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[SEUCOR] Schatz im Amazonas

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Purzel:
5. Oktober 2006, 18:00 Uhr, die Rollenspieltestrunde tritt mal wieder zusammen. Diesmal haben wir uns ein System vorgenommen, dass 1of3 als Satire erschaffen hatte.

SEUCOR


* Schnell
* Einfach
* Universell
* Gibt es in den Geschmacksrichtungen Cinematisch, Realistisch und Waldfrucht
* Eins der gebalancten Spiele "evar"
Wir haben 1of3 einfach mal ernst genommen und haben uns mit dem System befasst. Eva hat vorbereitet, Dom und ich haben Charaktere gespielt.

Setting

Da unsere Spielleiterin in letzter Zeit viele Bücher in diesem Bereich gelesen hatte, wollte sie einen Plot in der Richtung machen: im Prinzip ein lovecraftsches Setting in der modernen Welt, Cthulhu-Mythos-artig, circa um das Jahr 1995 spielend. Deutschland.  :ctlu:

Regelinterpretation

Bevor wir richtig begannen haben wir zunächst noch die Regeln etwas interpretiert: wir wollten die C-Regel (Cinematik) verwenden, die R-Regel (Realismus) haben wir weggelassen. Normalerweise würfelt man d6, doch wir konnten d8 bekommen, wenn wir etwas cinematisches erzählt haben. Wir legten die Regeln so aus, dass man diese d8 aufsparen kann, daher legten wir einen Vorrat von Pokerchips in die Tischmitte, aus der die Spieler Belohnungen für cinematische Erzählungen an Mitspieler verteilen konnten.

Charaktererschaffung

Dom entschloss sich den evangelischen Pfarrer Dr. Bernd Sosemühl zu spielen, einen Doktor der Theologie. Ich überlegte mir den Astrologen Vladek Palchowski zu spielen, ein Mann, den es aus Tschechien nach Deutschland gezogen hatte. Das schrieben wir auf, mehr war nicht nötig.

Teil 1

Der Plot beginnt

Die Geschichte begann Eva mit einem Prolog: die beiden ungleichen Charaktere trafen sich auf einer Dia/Film-Show zu irgendwelchen Südamerika-Kulturen. Es gab da nur 10 Personen, die zu dem Vortrag gekommen waren, doch für diese kopflastige Thematik war das schon viel. Es ging um Ausgrabungen einer Kultur, die wir aufgrund des unausprechlichen Namens nur Q.-Kultur nannten. Dort gab es Pyramiden, Rituale und Artefakte, die wie maschinell gefertigt aussahen, Zeugnisse hoher Kunstfertigkeit.

Beide Protagonisten waren von dem Vortrag so fasziniert, dass sie nun zusammen für ihr neues Hobby recherchierten. Vladek plante vielleicht darüber ein Buch zu schreiben, als Pfaffer Sosemühl einen Kollegen traf, der in Südamerika gewesen war, und der dort tatsächlich solche Artefakte gesehen hatte. Begeistert von dieser Neuigkeit entschlossen sich die beiden dort hinzureisen. Vladek hatte Geld auf die hohe Kante gelegt und war frei loszureisen, Bernd machte sich bei seinen Vorgesetzen in der Kirche unbeliebt, als er sich Urlaub nahm.

Bananenrepublik

Wir kamen ohne weitere Verzögerungen irgendwo in Südamerika an. Kein besonders demokratisches Land zwar mit hoher militärischer Präsenz, aber wenigstens wurde man als Ausländer nicht sofort entführt. Wir besorgten uns Zigaretten als Tauschware, mieteten uns einen Jeep, hatten einen Haufen amerikanischer Dollar dabei, da wir der einheimischen Währung nicht trauten. Zuhause in Deutschland hatten wir so bisschen Survival-Ausrüstung gekauft, Fotos von den gesuchten Orten mitgenommen, wir fühlten uns gut vorbereitet für das, was auf uns zukommt.

Falsch gedacht.

Es regnete heftig (hier konnten wir Spieler verhindern, dass wir mitten in der Regenzeit unterwegs waren) und der Jeep blieb stecken. Wir holten die wichtigsten Sachen aus dem Fahrzeug und machten uns zu Fuss auf den Weg.

Doch wir hatten arge Orientierungsschwierigkeiten, wir sollten wohl 4-5 Tage durch den Dschungel über eine unbefestigte Strasse laufen. Eines Nachts hatten wir richtig grosse Probleme: eine Schlange oder sowas kroch in Bernds Schlafsack, und erst mit ein wenig Würfelei konnte ich mit Eva aushandeln, dass es Vladek gelang das Vieh mit einem schweren Stiefel zu erschlagen, da brach eine kleine Gruppe Wildschweine aus dem Unterholz. (Auch hier wollte Eva gleich eine ganze Rotte draus machen, dank Würfel wurde daraus ein einziger, aufgebrachter Keiler und ein paar deutliche ungefährlichere Nebenschweine). Glücklicherweise hatten wir unser Essen auf einen Baum gehängt (auch hier mussten wir das Zugeständnis Spielleiterin Eva per Würfel aus der Nase ziehen), doch Vladek wurde trotzdem von dem Keiler durch die Gegend gejagt, das Lager wurde verwüstet, alles durcheinander und dreckig gewühlt, er entkam schweren Verletzungen nur dadurch, dass er toter Mann spielte und der Keiler von ihm abliess.

Am nächsten Tag hatte ich das Gefühl, dass wir dringend irgendwie Hilfe brauchten. Ich wollte uns einen spanisch-sprechenden Einheimischen auf einem Fahrrad erzählen: heraus kam dabei nur ein Indio im Lendenschurz mit Nasenpiercing, Speer und Machete und Null Sprachkenntnissen. Doch wir konnten ihm unsere Fotos zeigen, er wies uns eine Richtung, nahm sich eine Stange Zigaretten und gab uns eine Handvoll komischer Blätter. Immerhin ein Hinweis!

Später machten wir auf dem Weg eine unangenehme Erfahrung mit einen sehr, sehr zornigen, bissigen Tier, das zunächst Bernd anfiel, sich dann aber im Verlauf einer Rangelei in Vladeks Nase verbiss.  :o AUAAA!! Vladek überlegte, ob diese Blätter des Indios vielleicht zumindestens gegen die Schmerzen helfen würden und kaute daher eins, doch dieses regte nur übermässig den Harndrang an.

Eines weiteren Abends stellten wir fest, dass der Regen aus den Bergen herunterkam, und einen Bach so zum Überquellen brachte, dass es unser primitives Lager überschwemmte. Wir retteten uns auf einen Baum und wollten dort die Flut abwarten, das letzte bisschen Hab und Gut an uns geklammert. Doch Vladek stürzte ins Wasser. Er hielt sich glücklicherweise irgendwo noch fest, aber ich musste Spielleiterin Eva anbieten, dass mein Charakter am nächsten Tag das grosse Kotzen und Scheissen aufgrund des unhygienischen Wassers hatte, damit sie endlich aufhörte zu versuchen meinen SC zu töten  ;D

Purzel:
Teil 2

Das Dorf

Endlich trafen wir ein paar Menschen. Doch statt eines vernümpftigen Krankenhauses erwartete meinen Charakter Vladek (bisher: Schrammen und Beulen, Pisserei, Scheisserei, Kotzerei, kaputte Nase) nur ein alter Medizinmann, einen Wunderheiler. So machte er Kontakt mit echt merkwürdigen, zweifelhaften Ritualen und Medizin auf Pflanzen und anderen, schrecklichen Dingen. Doch es flickte ihn erstmal zusammen.

Wir zeigten dem Medizinmann unsere Fotos, doch er wollte nicht drüber reden, als er verstand, dass wir den Ort suchten und einen Führer brauchten.

In einer Art Kneipe entdeckten wir einen beschwippsten Einheimischen, dem wir uns aber aufschwatzen konnten. Zigaretten und Dollar wurden getauscht, und er brachte uns mit einem Kanu soweit, dass wir nur noch selbst einen Tag durch den Dschungel laufen mussten. Aufs Verrecken konnten wir niemanden überreden den ganzen Weg mitzukommen.

In der Tempelanlage

Ohne dass uns die Natur weitere Hindernisse in den Weg warf erreichten wir die Tempelanlage. Unsere SCs waren fasziniert davon, wir schaute uns zwischen den Pyramiden und Statuen um, machten Fotos ohne Ende. Eine besonders auffällige Statue war Vladek sogar ein paar extra Fotos wert. Da krachte Bernd, und darauf Kollegen Vladek in den Untergrund.

Jetzt waren wir untertage, mit keiner Möglichkeit wieder raufzuklettern. Aber immerhin hatten wir Taschenlampen dabei. Der Fotoapparat war zerstört worden, der halbvolle Film aber wurde noch schnell gerettet. Wir schlugen uns durch die unterirdischen Gänge, fanden seltsame Hohlräume und Mechanismen, alles war von Wurzeln durchwachsen, und Dom machte komische Soundeffekte um zu verdeutlichen, welche Geräusche der Wind hier in den Tunneln erzeugte.

Hier begannen wir nach und nach mit Cinematik-Belohnungen um uns zu werfen.

Wir fanden einen Raum, ganz aus GOLD! Leider, leider war alles zu unhandlich um es transportieren. Wir nahmen daher vorlieb mit 5 perfekten Steinkugeln, die es dort gab, die wie wertvolle Artefakte der vergangenen Kultur auf Sockeln aufgestellt waren. Typsich cinematisch fing das Tunnelsystem danach einzubrechen.

WIr flüchteten durch die Tunnel, natürlich über eine Schlangengrube hinweg, in die der Pfarrer beinahe gestürzt war. Hier drehte ich voll auf und sammelte mir bis zu 3 Cinematik-Würfel an, geschrieb Schweiss, Staub, Schmerzen in den Armen, vergebliche Rettungsversuche, wir hatten wahnsinnig Spass.

Leider war Bernd aber doch von einer Schlange gebissen worden. Vladek verabreichte Bernd zusätzlich einen Sud aus Käfern, um das Fieber zu senken (etwas, das der alte Medizinmann im gegeben hatte). Das Fieber sank zwar nicht, aber Bernd konnte wenigstens laufen.

Im Wahn schwankte der Pfarrer meinem Charakter hinterher, sprach in fremden Sprachen, fuchtelte mit einem Messer herum, sah seinen Gott, und versuchte dauernd irgendwas zu opfern. Das gipfelte darin, dass er versuchte Vladek abzustechen und sie beide in den Fluss fielen, glücklicherweise aber schlachtete er nur einen jungen Kaiman.

Zivilisation

Wir liessen uns von einem Motorboot einsammeln und Bernd kam in ein richtiges Krankenhaus. Dort konnte man den Wahn beenden, das Fieber senken, aber leider nicht die Alpträume in der Nacht beenden, die den Pfarrer immer noch plagen sollten.

Die Steinkugeln schmuggelten wir aus dem Land, indem wir uns ein paar weitere, normale Steinkugeln von einem lokalen Steinmetz machen liessen. Dem Zoll präsentierten wir eine gefälschte Quittung, und schon waren wir auf dem Rückweg nach Deutschland.

Der reiche Sammler

Begeistert nahmen wir Kontakt zu dem Mann auf, der den Vortrag über die komische Q.-Kultur gehalten hatte. Wir fanden heraus, dass dieses ein gewisser Herr von Edelbrück war, ein reicher, verschrobener Mann, der in seiner Villa alles mögliche Zeug sammelte. Wir hatten ein ausgiebiges, luxuriöses Treffen mit ihm, und er kaufte uns die 5 Kugeln für 2 Millionen DM ab.

ENDE

Es war 21:00 Uhr, wir waren etwas müde. Laut Eva fing nun eigentlich der Plot aus dem Buch, das sie gelesen hatte, eigentlich erst an. Trotzdem hörten wir nach drei Stunden auf, denn einen guten Eindruck vom System hatten wir inzwischen bekommen.

Eva verriet uns, dass der Sammler uns schon im Prolog bei dem Filmvortrag hypnotisiert hatte, um uns dazu zu bringen diese Kugeln zu besorgen. Später hätte der Mann versucht damit irgendwelche bösen Götter zu beschwören.  :ctlu:

Purzel:
Analyse:

SEUCOR funzt!  ;D

Die Cinematik-Regel hat gut funktioniert, wir hatten echt Spass damit. Voll cinematisch (wie auch immer das definiert ist)!!!

Wir entschieden, dass man als SL zumindestens einen groben Plot vorbereiten sollte. Zu detailiert sollte man nicht werden, da die Spieler einem durch den Einspruch einiges verändern konnten. Doch Eva hatte trotzdem das Spiel ziemlich gut in den Griff, und auch wir lernten schnell, was wir zu tun hatten, um die übelsten Sachen für unsere SCs zu verhindern.

Wir zogen Vergleiche zu unseren Erlebnissen mit Pool und Puddle, wo wir als Spieler ähnlich grosse Mitsprache-Rechte gehabt hatten. Allerdings funktioniert das "Abschwächen" bei SEUCOR doch deutlich anders, und das garnicht mal so schlecht. Besser als ein absolutes Veto-Recht jedenfalls. Abschwächen ist toll, auch wenn SEUCOR sehr ungenau dabei ist, was das nun bedeutet.

Im Allgemeinen konnten wir gut davon zehren, dass in dieser Rollenspieltestrunde zwischen uns der soziale Konsens gut klappte. Und das die Erfahrungen mit anderen forgy Spielen uns sehr geholfen hatten SEUCOR in funktionaler Weise zu deuten und zu spielen. Das glättet die offensichtlichen Lücken und die Regelarmut in SEUCOR.

Das Handling der Cinematik-d8 hatten wir uns aus den Regeln heraus interpretiert, und es klappte gut, wie wir es handhabten. Jeder, beide Spieler und auch der SL erhielten die Belohnungen für cinematische Erzählungen. Vor allem in dem unterirdischen Tunnelsystem hatte das gebrummt.

Regel 1 hatten wir so angewendet: JEDER Spieler macht einen Charakter UND spielt diesen auch. Bis auf den Esel, der ist Spielleiter

SEUCOR hat keine Resolution für die Konflikte im althergebrachten Sinne, sondern was das verhandelt wird sind Interessensunterschiede zwischen allen Spielern und dem SL. Wie Victor Gijsbers hier in seinem Blog schrieb ist der Mechanismus von SEUCOR nicht konflikt-getrieben, sondern er benutzt allgemeiner eine Art "Resistance", um zu verhindern, dass die Spieler einfach zum Ende des Plots springen, ohne die schwierigen, holprigen Zwischenstationen zu nehmen.
   Wir zogen also Vergleiche zu Systemen wie Shades.

Ziemlich ungewöhnlich war auch, dass wir die Regeln nicht nur Spieler vs. SL anwendeten, sondern auch lustig Spieler vs. Spieler betrieben, um unsere Meinungen durchzusetzen.

Wir diskutierten auch noch lang und breit die R-Regel und verglichen sie mit anderen Veto-Regeln, die so im Umlauf sind.

Dom:
Vielleicht ein paar Eindrücke des Konzeptes SEUCOR von mir (ungeordnet):

1) Die Realismus-Regel ist nicht wirklich sinnvoll... gerade für Einschüsser ist mir doch völlig egal, ob mein "Unrealistisch!"-Ruf gegenbewiesen werden kann oder nicht. Zudem ist die Bestrafung weit weg, und wenn mir klar ist, das ich die Bestrafung eh bekomme, kann ich damit ne Menge knicken, wenn ich will. Dagegen steht natürlich noch der Gruppenvertrag, aber dann kann man die Regel eigentlich auch gleich weglassen.

Wenn man Regel R irgendwie direkter (z.B. Abstimmung in der Gruppe) macht, wäre das besser.

Regel R': Wenn Spieler B die Aussage von Spieler A total unrealistisch findet, kann er Veto einlegen. Die restliche Gruppe ohne Spieler A und B stimmen darüber ab, bei Gleichstand entscheidet ein Münzwurf. Verliert A, so muss er seine Erzählung realistisch umgestalten, verliert B, so darf er beim einem Wurf nach Wahl von Spieler A nur W4 benutzen.

2a) Das Abschwächen der Aussage nach einem gelungenen Wurf war zumindest mir ungewohnt, aber insgesamt funktionierte es recht gut. Vor allem am Anfang war man als Würfelnder nach einem gelungenen Wurf versucht, selber die korrigierte Version zu erzählen. Das ging dann nachher besser.

2b) Allerdings gibt es auch offenbare Abschwächungen, die eigentlich gar keine Abschwächungen sind: "Du hast Durchfall und musst alle 2 Meter in die Büsche zum Kacken." *roll* Gelungen! "Ok, du musst nur alle 4 Meter in die Büsche zum Kacken." Das ist klarerweise eine Abschwächung, macht aber tatsächlich kaum einen Unterschied.

3) Es wurde meiner Einschätzung nach recht viel gewürfelt. Das lag daran, dass man immer versucht war, etwas gut darzustellen: Sollen die anderen doch würfeln, dann kann ich es immer noch abschwächen. Da die Würfe aber schnell abgehandelt waren, fielen sie kaum ins Gewicht.

4) Wir haben auch drüber diskutiert, wie/ob das Spiel mit mehr Spielern funktionieren würde. Insbesondere gibt Regel 2 nicht vor, dass man nur dann würfeln darf, wenn der eigene Charakter betroffen ist. Das könnte bei vielen Spielern dazu führen, dass man seine Statements sehr oft abschwächen muss.

5) Wir haben Regel 2 so ausgelegt, dass man pro Statement nur einmal würfeln darf, d.h. wenn Spieler A etwas sagt und Spieler B würfelt dagegen und vergeigt den Wurf, so darf Spieler C nicht danach nochmal gegen dieselbe Aussage von Spieler A würfeln.

6) Wir hatten coole cinematische Szenen!

EDIT:
7) Wir hatten mehr ein Indianer-Jones-Feeling als irgendwas  :ctlu:-artiges -- das kam durch die Cinematik-Regel

Dom

1of3:
Gedanke 1: ROOOOFL.

Gedanke 2: Ich habe ein Monster erschaffen.


P.S.: DRIFTER!! ~;D

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