Pen & Paper - Rollenspiel > Quaints Spielkiste

Notizen zu moderner Kriegsführung

<< < (7/7)

Aedin Madasohn:

--- Zitat von: YY am  9.05.2025 | 15:25 --- 2022 hat die Ukraine mehrere Jahresproduktionen moderner Panzerabwehrlenkwaffen verschossen (die entsprechend über Jahre und Jahrzehnte eingelagert waren)

--- Ende Zitat ---

nur zur Vollständigkeit: die Ukraine hat damit aber auch eine mehrjährige Panzer(und Panzerfahrzeuge) Produktion erfolgreich bekämpft

bei den FPV Drohnen kommen noch die "schießenden" mit hinzu.
"Fliegende Flinten", welche dann gegnerische Drohnen aus der Luft pusten.
bleibt die Frage, wie viele "Rückstöße" die Jägerdrohne mitmacht, bevor es sie selbst zerbröselt (selbstlade-Flinten gibt es ja) und "wo" die mehrschüssige schwere Flintendrohne sich im Vergleich zur billig-leichten Rammdrohne anfängt zu rechen.

wahrscheinlich werden schon Motorradfahrer mit solchen Flinten vom Bock gehauen

auf jeden Fall gibt es mehr als genug valide Ziele in Reichweite (5000 Meter) der Funk-Drohnen, etwa die Erde-Holz-Bunker der ersten russischen Vorposten
ist dann ebenfalls die Rechenfrage

- 155 mm Granaten sind recht teuer (deutsche etwa 6000 Euro) - haben dann aber auch echt viel Reichweite
- benötigen aber sündhaftteure Abschussmittel aka PzH2000 oder Cesar, welche für Lancetdrohnen ja Prioritätsziele sind. Sprich, die müssen ers heile rein in die Feuerzone und heile raus geschafft haben

- eine Zertrümmerungsladungs für so einen Erde-Holz Bunker wäre ja die 155er (erfordert aber guten Stahl). Gibt es aber auch als Drohne (ginge auch als Pulversprengladung)
- und die funkgelenkte Drohne für erste Vorposten (ginge auch als FliegendeLadung, sprich mit Tragflächen, die auch bei einem Jammer den letzten Kurs weiter nimmt) hätte weniger elektronische Gegenmaßnahmen (oder gar Flak) zu fürchten als die 20.000 Meter Drohne. Da wäre also schon die schwere artilleristische Vorbereitung mit zu leisten (etwa vor dem eigenen Angriff, um den Gegner "unten" zu halten, wie YY mit seiner feuer zur Deckung von Bewegung sagte)

-wäre auch eine interessante Frage, in wie weit solche FPV-schwere Ladungsträger "runterfallen und explodieren", sprich, in wie weit gefährden sie eigene Truppen bei der Bereitstellung zum Angriff, wenn sie zu den Vorposten surren. Das Rohrartillerie "auch mal zu kurz schießt" ist ja der Klassiker der Eigengefährdung
(ausgeschossene Rohre dichten schlechter, nordkoreanische Ladungen variieren mehr, Granaten sind mit Luftblasen im Sprengstoff gefüllt und daher etwas mehr unwuchtig etc.pp. der Massenproduktion)

sma:
Drohne kann ja alles von streichholzschachtelgroßem Aufklärer zu unbemanntem Kampfjet bedeuten.

Ein paar Zahlen: Die Ukraine plant, in 2025 4,5 Mio Drohnen kaufen – und einsetzen, also verbrauchen – zu wollen. Das sind 12.300 pro Tag. Ihre eigene Industrie kann angeblich 2 Mio Drohnen herstellen. Der Rest wird im Ausland gekauft.

Terror: Gerade halbautonome FPV (first person view) Drohnenschwärme sind eine effektive Terrorwaffe. Da sieht man Videos, wie Drohnen einen LKW entdecken, sich der Pritsche nähern, auf der Soldaten sitzen, die hektisch zu ihren Waffen greifen und dann bricht das Bild wegen der Explosion ab … und dem ukrainische Pilot werden dann für 5 Soldaten 30 Punkte gutgeschrieben, für die seine Einheit dann neue Drohnen (oder sonstige Ausrüstung) bestellen kann. Zuvor gab es nur 2 Punkte pro Soldat, da hat man lieber andere Ziele gejagt - etwa einen Panzer für 40 Punkte.

Taktik: Dass der Vormarsch Russlands fast vollständig zum Erliegen gekommen ist, scheint wohl dem massiven Einsatz von Drohnen zu verdanken zu sein. Jeden Tag verliert Russland ca. 1500 Soldaten (tot oder schwer verletzt), die allerdings ersetzt werden. Die Verluste der Ukraine sind vielleicht halb so hoch, auf jeden Fall geringer. Allerdings hat die Ukraine keine so großen Reserven.

Und die russische Taktik ist nun, lieber einzelne Leute vorschicken statt teures Gerät, weil dafür eine Drohne opfern vielleicht zu teuer ist.

Apropos teuer: das deutsche Unternehmen Helsing hat 10.000 Drohnen zum angeblichen Stückpreis von 16700€ (lt. Bomberg, Helsing sagt, stimmt nicht, legt den Stückpreis aber auch nicht offen) verkauft, die lt. ukrainischen Experten bestenfalls 2000€-3000€ wert seinen. Das russische Gegenstück kostet $4000. Das Startup feiert sich aber und wird hoch an der Börse bewertet. So kann man also auch Geld verdienen. Bezahlt hat übrigens der deutsche Staat. Zumindest bleibt so das Geld im Land…

Spot: Ihr kennt den Roboterhund von Boston Dynamics? Ihr kennt die chinesische Firma Unitree? Die haben ein vergleichbares Modell entwickelt, das in der Basisversion $4000 (das ist 5%-10% des Originals) kostet (allerdings nur die Hardware, keine Software – und man muss diese komplett selbst schreiben, sonst schaut Unitree zu, denn alle Hunde melden sich standardmäßig zuhause und können von einem mittelmäßigen Hacker übernommen werden, weil kein wirklicher Schutz). Aktuell dienen sie zur Aufklärung, aber mit der nötigen Software könnten sie autonom mit einer Waffe ausgerüstet auf die Jagd nach Soldaten gehen. Oder sie können Sprengfallen auslösen, was fliegende Drohnen nicht können.

Unitree hat übrigens auch einen humanoiden (etwa kindgroßen) Roboter im Angebot. Die Demo-Videos zeigen dessen Beweglichkeit durch Kampfsport-Moves. Als eines der wenigen Modelle kann es z.B. joggen. Normalerweise bewegen sich die Dinger eher schneckengleich.

Outsider:

--- Zitat von: sma am  9.05.2025 | 18:08 ---Taktik: Dass der Vormarsch Russlands fast vollständig zum Erliegen gekommen ist, scheint wohl dem massiven Einsatz von Drohnen zu verdanken zu sein. Jeden Tag verliert Russland ca. 1500 Soldaten (tot oder schwer verletzt), die allerdings ersetzt werden. Die Verluste der Ukraine sind vielleicht halb so hoch, auf jeden Fall geringer. Allerdings hat die Ukraine keine so großen Reserven.

Und die russische Taktik ist nun, lieber einzelne Leute vorschicken statt teures Gerät, weil dafür eine Drohne opfern vielleicht zu teuer ist.

--- Ende Zitat ---

Die Verluste sind Tote, Verletzt, Vermisste oder Gefangene. Es wird geschätzt das auf 3 Verluste (egal aus welcher Quelle) ein Toter kommt. Ist man Optimist und berücksichtigt die faktisch nicht mehr vorhandene medizinische Versorgung der Verwundeten auf russischer Seite könnten das Verhältnis auch 2 zu 3 sein. Der Schweregrad der Verletzung spielt bei der Zählung keine Rolle, zumal der von der Ukraine so gut wie nie mit Sicherheit bestimmt werden kann. Und "ersetzen" ist ein dehnbarer Begriff. Man muss wohl sagen, es werden immer noch Menschen für Sturmtrupps zusammenscharrt mehr nicht. Soldaten sind das größtenteils nicht mehr, wenn man davon ausgeht ein Soldat hat eine Ausbildung genossen. 

Was Drohnen angeht wird die Reichweite hier deutlich unterschätzt. Ohne Glasfaser schon bis zu 40km für FPV, mit Glasfaser wird die Reichweite nur durch die verminderte Zuladung reduziert ca. 1kg / 10km Reichweite. 

YY:

--- Zitat von: Aedin Madasohn am  9.05.2025 | 16:19 ---nur zur Vollständigkeit: die Ukraine hat damit aber auch eine mehrjährige Panzer(und Panzerfahrzeuge) Produktion erfolgreich bekämpft

--- Ende Zitat ---

Freilich. Das unterstreicht aber genau den Punkt: Hochwertsysteme lassen sich aktuell nicht in relevanter Größenordnung ersetzen, wenn der langfristig aufgebaute Bestand einmal zerstört bzw. verbraucht ist*.

Nächstes Jahr soll etwa die Jahresproduktion von Javelin-Raketen knapp 4.000 erreichen - das ist offensichtlich ein Tropfen auf den heißen Stein.

Mittlerweile sind PzAbwLFK aber auch längst durch Drohnen abgelöst. Selbst wenn man im Regelfall mehrere Drohnen braucht, um einen Panzer gefechtsuntauglich zu machen, ist das immer noch um Längen billiger und leichter bzw. überhaupt ersetzbar und das bei größerer Reichweite und absurd geringerer Geländeabhängigkeit.

Javelin & Co. sind im Grunde nur noch da relevant, wo ein Gefechtsfahrzeug sofort ausgeschaltet werden muss. Sobald diese Zeitkomponente wegfällt, ist die Drohne die bessere Alternative.


*Und das gilt für alles von modernen westlichen PzAbwLFK über Panzer bis zu Luftabwehr auf Selbstfahrlafette und "klassischen" Fluggeräten.
Symmetrische Kriege werden am Reißbrett und am Fließband gewonnen und da müsste eigentlich der große Paradigmenwechsel im Westen kommen statt bei der Erkenntnis, dass überhaupt noch "richtige" Kriege stattfinden können.
Und selbst dieser Paradigmenwechsel wäre auch nur die Rückkehr zu dem, was man mal wusste und konnte und teils vergessen, teils sich selbst ausgeredet hat.
Entscheidend ist die beste Balance zwischen Gefechtsleistung, erreichbarer Stückzahl und Produktionszeit und -kosten; da sind zeitgenössische westliche Goldrandlösungen eine offensichtliche Sackgasse.



--- Zitat von: Aedin Madasohn am  9.05.2025 | 16:19 ---- benötigen aber sündhaftteure Abschussmittel aka PzH2000 oder Cesar, welche für Lancetdrohnen ja Prioritätsziele sind. Sprich, die müssen ers heile rein in die Feuerzone und heile raus geschafft haben

--- Ende Zitat ---

Und selbst wenn die Haubitze nicht vernichtet wird: in der Ukraine sind auf beiden Seiten angesichts des Durchsatzes nicht nur die Granaten, sondern die Rohre selbst Verbrauchsmaterial, wo man mit der Produktion nicht ansatzweise hinterherkommt.


--- Zitat von: sma am  9.05.2025 | 18:08 ---Taktik: Dass der Vormarsch Russlands fast vollständig zum Erliegen gekommen ist, scheint wohl dem massiven Einsatz von Drohnen zu verdanken zu sein.

--- Ende Zitat ---

Das "beißt" längst in beide Richtungen. Auch auf russischer Seite ist flächendeckender Drohneneinsatz zumindest zur Aufklärung die Norm; da wird dann höchstens eher mit Artillerie gewirkt als mit FPV-Drohnen.
Unterm Strich führt das dazu, dass beide Seiten nicht zu groß angelegten Offensiven antreten können, ohne dass die Einheiten schon im Vorfeld zerschlagen werden.
Als Folge daraus tut sich auf operativer und strategischer Ebene praktisch nichts, es bleibt ein Abnutzungskrieg auf unterster taktischer Ebene.

Navigation

[0] Themen-Index

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln