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[TSOY auf RatCon06] Vergeigtes Spiel
Purzel:
Hiho!
Am 19. August 2006 hatte ich auf dem RatCon das Vergnügen "The Shadow of Yesterday" einer kleinen Runde von Leuten vorzustellen. Jens war dabei, ein Hannes, und noch zwei andere, an die ich mich nicht mehr so erinnere. Das Spiel dauerte von 9 bis 12 Uhr, typische Con-Situation, schnell, schnell, die Leute wollen noch was anderes machen, in einem Raum mit 2 anderen Runden und zwei Idioten in den anderen Runden, die unbedingt meinten, dass das absolute Rauchverbot auf dem Con würde nicht für sie gelten ::)
Ich hatte 4 SCs vorbereitet.
* Einen Schwertkämpfer und Duellanten, der sich den ehrenvollen Zweikampf auf die Fahnen gesschrieben hatte.
* Einen Angeber und Prahlhengst, der die Neigung hatte unnötige Risiken einzugehen. Mit seiner Kühnheit wollte er natürlich die Aufmerksamkeit eines Mädchens ergattern.
* Eine Art Gauner und Attentäter, der genauso ein grosser Rebell sein wollte wie sein Vorbild bei den Partisanen.
* Und einen Ratling, den es nach Schätzen dürstete.
Gemeinsam sollten diese 4 jungen Partisanen eine wertvolle Karte aus einem Militärlager der Ammeniten holen. Der Hauptmann der Ammeniten war bekannt als hervorragender Schwertkämpfer. Als weitere Möglichkeit den Ammeniten Schaden zuzufügen gab es einen Sold-Transport aufzuhalten. Zudem war die Nichte (das Mädchen des Prahlhengstes) des Lehrmeisters des Duellanten vom Hauptmann entführt worden.
Meine Irrtümer
Der Plot lief eigentlich ganz vernümpftig ab, ich liess die Spieler machen und sie die Action vorantreiben. Doch schnell merkte ich, dass irgendwas schief ging, und ich und die Spieler nicht so viel Spass hatten, wie ich erwartet hatte.
Die Highlights
Sie überfielen das Lager, jeder machte das, was seinem Key entsprach: der Duellant nahm sich den Hauptmann im Zweikampf vor und besiegte und erniedrigte ihn. Der Angeber nahm es immer wieder mit gleich mehreren Soldaten gleichzeitig auf. Das Mädchen konnte befreit werden, und der Angeber konnte tatsächlich bei ihr landen. Der Attentäter schoss einen wichtigen Beamten der Ammeniten über den Haufen. Der Ratling bekam die wertvolle Karte und gab sie nur unter Gewalt wieder her. Sie überliefen den Sold-Transport und zündeten eine Brücke an.
Die Spieler benutzen ihre Keys, tauschten sie sogar aus, und nahmen sich noch während des Spiels neue Fertigkeiten. Sie benutzen Pool Refreshment, um sich auszuladen und ihre Keys zu füttern. Also alles, was das Spiel unterstützt.
Es war eigentlich ganz cool, aber das Spiel hatte einen gewissen fahlen Nachgeschmack.
Meine Probleme
Ich hatte geplant, dass die Spieler mehr aufeinander eingehen würden, sich gegenseitig bessere Vorlagen liefern. Stattdessen konnte jeder unabhängig vom anderen sein Ding drehen, es gab leider keine Not, die sich zwang echt miteinander zu arbeiten (z.B. Zoff zwischen dem Ehrenhaften Schwertkämpfer und dem Attentäter, wie man nun vorzugehen habe ... wäre schön gewesen, gab es aber nicht, weil sie sich für die Aktion aufteilen konnten und unabhängig voneinander handelten).
Und ich musste sie mit Challenges von aussen bombardieren, was mir auch nicht wirklich gut gelang: ich hatte die Schwierigkeit der Herausforderungen und die Spieler überschätzt, ich frustrierte sie hauptsächlich und brachte sie nicht dazu es zusammen zu versuchen, um sich den Gefahren eines Camps voller feindlicher, ausgebildeter Soldaten zu stelllen. Im Grunde gab es 4 unabhängige Schauplätze, was nicht wirklich half die Übersicht zu behalten. :(
Das Abenteuer blieb mir etwas zu schlicht, es hatte mehr das Gefühl einer Old School Mission, die durchgeführt worden ist. Der Fokus hätte mehr auf Konflikte und schwierige, wichtige Entscheidungen untereinander liegen sollen.
Ich denke, ich vergass auch die Spieler besser anzuweisen. Ich war selbst nicht wirklich sicher im System. 3 Stunden war definitiv zu kurz angesetzt. 5 Stunden wären besser gewesen.
Die Stakes, die ich gesetzt habe, waren häufig zu klassisch, zu gewöhnlich (derart: "Du schaffst es, oder zu schaffst es nicht."). Einen der wenigen guten Einfälle, die mir kamen, hatte ich beim Duell des Schwertmeisters mit dem Hauptmann: "Du besiegst ihn, oder aber er kann dir dein Schwert entwenden, es zerbrechen und nimmt dich gefangen".
Wichtig bei den Stakes sollte eigentlich auch sein, dass beide Ausgänge akzeptabel sein sollten. Doch da mir das nicht gelang, wurde allzu häufig "Bringing Down the Pain" gemacht, weil die Spieler einen Konflikt nicht verlieren wollten.
Das Würfelsystem hat bei den Spielern ein wenig das Gefühl von Willkürlichkeit hervorgerufen. In der Tat nahm ich eine grosse Varianz wahr. Vor allem Jens hat gewaltige Pools an Würfeln geschleudert und dabei massenweise Minusse produziert. Echt mieses Karma :P
Auch da hatte ich das Gefühl, dass ich allzu häufig habe würfeln lassen. Ich hätte mehr "ja, das klappt" sagen und durchwinken sollen.
Was mir auch erst hinterher auffiel, und worüber die Spieler auch klagten: es gab zu wenig soziale Konflikte. Zu viel Klopperei, zu viel physische Action. Sie wollten vor allem mehr Interaktion untereinander.
Und vielleicht lag's auch mit daran, dass nur Jens Erfahrungen mit forgigen Spielen hatte, und die anderen Spieler mich nicht wirklich unterstützen konnten das Spiel in seine optimalen Bereiche zu hieven.
Was habe ich daraus gelernt
Glücklicherweise muss ich kein Seppuku für meine schwache Leistung auf dem Con begehen. :P
Es scheint, man muss gerade für One-Shots ne Menge Arbeit als SL machen. Normalerweise machen bei TSOY die Spieler alle gemeinsam ihre SCs zusammen und gucken, dass sie untereinander passen und sich ergänzen. Doch für einen Con muss man besser vorgefertigte SCs mitbringen, sonst geht zu viel Zeit verloren, denn das Plot machen ist nicht wirklich trivial.
Beim Entwerfen der Grundsituation hätte ich mehr darauf achten sollen, dass die Spieler zwangsweise zusammen arbeiten müssen, und nicht beliebig aneinander vorbei rennen können.
Ich denke, ich habe ne Meeeenge gelernt bei dieser missglückten Sitzung. Ein grosser Fehler war sicherlich, dass ich nicht die Idee verwendete, die ich schon erfolgreich mit meiner wöchentlichen Rollenspiel-Testrunde gemacht hatte. Ich wollte für den Con was eigenes machen, hatte mehrere Ideen erdacht und wieder über den Haufen geworfen. Die Gruppe mit den 4 Partisanen hatte ich erst 2 Tage vor dem Con fertig.
Fragen?
Lord Verminaard:
Hi Purzel, danke für diesen Bericht! Ein paar Punkte:
1) Es ist nicht per se schlecht, wenn jeder SC sein eigenes Ding macht. Ich habe für meine NordCon-Präsentation ein zugespitztes PvP-Szenario gemacht, und es war sehr schön, aber das heißt nicht, dass etwas falsch läuft, wenn die Charaktere nicht so viel zusammenarbeiten. Ich persönlich empfinde es allerdings auch als große Bereicherung, wenn die Spieler nicht nur mit dem SL, sondern auch untereinander interagieren. Ist ja auch klar, dadurch bekommt das Spiel einfach ein Vielfaches an Impulsen. Das gilt nicht nur für forgige Spiele, sondern für alle Rollenspiele.
2) Für mehr soziale Konflikte: Mehr NSCs. Nicht nur reine Gegner, sondern auch Verbündete und ambivalente Charaktere. Ist natürlich blöd für einen 3-Stunden-Slot. Ich hatte auf der NordCon 6 Stunden. Schön ist, wenn NSCs eigene Interessen haben, die sich teilweise ergänzen und teilweise widersprechen. Dann hast du richtig schön saftiges Futter für viel Interaktion und soziale Konflikte.
3) Würfel und Pain-Bringing: Ja, lieber nicht zu viel würfeln. Genau wie mit den Konflikten in Dogs, wird BDTP irgendwann zu viel. Es verbraucht eben auch Zeit. Wenn ein Spieler einfach entgegen aller Wahrscheinlichkeit den größten Mist zusammen würfelt, ist das eben Pech. Das kann man nicht verhindern, es sei denn, man will würfellos spielen. Beliebig ist das System natürlich nicht, wie du als Stochastik-Experte wesentlich besser weißt als ich. ;)
4) Erfahrung mit Forge: Glaube ich eigentlich nicht, dass die entscheidend ist. Wenn man das System gut erklärt, funktioniert es auch mit „ganz normalen“ Rollenspielern. Der Spieler, der meine NordCon-Runde gerockt hat, war ein ganz normaler Vampire-Spieler-Visual-K-Rollenspiel-Geek, der nie zuvor irgendwas von Forge gehört hatte.
5) Warum du nicht dein erfolgreich getestetes Szenario verwendet hast, das habe ich mich allerdings auch gefragt… ;)
Purzel:
--- Zitat von: Lord Verminaard am 3.09.2006 | 12:15 ---1) Es ist nicht per se schlecht, wenn jeder SC sein eigenes Ding macht. Ich habe für meine NordCon-Präsentation ein zugespitztes PvP-Szenario gemacht, und es war sehr schön, aber das heißt nicht, dass etwas falsch läuft, wenn die Charaktere nicht so viel zusammenarbeiten.
--- Ende Zitat ---
Gedacht hatte ich es aber anders. Da das Spiel sich plötzlich ausserhalb meiner Erwartungen bewegte, fing ich an wild und ziellos zu rudern.
--- Zitat ---2) Für mehr soziale Konflikte: Mehr NSCs.
--- Ende Zitat ---
Hatte ich angelegt: der Hauptmann, die entführte Nichte, der Schwert-Lehrer, der Rebellen-Veteran. Ich hatte diese NSCs mit Motiven ausgestattet, aber richtig benutzt habe ich nur den Hauptmann und den Veteran, um die SCs unter Druck zu setzen.
--- Zitat ---3) ... Wenn ein Spieler einfach entgegen aller Wahrscheinlichkeit den größten Mist zusammen würfelt, ist das eben Pech. Das kann man nicht verhindern, es sei denn, man will würfellos spielen. Beliebig ist das System natürlich nicht, wie du als Stochastik-Experte wesentlich besser weißt als ich. ;)
--- Ende Zitat ---
*hust*hust* Ein Experte bin ich bei Weitem nicht, aber ich kenne in etwas die üblichen gedanklichen Fallstricke, die Normalsterbliche im Umgang mit Wahrscheinlichkeiten machen.
Aber den Spielern erschien das Spiel ihrer eigenen Einschätzung nach zu ihrem Ungunsten zu sein. Vielleicht hätte ich erwähnen sollen, dass das Feeling der Konflikte recht "realistisch" ist: ein Kampf gegen 4 Gegner ist nunmal schwierig, ist schliesslich kein D&D. Und die Gegner sind nunmal gut, und keine Luschen.
Problem war, dass ich NSC ebenso kompetent, oder sogar besser machte als die SCs, um sie richtig zu fordern und sie zum Nachdenken zu zwingen.
Statt einer sicheren Sache wurde aus einem Konflikt dann schnell eine 50:50 Situation, was die Spieler wohl nicht erwarteten. Sie setzten ohne Ende Bonus-Würfel aus ihrem Pool ein, Gift-Dice etc. Aber mehr als 3-4 Bonuswürfel sind deutlich übertrieben, die Spieler verpulverten ihre Ressourcen zu schnell, später fehlte ihnen dann der Wumms. Sie machten (unnötig häufig) BDTP und rieben ihre Pools weiterhin schnell auf.
Und dann würfelte ich wie ein junger Gott mühelos +3, während Jens neben mir 8 Würfel schmiess und eine schlappe +1 hinlegte ;D
--- Zitat ---4) Erfahrung mit Forge: Glaube ich eigentlich nicht, dass die entscheidend ist. Wenn man das System gut erklärt, funktioniert es auch mit „ganz normalen“ Rollenspielern.
--- Ende Zitat ---
Knackpunkt war: ich hatte nicht gut erklärt. Zu wenig Zeit, zu lauter Raum, ein paar Idioten, die die Luft verqualmten, eine Nacht in der Turnhalle, neben der eine ICE Trasse verläuft, und überhaupt schlecht vorbereitet. :P
--- Zitat ---5) Warum du nicht dein erfolgreich getestetes Szenario verwendet hast, das habe ich mich allerdings auch gefragt… ;)
--- Ende Zitat ---
Ja, ich beisse mir auch in den Hintern deswegen. Mein erstes Szenario, vor allem mit den Verbesserungen, war deutlich konsistenter. Aber ich musste meinen eigenen Dickkopf durchsetzen und etwas Neues machen wollen. Ich doof!
jonim:
Hi Purzel!
Danke für diesen Bericht.
--- Zitat von: Purzel ---Und einen Ratling, den es nach Schätzen dürstete.
--- Ende Zitat ---
Der war ich :)
War echt schade das die Runde nicht so gut gelaufen ist.
--- Zitat von: Purzel ---Knackpunkt war: ich hatte nicht gut erklärt. Zu wenig Zeit, zu lauter Raum, ein paar Idioten, die die Luft verqualmten, eine Nacht in der Turnhalle, neben der eine ICE Trasse verläuft, und überhaupt schlecht vorbereitet.
--- Ende Zitat ---
Ich glaub du hättest viel mehr klar machen sollen in welche Richtung du das Spiel haben wolltest.
Die Steilvorlagen die da waren (die unterschiedlichen Keys die zu Konflikten einladen die NSCs wie z.B. der Schwert-Lehrer) haben wir einfach nicht genutzt oder wegen der Umgebung und der Müdigkeit nicht wahrgenommen.
--- Zitat von: Purzel ---Statt einer sicheren Sache wurde aus einem Konflikt dann schnell eine 50:50 Situation, was die Spieler wohl nicht erwarteten. Sie setzten ohne Ende Bonus-Würfel aus ihrem Pool ein, Gift-Dice etc. Aber mehr als 3-4 Bonuswürfel sind deutlich übertrieben, die Spieler verpulverten ihre Ressourcen zu schnell, später fehlte ihnen dann der Wumms. Sie machten (unnötig häufig) BDTP und rieben ihre Pools weiterhin schnell auf.
--- Ende Zitat ---
Durch die Müdigkeit hatten alle Probleme alle Feinheiten des Systems aufzunehmen, so dass diese Fehler entstanden.
Ich glaub wären alle besser ausgeschlafen gewesen dann hätte das alles besser geklappt, aber ausgeschlafene Spieler sind auf Cons sehr rar ;)
Fazit: Es kann nicht jede Runde klappen. Manchmal läuft halt auch mal was schief.
Jonathan
Lord Verminaard:
--- Zitat ---Sie setzten ohne Ende Bonus-Würfel aus ihrem Pool ein, Gift-Dice etc. Aber mehr als 3-4 Bonuswürfel sind deutlich übertrieben, die Spieler verpulverten ihre Ressourcen zu schnell, später fehlte ihnen dann der Wumms.
--- Ende Zitat ---
Du weißt schon, dass man nur einen Pool-Würfel pro Check kaufen kann, es sei denn, man hat das entsprechende Secret? Wobei ich das in meiner NordCon Runde auch falsch gemacht habe, und es hat dem Spiel nicht wirklich geschadet.
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