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[Ein Lied von Eis und Feuer / Hausmarke] Hartwurst go!
Miriamele:
Hi!
Ich habe ziemlich lange nicht mehr hier gepostet, weil ich mit meiner Ausbildung und meiner Beziehung ziemlich ausgelastet war und auch aufgrund meines Umzugs kaum noch Rollenspiel gespielt habe. Nachdem ich lange Vampire und Werewolf gespielt hatte, war ich von Fredi, Vermi & Co. zu PtA verführt worden und hatte mit Tenaebris eine sehr geniale Runde, wenn sie auch in den letzten beiden „Folgen“ ein bisschen verkrampfte, da wir es einfach zu gut machen wollten.
Ich stehe also auf DER LISTE und war daher recht skeptisch, als ich auf einer Party diesen langhaarigen Informatiker kennen lernte, der mich in seine Spielrunde einlud. „Was spielt ihr denn?“ fragte ich, und er antwortete: „Hausmarke.“ Früher hätten sie GURPS und DSA gespielt, ganz früher sogar Rolemaster, doch das sei ihnen zu umständlich gewesen, und daher hätte er selbst was gebastelt. Meine Skepsis wuchs, doch da sie in der Welt von George R.R. Martins „Lied von Eis und Feuer“ spielten und ich die Romane verschlungen habe, und ich echt langsam Rollenspiel-Entzug hatte, ließ ich es mal drauf ankommen.
Um es vorweg zu nehmen: Die Runde ist mit das Beste an Rollenspiel, was ich je erlebt habe. Wir haben jetzt das erste gemeinsame Abenteuer durch, und ich bin restlos begeistert. Aber der Reihe nach.
WARNUNG!
Ich werde in diesem Spielbericht hemmungslos spoilern und die Kenntnis der Romane voraussetzen. Wenn ihr das „Lied von Eis und Feuer“ noch nicht gelesen habt, lest hier nicht weiter, sondern geht zu eurem Buchhändler. Sofort!
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Die Gruppe spielt die Kampagne schon eine ganze Weile. Das System ist wohl so was wie ein GURPS-Kondensat, etwas weniger komplex, von der Gruppe während des Spiels weiterentwickelt, nicht besser und nicht schlechter als die meisten handelsüblichen Systeme. Die Gruppe weiß halt sehr genau, wie das bei ihnen funktioniert, wann sie was würfeln müssen, was der SL meint, wenn er so guckt, usw. usf. Nachdem ich mich die erste Sitzung ein bisschen zurückgehalten und beobachtet habe, hatte ich es schnell raus, denn der Ablauf war sehr ähnlich wie in meiner alten Werewolf-Runde.
Nachdem ich anfangs, ganz im Sinne von „DON’T tell me about your character“ dankend auf Einzelheiten zur bisherigen Kampagne verzichtete, war ich bereits nach der ersten Sitzung angefixt und ließ mir alles genau erzählen. Hier eine kurze Zusammenfassung, ohne Gewähr.
Charaktere
Raymun Alvart von Whitecliff, genannt Ray, Erbe einer Burg und eines Lehens an der Westküste und damit Vasall der Lannisters. Die Whitecliffs sind ein altes Geschlecht mit valyrischer Abstammung und im Besitz des valyrischen Schwertes Dragontooth. Raymuns Vater war ein Freund von Rhaegar Tagaryen, und hätte deswegen beinahe sein Lehen und seinen Kopf verloren. Zu Beginn der Kampagne kam Raymun gerade aus Storm’s End zurück, wo er als Knappe bei einem von Lord Renlys Rittern gedient hatte. Lord Renly war sein großes Vorbild, und er war ebenso ein Taugenichts.
Darya Alvart von Whitecliff, Raymuns ältere Schwester, war bedeutend reifer und durchtriebener und vermochte es leicht, ihre Mitmenschen einschließlich ihres Bruders zu manipulieren. Allein bei ihrem Vater biss sie sich die Zähne aus. Natürlich war sie ein Männerschwarm, und man sagte ihr die ein oder andere Romanze nach. Sie liebte lange Ausritte am Strand und die Falkenjagd. (Der weibliche Charakter wird auch tatsächlich von einer Frau gespielt, und einer hübschen noch dazu.)
Garlon Springtide, nach der Niederschlagung des Aufstandes von Balon Greyjoy wie viele Kinder von eisenländischen Adligen als Müdel in den sieben Königslanden untergebracht. Die Menschen der Westküste kennen und hassen die Eisenmänner seit jeher. Garlon war weit weniger willkommen in Whitecliff als Theon Greyjoy auf Winterfell, und ließ sich auch nicht verbiegen. Er stand zu seinem Ertrunkenen Gott und weigerte sich, Schmuck zu tragen, den er nicht mit Stahl bezahlt hatte. Ray und Garlon waren immer Rivalen gewesen, Darya jedoch hatte es verstanden, Garlons Zuneigung zu gewinnen.
Lyonel Eornod, waschechter Bravo und Wassertänzer aus Braavos, der sich die roten Priester zu Feinden machte und aus seiner Heimat fliehen musste. Er war ein echter Pfau, temperamentvoll und draufgängerisch. Sich als einfacher Soldat zu verdingen, fand er unter seiner Würde, er sah sich als Fechtlehrer oder Leibwächter von Adligen. Statt dessen landete er in einer Zelle unter Casterly Rock, aus der Lord Tywin ihn nur für einen ganz bestimmten Zweck entließ.
Charaktere fangen in dem System relativ schwach an und entwickeln sich relativ stark. Zu Beginn waren die Charaktere also nicht sehr fähig, haben aber ihre Fähigkeiten kontinuierlich gesteigert. Trotzdem erklärte man mir auf Nachfrage, dass keiner von ihnen, nicht einmal mit viel Glück, einen Zweikampf gegen den reitenden Berg oder den Königfmörder (mit zwei Händen) hätte bestehen können. Na ja, das Thema ist ja jetzt durch, und inzwischen sind sie wohl schon ziemliche Reißer, jeder auf seine Art. Haben ja auch schon viel erlebt.
Bisheriger Kampagnenverlauf
Die Kampagne begann mit dem Tod des Vaters von Ray und Darya. Zur Beerdigung erschienen auch Tywin und Tyrion Lannister. Ersterer wurde ein leidenschaftlicher Feind, letzterer so etwas wie ein Freund für Garlon. Lord Tywin wollte Darya mit Lancel Lannister verheiraten und als Mitgift Dragontooth, denn schon lange wurmte es ihn, dass das Haus Lannister kein Schwert aus valyrischem Stahl sein eigen nannte. Lyonel war von Lord Tywin darauf angesetzt worden, Darya zu verführen, womit Ray erpresst werden sollte. Die Helden rauften sich zusammen und durchkreuzten Lord Tywins Pläne, wobei sich Ray auch vor Garlon stellte. Die Gruppe begann zusammen zu wachsen, doch Lord Tywin erinnerte Ray düster daran, dass ein Lannister stets seine Schulden begleicht.
Alle sahen sich wieder auf dem bald folgenden Turnier der Hand, bei dem Ray sich in den Tjost wagte und sich recht wacker schlug, ehe er auf Jaime Lannister traf, der ihn locker aus dem Sattel stieß. Der Königsmörder präsentierte sich hier noch als wunderbarer Kotzbrocken. Darya machte sowohl Garlon als auch Lyonel eifersüchtig, indem sie mit einem betrunkenen König Robert flirtete. Ray, nunmehr Lord von Whitecliff, drehte am Heiratskarussell und verlobte sich mit der jüngsten Tarly (Lord Randyll ist einer der absoluten Lieblings-NSCs der Gruppe, vom SL grandios verkörpert).
Bevor jedoch die Hochzeit weiter geplant werden konnte, erhielt Ray Besuch von einem Tyroshi mit kanariengelbem Haar (daher nur „der Kanarienvogel“ genannt). Er hatte vom Tod des alten Lord Alvart gehört und brachte einen Brief, den er eigentlich Rays Vater übergeben sollte. Auf den Spuren dieses rätselhaften Briefes segelte die Gruppe nach Tyrosh. Nach einigen Abenteuern fand man heraus, dass der alte Lord (der zu Lebzeiten mehrere Reisen in die freien Städte unternommen hatte) ein gefährliches Spiel spielte und heimlich Prinz Vyserys Tagaryen unterstützte. Außerdem fanden sie ein bescheidenes Haus mit einer Geliebten des Vaters und einem Bastard-Sohn vor, geheime Aufzeichnungen und einen Dolch aus Drachenglas. Sie erfuhren von der Hochzeit von Daenerys Stormborn und Khal Drogo, wollten jedoch dem Khalasar nicht ins Grasmeer folgen. Außerdem holte Lyonel sein Streit mit den roten Priestern ein, und die Charaktere mussten Hals über Kopf aus Tyrosh fliehen.
Bei einem kurzen Zwischenstopp in Braavos ereilte sie die Kunde von König Roberts Tod, Ned Starks Verrat und der Inflation der Könige. Da Stannis Baratheons Flotte die Shipbreaker Bay abgeriegelt hatte, wollten sie weiter nördlich an Land gehen. Immerhin hatte Tywin Lannister zu den Fahnen gerufen, und die Männer von Whitecliff würden seinem Ruf wohl oder übel folgen. Dabei zog es Lord Raymun mehr zu Renly hin, für den ja auch sein designierter Schwiegervater kämpfte. Statt jedoch schnell ins Geschehen eingreifen zu können, ereilte unsere Helden beim Kreuzen der Meerenge von Skagos ein Sturm, und danach ein falsches Wachfeuer, das Wildlinge entzündet hatten, um Schiffe auf dem Weg nach Eastwatch auf die Klippen zu locken.
Die Charaktere schlugen sich durch die Wildnis und kämpften gegen Riesen, Schattenwölfe und Widergänger. Sie töteten einen Anderen mit dem Drachenglasdolch (Überaschung!) und trafen schließlich auf die Grenzer der Nachtwache, die sie nach Eastwatch geleiteten. Von dort brachte sie ein Schiff nach Maidenpool, wo sie von König Renlys Tod erfuhren. Lyonel vermutete sofort das Wirken der roten Priesterin. Bei der Wahl zwischen Stannis und Melisandre auf der einen und Tywin Lannister auf der anderen Seite entschied sich Ray für das kleinere Übel, seinen Lehnsherrn.
Auf dem beschwerlichen Weg durch die Marschen und die in Anarchie verfallenen Flusslande hatten unsere Helden eine Begegnung mit Thoros von Myr und Berric Dondarrion. Ihnen entkommen, erreichten sie Harrenhall gerade rechtzeitig, um sich Lord Tywin und seinem Heer anzuschließen. Lord Tywin zeigte sich sehr ungehalten über ihr Zuspätkommen, Darya gelang es jedoch, Ser Kevan Lannister zu becircen, und dieser sprach für ihren Bruder, sodass er gerade so davonkam. In der Schlacht vom Blackwater kämpften sie mit Renlys Geist Seite an Seite. Ray und Lyonel machten sich einen Namen, und Garlon wurde Zeuge des Mordversuchs an Tyrion Lannister. Darya, die inzwischen eine gute Fechterin und eine herausragende Bogenschützin war, zeigte sich erbost, dass man sie nicht mitkämpfen ließ.
Nach gewonnener Schlacht erneuerten Ray und Randyll Tarly das Verlöbnis mit der jüngsten von Tarlys Töchtern, und die Gruppe brach nach Horn Hill auf, um die Heirat zu feiern, und auch, um danach weiteren Hinweisen auf die geheimen Geschäfte des alten Lord Alvart in Oldtown und Dorne nachzugehen. Die Hochzeit und vor allem das Betten wurden genussvoll ausgespielt, was leider in der Sitzung geschah, bevor ich zur Gruppe stieß. Man braucht nur „Betten“ zu sagen, und ihre Augen fangen an zu leuchten. Während der Hochzeit kam es, der Arbor sei dank, auch zur Entladung der sich seit langem aufbauenden Spannung zwischen Darya, Lyonel und Garlon. Darya entschied sich für Garlon, Lyonel wollte ihn zum Duell auf Leben und Tod herausfordern und Lord Randyll ließ ihn in einen Kerker werfen. (Ja, erklärte mir der SL, er wisse, dass Lord Randyll nach Maidenpool geschickt wurde. Es gebe aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er nicht nach der Schlacht vom Blackwater noch schnell seiner Heimat einen Besuch abgestattet hätte.)
Mit seiner Braut und seinem Gefolge machte sich Ray dann nach kurzem Aufenthalt auf Horn Hill auf nach Oldtown, wo er vorgab, ein Schiff nach Lannisport zu suchen, tatsächlich aber nach den Spuren seines Vaters suchen wollte. Lyonel folgte protestierend und in seinem Stolz gekränkt, doch Ray konnte ihn ein wenig beschwichtigen, indem er ihn als persönlichen Leibwächter seiner Gemahlin einstellte. In Oldtown stieß die Gruppe dann endlich auf mich.
Doch davon später.
1of3:
Warum sind die Leute immer so abgeschossen, wenn es um "Spoiler" geht? OK, wenns einige Leute stört, kann man den Tag ja benutzen. Aber ich kann durchaus selbst entscheiden, was ich lesen möchte und was nicht.
Miriamele:
Da stehen ein paar Sachen drin, die ich echt echt nicht hätte wissen wollen, bevor ich die Bücher lese...
Miriamele:
So, nun zum Bericht über den Teil des Spiels, an dem ich tatsächlich teilgenommen habe. Spoiler-Warnung gilt weiterhin.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Wir machten meinen Charakter in Anwesenheit der anderen Mitspieler, die sich auch kräftig mit Ideen und Kommentaren einbrachten. Da ich wusste, dass die Gruppe nach Oldtown und Dorne unterwegs war, dachte ich mir, ich spiele doch einfach eine Dornische. Der SL drückte mir dann gleich noch etwas Vorgeschichte aufs Auge, um mich in sein Abenteuer reinzukriegen, und heraus kam folgender Charakter:
Rhyanna Sand, Bastard-Tochter eines dornischen Adligen, aufgewachsen bei den Wassergärten mit den Sandschlangen und Prinz Dorans Kindern. Für eine Dornische vergleichsweise ruhigen Gemüts, daher zu einer engen Vertrauten von Prinz Doran aufgestiegen. Sie hat schon Briefe für ihn an Prinz Vyserys oder seine Gönner in den freien Städten überbracht. Zuletzt lebte sie in Oldtown, getarnt als Weinhändlerin. Als Buhle des ein oder anderen Adligen spionierte sie für Prinz Doran, und war auch Kontaktperson für einen gewissen Lord Alvart.
Da ich das System nicht kannte, ließ ich mich von der versammelten Gruppe bei der Wahl meiner Werte beraten. Das System ist stärker auf Fertigkeiten und weniger auf Vor- und Nachteile ausgerichtet als GURPS, dadurch übersichtlicher, was ganz gut war. Der SL gab mir eine Menge Punkte zu verteilen, sodass ich beinahe so gut war wie die anderen Spielercharaktere.
Das Abenteuer startete mit dem üblichen Hartwurst-Vorgeplänkel, was aber recht unterhaltsam war, da Lyonel schmollte und Garlon absolut selbstzufrieden war, während Lord Ray mit seinem Tarly-Mädchen (Lady Jeyne) turtelte und Darya, die Lyonel nicht noch weiter kränken wollte, Garlons Turteleien zu dessen Leidwesen zurückwies. Sie quartierten sich dann in Oldtown standesgemäß ein und verließen Lady Jeyne und ihr Gefolge unter einem Vorwand. Mittlerweile hatte ich von meinem gegenwärtigem Gespielen, einem Hightower, die jüngsten Neuigkeiten erfahren, von der Roten Hochzeit, König Balons Tod und König Stannis’ Auftauchen auf der Mauer.
Die anderen SCs suchten mich dann auf, um mich nach den Briefen ihres Vaters auszufragen. Auch das wieder so eine typische hartwurstige Situation: Wir alle wussten, dass sie die Information bekommen sollen, aber trotzdem konnte ich sie nicht einfach rausrücken, ebenso wenig, wie sie mir alles offenbaren konnten, was sie wussten. War aber nicht schlimm, da die Interaktion trotzdem spannend blieb. Lyonel baggerte mich gewaltig an, um Darya eifersüchtig zu machen, und die alte Rivalität zwischen Ray und Garlon brach wieder durch, als ich von den Eisenmännern erzählte. Das ging so weit, dass die Spieler sich beinahe anschrieen. Angenehmer weise war da jedoch keinerlei persönlicher Zwist zwischen den Spielern dabei, es war wirklich „nur im Spiel“.
Die Charaktere suchten dann, verkleidet zum Schutz vor Ohrenbläsern, den „Magier“-Maester auf, und ließen sich die Prophezeiung erklären. Sie bemerkten mich dabei, wie ich sie beschattete, jagten mich über die Dächer, und schließlich konnte Lyonel mich stellen, stahl sich einen Kuss und ließ mich dann laufen. Im Hafen ging man Gerüchten über Drachen und Sklavenaufstände nach, die man auch schon in Maidenpool gehört hatte.
Insgesamt war es cool, wie mit den Geschehnissen aus den Büchern umgegangen wurde. Es war halt kein blöder geheimer Metaplot, der vom Meister nach und nach enthüllt wurde, sondern alle Mitspieler wussten darüber bescheid. Dadurch waren sie auch nicht gezwungen, binnen Sekunden völlig unvorbereitet auf etwas zu reagieren, sondern waren jeweils vorbereitet und hatten sich in Ruhe überlegt, wie ihr Charakter wohl eine bestimmte Sache aufnehmen würde. Die Verknüpfungen der Geschichte der Spielercharaktere mit der Geschichte in den Büchern sind ein ganz wesentlicher Punkt in der Kampagne. Ohne die Bücher gelesen zu haben, hätte ich überhaupt nicht vernünftig mitspielen können. So aber konnte ich immer mal wieder einen beiläufigen Kommentar einstreuen, sowohl IC als auch OOC, der sich auf die Bücher bezog und von meinen Mitspielern sofort positiv aufgenommen wurde.
Ray beschloss schließlich, dass er hier nicht weiterkam und nach Sunspear würde reisen müssen. Damit schlossen wir die erste Sitzung. Es war so gut wie gar nicht gewürfelt worden, außer bei der Verfolgungsjagd über die Dächer und für ein, zwei Lügen. Gut, dass ich das hoch gesteigert hatte...
In der zweiten Sitzung musste Ray zunächst mal seiner Gemahlin verkaufen, warum ein Abstecher nach Sunspear vonnöten war. Seine geistreiche Ausrede „Flitterwochen“ sorgte um den Tisch herum für Gelächter, und Lady Jeyne, vom SL genial verkörpert, stellte kluge Fragen und hatte ihn bald bei den Eiern. Schließlich war Dorne nicht gerade der sicherste Ort für Flitterwochen heutzutage, und mit Lord Randyll war das auch nicht abgesprochen. Schließlich mischte sich Darya ein und erklärte Ray, es sei nicht fein, seine süße Gemahlin so für dumm zu verkaufen und den Rest der Gesellschaft dazu. Es sei ja verständlich, dass er nicht über die geheimen Aufträge der Hand mit ihnen sprechen könne, aber er solle sie dann gefälligst auch nicht als Tarnung missbrauchen. Ray nahm den Ball auf und erwiderte, es sei ihm nicht um Tarnung gegangen, sondern er habe lediglich die reizende Gesellschaft seiner Gemahlin nicht missen wollen. Daraufhin lenkte Lady Jeyne ein, sie habe ja schon so viel über Dorne gehört und würde es gerne mit eigenen Augen sehen, und eine Tarly hätte vor nichts Angst. Außer Sam. Dieser Dialog war absolut genial, was haben wir dabei gelacht. Daryas Spielerin bekam von allen Seiten Schulterklopfen für die Rettung der Situation.
Die Gruppe checkte dann auf einem dornischen Segler ein, und ich entschied mich (Überraschung!), ebenfalls auf dem Schiff mitzufahren. Aus Angst vor Lord Varys’ Ohrenbläsern reiste man inkognito. Auf der Fahrt kamen Lyonel und ich uns näher, was ich schamlos ausnutzte, um ihn über den Rest der Gruppe auszuquetschen. Ich sei eine echte Sandschlange, hieß es anerkennend. Lyonels Spieler wollte einen Würfelwurf sehen, und ich würfelte sehr gut, also erzählte er mir mehr, als den anderen recht sein konnte. Auch hier wieder: Kein Konkurrenzdenken zwischen den Mitspielern, alle fanden die Szene einfach nur genial.
Wir erreichten Sunspear kurz nach der Nachricht vom Tod der Roten Viper. Die Stadt war im Aufruhr, und wir wussten, wenn man die Identität unserer Hochgeborenen erfahren würde, würde man sie wahrscheinlich einfach lynchen. Ich half ihnen, eine Unterkunft zu finden, und informierte dann Prinz Doran in den Wassergärten. Eine Unvorsichtigkeit der Lady Jeyne brachte sie dann aber doch in Schwierigkeiten, als sie sich von Beleidigungen gegen ihren Hohen Vater provozieren ließ und daraufhin als Adlige aus der Weite erkannt wurde. Ein Wort gab das andere, und plötzlich gab es eine ausgewachsene Messerstecherei, bei der mehrere Dornische getötet oder schwer verwundet wurden. Unsere Helden flohen dann vor Stadtwachen und einem wütenden Mob aus der Stadt und hinein in die Wüste, mit gestohlenen Pferden und ohne Führer. Ein Pferd fiel einem Schlangenbiss zum Opfer, und sie verirrten sich hoffnungslos, ehe ich sie fand und zu den Wassergärten brachte. Damit schlossen wir die zweite Sitzung.
In der dritten Sitzung konnten Ray und Darya dann endlich mit Prinz Doran sprechen, und ihm offenbarten sie, was sie über ihren Vater herausgefunden hatten. Ebenso offenbarten sie ihren Hass auf die Lannisters, der sie mit dem Haus Martell verband. Prinz Doran weihte sie nicht in alle seine Pläne ein, doch sie schmiedeten ein Bündnis, und Doran übergab ihnen eine Liste derjenigen Westermänner, die ihr Vater einst für mögliche Verbündete gehalten hatte. Wenn es soweit sei, sagte Prinz Doran, würde er auf Ray und Darya zählen, die Getreuen der Wahren Königin im Westen zu mobilisieren.
Der Prinz verließ dann die Wassergärten, um nach Sunspear zu gehen, doch die Charaktere blieben noch ein wenig, für die Flitterwochen und damit die Lage in Sunspear sich wieder etwas beruhigen konnte. Die nächsten Wochen wurden im Schnelldurchlauf vom SL beschrieben, mit einigen Einwürfen der verschiedenen Spieler, was ihre Charaktere in dieser Zeit so anstellten. Wir erfuhren auch von Lord Tywins Tod, der mit einem rauschenden Fest gefeiert wurde. Außerdem wurde Lady Jeyne schwanger. Daraufhin entschloss man sich, nun doch den Heimweg gen Whitecliff anzutreten, solange die junge Dame noch reisefähig war.
Ich war bei den Gärten geblieben, um unsere Freunde zu begleiten, da Prinz Doran mich als Kontaktperson im Westen für wichtiger hielt als in Oldtown, wo ich meinen Dienst erfüllt hatte und er nun jemand anders einsetzen würde. An Bord einer Weinkogge vom Arbor machten wir uns dann auf den Weg von Sunspear nach Lannisport. Diesmal blieben wir unerkannt, und es gelang Lyonel und mir, eine der Zofen der Lady Jeyne als Spitzel des Eunuchen zu entlarven, bevor sie uns verraten konnte.
Auf der Fahrt nach Lannisport kam dann, was kommen musste: Wir wurden von Eisenmännern überfallen. Diese hatten inzwischen die Shield Islands eingenommen und tyrannisierten die ganze Westküste. Aufgrund schlechter Windverhältnisse hatte unsere Kogge keine Chance, dem geruderten Schiff zu entkommen. Garlon musste sich nun entscheiden, auf welcher Seite er stand – und Lyonel stand schon bereit, falls er die falsche Wahl treffen sollte. Garlons Spieler setzte zu einer Art innerem Monolog an und beschrieb, wie sein Charakter an seine Kindheit dachte, an den Ertrunkenen Gott, seine Eltern, die felsige Küste seiner Heimat. Daran, wie ihn die Westermänner stets verachtet hatten. Und dann daran, was die Eisenmänner mit Darya anstellen würden, wenn sie den Kampf gewannen. Und schließlich warf er sich fluchend gegen sein eigenes Volk in die Schlacht.
Das war eine ganz schöne Steigerung: In der ersten Sitzung gar kein Kampf, in der zweiten die kurze Messerstecherei in Sunspear, und in der dritten Sitzung ein ausgewachsenes Seegefecht, das gut eine Stunde dauerte. Der SL zeichnete dafür eine Skizze der beiden Schiffe. Darya verschanzte sich auf dem Achterkastell und schoss ihren Köcher leer, wir anderen nutzten den Vorteil des höheren Freibords der Kogge, um die Eisenmänner vom Entern abzuhalten. Einen um den anderen warfen wir ins Meer, wo ihn seine Rüstung sofort hinabzog, aber letztlich schafften sie es doch, an Deck zu kommen, wo sich das Gemetzel fortsetzte. Am Ende bin ich ziemlich sicher, dass der SL den Kampf so gesteuert hat, dass wir knapp gewinnen. Aber das war egal, es gab einige denkwürdige Szenen und Zitate dabei, und es hat Spaß gemacht. Lyonel und ich spielten das altbekannte Spiel, wer mehr Gegner tötet. Er gewann locker, obwohl er einräumen musste, dass ich mich mit meinem Speer „für eine Frau“ gut geschlagen hatte.
Nach gewonnener Schlacht versenkten wir das Langschiff der Eisenmänner. Garlon nahm Schmuck und Beute und bestand darauf, den Eisenmännern ein nasses Grab zu gestatten. Die ebenfalls beschädigte Kogge schleppte sich mühsam bis zum nahegelegenen Hafen von Crakehall. Dort blieben wir eine Weile und pflegten unsere Wunden, dann reisten wir über Land weiter nach Whitecliff, wo die neue Hausherrin würdig willkommen geheißen wurde und wir außerdem die Nachricht vom Fall Dragonstones und Riverruns und der Inhaftierung von Cersei Lannister erhielten.
Dummerweise hat die Gruppe damit die Bücher eingeholt, und es wird jetzt relativ schwierig, weiterzuspielen. Der achte Teil soll ja demnächst auf Englisch rauskommen, aber der wird ja die Handlung auch nicht weiter fortführen, sondern nur das ergänzen, was während „Feast for Crows“ auf der Mauer und in den freien Städten passiert ist... Der SL ist jetzt arg am Grübeln, was er machen soll, aber wahrscheinlich werden sie die Charaktere auf Eis legen und zwischendurch eine neue Runde einschieben. Immerhin, mich wollen sie als Mitspielerin weiter dabei haben. *froi*
Fazit
Die Runde hat mir schön gezeigt, warum Hartwurst auch Spaß machen kann. Mit tollen Mitspielern, die ihre Charaktere super darstellen und entwickeln. Mit einem tollen Hintergrund, den alle kennen und aus dem alle mit beiden Händen schöpfen. Mit einem tollen SL, der die Charaktere und den Metaplot geschickt verwebt, ohne dass es in knallhartem Railroading ausartet. Ich fragte zum Beispiel den SL, was passiert wäre, wenn Garlon sich auf die Seite der Eisenmänner geschlagen hätte (was ja nicht abwegig gewesen wäre, wenn z.B. Darya sich für Lyonel entschieden hätte). Der SL antwortete, dann hätten wahrscheinlich die Eisenmänner die Kogge versenkt und die hochgeborenen Passagiere gefangen genommen, um Lösegeld für sie zu kassieren. Wie der Zweikampf zwischen Lyonel und Garlon ausgegangen wäre, hätte man dann den Regeln überlassen müssen. Den Tod eines Charakters vermeide er zwar üblicherweise, aber er sei kein absolutes Tabu.
Diese Art von langsamer Charakterentwicklung und vielen ausgespielten Szenen hat ihren Charme, gerade im Vergleich zu einem scheinbar „leistungsfähigeren“ Spiel wie PtA, wo statt drei Sitzungen wahrscheinlich eine gereicht hätte. Es entwickelt sich auch eine Rückbezüglichkeit, indem die Spieler IC immer wieder über die gemeinsam erlebte Vergangenheit reden. („Weißt du noch, damals, in Tyrosh?“) Protagonisten in PtA sind eben nur die Figuren in einer Fernsehserie, die einem imaginären Drehbuch folgen. Charaktere in klassischem Hartwurst-Spiel leben und atmen in einer großen, weiten, echten Welt, die sich auch ohne sie weiterdreht. Was man da spielt, ist nicht irgend eine Geschichte, sondern es ist ein Leben. Und wenn ich darin einen Charakter spiele, ist es mein Leben.
Und wenn ich will, dass mein Charakter gerissen und mit allen Wassern gewaschen ist, dann muss ich eben selbst dafür sorgen. Es reicht nicht, schnell einen Konflikt zu würfeln und dann den Ausgang zu erzählen. Ich muss schon selbst gerissen sein, als Spielerin, und meine Gegner so austricksen, um meinem Charakter gerecht zu werden. Dadurch gewinnt der Erfolg auch einen viel süßeren Geschmack: Weil ich ihn mir selbst erarbeitet habe, und meine Mitspieler mir Lob und Anerkennung dafür zollen.
Das heißt jetzt nicht, dass PtA scheiße ist und ich es nie wieder spielen werde. Aber es hat mir deutlich gezeigt, dass meine alten, großartigen Werewolf-Runden nicht trotz, sondern auch wegen der Hartwurst so gut waren. Also: Hartwurst go!
Ich hoffe nur, die nächste Runde wird nicht irgendeinen Hintergrund verwenden, mit dem ich nichts anfangen kann, weil dann hat man bei dieser Art Spiel einfach einen schlechten Stand.
Bitpicker:
Dein Fazit spricht mir aus der Seele...
Allerdings muss es nicht sein, dass ein unbekannter Hintergrund einen schlechten Stand mit sich bringt. Selbst wenn die anderen Spieler Hintergrundwissen haben und einbringen, sollte ein guter SL mangelndes Hintergrundwissen eines neuen Spielers abfangen können und entweder zur Tugend machen, indem das Spiel in Bereiche geht, in denen sich der Charakter auch nicht auskennen kann, oder indem er das Charakterwissen im Spiel nachreicht.
Bei meiner Gruppe ist allgemeine Unwissenheit die Regel. Den Spielfluss und -spaß stört das in keinster Weise.
Robin
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