lücke gab durch die sie an ihm vorbeikommen und man muß nicht drüber diskutieren.
Tipps und Kniffe ?
Als SL sollte man mMn besonders beim Theater of Mind sehr zu Gunsten der Spieler agieren um Ärger zu vermeiden. Im Zweifelsfall läßt man die Würfel entscheiden wenn es um die Frage geht wieviele Kultisten nun wirklich in den Nuklearschlag passen (ohne die Verbündeten auch wegzublasten).
Murphy:
Ich spiele fast nur "Theatre of the Mind", ausser es sind ausschliesslich Crunch-Liebhaber am Tisch oder es gibt so viele SCs und Gegner, dass niemand den Überblick behalten könnte.
Tipps:
1. Als SL den Überblick behalten und jede Positionsänderung akribisch beschreiben. (Geht selten gut.)
2. Die Gegner mit eindeutigen Merkmalen ausstatten. (e.g. der Ork mit der Axt, der mit dem Säbel und der mit dem Bogen. Oder der Mutant mit dem Eierkopf, der Mutant mit den schwarzen Augen, der Mutant mit den Schuppen.)
3. Unnötigen Ballast der Umgebung weglassen. Wenn du zuerst einen Raum mit siebzehn Säulen, die unterschiedlich sind, einem runden Tisch, einem eckigen Tisch, drei Truhen (eine Metall, eine Holz und eine Stein) beschreibst, die vor einem grossen und einem kleinen Wasserbecken stehen, an der Wand sind grosse Wandtteppiche, aber nur an der östlichen und der nördlichen Wand und das in einem Fussballfeld grossen Raum, der auf der einen Seite eine Vorhalle und auf der anderen Seite einen Beichtstuhl hat, gleich neben dem Altar, der hinter dem gigantischen Monolith steht, der den halben Raum einnimmt, dann kann sich darin keiner verorten. Also möglichst nur das Wichtigste beschreiben, ausser es wird explizit danach gefragt.
Chancen:
1. Viele sagen, sie seien voll drin, bis der Kampf anfängt, dann ist nur noch Rechnen, Würfeln und Püppchen schieben angesagt. Das Kopfkino ist dann also ausgestellt und somit ist es ein "Echtwelterlebnis", kein immersives Erlebnis, das später Teil der Saga im Kopf ist. Daher ist die Chance, dass die Kampfszenen eher auch Teil des Films werden, wenn du sie dir vorstellst, anstatt sie abzubilden.
2. Du kannst flexibel auf Wünsche der Spielenden eingehen. Wenn jemand fragt: "Ist da ein Gegenstand, hinter den ich mich in Deckung werfen kann?", kannst du z. B. mit einem Glückswurf bestimmen, ob der Raum über so einen Gegenstand verfügt.
Der Nachteil:
Ein Raum wird nie so genau und kleinteilig definiert sein bei "Theatre of the Mind", wie wenn du ein Gelände mit Minis, Möbeln, Felsen, Bäumen etc. hast.
Fallstricke:
Die Fallstricke entstehen, wenn du die obigen Tipps umkehrst:
1. Zu detaillierte Beschreibungen
2. Nicht unterscheidbare Gegner
3. Nicht genau beschreiben, wer denn nun eigentlich wo was macht
HEXer:
Ein Tipp, der mir spontan einfällt, wäre beim Wechsel zwischen den Zögen jeweils kurz die wichtigsten relativen Positionen nochmal anzugeben: "5 Meter schräg rechts hinter dir hat gerade der Ork mit dem Sprachfehler deinem Gefährten Gøndir dem Großzügigen angegriffen, was machst du?"
Namo:
Spannender Thread. Werde ich mal folgen. Bin ja momentan eher auf dem umgekehrten Weg, aber tom war sehr lange die einzige Art wie wir Kämpfe gespielt haben und das hat gut funktioniert und Spass gemacht.
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