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[Tag 3] Raumstation Bazaar

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Azzu:
(Monn)

Auf einmal wirkte das Quartier sehr belebt. Von der einen Seite das Geräusch prasselnden Wassers, gedämpft durch das Schott zum Nassbereich. Von der anderen, wohl aus der Küche, das Rumoren eines Mahlwerks, gefolgt von dem Geruch von frisch zermahlenen Kaffeebohnen. Ein typisch menschlicher Geruch. Mwerron mochte ihn trotzdem. Mehrere Jahre in einem Ausgrabungscamp der Scravers hatte ihn gelehrt, das Getränk zu schätzen. Und die damit verbundenen Rituale. Für die Menschwesen schien Kaffee beinahe heilig zu sein.

Aus einem weiteren Durchgang drang Kinderlachen. Die Geschwister des blauäugigen Menschlings. Nachdem sich das Schott hinter Denize geschlossen hatte, konzentrierte dieser sich nun wieder auf den Ur Ukar. "Und wie heißt du?"

"Mwerron."

"Was?"

"Mwerron."

"Mm-wr-onn. Du hat ganz schwarze Augen! Bist du blind?"

Nein, er war nicht blind. Aber auf Kordeth gab es kaum Licht, um zu sehen. Warum? Weil sein Volk unter der Erde lebte. Warum? Weil die Luft an der Oberfläche giftig war. Nein, die Ukari würden dort nicht weggehen. Die Götter hatten Kordeth für sei ausgesucht. Doch, sein Volk glaubte an mehr als nur einen Gott. Aber Anikrunta der Einäugige war der Stärkste unter allen Göttern.

Der Wissensdurst der Roger-Kreatur schien unerschöpflich. Mwerron antwortete geduldig. Überrascht, dass es ihm Freude machte, zu erzählen. So viele Worte in der Aerdensprache hatte er nicht mehr gesprochen, seit Niz das Uryari fließend zu beherrschen begonnen hatte. Aber es war genug! Einem Menschenkind von den Kadani zu erzählen, würde Ärger bedeuten. Ärger mit Menschenpriestern. Ein vages Gefühl von Verlust stach plötzlich in seiner Brust. Schmerzhaft. Dies war nicht sein Zuhause. 

Denize kam zurück, erlöste ihn vor weiteren Fragen des Menschlings. "Re-prä-häh?" krähte der Kleine, während er sie mit großen Augen beieindruckt anstarrte.

Mwerron tat es ihm gleich. Schweigend. Zunächst. Dann murmelte er, "In ihrer Schönheit Strahlen verblassten selbst Velisamils prächtigster Blumen Blüten, und finstere Nacht wurde zum Tag, aber ihre Augen brannten mit feurigen Stolz, wie im Herzen ihn nur Krieger tragen tragen." Ein Zitat aus der tragischen Geschichte um Paa Han Venel und Shinistraku. Teil der Noddavitya. Etwas verunstaltet leider durch die Übersetzung in die Menschensprache, aber es schien ihm trotzdem passend. Und es war der einzige ihm bekannte Grund, warum sein Volk Worte für Blumen und Blüten kannte.

Er verzog seine blassen Lippen zu einer Grimasse, die ein verlegenes Grinsen darstellen mochte. Setzte an, noch etwas zu sagen. Doch ein duchdringender Summton schnitt ihm das Wort ab. Das Türsignal. Die Finger des Ur Ukar schlossen sich instinktiv um den Griff des Springmessers, das sich die ganze Zeit über unbewusst in seiner Hand befunden hatte.

Jack Hawkins:
Quartier der Picketts

Jennah ging vor und er folgte ihr in die vertraute Enge des Standardquartiers. Es war immer wieder überraschend, wie weit sich der Begriff "ausgelegt für zwei Personen" dehnen ließ. Seit Jack denken konnte, lebten die Picketts in diesen vier Wänden, sechs Personen, auf engstem Raum. Aber obwohl jeder Quadratzentimeter des Quartiers für irgend etwas genutzt wurde, zweckdienlich umgebaut oder vollgestellt war, hatte er sich hier nie beengt gefühlt. Hier war ein Heim – vielleicht nicht sein eigenes, doch etwas davon färbte unweigerlich auf ihn ab, jedesmal wenn er durch das Schott trat.

Suzannah war nich daheim; natürlich, sie arbeitete in der Morgenschicht, genau wie ihr Mann David. Sie in den Hydroponik-Anlagen, er an der Frachtschleuse.
Jennah passte auf ihre jüngeren Geschwister auf, während ihre älteste Schwester sicherlich auch schon irgendwo unterwegs war, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Jack erinnerte sich, dass es immer ihr Wunsch gewesen war, eines Tages zu den SGilden zu gehen. Ob etwas daraus geworden war?

Unter einem Bogen Einmachgläser, die in einem komplizierten Geflecht von Schnüren, Rollen und Winden an der Decke befestigt waren, tauchte er hindurch in den Koch-Ess-Wohnbereich des Quartiers.
Niz wartete dort bereits und sah völlig ungewohnt aus. Ein Kleid? Ein Kleid. Es floss wie eine zweite Haut über ihren schlanken, sehnigen Körper, ließ sie auf einmal viel größer, strenger, wirken. Dazu, unpassend und doch auf eine merkwürdige Art richtig, der Hut und die Augenklappe. Er stieß ein kleines Pfeifen zwischen den Zähnen hervor. Dann sah er Monn und ließ es dabei bewenden.

"Jaaack!" krähte Roger vergnügt und schlang seine dünnen Arme um den Sternfahrer. Jack wuschelte mit einem Grinsen durch den Haarschopf des Jungen.
"Morgen allerseits. Ich wollt euch zum Frühstück abholen, aber wie ich sehe seid ihr schon bestens bedient."

Enkidi Li Halan (N.A.):
Als Enkidi erwachte, krallten sich seine Finger noch immer in die Gitterplatten.
Die Dunkelheit, und alles, was sie enthielt, zog sich zurück wie ein Tier, das das Licht des Tages fürchtet. Nur die Kälte blieb.

Eine Weile starrte er einfach nur auf das Metall vor sich und seine weißen, verkrampften Finger und hoffte, dass es vorbei war.
Er lag auf dem Boden, auf eiskaltem Stahl. Sein Atem ging flach und schnell, wie nach einem kilometerlangen Dauerlauf, und da war
noch ein Rest körperloser Panik, die aber mit jeder Sekunde, in der er den Raum um sich klarer wahrnahm, dahinschmolz und
schließlich versiegte.
Es war still. Er wusste nicht warum, aber er war dankbar dafür.

Ein kühlen Luftzug strich über seinen nackten Oberkörper. Das massive Stahlschott des Frachtraumes stand offen. Eine Anzeige flackerte in grünem Licht.
Die Ewigkeit und acht Stunden waren vergangen.

Er setzte sich auf, unendlich langsam und vorsichtig, wie ein Insekt, dass schwach und verletzlich aus seinem Kokon kroch und erst unter dem Licht der Sonne zu seiner endgültigen Gestalt aushärtete. Kein Schmerz. Nur unendliche Schwere und Erschöpfung.
Er sah an sich herunter. Da war Blut, eingetrocknet, auf seiner Brust, seinen Armen, auf dem Boden. Lag als metallischer Nachhall in seinem Mund.

Er erinnerte sich vage an Blut, das eine andere Farbe gehabt hatt, und begann zu zittern. Panik blitzte in ihm auf, ein Nachbeben, das kaum dass er es bewusst wahrnahm, auch schon wieder verebbte. Plötzlich war ihm dieser kalte, tote Raum, in den er sich selbst gesperrt hatte, unerträglich.

Er zog sich hoch, schleppte sich aus dem Frachtraum nach oben, zwei schmale Leitern empor, wusch sich in seinem Quartier und streifte sich erneut eine grobe Leinenrobe über. Seine Bewegungen waren langsam, mechanisch, als hätten Geist und Körper noch nicht ganz zusammen gefunden.
Er fragte sich, ob er wirklich schon wach war.
Es gab diesen Test, der Kindern einfiel – sich in den Arm kneifen, damit der Schmerz bewies, dass man wach war.
Aber was half einem das, wenn auch die Träume voller Schmerz waren.

Er saß eine Weile reglos auf der Kante seiner Schlafpritsche und betrachtete seine Hände. Die Linien und Furchen, Täler und Hügel.
In der Linken deutlich, in der rechten von aufgeworfenem Gewebe entstellt. Das Elixir hatte in der Nacht gearbeitet, unabhängig von allem, was geschehen sein mochte. Die Wunde war versiegelt und mit neuer, frischer Haut überzogen. Es kribbelte, aber das Brennen, der grelle Schmerz, waren fort.
Er musste wach sein. Es war Zeit vergangen.

Enkidi erhob sich und verließ das Schiff, ohne Richtung. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Ein Bild kam ihm in den Sinn; von einem Gefäß, in dem eine silberne Flüssigkeit schwappte, und das waren alle Gedanken die er je gedacht hatte und denken würde. Und nun war sie leer, ausgeschüttet, oder zerbrochen – etwas hatte sie verzehrt.

Eine Stimme. Ein Gesicht. Es verzehrte. Darum exisiterte es.

Menschen. Plötzlich waren Menschen um ihn herum. Und Lärm. Stimmen. Rufen, Lachen. Jemand, der sich bei einem anderen jemand beschwerte. Er war auf den Arkaden. Das wummernde, pumpende Herz der Station, und er trieb zwischen den Menschen wie in einem warmen Strom.
Jemand rempelte ihn unsanft an und ein Mann mit dünnen Lippen und buschigen Brauen schimpfte ihm entgegen. Der Mann wusste nicht, wer da vor ihm stand, wieviele Welten zwischen dem einfachen Pilger und dem Adligen in der Robe eines Pilgers lagen.
Aber das war egal. Es war ein Mensch, und er war von Menschen umgeben. Enkidi spürte ihre Wärme, ihre Atemzüge, wusste, dass das Blut in ihren Adern rot war und lebendig und real. Sie hatten eine Form, die vertraut war, und nicht dem Alptraum entsprang. Man konnte sie berühren und erfassen. Ihre Stimmen hören, nicht fühlen.

Dies war real. Das andere nicht.

Er war dem Mann dankbar, und war drauf und dran, ihm das zu sagen, aber er war schon wieder in der Masse verschwunden. Andere rempelten in an, der Menschenstrom war dicht, sie strebten auf ein Ziel zu, dass Enkidi nicht erkennen konnte. Es war ihm gleich. Er genoß es, unter ihnen zu sein. Anonym und gesichtslos, ein Mensch unter vielen. Jemand, den niemand beachtete.

Auf den kein Auge fiel.

Schließlich stand er vor einem Portal. Einem hohen Bogen, dessen Ränder von roten Leuchtstoffröhren abgegrenzt wurden. Dahinter lag der Geruch von Kaffee, Joloba und frisch gebackenem Brot. Er trat ein.


 

Azzu:
(Monn)

Quartier der Picketts

Ein weiteres Menschenkind. Weiblich. Älter als die kleine Roger-Kreatur neben ihm. Huschte an ihnen vorbei, auf das Eingangsschott zu. Würde gleich öffnen. Mit zwei katzenhaften Schritten positionierte Mwerron sich schützend an Denizes rechter Seite. Der jetzt blinden Seite. Niz hatte kaum Erfahrung mit Blindkampf.

"Jaaack!" Der kleine Menschling stürzte auf den Neuankömmling zu. Das Jack-Wesen. Niemand hinter ihm. Still aufseufzend, ein kaum hörbarer Zischlaut, dann entspannte sich der Ur Ukar. Keine Gefahr. Aber auch keine Zeit mehr, alleine mit Niz zu sprechen. Der verfluchte Schichtdienst der Sternfahrer! Frühes Aufstehen lag den Piloten im Blut. Ohne hinzublicken, klappte Mwerron mit schlanken Fingern die Klinge des Springmessers ein und ließ es unauffällig in einer Hosentasche verschwinden.

Denize Noy:
Der poetische Anfall überraschte Denize. Gerade wollte sich Verlegenheit in ihr breit machen, da schob der Ukar ein spöttisches Lächeln hinterher. Dem Herrn sei Dank, er hatte nicht den Verstand verloren. Sie verzog einen Mundwinkel  zu einem halben Grinsen und setzte Zynismus gegen Spott ein. Schnurrte ihn an.
„Hast du davon noch mehr auf Lager? Mein Ego dürstet danach.“

Die Antwort blieb Monn ihr dank Hawkins schuldig. Der hatte auch schon mal frischer ausgesehen, schien sich daran jedoch wenig zu stören. Sein fröhlicher Auftritt ließ sie hoffen, dass dieser Tag für sie alle besser laufen würde, als der vorherige. Dass eine Unterhaltung über das Ding in seiner Tasche heute wesentlich produktiver sein würde, als die gestrige.
Nur die Sache mit der eingeschränkten Sicht  musste sie noch in den Griff kriegen. Als sie einen Schritt in den Raum gemacht hatte, war sie mit dem Hut gegen einige hängende Gläser gestoßen. Und als ein leises Klicken hinter ihr den Schluss nahelegte, dass sie schon wieder eines getroffen hatte, fand sie sich beim Umdrehen auf einmal Auge in Auge mit dem Ukar. Sie hatte nicht mal mitbekommen, wie er sich bewegt hatte.

Jennah drückte jedem von ihnen eine Kaffeetasse in die Hand und nötigte sie, sich um die schmale Tischplatte zu drängen, die sie bis Anschlag aus der Wand gezogen hatte.

„Oh bitte, darf ich,“ rief Niz als sich das Mädchen anschickte, ihre jüngste Schwester vom Boden einzusammeln und ihr mit einem kleinen Löffel Brei in den Rachen zu schieben. Dankbar übergab Jennah das glucksende Bündel der Fremden, die sich dem Füttern mit viel mehr Hingabe widmete, als ihrem Kaffee.

„Aber mach dir keine Mühe mit Essen für uns, Jennah. Wir wollten im Coffee Garden frühstücken. Ihr habt Euch genug aufgebürdet.“
Sie hatte nun mal beschlossen, heute ihren großzügigen Tag einzulegen und ihre beiden ungleichen Freunde einzuladen, selbst wenn das im CG hieß, dass sie das Geld dort lassen würde, dass sie sonst für drei Wochen Proviant veranschlagte. Außerdem fühlte sie sich Mwerron gegenüber verpflichtet, die Sightseeing-Tour über die Station weiterzuführen und zu beweisen, dass der alte Schrotthaufen auch schöne Plätze barg. Welchen schöneren sollte sie da finden, als den Garten? Den Garten. Den grünsten Ort der gesamten Raumstation. Stolz von Bazaar, der das teuerste Café beherbergte, dass Denize von innen kannte.  Ein Areal, so groß, dass man den Eindruck bekommen konnte, in einem echten Park einer Planetenstadt herumzuspazieren. Ganze zwei Standardminuten von einem Ende zum anderen mit frischester Luft und ohne Anblick von Stahl. Vorausgesetzt, der Blick wanderte nicht nach oben.

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