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Spielleiter-Hybris

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Luxferre:
Ich möchte mit Euch ein etwas sensibleres Thema besprechen, welches durchaus Potenzial hat zu eskalieren.
Daher meine Bitte vorab: benehmt euch! Okay?

Vielleicht ist Euch ein Vertreter dieser Spezies bereits über den Weg gelaufen. Vielleicht entdeckt Ihr Züge an Euch (ich in mir) wieder?

Hybris ist erstmal ein schweres Wort. Eine gewichtige Deutung einer Person und ihres Handelns.
Ich möchte ausdrücklich nicht über selbstbewusste Menschen sprechen, die auch abliefern.
Konkret geht es um Spielleitende, die an extremer Selbstüberschätzung leiden - eigentlich ein falsches Wort, denn sie "leiden" ja nicht - vielmehr lassen sie andere leiden. Es geht um Spielleitende, welche übermütig sind, arrogant und/oder realitätsfern ihrer objektiven Fähigkeiten auftreten und total underperformen.

Nun könnte man den langen Weg gehen und ersteinmal "gutes Rollenspiel" definieren.
Ich kenn' da ne Abkürzung: "Gutes Rollenspiel entsteht dann, wenn alle am Tisch Beteiligten Spaß haben/hatten."
[wer das diskutieren möchte, möge dazu bitte einen eigenen, separaten Thread auftun!]


Ich kenne einen solchen Spielleiter persönlich (neben einigen Spezialisten, die man so im Internet liest ...).
Und ich muss sagen, dass es mir äußerst schwer fällt bei so jemandem mitzuspielen.
Dieser Jemand ist ein erfahrener Rollenspieler und ein intelligenter Geschichtenausdenker.
Aber ...

Er ist systemseitig sehr schlecht vorbereitet und erklärt den Beteiligten das zu spielende System schon in den Grundzügen völlig falsch.
Bei einem konstruktiven Hinweis darauf mauert er und antwortet angefressen, bzw laten aggressiv, dass es ja SEIN System sei.

Er ist settingseitig sehr schlecht vorbereitet. Es ist seine eigene Welt mit einem Twist im Magiesystem, welcher regelseitig und spielerisch schlicht nicht umsetzbar ist.
Dabei hält er diesen (langweiligen!) Twist für DAS Novum schlechthin und feiert sich selbst härter ab, als jede/r andere Beteiligte. So sehr, dass es mir als zukünftig Mitzuspielendem schon hart cringy ist.
Seine Ideen haben sich gefühlt in den letzten 30 Jahren nicht ansatzweise weiterentwickelt, eher sind diese sogar verkümmert.

Er doktert an jedem (!) Charakterkonzept herum. Lässt keine Wünsche nach Individualität und/oder Besonderheiten (selbst regelkonforme) zu.
Selbst so unwichtige Dinge wie die Ausrüstung wird überreguliert. Wir reden hier von so Kinkerlitzchen, wie das Aussehen (!) einer Waffe. Nichtmal die Werte ...

Alles wird on the fly improvisiert. Setting, Zusammenhänge, Plots, Beteiligte, Organisationen, Götter, Regeländerungen.
Tja, wenn's denn dann nur ein Teil davon wäre, aber wenn einem in der ersten Session schon Widersprüche (ja, Mehrzahl) ins Gesicht springen ...
Dabei versucht er es so zu verkaufen, dass er sich diese Banalitäten stundenlang ausgedacht habe.

Fazit:
Für mich ein klassischer Dunning Kruger.

--

Das Thema "Hybris" in unserem Hobby (und nicht nur dort) treibt mich schon länger um und ich möchte das gar nicht nur an diesem, oben stehenden Beispiel diskutieren.
Vielmehr bin ich gespannt auf Eure Erlebnisse und Erfahrungen.
Und vor Allem, wie ihr mit solchen Kalibern umgeht.
Und: darf man seine Freunde/Kumpel/Bekannten so hart kritisieren und mit ihnen so hart ins Gericht gehen?

Sashael:
Ich kenne mindestens einen SL, der sich für sehr fähig hält und dabei sehr krass ... underperformed.

In die Charaktere reinreden ist da noch die Spitze des Eisbergs. Dazu kommen solche Sachen wie 75%+ aller OT-Gespräche werden von ihm gestartet, selbst wenn die Spieler alle gerade voll im Flow sind und gerne einfach nur die Story spielen wollen.

Und so weiter.

Ich meide ihn als SL, seit ich das bemerkt habe.

ghoul:
Dieses Thema, das du ansprichst, war der Grundgedanke bei der Gründung der Ur-PESA. Kampf gegen SL-Hybris, Ermächtigung der Spielenden. Und ja, wir haben manchmal Gegenwind bekommen (Je ne regrette rien).

Meine Empfehlung an alle Spielleiter: Auch mal spielen! Das verschafft eine gewisse Erdung.

Quaint:
Ich bin halt immer nicht sicher, ob ein "für mich" schlechter SL "universell" schlecht ist oder eben nur für mich. Aber da allzu groß herumkritisieren tue ich normalerweise nicht (mehr). Ich steige nur gegebenenfalls aus. Es gibt ja halt schon verschiedene Stile und für manche Probleme auch unterschiedliche Toleranzniveaus. Wenn die noch Spieler finden, die auch bleiben, kann es ja gar so schlimm nicht sein?

Ebenso geht es mir mit der Einschätzung meiner selbst. Ich bin seit 30 Jahren dabei, seit 20 spiele und leite ich mehrmals die Woche, Erfahrung ist da, und mit ein paar Spielern klickt es auch gut und wir haben spaßige Runden. Ich hab mich auch verschiedentlich bemüht mich zu bessern. Trotzdem mache ich nicht immer alle meine Spieler glücklich. Trotzdem sind auch nicht alle Spieler superengagiert. Ich will aber auch nicht übermäßig selbstkritisch sein, das verleidet mir sonst noch das leiten. Und teils ist es eben auch ne Frage des Aufwandes. Wenn die Spieler schon nicht superengagiert sind teilweise, will ich dann tatsächlich größere Geld- und Zeitsummen in eine Session stecken? Oder wir halt 30 minuten Gebrainstormed und die hälfte doch wieder improvisiert? Gerade mit 3-4 Runden die Woche ist es oft eher das letztere.

Aber ich mach das halt auch nicht für Publikum, ich muss keinen Oscar gewinnen, und ab und an kommen doch sehr geile Sitzungen raus. Good enough I guess.

Und dass es Leute gibt, die sich für toll halten, aber so bissle lala sind, ja gut, geschenkt, die gibt es überall. Und ein Stück weit sind SL ja nun auch Unterhalter, da kann so eine Geisteshaltung sogar bissle helfen.

Zed:
Solche SLs gibt es sicher.

Worauf möchtest Du hinaus, Luxferre, ob jede Spielleitung hier sich (teilweise selbst) in der Beschreibung wiedererkennt?

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--- Zitat ---Er ist systemseitig sehr schlecht vorbereitet und erklärt den Beteiligten das zu spielende System schon in den Grundzügen völlig falsch.
--- Ende Zitat ---
Öhm, kein guter Anfang.


--- Zitat ---Bei einem konstruktiven Hinweis darauf mauert er und antwortet angefressen, bzw laten aggressiv, dass es ja SEIN System sei.
--- Ende Zitat ---
flaschengeist hat so schön und richtig gesagt, dass er in seinem eigenen, druckfähigen System ab und an verwirrt sei, weil er nicht nur  e i n  DuoDecem im Kopf hat, sondern noch alle Vorversionen dazu. "Wie habe ich das denn wohl abschließend geregelt?" - da erkenne ich mich bei meiner eigenen Systembastelei wieder.  :) Und wir wären sicher froh, wenn jemand aus unserer Gruppe unser System so gut beherrscht, dass wir ab und an korrigiert werden.


--- Zitat ---Er ist settingseitig sehr schlecht vorbereitet.
--- Ende Zitat ---
Für meine 3.5-Gruppe 19. Stufe gebe ich mir mal eine 2-3 als Note, letztens auch mal eine 1.
Edit: "settingseitig" nicht "regelseitig" - also unser Setting, von mir vorangetrieben, gefällt meiner gruppe gottseidank sehr gut.  :)


--- Zitat ---Es ist seine eigene Welt mit einem Twist im Magiesystem, welcher regelseitig und spielerisch schlicht nicht umsetzbar ist.
--- Ende Zitat ---
Nee, das hätte mir meine Spielgruppe schon ausgetrieben.


--- Zitat ---Dabei hält er diesen (langweiligen!) Twist für DAS Novum schlechthin und feiert sich selbst härter ab, als jede/r andere Beteiligte. So sehr, dass es mir als zukünftig Mitzuspielendem schon hart cringy ist.
--- Ende Zitat ---
Ich denke nicht, dass ich mich abfeiere.


--- Zitat ---Seine Ideen haben sich gefühlt in den letzten 30 Jahren nicht ansatzweise weiterentwickelt, eher sind diese sogar verkümmert.
--- Ende Zitat ---
Bei den "30 Jahren" erkenne ich mich wieder, aber ich/wir haben uns in unserer 3.5-Kampagne weiterentwickelt.


--- Zitat ---Er doktert an jedem (!) Charakterkonzept herum.
--- Ende Zitat ---
Nö, das "Rumdoktern" überlasse ich der Gruppe, und die macht hilft sich beim Prägen zB sehr umsichtig und hilfreich.


--- Zitat ---Lässt keine Wünsche nach Individualität und/oder Besonderheiten (selbst regelkonforme) zu.
--- Ende Zitat ---
Das schüttelt mich. Denn gerade das Ausspielen von Individualität ist doch, was Rollenspiel möglich macht.


--- Zitat ---Selbst so unwichtige Dinge wie die Ausrüstung wird überreguliert. Wir reden hier von so Kinkerlitzchen, wie das Aussehen (!) einer Waffe. Nichtmal die Werte ...
--- Ende Zitat ---
Ausrüstungsslots, Belastung, Finanzen - das ist bei uns als erstes runtergefallen, als wir nur noch selten zu spielen begannen.


--- Zitat ---Alles wird on the fly improvisiert. Setting, Zusammenhänge, Plots, Beteiligte, Organisationen, Götter, Regeländerungen.
--- Ende Zitat ---
Ich improvisiere gerne, aber mit sehr großer Achtung vor der Konsistenz der Spielwelt (<- meine Prio Nr 1). Auch Regeln werden nicht "einfach so" geändert. Lieber Rules als Rulings, auch wenn Rulings manchmal sein müssen.


--- Zitat ---Tja, wenn's denn dann nur ein Teil davon wäre, aber wenn einem in der ersten Session schon Widersprüche (ja, Mehrzahl) ins Gesicht springen ...
--- Ende Zitat ---
...dann würde ich bei ihm nicht mehr spielen.


--- Zitat ---Dabei versucht er es so zu verkaufen, dass er sich diese Banalitäten stundenlang ausgedacht habe.
--- Ende Zitat ---
Unehrlichkeiten bitte nur in absoluten Notfällen, und Eitelkeit ist kein Notfall.

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