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Cthulhu ohne Geistige Stabilität

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Huhn:
Für mich stellt der Geistige Verfall einen der Grundpfeiler des Systems dar. Das ist, als würde ich in D&D auf die Kampfregeln verzichten, weil ich es blöd finde, dass mir da Wunden aufs Auge gerückt werden, die meinen Charakter behindern.

Es geht in Cthulhu doch gerade darum, dass Menschen, die sich in der Blüte ihres Lebens befanden, Dingen begegnen, die sie nicht verarbeiten können, weil sie zu groß sind und die deswegen allmählich (körperlich wie geistig) verfallen und die Kontrolle verlieren.
Dieser Kontrollverlust wird eben gerade dargestellt dadurch, dass ab einer bestimmten Schwere der Begegnung geistiger Verfall in Form kurzzeitiger oder dauerhafter Geistesstörungen einsetzt. Diese Geistesstörungen auszuwürfeln, ist für mich Teil des Kontrollverlustes. Als würden sich Menschen in der Realität aussuchen können, an was sie erkranken ("Ach nee, Depression passt mir grad gar nicht - ich nehm lieber ne kleine Cola.").

Meiner Meinung nach müssen gerade leichte Geistesstörungen, die nur kurz anhalten, den Charakter nicht sofort spielunfähig machen. Jemand, der unkontrollierte Zuckungen hat, muss ja nicht schäumend am Boden liegen. Er wirkt halt nur eigenartig und hat vllt Probleme, seine Schuhe zuzubinden. Sie müssen ja auch nicht sofort zum Tragen kommen. Jemand der eine vorrübergehende Panik vor Schleim hat, weil ein Monster ihn  einschleimte, muss ja nicht sofort schreiend im Kreis rennen. Aber vielleicht tritt ja am nächsten Spieltermin eine Situation auf, die seine Geisteskrankheit triggert. Sowas bringt, meiner Meinung nach, durchaus Spielspaß und macht Charaktere nicht sofort einen Abend lang spielunfähig.

Schwerere chronische Geisteskrankheiten sind dem Charaktertod gleichzusetzen. Na und? Cthulhu ist ein sehr tödliches System. Es geht nicht darum, jahrzehntelang denselben Char zu optimieren. Es wird ja sogar offiziell empfohlen, für längere Kampagnen gleich mehrere Charaktere zu erstellen.
Was ich mir vorstellen könnte, wäre, dass man gerade bei den schwereren Störungen die Liste durchgeht, statt zu würfeln und schaut, was aus der Situation wohl am sinnvollsten resultieren könnte.

Die Spieler aber grundsätzlich alles aussuchen zu lassen begünstigt bloß Powerplayer, die sich dann immer nur das Nasenjucken aussuchen, weil es ihnen stinkt, dass ihr Charakter Probleme haben könnte.



--- Zitat von: Der Räuber Plotzenhotz am  4.04.2014 | 13:09 ---Gleichzeitig können Möglichkeiten definiert werden (Sanatoriumsbesuch? Psychotherapie?), mit denen der Spieler die Macke wieder loswird (nicht aber die einmal verlorene Stabi; die Therapie hilft ihm sozusagen nur, mit den Folgen des Traumas umzugehen). Aus einem Sanatoriumsaufenthalt können sich auch ganz neue Abenteueransätze ergeben (es gab vor Jahren mal ein Chaosium-Quellenbuch dazu; "Taints of Madness" oder so ähnlich).

--- Ende Zitat ---

Dazu gibt es in Dementophobia ein ganzes Kapitel und ein Beispielabenteuer in einem Sanatorium.

Der Nârr:
Wieso ist es ein Grundpfeiler des Systems? (Ich meine wohlgemerkt nicht nur Call of Cthulhu. Wieso muss jedes andere Regelsystem, das sich auf Lovecraft/Cthulhu bezieht, auch über Sanity-Regeln verfügen?)

Lamentations of the Flame Princess verzichtet z.B. ausdrücklich darauf und macht dies auch zu einem Grundpfeiler des Systems. Und die Weird Fantasy, die dort propagiert wird, ist sehr nah an cthuloidem Horror. (Lovecraft ist auch einer derjenigen, auf die sich dort bezogen wird.) Das rechne ich dem Spiel hoch an (und das hat mich wohl auch beeinflusst, in Kombination mit dem Lesen von Trail of Cthulhu, mich zu fragen, wieso ich den Sanity-Kram überhaupt benötige und dauernd damit genervt werde).

Natürlich kann man ein Spiel spielen und den mentalen Zerfall der Charaktere in den Vordergrund stellen, dann machen die Regeln für Sanity sicher Sinn. Aber kann man nicht auch die Aufdeckung unsagbarer Schrecken, das Lüften uralter Geheimnisse, die Begegnung mit Wesen aus unbekannten Zeiten in den Vordergrund stellen?

Mamenchi:

--- Zitat von: Huhn am  6.04.2014 | 11:17 ---Für mich stellt der Geistige Verfall einen der Grundpfeiler des Systems dar. Das ist, als würde ich in D&D auf die Kampfregeln verzichten, weil ich es blöd finde, dass mir da Wunden aufs Auge gerückt werden, die meinen Charakter behindern.

--- Ende Zitat ---

OK komplette Kampfregeln in D&D streichen=Sanitysystem in Cthulhu streichen?

interessante These  ~;D

@ontopic
ich finde aufgedrückte Sachen immer nervig. Da man Sanity ja kaum mehr "heilen" kann ist es auch noch eine Einbahnstraße

Wenn du deine Spieler verrückt werden lassen willst, mach eigene Stadien des Verfalles, die nach bestimmten Ereignissen ausgelöst werden (die du ja vorher geplant hast) und dann schlußendlich zum Tode/Char-irrsin führen

Oder lass es deine Spieler ausspielen, muss ja nicht immer im Zwang enden

der.hobbit:
Wenn man Call of Cthulhu als "Im Stile der Geschichten von Lovecraft und den verwandten Autoren" auffasst, dann gehört Stabilität einfach dazu: Die Geschichten enden zum großen Teil mit vom Wahnsinn gezeichneten Protagonisten. Actionreiche Finale à la ich fahre mit dem Segelboot einen alten Gott tot sind vergleichsweise selten.

Aus diesem Grund ist es auch für mich ein Grundpfeiler: Das Flair der Vorlage besteht darin, dass Menschen wahnsinnig werden. Wenn ich diesen zentralen Aspekt weglasse, spiele ich ein System, in dem gegen alte Götter gekämpft wird, aber ich spiele nicht Call of Cthulhu. Mag Spaß machen, ist aber was Anderes.

Die Einbahnstraße Stabilitätsverlust besteht eindeutig. Ist das schlimm? Es macht Kampagnen problematisch, aber CoC ist für mich eher das OneShot System. Wenn man Kampagnen möchte, dann kann man an den Stellschrauben drehen, um Charaktere zu erschaffen, die länger durchhalten. Dass es aber nur ein 'länger' ist gehört mich zum Flair von Lovecraft dazu. Man kann nicht gewinnen, ist letztlich bedeutungslos.

Der Nârr:
Ich habe viele Lovecraft-Geschichten mit großen Genuss gelesen, zog den Genuss aber nicht daraus, dass die Protagonisten wahnsinnig enden. Die Einblicke in die Psyche waren interessant, aber das gewinne ich im Spiel nicht durch das Aufdrücken von Geisteskrankheiten. Zudem hast du selbst geschrieben: Sie sind am Ende der Geschichte wahnsinnig. Wann ist denn das Ende der Geschichte? In vielen Cthulhu-Spielen wird man ja nicht am Ende der Geschichte wahnsinnig, sondern mitten drin.
Als ich das erste Mal die Cthulhu-Regeln las, fand ich die langen Texte zu Geistesstörungen übrigens interessant, empfand sie aber irgendwie da schon als Fremdkörper. Ich habe mich gefragt, warum ich mich mit dem ganzen Kram beschäftigen muss, wenn ich doch einfach nur Geschichten im Stil von Lovecraft spielen möchte.

Es geht mir hier, das möchte ich betonen, nicht darum, einen richtigen Weg, Cthulhu zu spielen, zu propagieren oder zu finden. Es geht mir darum, den derzeitigen Weg als den einzig gangbaren zu hinterfragen.

Und noch einmal: Es geht mir nicht nur um Call of Cthulhu (Chaosium), sondern auch um Trail of Cthulhu, Realms of Cthulhu, Laundry Files und wie sie alle heißen.

Es gibt ja auch heroische Fantasy-Rollenspiele ohne Klassen, obwohl Klassen ein Grundpfeiler von D&D sind.

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