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[Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami (a.k.a. "Die schönen Männer")

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Timberwere:
Habe ich gedacht, es hätte weh getan, als Lady Fire mir die Ketten von den Handgelenken brannte?
Muss ich wohl. Lustig.

Ich habe übrigens dazugelernt. Das hier schreibe ich nicht von Hand, sondern erzähle es per Stimmerkennungssoftware direkt meinem Laptop. Die Ärzte wird es freuen. Da behaupte noch einer, ich sei nicht lernfähig. Zuhause werde ich es dann ausdrucken, schätze ich, und in mein Tagebuch kleben, um der Kontinuität willen. Kontinuität ist wichtig, wisst ihr. Hurra für die Kontinuität.

Ja, ich bin etwas zugedröhnt von den Schmerzmitteln. Nicht wundern. Es ist alles gerade ziemlich in säuselnde Watte gepackt. Rosa Elefanten sehe ich noch keine, aber das kann ja noch kommen.



Der Film ist abgebrannt. Äh, abgedreht. Ach, beides eben. Wir haben überlebt, größtenteils jedenfalls. Wenn das hier eine TV-Serie wäre, dann wäre dies die Szene, in der man den verwundeten Protagonisten bewusstlos im Krankenhaus liegen sieht, Schläuche in der Nase, piepende Gerätschaften, eben so, wie ich bis vor wenigen Tagen vermutlich auch ganz ähnlich ausgesehen habe. Dann Schnitt, neue Szene, mit der Einblendung: „24 Stunden zuvor“. Oder so.

Also. Einblendung. 24 Stunden zuvor.

Am Tag nach dem Straßenfest bekam ich einen Anruf von Ms. Bentley, der Showdown werde doch schon heute gedreht. Ob meine Freunde und ich noch immer Lust auf die Statistenrollen hätten?
Na aber sicher hatten wir. Auch wenn diese Vorverlegung die Dinge natürlich verdammt knapp machte.

Ach so. Eines habe ich ja ganz vergessen. Am Tag vorher, am Mittag vor dem Straßenfest, als wir auf dem Filmgelände waren, suchten wir auch Christine kurz auf. Ja, sie hält uns für Verräter, und natürlich wollte sie nicht mit uns reden, aber ich fand, sie – und Lady Fire – sollten gewarnt sein.
Also erzählte ich ihr von den Bucas und dass es sein könnte, dass die es auf die Filmproduktion abgesehen hätten und sie vielleicht versuchen könnten, diese zu sabotieren. Und dass die Bucas ja irgendwie eine Möglichkeit hatten, Feen-Magie aus ihren Besitzern und in sich selbst zu zwingen, dass also Lady Fire in Gefahr sein könne. Ich bat Christine, die Lady zu warnen und selbst auch auf der Hut zu sein – nicht für mich, nicht für uns, sondern für diejenige, der diese Geschichte ja auch am Herzen lag.

Christine sah mich ganz merkwürdig an, nickte dann aber. Vielleicht war das ja ein erster, winzigkleiner Schritt, um unsere Schuld an Lady Fire wieder ein Stückchen abzutragen...



Jedenfalls, der Showdown. Der Anruf kam früh genug, dass wir mehr oder weniger in Ruhe aufbrechen konnten, ohne uns übermäßig abzuhetzen, aber sonderlich viel Zeit vorher hatten wir auch nicht. Genug Zeit aber, uns mit einer Tüte Salz einzudecken.

Die Skriptänderungen waren nämlich eingearbeitet und das Konzept der Verwundbarkeit der Zombies durch Salz im Film etabliert worden. Aber natürlich war Eric Albarn der einzige Charakter, für den die Prop-Crew eine Papiertüte grobes (und Westernambiente-taugliches) Steinsalz besorgt hatte; wenn wir selbst welches wollten, mussten wir schon unser eigenes mitbringen, vor allem, da wir als Statisten ja vermutlich eher unauffällig damit würden hantieren müssen, wenn es soweit käme.

Kataklysma Bentley gab uns Rollen als Zombies, was, wie für den Rest der Komparsen auch, Western-Klamotten und einige Schminkarbeit bedeutete. Es hätte viel Spaß gemacht, wenn wir nicht so in Sorge gewesen wären.

Die Statisten sollten von zwei Seiten auf den Ritualkreis zuwanken, wo Sam Worthington und Roselyn Sanchez gemäß Drehbuch ihre Ausgangsposition für die Szene hatten. Der von Russell Means gespielte Indianerschamane stand ein Stück seitwärts und sollte dort seinen Hokuspokus aufführen.

Dann rief Ms. Bentley „Action“, und die Zombiehorde setzte sich in Bewegung. Und beinahe sofort bemerkte ich eine Art Flimmern, ein Verschwimmen, als die wirkliche Welt und die Welt der Geschichte miteinander verschmolzen, einander überlagerten. Und dann spürte ich Ziehen an meinem Geist, einen Hunger, und das Bedürfnis, die Gestalten, die da vorne standen, anzugreifen und meinen Hunger an ihrem warmen Fleisch zu stillen.

Da das ja genau das war, was wir befürchtet und sogar erwartet hatten, gelang es mir ohne größere Anstrengung, meinen Kopf freizuhalten und Herr meiner selbst zu bleiben, doch ich konnte sehen, dass die Statisten um mich her offenbar von diesen Einflüsterungen beeinflusst wurden. Und auch Robertos bislang gespielte Zombiebewegungen schienen plötzlich natürlicher, echter, als habe auch er sich dem Drang hingegeben...

Als ob es nicht reichte, dass wir uns unversehens echten Zombies gegenüber sahen, bemerkten wir mit einem Mal Lady Fire in Russell Means' Nähe. Sie war offensichtlich am Zaubern und hatte ebenso offensichtlich den toten Schauspieler unter ihrer Kontrolle, denn er imitierte ihre Gesten, um die Zombies zu steuern.

Und dann tauchten zu allem Überfluss auch noch die Warlocks auf, alle fünf, Flammen in den Augen und in den Händen. Sie teilten sich auf: Sam Buca schrie „Holt das Totem!“, dann wandten sie und Ray sich Lady Fire zu, während Feu, Tinder und der fünfte, dessen Name mir gerade nicht einfällt, sich gemäß dem Befehl ihrer Anführerin Richtung Ritualkreis orientierten, wo Roselyn Sanchez – Catherine – im Zentrum des Kreises mit hochgehaltenem Totem das Ritual begonnen hatte, während Sam – Eric – ihr den Rücken freihielt.

Oh verdammt. Ich machte mich gerade bereit, mich von meiner Zombiegruppe zu lösen und zu den beiden zu rennen – ich hatte immerhin Salz gegen die Zombies bei mir, und ich hatte Edwards zweiten Feuerschutztrank genommen, was mich hoffentlich gegen die Bucas wappnen würde – da sah ich beim Kreis mit ruhigem, entschlossenem Schritt, offensichtlich völlig unbeeindruckt von den Zombies, eine weitere Gestalt auftauchen. Eine Gestalt in der Kleidung eines Cowboys, oder besser eines Revolvermanns, die Verkörperung des revolverschwingenden Gesetzeshüters in seiner reinsten Form. John Wayne trifft Clint Eastwood trifft Robert Mitchum trifft Audie Murphy. Zwei Colts tief auf den Hüften sitzend, den grauen Hut weit ins Gesicht gezogen, langer grauer Mantel mit angestecktem Marshal-Stern über der hochgewachsenen Figur in grauem Hemd, Weste und Hose. Graue Stiefel. George. Er zwinkerte mir zu, was den imponierenden Ersteindruck ein wenig relativierte, und stellte sich dann an Erics Seite.

Lady Fire machte daraufhin eine herrische Handbewegung, und der Zombiepulk, in dem ich mich befand, teilte sich ebenfalls auf: eine Hälfte Richtung Bucas, die andere Hälfte weiter Richtung Ritualkreis. Das war dann auch genau der Moment, in dem ich mich von den Zombies absetzte und Richtung Ritualkreis rannte. Dass meine Zombie-Schminke, als ich dort ankam, von mir abgefallen war, wunderte mich auch kein bisschen mehr.

Als ich mich von der Gruppe löste und losrannte, erkannte mich Lady Fire, und ihr Gesicht nahm zu dem Fanatismus, den es ohnehin schon zeigte, auch noch einen Ausdruck tiefsten Hasses an.
„Ich werde deine Geschichte zerstören, koste es, was es wolle!“ schrie sie und stachelte ihre Marionetten noch weiter an.
Hah. So viel zum Thema Schuld anfangen abzutragen. Dios, Alcazàr, wann hörst du auf, so naiv zu sein?

Ich war einen Hauch zu langsam. Feu schleuderte einen Feuerball auf Catherine, die, davon voll getroffen, zu Boden ging, ehe ich sie erreichen konnte. Das Totem fiel ihr aus den Händen und zu Boden, und Feu gab einen triumphierenden Ausruf von sich. Doch dann war ich da und griff mir das Totem. Keine Zeit, mich um Catherine zu kümmern, denn schon hatte Feu die Hände erhoben, um weiteres Feuer auf uns niederregnen zu lassen. Auch keine Zeit, groß darüber nachzugrübeln, ob es klappen würde oder nicht, aber wir waren im Nevernever, oder das Nevernever war hier mit der Realität verschmolzen, so stark, dass sogar George hier sein konnte, und außerdem war das hier meine Story, verdammt!

Ich hob also das Totem in die Luft und deklamierte etwas, über das ich gar nicht groß nachdachte, das aber vage wie ein indianischer Regenzauber klingen sollte. Und tatsächlich begann es über dem Gelände zu regnen, was die von den Bucas gelegten Feuer fürs Erste verlöschen ließ. Sam Buca schrie wütend auf und stürmte mit ausgestrecktem Arm auf Lady Fire los, und ich konnte sehen, dass sie zauberte, und dass Lady Fire taumelte und von diesem Zauber geschwächt zu werden schien, und, verdammt nochmal, trotz allem, was sie getan hatte, tat die Feenlady mir leid.

Aber ich konnte nicht viel in dieser Hinsicht tun, denn die Zombies waren inzwischen bei uns angekommen, und Eric, George und ich hatten alle Hände voll damit zu tun, sie mit vereinten Kräften und unserem Salz von uns abzuhalten. Alex hingegen bewegte sich auf Lady Fire und die zwei Bucas bei ihr zu, und ich konnte sehen, dass er die Handbewegungen machte, die er immer macht, wenn er eines seiner Tore öffnet.

Und dann hörte ich Feu Bucas Stimme und sah sie einen weiteren Feuerball in ihren Händen formen und auf uns schleudern, und ich konnte ihm nicht mehr ausweichen. Eine Sekunde lang spürte ich keinen Schmerz, nicht einmal Unbehagen, nur Verwunderung über das unerträglich helle Gleißen rund um mich her, und dann wurde mir bewusst, dass ich brannte, lichterloh, und dass der Schmerz mich mit einem Mal überwältigte, und dann wurden das unerträglich helle Gleißen und die alles verzehrende Pein zu einem tiefen, undurchdringlichen Schwarz.



Ich kam im Krankenhaus wieder zu mir, auf der Intensivstation, mehr oder weniger jedenfalls. Eine unbestimmbare Zeit lang driftete ich gelegentlich kurz an die Oberfläche (die Jungs sagen, das waren so etwa zwei Tage), ehe die Wachperioden langsam mehr wurden und ich allmählich wieder aufnahmefähig genug wurde, um zu begreifen, was geschehen war.

Edwards Feuerschutztrank hat mir das Leben gerettet. Und vielleicht auch der Regen, der noch immer fiel.
Mir das Leben gerettet... und verhindert, dass ich dauerhafte Brandnarben davon tragen werde. Also über die an meinen Handgelenken hinaus.
Le agradezco los favores que nos hace.

Nachdem ich zu Boden gegangen war, nahm Roberto, der mit seinem Zombiepulk inzwischen auch am Kreis angekommen war, das Totem an sich. Es gelang den Bucas zwar, ihn auch zu Boden zu schicken, doch er verlor nicht sofort das Bewusstsein, sondern konnte George noch zurufen, er solle das Totem zu Alex bringen. Was unser Wyldfae-Freund zwar versuchte, aber die Bucas nahmen es ihm ab.

Edward legte sich im Nahkampf mit den Bucas an, doch auch ihn schalteten sie aus. Totilas hingegen wäre wohl wesentlich schlimmer verwundet worden oder gar ebenfalls außer Gefecht gesetzt worden, wenn er nicht...

Los. Sag es. Du warst bewusstlos, du hast es nur erzählt bekommen, du kannst das jetzt hier auch in dieses Mikro diktieren.

Wenn er nicht mitten im Kampf seine White Court-Fähigkeiten eingesetzt hätte. Nach dem, was Alex erzählte, hat Totilas Feu Buca gepackt und sie zu Tode geküsst. Ihr mit seinem White Court Vampirismus das Leben entzogen wie seiner Ziehmutter Crys damals. O madre mia.

Immerhin gelang es Alex aber, ein Tor ins echte Nevernever zu öffnen und Lady Fire mit hindurch zu nehmen, ehe die Bucas ihr noch mehr ihrer Macht entziehen konnten. Weil Alex damals bei der Entscheidung pro Pan nicht dabei gewesen war, erachtet Lady Fire ihn sogar noch nicht mal als Verräter und war bereit, mit ihm zu gehen und mit ihm vernünftig zu reden.

Als die Bucas merkten, dass Lady Fire ihrem Zugriff entzogen war, machten sie sich ebenfalls aus dem Staub – zwar waren sie noch zu viert und von uns stand nur noch Totilas, aber Lady Fire war fort, und ihr anderes Ziel hatten sie erreicht: Sie hatten das Totem in ihren Besitz gebracht. Mierda.

Die Realitätsverschiebungen waren von Christine auf Geheiß von Lady Fire ausgelöst worden: Die Verwirbelungen gingen von ihrem Trailer aus, und als der Spuk vorbei war, hörten sie auch auf und die normale Wirklichkeit kehrte zurück. Die Statisten – glücklicherweise unversehrt – fanden zurück zu sich selbst. Sam Worthington war ziemlich geschockt, aber bis auf ein paar Kratzer unversehrt. Kataklysma Bentley war begeistert von der "geilen Action"... bis sie bemerkte, was geschehen war - dann wurde sie hysterisch und bekam einen Nervenzusammenbruch. Denn Feu Buca lag ja tot am Boden – und  mit ihr Roselyn Sanchez. Sie hatte von Feus Angriff offensichtlich so schwere Brandwunden davongetragen, dass sie diese nicht überlebte. Die Jungs haben mir allerdings versichert, dass ich mir keine Vorwürfe machen muss, dass für Roselyn schon jede Hilfe zu spät kam, als ich den Ritualkreis erreichte. Ich glaube ihnen das. Aber Vorwürfe mache ich mir trotzdem.

Jede Menge Vorwürfe sogar. Was hätten wir – was hätte ich! - tun können, um dieses Gemetzel zu verhindern? Hätte ich Ms. Bentley einweihen sollen, ja müssen? Hätte ich den Dreh abblasen sollen? Hätte ich das überhaupt gekonnt? Ich hätte können müssen, hätte meinen Einfluss als Autor spielen lassen können und müssen... Wir hatten den Verdacht, dass etwas passieren würde; wir wussten, dass die Bucas direkt nebenan ihr Unwesen trieben und es auf uns abgesehen hatten... Und wir wussten, wozu sie fähig waren. Die Jungs können sagen, was sie wollen: Roselyn Sanchez' Blut klebt an meinen Händen.
Santísimo padre en el cielo, perdona mi pecado...

Bad Horse:
Sehr fein. :)

...nur ein paar kleine Anmerkungen: Sam Buca hat nicht gezaubert, sondern mit einer Pistole geschossen, aus der Feuerbälle kamen. Sie hat Roselyn Sanchez erschossen, nicht Feu.

Der letzte Buca, FooFoo, hatte eine Armbrust, mit der er kleine eiserne Bolzen auf Lady Fire geschossen hat, und mit dem Eisen im Körper konnte sie ihre Kräfte nicht mehr einsetzen. Alex hat ihr die irgendwann rausgepflückt, bevor sie in ihr Reich gegangen ist.

Kataklysma war nicht begeistert, die war völlig verstört und brabbelte etwas von "schon wieder", "Jesus", "Zombies" und einem Dildo. Sie befindet sich mittlerweile in einer geschlossenen Psychiatrie.  ;)

@Bucas: Arlette, Feu und Ray waren die Feuerschmeißer. Du hast dich mit Arlette herumgeschlagen - Feu ist auf Totilas los und hat das nicht überlebt, während sich Ray mit Edward beschäftigt hat. FooFoo hat, wie gesagt, mit der Armbrust geschossen und Sam hat koordiniert und da hin gefeuert, wo es gepasst hat. Die konnte nämlich gar nicht zaubern. ^^

Arlette und Ray haben sich übrigens mit ihrer Magie selbst abgeschossen, weil sie einfach zu sehr gepowert haben.

Aber hey, Cardo ist schwer verletzt worden, da verwechselt man schon mal was. Seine Gewissensbisse finde ich jedenfalls großartig!  :d

Timberwere:

--- Zitat von: Bad Horse am  6.12.2013 | 22:06 ---Sehr fein. :)
--- Ende Zitat ---

Danke für die Blumen! :)


--- Zitat von: Bad Horse am  6.12.2013 | 22:06 ---...nur ein paar kleine Anmerkungen
--- Ende Zitat ---

Ach dankesehr. Stimmt ja. Bis auf:


--- Zitat von: Bad Horse am  6.12.2013 | 22:06 ---Kataklysma war nicht begeistert, die war völlig verstört und brabbelte etwas von "schon wieder", "Jesus", "Zombies" und einem Dildo. Sie befindet sich mittlerweile in einer geschlossenen Psychiatrie.  ;)
--- Ende Zitat ---

Doch doch, zu allererst kam sie mit einem begeisterten "wie geil war das denn!!" an, bis sie eben mitbekam, was da los gewesen war. Darauf bezog ich mich.


--- Zitat von: Bad Horse am  6.12.2013 | 22:06 ---Aber hey, Cardo ist schwer verletzt worden, da verwechselt man schon mal was. Seine Gewissensbisse finde ich jedenfalls großartig!  :d

--- Ende Zitat ---

Hehe, dankeschön. Ich, Timber, finde sie auch großartig :), Cardo selbst eher nicht so. Aber hey, der liegt jetzt halt allein in seinem Krankenhausbett und hat nichts, um sich vom Grübeln abzulenken...

Timberwere:
Ricardos Tagebuch: A Restoration of Faith

Immer noch im Krankenhaus. Angeblich soll ich aber in einigen Tagen entlassen werden, wenn die Verbände abgenommen werden. Ich kann es kaum erwarten, wandere hier schon seit Tagen durch die Gänge wie ein Tiger im Käfig. Zum Glück kommen die Jungs mich so ziemlich jeden Tag besuchen.

Erst vor kurzem habe ich mitbekommen, dass die Jungs teils auch stationär hier waren: Alex hatte schwere Verbrennungen an der Schulter, und auch Roberto hatte es ziemlich heftig erwischt. Edward ebenso, aber dem Himmel sei Dank schlugen dessen regenerative Fähigkeiten sofort an.
Und Totilas... der hatte sich ja im Kampf schon wieder... ähm ja. Regeneriert.

Dr. Armbruster hat mich gewarnt, dass die betroffenen Hautpartien (also mein ganzer Körper, um genau zu sein) noch einige Zeit sehr empfindlich sein werden und ich damit rechnen muss, noch eine ganze Weile regelmäßig Schmerzmittel zu nehmen. Yay.

Jack White Eagle liegt übrigens auch hier. Den hatte es auf dem Straßenfest noch übler erwischt als mich beim Filmdreh: so übel sogar, dass die Ärzte sich wunderten, wie er überhaupt überleben konnte. Auch sein Bein hätte eigentlich völlig unbrauchbar und/oder ein Fall für eine Amputation sein müssen, aber auch das stellte sich zur Überraschung der Medizinerschaft als weniger schlimm heraus als gedacht.

Meine Vermutung ist allerdings, dass Jack sehr wohl so schwer verletzt war, wie es anfangs den Anschein hatte, dass er aber ähnlich wie Edward und Totilas über irgendwelche durch seine Magie bedingten übernatürlichen Selbstheilungskräfte verfügt und deswegen überleben konnte, dem Himmel sei Dank. Wir haben ihn in diese Sache mit den Bucas hineingezogen. Schlimm genug, dass er wohl aller Voraussicht nach einen bleibenden Schaden von seinen Verletzungen davontragen und für den Rest seines Lebens hinken wird.

Er nimmt die Sache soweit gelassen. Aber arg ist es mir trotzdem.

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Die Jungs waren hier. Und es war --

Mag jetzt nicht schreiben. Heute abend vielleicht.

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Nächster Tag.

Das gestern war... ein Schlag in die Magengrube. Nennt es feige, Römer und Patrioten, aber ich habe mich nach dem erfolglosen Versuch, das Ganze aufzuschreiben, erst einmal in mein Bett verkrochen und die Decke über den Kopf gezogen. Bis die Schwester für die Vorabendkontrolle hereinkam. Danach bin ich dann wieder durch das Krankenhaus getigert und wusste nicht, wohin mit meinen Gedanken. Nachts war wieder mal, wie so oft, George in meinen Träumen und versuchte, mich aufzuheitern, aber so recht gelang ihm das nicht.

Natalya ist tot. Santísimo padre en el cielo, Natalya ist tot, das Mädchen, das Totilas auf dem Straßenfest um Hilfe angefleht hatte. Das Mädchen, das Totilas auf Gerald Raiths Order hin bei Pans Hof abgeliefert hatte. Das Mädchen, das sich selbst in einer Vision im Feuer hatte sterben sehen.

Die ganze Zeit war ich noch zu groggy, dass mir die Sache eingefallen wäre, aber heute endlich dachte ich daran und brachte das Thema zur Sprache, als die Jungs gestern nachmittag zu Besuch waren. Dass wir Natalya helfen müssten, von Pans Hof wegzukommen, ehe ihr etwas zustieß.

Und da stellte sich heraus, dass es zu spät war. Dass Totilas sich schon nach Natalya erkundigt und herausgefunden hatte, dass sie tot war. Und nicht einfach so tot. Sondern als Menschenopfer dargebracht im Ritual der Elemente, das die Feen regelmäßig zur Sommersonnenwende abhalten.
Völlig selbstverständlich. Der ganze Sommerhof wusste davon. Pan vor allen anderen, der hatte den Befehl dafür gegeben.

Und diesen... diese... Kreatur... haben wir gerade letztes Jahr noch im Amt bestätigt... O madre mia.

Aber Lady Fire an Pans Stelle hätte es auch nicht anders gemacht. So, wie die Feen laut Totilas und Alex, der ebenfalls Nachforschungen angestellt hatte, geklungen hatten, stehen sie auf dem Standpunkt, die Erde geht unter oder der Sommer kann nicht kommen oder würde ewig bleiben oder irgendwas in der Art, falls dieses Ritual nicht abgehalten wird. Das macht es bloß nicht besser. Vor allem, weil der Winterhof zur Wintersonnenwende mit ziemlicher Sicherheit genau dasselbe in die andere Richtung tut. Und das wiederum heißt 8 Opfer – 8 Morde! - jedes Jahr, seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden. Mir wird schlecht, wenn ich daran denke.

Komisch, letztes Jahr um genau diese Zeit waren wir ja mit dem Sommerhof beschäftigt. Da haben wir von irgendwelchen Opfern gar nichts mitbekommen. Naja, da hatten wir auch gerade genug damit zu tun, den Cabrón zu jagen. Dass ich meinen Geburtstag letztes Jahr nicht ebenfalls im Krankenhaus verbracht habe, war auch nur eine Sache von ein paar Stunden, fällt mir dabei auf. Bei all den Dingen, die um die Sommersonnenwende herum so abgehen, ist der 22.06. irgendwie kein gutes Datum, wenn ich mir das so überlege.

Jedenfalls, Totilas... Totilas erklärte, emotionslos wie immer, er habe seine Kräfte nicht aufteilen können, und wir, seine Freunde, hätten in diesem Moment Priorität für ihn gehabt. Deswegen konnte er sich nicht um Natalya kümmern. Was ich ihm genau genommen noch nicht mal verdenken kann. Nur besser macht es das nicht.

Und vor allem, was sagt das alles über mich aus?

Natalya ist tot. Der Sommerhof wird weiter zu jeder Sommersonnenwende vier Menschen opfern, und der Winterhof wird es weiter zu jeder Wintersonnenwende tun. Selbst, wenn wir Gerald Raith irgendwie dazu bekommen sollten, dass er dieses Geschäft unterlässt, werden die Feen andere Quellen auftun. Und wir werden weiter mit Pan und seinen Leuten und vermutlich auch mit Tanit und ihren Leuten in Kontakt kommen und gute Miene zum bösen Spiel machen. Denn selbst, wenn wir es versuchen, die verdammten Feen sind einfach mächtiger als wir unwichtigen Sterblichen.

Oh Dios.

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Wieder zuhause.

Ich versuche, mich in Arbeit zu vergraben. Die Vorfälle beim Filmdreh haben natürlich ihren Weg in die Presse gefunden, aber Sheila leistet großartige Arbeit darin, den gröbsten Fallout von mir fernzuhalten. Deswegen habe ich das größtenteils aus dem Kreuz und kann mich auf andere Dinge konzentrieren.

Die Salcedos sind zurück in der Stadt, und Lydia hat auch kein Bedürfnis mehr, Monica in die Obhut der Bucas zu geben. Der magie-induzierte Zwang scheint mit Feus Tod ganz gewichen zu sein. Monica hat indessen ihren Unterricht bei Ximena begonnen, was sich soweit ganz gut anlässt, bis auf die Tatsache jedenfalls, dass Alejandra wieder mal hin und weg davon ist, dass ihre beste Freundin jetzt so tolle Sachen lernt und da natürlich auch mitmachen möchte. Meine Erklärungsversuche haben da auch bislang noch nicht so richtig gefruchtet. Jandra hat es zwar akzeptiert, aber traurig, dass sie selbst sowas nicht kann, ist sie trotzdem.

Hinzu kommt, dass ich nicht so hundertprozentig sicher bin, ob Ximena mit ihrer impulsiven Ader und ihrer Söldnermentalität wirklich die richtige Lehrerin für so ein kleines Mädchen ist. Aber andererseits haben wir niemand besseren, und Ximena hat mir hoch und heilig versichert, dass sie der Kleinen nichts Illegales beibringen wird. Damit werde ich mich wohl begnügen müssen.

Ansonsten stecken wir gerade mitten in den Vorbereitungen für die Eröffnung des Jugendzentrums, das in den letzten Wochen und Monaten von einer verrückten Idee zu einem echten Plan geworden ist und nun tatsächlich kurz vor der Eröffnung steht.

Roberto hatte ja damals einen ganz ähnlichen Gedanken gefasst, und so haben wir die Idee des Jugendzentrums gemeinsam verfolgt, und die anderen haben natürlich auch nach Kräften geholfen. Ich kann es kaum glauben, dass es jetzt tatsächlich schon sehr bald soweit sein soll.

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Heute war die große Eröffnungsfeier. Eigentlich ziemlich erfolgreich, so alles in allem. Hohe Prominenz war anwesend: der Bürgermeister, die Presse und noch einige andere wichtige Leute. Die Direktorin der High School ein paar Straßen weiter, von der wohl die meisten unserer Jugendlichen kommen werden, ein gewisser Pater Donovan Reilly, der ziemlich neu in der Stadt ist und in der Gegend eine kleine Gemeinde übernommen hat, und Cicerón Linares. War nicht zu ändern.

Was auch nicht zu ändern war, ist die Tatsache, dass wir das Jugendzentrum als Stiftung aufgezogen haben. Also doch, das wäre noch zu ändern gewesen, aber wenn nur Roberto und ich mit unserem Privatvermögen an die Sache herangegangen wären, dann hätte das ein deutlich kleineres Jugendzentrum ergeben, mit wesentlich weniger Möglichkeiten. Also eine Stiftung, also kann sich jeder Förderer beteiligen, der will, und das wiederum bedeutete – hätte ich mir eigentlich auch vorher denken können, statt jetzt völlig davon überrascht zu werden – dass Gerald Raith das für eine wunderbare Idee hielt und eine nicht unbedeutende Summe in die Stiftung gesteckt hat.

Was mir wiederum nicht so recht schmeckt. So ziemlich gar nicht, um genau zu sein, angesichts der Vorbehalte, die ich vor allem wegen der Sache mit Natalya, aber auch wegen allem anderen, gegen ihn hege. Was hat der Kerl für Hintergedanken? Eine billige, leicht zugängliche Futterquelle für seine White Courts? Sein eigenes Image werbeträchtig aufpolieren, wenn das Zentrum als Raith-Einrichtung bekannt wird?
Nein, es passt mir nicht, aber ich konnte es nicht ändern. Sobald das Konzept als Stiftung in Angriff genommen war, konnten wir Gerald nicht ausschließen, ohne ihn auf den Tod zu beleidigen. Und Gerald Raith auch noch zum Feind... äh, nein.

Aber die Eröffnungsfeier war wenigstens ein Erfolg. Und ich habe mir mal diesen Pater Donovan gemerkt. Der war mir sympathisch.

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Heute ist etwas Seltsames passiert.

Wir waren ja in den letzten paar Wochen fast jeden Tag im Jugendzentrum, um dessen Anfänge zu begleiten und zu sehen, dass alles seinen Gang geht und gut ins Rollen kommt. Bislang lässt sich auch alles soweit so gut an, das Center wird eigentlich ziemlich gut angenommen von den Jugendlichen.

Heute allerdings standen plötzlich Edwards Kollegen aus dem SID vor der Tür, das andere Detective-Gespann, Alison und Mark. Ja, genau der Mark, der notorische Skeptiker,, dem Edward für das Ritual gegen Adlene die Hasenpfote aus der Asservatenkammer des SID abluchsen musste und der sich in diesem Zusammenhang den Arm brach. Diese beiden Kollegen also tauchten im Jugendzentrum auf, weil es an der nahegelegenen High School zu einer Reihe unerklärlicher Unglücksfälle gekommen und die Sache beim SID gelandet sei.

Sie nahmen sich ganz unterschiedliche unserer jungen Besucher vor, konzentrierten sich aber vor allem auf drei Mädchen, die schon seit dem ersten Tag immer zusammenstecken und von ihren Altersgenossen gerne „die drei Grazien“ genannt werden. Das Grüppchen besteht aus Elena Linares (und ja, der Nachname sagt es schon: Sie ist eine Cousine von Cicerón und sich dieser Tatsache sehr wohl bewusst, so wie sie mit seinem Namen um sich wirft), Valentina Gomez, die bei einer Pflegefamilie zu leben scheint, und Sienna Hernandez, die bislang auch noch nicht sehr viel über sich sagte.

Dee übrigens auch nicht, und das ließ mich aufhorchen. Was das mit Dee zu tun hat? Naja, ich hatte Dee zur Eröffnungsfeier eingeladen, und da waren natürlich auch etliche Jugendliche anwesend, und bei der Gelegenheit war mir aufgefallen, dass Dee und Sienna sich kannten. Als ich Dee hinterher auf ihre junge Bekannte ansprach, machte sie ihr Marshal-Gesicht, murmelte etwas davon, dass sie mit Siennas Mutter befreundet sei und wechselte dann auffällig schnell das Thema. Da es ihr wichtig zu sein schien, nicht darüber zu sprechen, hakte ich natürlich nicht weiter nach.

Jedenfalls, die drei Mädchen wurden von Detectives Townsend und Caldwell ausgiebig gefragt, und hinterher gaben die beiden Edward ein paar Infos. Sie hatten keine Beweise oder sonstige konkrete Anhaltspunkte, aber diese besagten Unglücksfälle hatten eben vor allem Personen getroffen, die mit Elena Linares aneinandergeraten waren oder die sich wie ein Arsch benommen hatten. Und all diese Dinge hätten auch auf natürlichem Weg passieren können, waren in der Häufung aber eben aufgefallen.

Ach ja, richtig: Ocean Raith ist auch ein häufiger Gast im Jugendzentrum, interessanterweise, obwohl sie mit ihrem familiären Hintergrund ja eigentlich so gar nicht die Zielgruppe bildet. Aber sie taucht beinahe jeden Tag hier auf und hängt mit allen möglichen Leuten herum, auch mit den Grazien.

Sie wechselte immer mal unauffällige Blicke mit einem Jungen namens Ciélo, und zwar wirklich sehr unauffällige. Es war wirklich reiner Zufall, dass mir das auffiel. Weniger die Blicke als zuerst die Art und Weise, wie sich Ciélos Aufmerksamkeit ganz subtil veränderte, als Ocean in den Raum kam. Auch das war sehr unauffällig, eigentlich, wie es auch der ganze Junge ist. Er sieht gut aus, aber nicht Teenie-Idol-mäßig. Er hat so eine Art und Weise, sich im Hintergrund zu halten, die ganz natürlich wirkt und sämtliche Aufmerksamkeit von sich abzulenken scheint.

Elena Linares schien auch an dem Jungen interessiert zu sein, und zwar deutlich offensichtlicher als Ocean, so wie sie um ihn herumscharwenzelte. Die Blicke zwischen Ciélo und Ocean schien sie gar nicht zu bemerken, und Ciélo ging auf ihre Avancen ein... oder tat so, was Ocean aber zu übersehen schien.

Was mich daran erinnert, dass auch Cherie Raith nach der Eröffnungsfeier, zu der Edward sie natürlich eingeladen hatte, noch ein paarmal hier war. Sie scheint irgendwie auch ein Interesse an dem Jugendzentrum zu haben, aber wem oder was genau dieses Interesse gilt, hat sie Edward wohl noch nicht erzählt, anscheinend nur angedeutet, dass Edward das vielleicht besser gar nicht wissen wolle. Daraufhin hat Edward Dee gegenüber eine Warnung ausgesprochen – immerhin arbeitet, oder arbeitete, sie für das Zeugenschutzprogramm des Marshal Service.
Dee nahm diese Warnung auch durchaus ernst, wollte aber Edward ebensowenig Näheres berichten wie mir. Verständlicherweise, eigentlich, denn ihre Arbeit ist ja geheim.

Trotzdem habe ich ein schlechtes Gefühl bei der Sache. Wenn Dees Arbeit und unser Jugendzentrum zusammenhängen... Das war nicht der Plan, eigentlich. Mierda.

Bad Horse:
Ach, schön. :)

Wie so ein paar kleine Plotfetzen doch ein ganzes Weltbild zerstören können... ich mag Cardo.  ^-^

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