Medien & Phantastik > Lesen
Identifikation mit Charakteren im Büchern
Bitpicker:
Im Faden über homo- und bisexuelle Charaktere gibt es einige Ansätze zur Diskussion über das weitläufigere Thema der Identifikation mit Charakteren. Ich finde das recht spannend, weil es offensichtlich sehr unterschiedliche Wahrnehmungen auf diesem Gebiet gibt. Da es in jenem Faden aber Off-Topic ist und außerdem etwas untergeht, eröffne ich hier einen neuen Faden zum Thema.
Also: inwieweit identifiziert ihr euch mit Charakteren in Büchern? Inwieweit werdet ihr Teil der Handlung? Welche Wahrnehmungen habt ihr beim Lesen?
Ich selbst komme über eine Stufe des Mitempfindens nicht hinaus. Ich werde in keinem Fall zu einem der Charaktere, egal, wie sympathisch ich den Charakter auch finde. Ich kann zwar mit-leiden, aber das sehe ich nicht als Identifikation an. Was in Büchern passiert, passiert immer anderen. Ich-Erzählungen sind für mich eben Berichte von Personen, die mir erzählen, was ihnen passiert ist. Romane in zweiter Person gibt es nicht genug, als dass ich sagen könnte, ob mir das mehr Identifikation gibt...
Im Gegensatz dazu kann meine Frau z.B. mit Ich-Erzählungen gar nichts anfangen, weil sie sich ebenfalls nicht identifiziert, sich aber durch das Personalpronomen dazu aufgefordert fühlt. Ein weiterer interessanter Effekt, von dem sie berichtet: wenn die Charaktere einen geschlossenen Raum betreten und wieder verlassen, dann kommt sie aus dem Raum nicht mehr heraus. Sie schleppt ihn sozusagen weiter mit sich rum. (Klingt für mich auch komisch, aber eine bessere Beschreibung kann ich nicht geben.) Sie findet Romane, in denen es ständig rein und raus geht, unlesbar.
Jetzt seid ihr dran.
Robin
Crimson King:
Wenn ich lese, bleibe ich immer Beobachter des Erzählten. Bei Filmen funktioniert das bei mir wesentlich besser als bei Büchern. Aber das, was ich im Rollenspiel als Immersion bezeichne, habe ich da auch nicht.
Plansch-Ente:
Ich identifiziere mich schon teilweise mit den Charakteren. Allerdings WERDE ich auch NICHT zu einem der Charaktere. Aber bei den meisten Charakteren finde ich etwas, das für mich soetwas wie "Für die Zeit, die du dieses Buch liest, sitzt du im Körper dieses Charakters und erlebst sein handeln direkt mit". Quasi so eine Art "Kino im Kopf des fiktiven Charakters". Ist schwierig zu erklären. Es kann aber auch sein, dass ich mich beim Lesen plötzlich nicht "Zuschauer" fühle, sondern mich selbst als stummer Nebencharakter fühle, der mit den Hauptpersonen alles erlebt. Das haben bisher aber nur wenige Bücher geschafft. Spontan fallen mir da nur Stephen King's Es, Der Herr der Ringe und "Die Zwerge Trilogie" von Markus Heitz ein. Diesen Zustand finde ich persönlich am besten, weil es dann wirklich ein sehr intensives Erlebnis ist. Besonders bei Es war das ziemlich heftig, weil ich mich mit dem "Club der Verlierer" ziemlich verbunden fühlte, weil auch in in meiner Kindheit so einige Probleme mit meinen Mitschülern hatte. Ich weiß noch, dass ich am Ende des Buches richtig TRAURIG war, dass die Geschichte vorbei war.
Camouflage:
Wenn ich eine Geschichte lese, identifiziere ich mich mich schon mit dem Hauptcharakter, allerdings nicht in der Form, daß ich zu dem Charakter werde, sondern daß ich die Handlung aus der Sichtweise betrachte, wie ich an Stelle des Charakters und mit dem selben Wissen handeln würde.
Bad Horse:
Ich identifiziere mich nur selten mit dem Hauptcharakter (mal ehrlich, der ist häufig ein ziemlich langweiliger Bursche), sondern lieber mit einem der Nebencharaktere. Aber - wie meine Vorredner schon - eben nur als Zuschauer.
Ähnliches mache ich bei Chars in Indie-Spielen: Ich schaue ihnen zu, lenke sie vielleicht, aber wirklich in der Rolle aufgehen tue ich nicht. Das passiert mir nur, wenn ich mich rein auf den Char konzentrieren kann und mich nicht noch um Plotgestaltung kümmern muss. ;)
Aber wenn einer der Hauptcharaktere irgendwelches Zeug treibt, dass ich eklig finde, dann verdirbt mir das schon den Spass. Es sei denn, ich finde den ohnehin so eklig, dass das nur meine Meinung von ihm bestätigt. ;) Bücher, in denen ich die Hauptcharaktere blöd finde, lese ich meistens sowieso nicht fertig - es sei denn, es gibt einen Nebencharakter, der super-cool ist. Leider ist das dann aber meistens der Bösewicht, und er kriegt eins auf die Fresse. :-\
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