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Gibt es nützlichen Fortschritt in der Musik?

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Funktionalist:
Hallo zusammen,

da geistert seit einer kleinen Diskussion mit Minne ein Gedanke in meinem Kopf herum.
Früher hatte ich mir wenig Gedanken zum Kulturbegriff gemacht und wenn, dann eher in der RIchtung, dass ich versucht habe, herauszufinden, was dieser oder jener mit diesem Kampfbegriff eigentlich sagen möchte.
Stichworte sind hier Leitkultur oder Kulturbanause, Kulturträger etc.

Deswegen möchte ich zu Anfang den Kern der Idee vorstellen:

Die Kulturelle Fülle ist die Gesamtheit aller Ideen/Weisen/Ausdrucksformen, die dem Ausübenden in der Gesellschaft positives Feedback einbringen und als wertvoll angesehen werden.

Das heißt es ist die Vielfalt der Ideen, mit denen sich ein MItglied der Kultur beschäftigen kann und darin von anderen bestärkt wird.
Je mehr Möglichkeiten es hier gibt, desto mehr Menschen beschäftigen sich zufällig oder absichtlich mit immer neuen Ideen, werden offener und flelxbler im Denken.

Die kulturelle Tiefe einer solchen Idee/Ausdrucksform ist der Umfang ihrer Tradition oder ihrer Vorgänger oder ganz Allgemein, die Anzahl ihrer Anknüpfpunkte mit anderen akzeptierten Ideen/Ausdrucksformen.
Eine lange Tradition, wie die Musik Wagners erhält durch ihr Alter, durch ihre Zweckentfremdung, Überhöhung oder dadurch, dass sie gefeiert wird, Bedeutung und auch "kulturelle Tiefe".
In anderen Worten, es gibt viele Zugangswege, die dem Bürger offenstehen, um zu der Musik zu gelangen.
So kann man als Mitglied der Oberschicht und aus Geltungsbewusstsein an den Bayreuter Festspielen den Kontakt und zur Begeisterung finden oder über das Studium der großen französischen Oper oder über Apocalypse Now und der Wirkung im Film oder über Beschäftigung mit der rechten Szene und der instrumentalisierung von Wagners Werk oder seiner Figur.

"Kulturelle Tiefe" gibt an, wie einfach es ist über die Idee zu stolpern, durch Beschäftigung mit ihr in verschiedenen Kreisen der GEsellschaft positives Feedback zu erhalten und so Energie zu erhalten, sich weiter mit ihr zu beschäftigen. Es ist leicht Sparringpartner zu finden oder (Mit)Publikum oder sich häufig mit dem Thema zu beschäftigen, weil es für viele erreichbar ist.

Geduld, ich brauch noch zwei Bausteine: ;D

Der eine Baustein ist eine Rolle, die Musik einnehmen kann. Sie kann als Identifikationsmerkmal für eine Gruppe dienen.
Beispiele hier sind Punk, Blackmetal, Justin Bieber, "Es ist 1996..."
Hier wird Musik oft eingesetzt, um ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu erzeugen, wobei es oft nicht klar ist, was eigentlich die Hauptmotivation ist.
Das kann eine politische (un)Agenda sein, wie im Punk oder die Zusammengehörigkeit beim gemeinsamen Hüpfen in der 90s-Disko.
Musik verbindet hier und schottet gleichzeitig ab.
Sie wird als Symbol für Werte verwendet(Hymnen) oder für die Ablehnung bestimmter (Black Metal) oder als gruppenbildendes Mittel (Fußballlieder).


Der letzte Gedanke ist der, dass es Genies gibt.
Dies sind Menschen, die neues schaffen und es wagen, die "Kultur zu verlassen", indem sie neues wagen. Sie sind eine ganze Zeitlang nicht einholbar, da sie keinerlei kulturelle Tiefe haben oder wenn, dann nur sehr obskure.
Musikalische Subkulturen bilden sich um Vorreiter, um Genies, die neues wagen. Sie entwicklen sich über den Personenkult zur reiferen Idee, die von mehr als nur einem Künstler getragen wird und nachher nicht mehr auf ihn angewiesen ist.
Das heißt es bilden sich wachsende Inseln (Cliquen) um Genies herum.


Der Nutzen:

Eine reichhaltige Kultur ist positiv für die Gesellschaft, da sie geistig wache Menschen hervorbringt. Das heißt je mehr Ideen dem Menschen offenstehen, desto mehr offene Menschen gibt es und desto mehr wird Neugierde und Ausdruck belohnt. Desto mehr positives Feedback für Handlungen, die an sich schon Erfüllung bringen wird gegeben und es wird leichter für alle Glück zu erlangen.

Der gewünschte Fortschritt ist also eine Erweiterung der akzeptierten Palette in Breite und Tiefe und am besten flach über alle Mitglieder der Kultur verteilt (man kann Mitglied in versch. dieser Kulturen sein, da sie hier über die Akzeptanz bestimmt sind und daher eher als Beschreibung einer Masse an Menschen funktioniert und nicht anders herum)
Das heißt, wenn man die Gruppe an Menschen teilt, sollte sich ihre Kultur im Idealfall nicht ändern. Jeder akzeptiert die Ausübenden einer anderen Idee als Bestandteil der Kultur und weiß zumindest ein paar Dinge an ihnen wertzuschätzen oder steht einem fairen Diskurs offen gegenüber.

Jetzt grenzen wir das Thema auf Musik ein.
Musik ist hier als Ausdrucksform gemeint, die das Grehörte in den Mittelpunkt stellt. Wenn man Musik hört, dann kann man sagen, von wann bis wann und wo dies geschehen ist, was zur Musik gehörte und was nicht und wer an ihr beteiligt war und wer nicht. Die Beteiligten müssen dies mit der Absicht tun, Musik zu schaffen.
Aber das ist für den Fortschrittsgedanken nicht so wichtig und bei extremen Beispielen werde ich hier keine Streiterei anfangen. ;D


Wie verbreitert und wie vertieft sich eine Kultur:

Sie vertieft sich durch neues Verknüpfen und Abschaffen von Denkschwellen.

Vertiefung außerhalb der Musik:
Die modernen Theater stellen den "fliegenden Holländer" als Bürohaus auf der anderen Straßenseite dar und lassen die Königin der Nacht als Puffmutter auftreten, SIe lassen eine alte nackte Frau alleine auf der Bühne hin- und herspazieren, ersetzen die Juden in der Oper Salome durch Nazis und das Publikum ist schockiert und liebt es.
Das Neue daran ist die Verknüpfung des Bekanntem mit Dingen jenseits einer Denkschwelle, skandalösen Assoziationen. Neben der Verzweiflung, mit der versucht wird in blasiertem Publikum die Lust nach Aufregung zu befriedigen, wird hier eine Auseinandersetzung forciert.
Es sind Dnekanstöße, neue Verknüpfungen.

Auf einmal gibt es einen Zugang über die Frage, ob Nacktheit akzeptiert werden kann oder nicht und welche Rolle dies für die Musik (in dem Moment) gespielt hat.
Dies provoziert Meinung und auseinandersetzung, Aufregung und Kurzweil, aber auch die Entdeckung und Akzeptanz eines neuen Stilmittels.
(Poah, was für Apologetik für das modernde Theater...nachvollziehbare Beispiele folgen.)

Früher habe ich an dieser Stelle gefordert, dass mehr einfache Aufführungen stattfinden. Die Urinszenierung der Zauberflöte finde ich wunderschön und würde sie sehr genießen, wenn ich erneut sähe. Sie ist zugänglich aber leider nur sehr selten verfügbar.
Das heißt hier findet dadurch, dass man bestimmte Zugangswege verknappt eine Reduktion der kulturellen TIefe statt. Es werden "künstlich" Zugänge verengt, sodass die Idee weniger Menschen offensteht.
Neben dem Schaffen neuer Verknüpfungen ist es hier für eine Kultur auch wichtig, alte Zugänge offenzuhalten und weiterzuentwickeln. Der Zugang zur Oper über die Form des Märchens wie in diesem Fall wird schwieriger, ist in der heutigen Zeit aber auch mit einer barbusigen Papagena oder einem schwulen Sonnenpriester machbar. Die Akzeptanz gegenüber solchen Variationen hat sich verändert. Die Frage hat sich vom Tabubruchweg, hin zum Grund für die Wahl des Stilmittels verschoben. Diskurs ist an einer Stelle möglich, wo er früher nicht möglich war. Bleibt die (für moderne Intendanten anscheinend unlösbare) Aufgabe, von diesen Stilmitteln sinnvollen (politischen/humoristischen/erotischen/designerischen/modischen/erzieherischen) Gebrauch zu machen.

Hier wird die Musik/Theater genutzt, um in ihrem Rahmen Diskurse außerhalb der Musik anzustacheln.
Sie dient als MIttel, um eine Aussage zu transportieren, ein Thema mit Emotionen zu versehen und so gewichtig zu machen.


Beispiel außerhalb der Oper:

John Mayall war wei0 und hat Blues gemacht, genau wie Eric Clapton etc. Diese Musiker sahen sich einem großen Widerstand gegenüber, dem gleichen wie Elvis Presley und Eminem.
Darf ein weißer Musik machen, die als Identifikation für Schwarze herhalten musste?
Dies stachelte einen Diskurs an und die Ausdrucksform Blues, RocknRoll, Hiphop eroberte neue Köpfe und es wurden auf allen Seiten Schranken eingerissen.

Es gab neue Zugangswege zur Ausdrucksform für Mitglieder der Kultur und die Ausdrucksform hat sich von ihrer Zweckbindung als Identifikationsmerkmal auf der einen Seite und als Stigma von anderen Seite emanzipiert und ist persönlicher geworden.


Kulturelle Vertiefung innerhalb der Musik/Ausdrucksform:
Innerhalb der Musik kann so eine Vertiefung kultureller Ideen auch dadurch funktionieren, dass verschiedene Bereiche verknüpft werden.
Jazz-Blues-Fusion, Weiße dürfen Rappen, Liedermacher und neue Popmusik/Hiphop,...

Oder auch um klassisch zu bleiben: Das Ballett zu Pink Floyd's The Wall in der Essener Aaltooper.
Hier wurde dieses Konzeptalbum/Musical als Ballett dargestellt und hat so für ein Publikum gesorgt, in dem sich weinrote Jackets und Bandshirts die Waage hielten und man nachher sogar miteinander ins Gespräch kam... naja, nicht mit den hustenden alten Frauen in den weinroten Jackets, sondern eher mit den anderen distinguierten Persönlichkeitchen dort.
Es war super und die Stilmittel des Balletts haben die Wirkung der Songs getroffen und ein gutes Stück weitergetragen. Neu, ästhetisch,emotional und es hat funktioniert.
Meine Akzeptanz gegenüber Ballett als Ausdrucksform hat sich hierdurch gewandelt.
Dies ist genau der Effekt, den ich oben mit der Vertiefung innerhalb der Kultur meine. Schaffung neuer Zugangswege und Genußweisen für mehr Teilnehmer der Kultur und einen freieren Umgang mit der Idee/Ausdrucksform.

Die Verbreiterung der Kultur:

Hier sehe ich zwei Varianten:
Den Drift und den Brückenschlag.

In meinen Augen ist der Drift viel seltener/schwächer. Er ist eine nachfragemotivierte Umwälzung. Der Zweck, der mit der Musik erfüllt werden soll verlangt, dass er sich bestimmten Veränderungen anpasst oder der Willen der Menschen eine Grenze zu überkommen wirkt sich in der Musik aus.

Zum Beipiel:
Politische Veränderungen lassen den Menschen nach Hoffnung gieren und so steigt die Akzeptanz für Schnulzen, bis sich hier eine zeittypische Form herausgebildet hat oder die Gier nach Meinung steigt und Liedermacher treten auf den Plan, bis sich hier ein neuer Stil gefunden hat, für den es jetzt im Gegensatz zu früher offene Ohren gibt.
Namen sind Hier Bob Dylan(politische Meinung), Elvis(weißer Blues/Lebensgefühl), die Beatles(Wiederentdeckung der Wildheit), Madonna/Prince (SEX).
Ein Drift hat meistens einen oder wenige Köpfe, die ihn tragen und die das Pop-Bedürfnis bedfriedigen.

Der Eurodance war ebenfalls ein solcher Drift, wenn auch kein allzu reiner, denn er entstammt den Clubs, wo wir beim Grenzberich zum Brückenschlag sind.

Das Genie schafft etwas neues, unpopuläres, was allerdings einige wenige begeistert. Meistens bildet sich hier eine Subkultur, die sich gegenseitig bestärkt und das Thema in sich vertieft und entwickelt. Es wird eine eigene Tradition aufgebaut.
Die Zeit der Subkultur ist daher sehr wichtig für die Entwicklung der Idee, denn dadurch, dass sich eine recht kleine Gruppe intensiv und exklusiv mit der Idee beschäftigt entwickelt sie sich extrem schnell und erhält sehr viele Anknüpfpunkte für andere Ideen. Man kann dies mit einer wachsenden Insel vergleichen, die immer neue andere Landschaften erhält.
Gleichzeitig wird sie für ihre MItglieder immer wichtiger, was bedeutet, dass sie sich eine Trägergruppe schafft, um weiterbestehen zu können.

Mit der Zeit sammeln sich in dieser Subkultur immer mehr Menschen an und tragen diese in den Aufmerksamkeitsbereich ihrer Peers außerhalb der Subkultur. Es entstehen erste Diskurse und erste Konvertiten/ Mischformen.
Die Abgrenzung wird zwangsläufig aufgeweicht und es gibt mehr Anhänger, die gerne mehr Anknüpfpunkte hätten oder das Bedürfnis nach Mischformen erfüllen möchten.
Die Musik wird "verwässert", "untrue", verpopt, es wird Verrat an der Reinen Lehre geübt....

Die Insel wird eine Landzunge.

Die miteinander verbundene Landmasse der Kultur gibt einem tausende Wege von jeder Idee zur anderen, so dass die Interessen wandern können und langsam bildet sich ein Weg zur neuen Subkultur heraus, die nun Teil der Landmasse ist.
Sei dies der unpolitische Punk oder Nightwish, die durch die Verknüpfung zweier dem Pop unzugänglicher Ideen einen überaschenden Brückenschlag vollbracht haben. Auf einmal haben Mehr menschen durch verwässerung einer genialen Idee die Möglichkeit sich diese zu erarbeiten. Sie erhalten die Mittel sich über das Stilmittel des Blastbeat zu unterhalten und eine Meinung zu haben oder festzustellen, dass es eine "sinnvolle" Anwendung gibt. Das Ohr ist freier geworden.

So geht die Musik von Subkulturen im Mainstream auf und bringt der Kultur Bereicherung.



Folgen und Bedenken:

Die Subkultur hat jetzt das Problem, dass ihr ein Identifikationsmerkmal abhanden gekommen ist und reagiert darauf.
Hier wurde ich auf einen wunderbaren Kampfbegriff hingewiesen: "Diebstahl kulturellen Eigentums".
Der Besitzgedanke, der aus der Funktion des Kulturbestandteils hergeleitet wird, steht an dieser Stelle im Vordergrund. Es ist schwer hier eine feste Meinung zu haben, aber ich bin davon überzeugt, dass ab einem gewissen Punkt der Nutzen von Abgrenzungsmerkmalen erschöpft ist.
Ein Kampflied, dass alle Mitglieder einer unterdrückten Gruppe verbindet und die Aufmerksamkeit der Gesellschaft weckt, sodass das Problem angegangen wird, hat irgendwann seinen Zweck erfüllt.
Ich glaube nicht, daran, dass es einen dauerhaften positiven Effekt aus einer Gruppendefinition durch Abgrenzung im Gegensatz zur zweckgetragenen Definition der Clique geben kann.
Die pos. Effekte durch die Synthesen mit der Vielzahl anderer Ideen und die Nutzung durch viele Menschen wiegen schwerer als der Nutzen aus der Zweckeinschränkung der Idee/Form.

Ich unterscheide hier zwischen der Idee/Ausdrucksform und dem, was die Gruppe ausmacht, sei das eingemeinsames Interesse, eine gemeinsame Geschichte oder auch nur gleiche Hautfarbe.
Die Ausdrucksform ist nur die Fahne die Geschwenkt wird, sie ist das Symbol für das Gemeinsame und nicht die Ursache.
Ist sie das Gemeinsame, dann müssen sich die Mitglieder damit anfreunden, dass es neue Mitglieder gibt, die nicht den Erwartungen entsprechen...

Der Brückenschlag erfolgt meist gegen den Widerstand des Kerns und kommt meist aus dem Rand der Subkultur zum Mainstream oder vom Mainstream in die Subkultur und ist dann meistens ein langsamer Prozess.

Nach der Integration muss die Subkultur damit fertig werden, dass sie keine grenze mehr hat und dann stellt sich heraus, ob sie genug Substanz hat, um dem Diskurs standzuhalten oder ob sie den Gezeiten der Mode unterworfen wird.

Größte Kritik bisher hieran ist die isolierte BEtrachtung der Musik, das heißt das Ausklammern der Folgen für die Parallel/Subkulturen, wenn ihr ein Identifikationsmerkmal abhanden kommt oder wenn sich neue Inseln durch ABspaltung von der Landmasse bilden.
Letzteres kann geschehen, wenn bestimmte Musik Pariah wird, da eine Subgruppe sie für sich beansprucht.
Wenn Marschmusik nun nicht nicht mehr mit Pomp and circumstance sondern mit Rechten Aufmärschen verbunden wird, dann wird sie aus dem kulturellen Zugriff entfernt. Die Kultur wird schmaler.

Ein Weiterer Punkt ist der Kulturbegriff, der sich so nicht auf Ideologien oder Weltbilder übertragen lässt.

Ring frei! Schießt einzelne Punkte ab oder werft andere Perspektiven in den Raum!

korknadel:
Hui, das geht ganz schön durcheinander. Zumal ich mich unheimlich schwer tue, das Thema Musik über Musiktheaterinszenierungen anzugehen, denn die betreffen vor allem und beinahe ausschließlich außermusikalische Gesichtspunkte des Gesamtkunstwerks Oper.

Was ist eigentlich die Urinszenierung der Zauberflöte?

Ich glaube, bei dem ganzen Komplex mit den Opern geht es in Deinem Beitrag grob um den Gegensatz zwischen inzenatorischen modernen Aneignungen und historischen (mehr oder weniger) Rekonstruktionen. Abgesehen davon, dass Letzteres in Reinform höchstens im Musical- oder im Bereich der Operette stattfinden dürfte, ist aber beidem sowohl auf Seite der Künstler (Regisseure, Bühnenbildner, etc) als auch der der Rezipienten eine gewisse Kenntnis des musik/kunst/kulturhistorischen Umfelds vonnöten, oder nicht? Eine eher rekonstruierende Inszenierung setzt ein Publikum voraus, das solche Inszenierungen schätzt und verlangt. Und moderne Aneignungen können auch nur funktionieren, wenn die Diskrepanz zwischen dem als ursprünglich Gemeintes Rekontruiertem und dem, was dann mit Kunstblut, nackter Haut und Hakenkreuzen daraus gemacht wurde, irgendwie erkannt werden kann. Sonst würde auch der Effekt der Provokation völlig ausbleiben.

Das nur in aller Schnelle als erster Gedanke, der mir dazu kam. Künftig wahrscheinlich mehr.

Funktionalist:
Jupp, das geht noch ziemlich durcheinander...

Der Punkt, der mich damals hat aufhorchen lassen war, dass eine Subkultur, die verwässert wird, der Allgemeinheit einen Nutzen bringt und dass der Kampf der Subkultur gegen Auflösung im Mainstream reifere, stärkere und tiefere Ideen und im Endeffekt eine noch stärkere Bereicherung zur Folge hat.

Ob es nun eine Art Vorverdauen durch eine Avantgarde, ein destruktiver Übergang ist, eine Art kulturelle Abholzung und nachfolgende Gewächshauszüchtung oder konstruktives nebeneinander herleben im Dialog ist zweitrangig.

Solange immer neue Subkulturen keimen und gedeihen, dürfen sie von der Landmasse immer wieder eingeholt werden, solange sie dann im akzeptierten Ideenschatz bleiben und sich als Baustein in allerlei Formen wiederfinden war es gut. Wenn sie verschwinden/vergessen/inakzeptabel werden, ist es schade. Wenn man verlernt zu Eurodance zu feiern, dann ist dies ein Rückzug der Landmasse. Wenn man im Richtigen Moment Candyrave reinlegt und er funktioniert, so hat man vorhandenes kulturelles Kapital genutzt.

Die Oper als Beispiel für Musik habe ich gewählt, da sie so schön bildlich ist und Musik in den seltensten Fällen einem Selbstzweck gehört, sondern meistens eine andere Musikfremde Idee trägt.
Weiter wollte ich damit zeigen, dass ich einen perversen Zugang zum allgemein anerkannten Kulturbetrieb gefunden habe und eine Erklärung, wie er im Sinne einer nutzenbringenden Kulturentwicklung funktionieren könnte.

Immerhin heißt es, dass ein Opernhaus einen Nutzen für eine Stadt hat und dass sie ohne dieses ärmer wäre... das muss doch woher kommen und darf nicht bloß die skandalöse Selbstbefriedigung einer Mindeheit sein, die sich gerne oberhalb des Gesellsvchaftsspiegels von Vulgärem unterhalten lässt.

Funktionalist:

--- Zitat von: korknadel am  9.02.2012 | 17:48 ---Was ist eigentlich die Urinszenierung der Zauberflöte?

--- Ende Zitat ---
http://www.amadeusmozart.de/OpernZauberfloete.jpg
die hier.
Keine Strapse, keine Orgien mit blutigen Skeletten, keine Zombienazis, nur Märchen.

Zum Punkt, warum moderne Inszenierungen schwer zugänglich sind und sie so weniger akzeptiert sind, kann ich dir nur zustimmen.

Historische Inszenierungen benötigen ein Publikum, dass diese verstehen kann. Oder der Intendant muss sich um eine Übersetzung für das entsprechende Zielpublikum bemühen.
Will man eine Aussage treffen oder einen Anreiz zur Beschäftigung mit irgendeinem Thema geben, kann man dies durch ein Abweichen von der Urform erreichen. Dies ist leichter verständlich, wenn das Publikum diese kennt. Es hilft auch, wenn die Abweichung plump genug ist...

Ein leichterer Zugang würde mMn viel Nutzen bringen. Vllt. gibt es sogar ein Feld für U-/Pop-Regisseure von Opern? >;D

Ghostrider:
Provokante These: Die Musikszene bringt keinen nützlichen Fortschritt zustande. Sie wird von realitätsfremden Eintänzern gesteuert, von speziellen Massenmedien glattgebügelt und unterdrückerischen Steuerungsmechanismen kontrolliert, die den Konsum des Einzelnen belohnen, und ihm die Eigeninitiative auszutreiben suchen.


Ich kann mich momentan an kein greifbares Beispiel erinnern, bei dem "die Musikszene"(Welche eigentlich?) einen "nützlichen"(Was heisst nützlich eigentlich? Für wen? Für was?) "Fortschritt" (Was für Fortschritt? Technisch, ethisch, moralisch? Fortschritt für wen?) erzielt hätte.

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