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[Umfrage/Brainstorming] Checkliste für Settingdesign

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alexandro:
Es besteht kein Zweifel daran, dass ein gut erarbeitetes Setting entscheidend zur Entscheidung einer Spielgruppe beiträgt, ein bestimmtes System zu spielen. In vielen Fällen überwiegt ein gutes Setting sogar die Tatsache, dass das Regelsystem eines Spiels alles andere als ideal ist (auch wenn es natürlich schön wäre, wenn diese beiden Elemente miteinander einhergehen würden).
Trotzdem beschäftigt sich die Spielentwicklung (dort wo ernsthaft darüber nachgedacht und nicht einfach drauflosentwickelt wird) eher mit den Regeln und das setting wird eher stiefmütterlich behandelt.
Aus diesem Grunde habe ich versucht ein paar Kriterien zu finden, welche mir persönlich bei einem Setting wichtig sind und mich würde mal interessieren wie ihr das seht.

Genug der Vorrede, hier sind die Punkte:

1.   Klare Setting-Identity! Im Setting sollte klar festgelegt sein, was für das Setting „richtig“ ist. Ein einheitliches Spielgefühl sollte unterstützt werden und der Eindruck von Beliebigkeit vermieden. Kurz: das Setting sollte seine eigene Identität haben, unter der sich jeder etwas vorstellen kann. Wenn sich die grundlegende Idee des Settings in 1-2 Sätzen zusammenfassen lässt, dann ist dieses Kriterium in der Regel erfüllt.
2.   Benutz das Weitwinkelobjektiv! Die Welt sollte möglichst komplett und umfassend im Grundband skizziert werden. Der Detailgrad ist dabei relativ unerheblich und vom zu erreichenden Stil (siehe Punkt 1) abhängig: Wenn man Micro-Management àla DSA will, dann ist das legitim. Aber die Welt sollte in sich geschlossen sein: Zusatzbücher sollten auf Bekanntem aufbauen und nicht ein zusätzliches Nachbarkönigreich, neue Blutlinien oder Waffen und Zauber mir eigenen, von den im Grundregelwerk abweichenden Gesetzmäßigkeiten (ja ich weiß; letzteres hat eher was mit Regeln zu tun als mit Setting, ist aber trotzdem wichtig für selbiges).
3.   Primärfarben! Die verwendeten NSC, NSC-Gruppen, Splats, Organisationen denen sich die SC anschließen können etc.; sollten möglichst klar voneinander zu unterscheiden sein, ansonsten besteht die Gefahr, dass sie in den Augen der Spieler zu einem unattraktiven Einheitsbrei verschmelzen. Wenn also zwei Organisation sich sehr ähneln und nur in einer Detailfrage andere Ansichten vertreten, dann sollte man daraus eine Organisation machen und die Detailfrage zu einem internen Schisma eben dieser machen- dadurch ist dieser erst im Detailgrad erkennbare Unterschied eben auch erst erkennbar, wenn sich die Spieler im Detail mit der Organisation beschäftigen und diese gewinnt dadurch an Profil.  Wenn jemand vor sich einen roten und einen mangentafarbenen Spielstein sieht und dann einen roten und einen blauen, dann empfindet er letzteres als abwechslungsreicher und die Wahl zwischen den beiden Farben als entscheidender. Wenn er dann den roten auswählt und feststellt, dass darauf ein kaum erkennbares, magentafarbenes Wappen gezeichnet ist, dann freut er sich, dass er sich darüber etwas über „seinen“ Spielstein zu wissen, was nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist.
4.   Meister, gib uns was zu tun! Das Setting sollte genug verschiedene Elemente enthalten, damit die SC ohne von der Core-Story abzuweichen möglichst abwechslungsreiche Abenteuer erleben können (und der SL genug Munition hat, um eben solche zu entwickeln ohne übermäßig viele Primärfakten über das Setting hinzuzuerfinden).


Und zu guter letzt ein Addendum (welches höchstwahrscheinlich schon beseitigt ist, wenn Punkte 1-4 gegeben sind, aber der Vollständigkeit halber):
5.   Vakuumtauglichkeit! Ich höre leider immer wieder von angehenden self-publishern, wenn ich sie frage was an ihrem Spiel denn besonderes sei die Antwort, dass es „Völlig anders als alle anderen Spiele dieses Genres (meist im Zusammenhang von Fantasy gebraucht)“ sei. Das ist gut und schön, aber ich denke das interessiert Rollenspieleinsteiger (welche keine anderen Spiele kennen) nur peripher und erfahrenere Rollenspieler reagieren auch nicht besser darauf, wenn ihnen gesagt wird, dass es anders ist als die Welten, welche sie mit der Zeit schätzen gelernt haben (besonders da meist in dieser Präsentation das Wort „anders“ in der implizierten Konnotation von „besser“ im Raum hängt). Dies verengt den Interessentenkreis auf diejenigen, welche eine sehr konkrete Vorstellung von der Umsetzung dieses Genres im Rollenspiel haben, welche durch alle bisherigen Produkte enttäuscht wurde (und ob dieses Setting nun gerade ihre Erwartungen erfüllt, ist fraglich).
Daher sollte das Setting sich interessant präsentieren lassen, ohne den Vergleich mit anderen Welten heranzuziehen.

Soweit, so gut.
Gibt es Punkte, welche ich vergessen habe?
Habe ich Punkte berücksichtigt, welche ihr als unwichtig betrachtet?

Ich bin gespannt.

Maarzan:
Die Settingbeschreibung sollte am Ende immer einem der beiden Ziele dienen:

Entweder sollte sie dem Spielleiter Möglichkeiten aufzeigen, welche er mit möglichst wenig Aufwand für sein Spiel nutzen kann oder sie geben dem Spieler bzw. dem Spielleiter für seine NSC eine Idee, wie seine Charaktere und deren Umfeld ticken, was sie geprägt und beeinflußt hat und wie diese dadurch auf ihr Umfeld wirken können.

Eine Menge Setting ist meines Erachtens unnötig und schlecht, weil sie bestenfalls Elemente in den Raum werfen, aber keinen Bezug zum möglichen Spiel haben, ohne das jemand anderes die eigentliche Arbeit macht. Es sind schön und wichtig klingende Schlagworte oder Namen, aber die eigentliche Arbeit bleibt ungetan.

Soll das Rollenspiel nicht bereits auf ein ganz spezielles Publikum zugeschnitten sein, so sollten die entsprechenden Clichees des Genres auch vertreten sein, denn diese erlauben es den Leuten deutlich einfacher und umfangreicher Ansatzpunkte für eigene Kreativität zu finden, als jeden Schritt sich das Setting erkämpfen zu müssen. Das finde ich übrigens noch viel schlimmer als Einstiegshindernis als ein ausladendes Regelsystem. Das Regelsystem ist letztlich nur ein Werkzeug, das man nutzt, verändert oder auch nicht nutzt, aber das Setting ist das Fundament des Spiels und Probleme hier haben fundamentale Wirkung.

Bezüglich Geschichte:
Wenn Geschichte so interessant ist, das dort mehr als ein paar Zeilen stehen, sollte man überlegen es auch so detailliert zu beschreiben, dass man in dieser interessanten Zeit spielen könnte. 
Und letztendlich sind Namen und exakte Jahreszahlen nur im speziellen Fall interessant. Ursachen und Wirkungen sind viel interessanter, denn die könnten bis in die aktuelle Zeit hereinwirken und so für das Spiel von Bedeutung sein/werden. 
(Maarzan, der Artesia sehr interessant findet, aber bei der Geschichtsschreibung im Regelwerk sich gefragt hat, welchen schlechten Fiebertraum er gerade hat, oder der Autor)

Ruinenbaumeister:
Interessante Liste. Ich erstelle zur Zeit selbst ein System und Setting für den Hausgebrauch und gehe es mit gutem Gewissen ganz anders an.

Eine Grundidee gibt es nicht. Ziel ist es, eine stimmige, organische Hintergrundwelt zu erschaffen, die nun ihrerseits Raum für vielerlei Abenteuer gibt - nur dient kein Element der Welt einer Idee außerhalb der Spielwelt (mit Ausnahme der Religionen). Das Setting gibt Raum für höfische Intrigen, Hack&Slay, Detektivabenteuer und Mysterien, und bevor ich ein Abenteuer entwerfe, mache ich mit meinen Spielern die Richtung dafür aus (oder überrasche einfach).

Auf das Weitwinkelobjektiv verzichte ich dabei ganz bewußt. Was soll ich mit zehn Königreichen, wenn jedes davon nur als Klischee existiert? Da findet man als Spieler dann das Elfenreich Arborien im tiefen Wald und das Zwergenreich Klotzbumm in den Bergen, denen man anmerkt, daß der Autor sich gedacht hat: "Moment - Elfen und Zwerge fehlen noch! Ich brauche sofort zwei Reiche; jetzt ist die letzte Chance, sie noch hinzuzufügen."

Ich beschränke mich auf drei detailliert ausgearbeitete Länder. (Wobei detailliert anfangs noch zwei oder drei DIN-A4-Blätter bedeutet.) Die anderen sind nur soweit skizziert, wie sie die Geschicke jener drei beeinflussen. Die drei Länder sind grundverschieden, aber ich benutze keine Primärfarben - diese gelten allenfalls für die Rassen, da ich hier einige neue einzuführen gedenke.

Gerade bei Ländern deckt man leicht nur einen Aspekt ab und stellt somit nur Spieler zufrieden, die sich auf diesen Aspekt stürzen. Man entwirft zum Beispiel ein Volk von Steppenbarbaren, das vor allem für eines steht: Kampf. Dann erdenkt man sich typische Waffen, Kampftechniken, rituelle Kämpfe, einen Ehrenkodex für Kämpfer ... Bis eines Tages ein Spieler sagt: "Ich bin vom Steppenvolk, aber kein Krieger. Was bin ich?" Dieser Spieler wird enttäuscht sein.

Vakuumtauglichkeit war bei mir übrigens immer ein Thema, aber in völlig anderer Hinsicht. Mein Setting soll für sich stehen, nicht aber für ein irdisches Vorbild.

Wenn man mit DSA ein Wikinger-Abenteuer spielen will, dann spielt man Thorwaler. Wenn man mit meinem System ein Wikinger-Abenteuer spielen will, dann spielt man auf unserer Erde und ändert das Talentsystem soweit, das alle Anachronismen und für Wikinger überflüssigen Talente (Mechanik, Magiegespür, Höfische Umgangsformen) durch passende ersetzt werden. Mein Setting braucht man dazu nicht, ich finde es eher absurd, das Rad neu zu erfinden, wenn man doch alles, was man braucht, aus dem Geschichts- oder Sagenbuch haben kann.

alexandro:
@Alrik: so wie du das machst ist das genau das, was ich mit Weitwinkelobjektiv im Sinn hatte.
Gut ausgearbeitete Länder, wobei der Gesamteindruck derselben wichtig ist und sie nicht "aneinandergetackert" sind wie bei DSA. Auch:

--- Zitat ---Die anderen sind nur soweit skizziert, wie sie die Geschicke jener drei beeinflussen.
--- Ende Zitat ---
trifft voll den Kern dessen, was ich gut finde: auch wenn nicht alles ausgearbeitet sein muss (weil man per default erstmal nur in den 3 Ländern spielt) sollten doch zumindest die Auswirkungen der schemenhaften anderen Länder auf die 3 Königreiche vorhanden sein.

Setting-Identity sollte nicht darauf festgenagelt werden, was die Charaktere machen können. Hack&Slay, Detektivabenteuer, Mysterien und höfische Intrigen kann man z.B. bei DSA und D&D-Vergessene Reiche gleichgut machen, trotzdem sind die Abenteuer dabei grundverschieden, da der Fokus bei DSA darauf liegt, dass die Charaktere sich "heldig" verhalten und für das Gute eintreten (zugegebenermaßen nicht besonders gut durch die Regeln unterstützt, aber der Fokus ist da), während bei D&D das Bezwingen von Herausforderungen unjd die Verbesserung des Charakters im Mittelpunkt steht.

Zu den "reinquetschen" von Zwergen und Elfen in das Setting habe ich extra noch einen Punkt geschrieben (auch wenn der nicht wirklich nötig wäre, da man sich ja eigentlich schon bei Punkt 1 Gedanken darüber machen sollte, was das Setting braucht und was nicht):

--- Zitat ---Versuch nicht, es jedem Recht zu machen! Es wird immer Leute geben, welche dein Setting scheiße finden, weil es zu unterschiedlich von Bekanntem ist oder zu ähnlich. Leute dioe darüber meckern, dass es keine Zwerge in deinem Setting gibt oder dass Warforged zu abgedreht sind. Um vernünftige Einwände von Fanboy-Gewäsch zu scheiden benutze man folgende Faustformel: wenn durch die Ergänzung das Setting dadurch an Profil gewinnt (i.e.: Zwerge könnten tatsächlich eine Rolle ausfüllen, welche noch nicht vorgesehen ist, aber auch nicht von der Core-Story des Spiels ablenkt) bzw. durch die Auslassung Inkonsistenzen beseitigt werden (i.e. die Warforged hatten laut Settingbeschreibung überhaupt keine Auswirkung auf dieses, trotz extrem mächtiger Fähigkeiten derselben), dann ist die Kritik berechtigt.
--- Ende Zitat ---

Cyberdance:

--- Zitat von: alexandro am  8.04.2007 | 21:05 ---während bei D&D das Bezwingen von Herausforderungen unjd die Verbesserung des Charakters im Mittelpunkt steht.

--- Ende Zitat ---
...Was sich mit heldigem Verhalten nicht ausschließt, natürlich. ;) Die Settings von D&D gehen in den meisten Fällen durchaus davon aus, dass die Charaktere normalerweise die Guten sind und die angebotenen Charakteroptionen unterstützen das nach Leibeskräften. Im Gegensatz zu etlichen anderen Systemen gibt es hier allerdings auch einen Haufen Charakteroptionen für böse Charaktere. Charakteroptimierung ist ein wichtiger Punkt, stimmt, aber die moralische Ausrichtung ist integraler Bestandteil davon.

Zu verschiedenen Völkern/Rassen: Ich würde sagen, man sollte nichts aufnehmen, dessen Existenz man nicht irgendwie halbwegs plausibel begründen kann. Wenn ich z.B. beim besten Willen nicht weiß, warum es auf meiner Welt Zwerge gibt und keine vernünftige Rolle für sie habe, brauche ich sie auch nicht.
Im Grunde trifft das auf jedes Element einer Rollenspielwelt zu.

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