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Notizen zu moderner Kriegsführung

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Quaint:
Ich schreibe mal ein paar Sachen zu moderner Kriegsführung, teilweise ist das aber sicherlich auch interessant für Dinge wie Cyberpunk oder manche Scifi.
Das sind meine persönliche 5 cent dazu und ich versuche auch, mich kurz zu fassen. Das ganze soll hauptsächlich dazu dienen, moderne Kriegsführung im Rollenspiel darzustellen und in dem Bereich vergleichsweise Unbedarften einen gewissen Einblick zu gewähren.
Ich werde später vielleicht noch auf einzelne Unterbereiche eingehen.

Grundsätzlich geht der Trend in der Kriegsführung soweit man es einrichten kann dazu, den Feind auszuschalten ohne sich selbst zum Ziel zu machen. Oder, wenn man sich zum Ziel macht, das entbehrliche Dinge wie Drohnen zum Ziel werden. Etwa im Luftkampf wird normalerweise auf Entfernungen geschossen, wo man ohne technische Hilfsmittel nichts ausmachen könnte, deutlich mehr als Sichtweite. Kurvenkämpfe kommen zwar gelegentlich noch vor, aber meist ist da zuvor 'was schief gelaufen. Und eine erstaunlich große Rolle im Luftkampf spielt auch elektronische Kriegsführung - wenn es etwa gelingt, das feindliche Radar zu stören, werden die sich sehr schwertun auf große Entfernung zu schießen.
Leider hat diese Tendenz noch ihre Grenzen: Luftbilder, Drohnenbilder, Satellitenbilder etc. sind zwar teilweise in der Lage, Ziele zu identifizieren, die man dann auf eine erstaunliche Vielzahl von Wegen aus der Ferne bekämpfen kann, aber nicht jeder Feind tut einem den Gefallen sich relativ offen und klar abgegrenzt zu zeigen, und dann ist es zunehmen wichtig, Ziele auch durch Truppen am Boden auszumachen und anzugehen sowie Mittel der Spionage zu nutzen, um Ziele auszumachen, sei das durch das Gewinnen von Informanten, das Anpeilen bekannter Handynummern oder dergleichen mehr.

Luftkampf / Jagdflugzeuge
Die meisten modernen Jagdflugzeuge sind relativ vielseitig und können Ziele in der Luft, am Boden und zur See angreifen. Man muss aber am besten vorher wissen, was man abschießen will, und das Flugzeug entsprechend bestücken.

- Jagdflieger selbst haben meist nur ein Radar nach vorne, teils zwar mit einem Winkel von fast 180 Grad, aber trotzdem nicht Rundum wie man es von Wing Commander und dergleichen kennt
- der Aktionsradius von Kampfflugzeugen ist oft überraschend klein, das kommt zwar auf das genaue Modell und dessen Bestückung an, aber oft sind das nur ca. 600km
- das lässt sich allerdings durch Luftbetankung und auch externe Tanks erweitern; Luftbetankung erfordert jedoch einen ziemlichen logistischen Aufwand und externe Tanks gehen halt von der Bewaffnung respektive der Beweglichkeit ab
- diese ca. 600km Aktionsradius gehen dann auch schnell; die Marschgeschwindigkeit eines Jets ist halt oft 800 km/h oder 1000 km/h; eine Mission ist also bisweilen so etwa: halbe Stunde hinfliegen, bissle schießen (höchstens 10 Minuten), halbe Stunde heim fliegen
- dementsprechend können Jets auch nicht ewig in einer Zielregion rumdümpeln, etwa weil sie darauf warten das Bodentruppen ihnen Ziele markieren oder so
- durch sogenannte Nachbrenner können Jets für kurze Zeit ihren Schub etwa verdoppeln, was natürlich sehr nützlich ist, gerade etwa im Kurvenkampf, aber das verzehnfacht den Treibstoffverbrauch in etwa - man kann also denken wenn der Treibstoff normal für 2 Stunden reichen würde, kann man ihn mit Nachbrenner auch in ca. 12 Minuten verblasen
- ältere Jagdflugzeuge brauchen gelegentlichen Nachbrennereinsatz für Überschallgeschwindigkeit, die neusten brauchen das nicht (sind also bei hoher Treibstoffeffizienz deutlich schneller unterwegs); Überschall ohne Nachbrenner nennt man auch Supercruise
- wird man in der Luft angegriffen, ist es hilfreich, eine möglichst geringe Zuladung zu haben, um eine maximale Beweglichkeit zu erreichen; es ist nicht gänzlich unbekannt, dass Piloten auch irgendwelche Bomben, Zusatztanks oder Luftboden-Raketen einfach ungenutzt abwerfen, wenn sie in die Situation kommen - die Beweglichkeit braucht man nicht nur für den Kurvenkampf, sondern eine hohe Beweglichkeit kann auch helfen, wenn man auf größere Entfernung beschossen wird, denn so kann man Raketen noch eher entgehen, als wenn man voll bepackt ist
- ungewohnt wird vielleicht sein, dass moderne Kampfflugzeuge zunehmend die Fähigkeit haben oder bekommen, auf Ziele zu feuern, die nicht direkt vor ihnen sind; im Extremfall können die sogar Raketen quasi nach hinten abfeuern; dabei werden die fraglichen Raketen dann meist schon normal ausgeklinkt, fliegen dann aber eben eine Kurve
- diese ganze Flugzeugkiste ist teuer, vor allem die modernen Flugzeuge kosten sehr viel; ein "normaler" Jet mag so bei 50 bis 70 Mio $ liegen, aber die neusten und tollsten können auch mal eher in Richtung 200 Mio $ gehen
- einen Infanteriesoldaten auszubilden und mit dem nötigsten Auszustatten kostet dabei aber vielleicht 200.000 $ - daher entspricht ein moderner Jet (sowas wie die F-22 Raptor) dann von den Kosten her vielleicht 1000 Soldaten (oder ca. 20 anständigen Kampfpanzern)
- auch die Waffen eines Kampfjets sind kostspielig, mit einzelnen Raketen schnell mal in den hundertausenden und einer kompletten Bestückung, die schonmal ein paar Millionen kosten mag

Lichtschwerttänzer:
MKn nach ist  die Überlebensfähigkeit und damit Nutzbarkeit von Drohnen gegen einen modernen Gegner, der selber über eine funktionierende Luftverteidigung verfügt als gering bis nutzlos einzustufen.

nobody@home:

--- Zitat von: Lichtschwerttänzer am 28.07.2016 | 17:49 ---MKn nach ist  die Überlebensfähigkeit und damit Nutzbarkeit von Drohnen gegen einen modernen Gegner, der selber über eine funktionierende Luftverteidigung verfügt als gering bis nutzlos einzustufen.

--- Ende Zitat ---

Die Entwicklung wird wahrscheinlich trotzdem weiter in diese Richtung gehen. Drohnen ersparen es halt erst mal grundsätzlich, menschliche Piloten denselben Risiken aussetzen zu müssen -- nur auf die Leistungsfähigkeit und (relative) Zuverlässigkeit bemannter Kampfeinheiten müssen sie erst noch kommen, möglichst, ohne daß damit gleich Skynet online geht.

Und in der Zwischenzeit...seien wir doch mal ehrlich, High-Tech-Kampf findet dieser Tage ohnehin eher selten unter Gleichberechtigten statt, weil die auch gerade dank moderner Kommunikationsmittel genau wissen, daß sie ihre Konflikte besser auf dem diplomatischen Parkett austragen. Militäreinsätze zielen, wenn schon, eher mal in den "weniger respektablen" Rest der Welt.

Imion:

--- Zitat ---- das lässt sich allerdings durch Luftbetankung und auch externe Tanks erweitern; Luftbetankung erfordert jedoch einen ziemlichen logistischen Aufwand und externe Tanks gehen halt von der Bewaffnung respektive der Beweglichkeit ab
--- Ende Zitat ---

Zusatztanks werden bei Feindkontakt abgeworfen, dh keine Beeinträchtigung der Agility im Luftkampf.


--- Zitat ---- diese ca. 600km Aktionsradius gehen dann auch schnell; die Marschgeschwindigkeit eines Jets ist halt oft 800 km/h oder 1000 km/h; eine Mission ist also bisweilen so etwa: halbe Stunde hinfliegen, bissle schießen (höchstens 10 Minuten), halbe Stunde heim fliegen
--- Ende Zitat ---

Beim Intercept ist die hoffentlich vorhandene Alarmrotte recht schnell am Ziel. Ansosnten Siehe Luftbetankung.


--- Zitat ---- dementsprechend können Jets auch nicht ewig in einer Zielregion rumdümpeln, etwa weil sie darauf warten das Bodentruppen ihnen Ziele markieren oder so
--- Ende Zitat ---

Siehe Luftbetankung. CAS-Flieger kreisen mitunter einige Stunden bevor sie ein Ziel durchgegeben bekommen.


--- Zitat ---- durch sogenannte Nachbrenner können Jets für kurze Zeit ihren Schub etwa verdoppeln, was natürlich sehr nützlich ist, gerade etwa im Kurvenkampf, aber das verzehnfacht den Treibstoffverbrauch in etwa - man kann also denken wenn der Treibstoff normal für 2 Stunden reichen würde, kann man ihn mit Nachbrenner auch in ca. 12 Minuten verblasen
--- Ende Zitat ---

Beim Kurven setzt man für gewöhnlich seinen Nachbrenner nicht ein, da die Kurven sonst grösser werden.


--- Zitat ---- wird man in der Luft angegriffen, ist es hilfreich, eine möglichst geringe Zuladung zu haben, um eine maximale Beweglichkeit zu erreichen; es ist nicht gänzlich unbekannt, dass Piloten auch irgendwelche Bomben, Zusatztanks oder Luftboden-Raketen einfach ungenutzt abwerfen, wenn sie in die Situation kommen - die Beweglichkeit braucht man nicht nur für den Kurvenkampf, sondern eine hohe Beweglichkeit kann auch helfen, wenn man auf größere Entfernung beschossen wird, denn so kann man Raketen noch eher entgehen, als wenn man voll bepackt ist
--- Ende Zitat ---

Viel mehr Vertrauen würde ich dann doch in Gegenmassnahmen wie Flare, Chaff, oder ECM setzen.


--- Zitat ---- ungewohnt wird vielleicht sein, dass moderne Kampfflugzeuge zunehmend die Fähigkeit haben oder bekommen, auf Ziele zu feuern, die nicht direkt vor ihnen sind; im Extremfall können die sogar Raketen quasi nach hinten abfeuern; dabei werden die fraglichen Raketen dann meist schon normal ausgeklinkt, fliegen dann aber eben eine Kurve
--- Ende Zitat ---

Ist AFAIK jetzt auch schon nicht mehr sooo neu.


Das was man in letzter Zeit gesehen hat sind vor allem assymetrische Szenarien in denen eine Seite der anderen oft Wolkenkratzerhoch überlegen war. Da sind solche Spässe wie Aufklärungs- und Kampfdrohnen eine gute Alternative zum bemannten Gerät. Sollte man sich allerdings mal auf Augenhöhe begegnen dann ist sowas, wie LST schon sagte extrem schnell vom Himmel gefegt.

YY:
Schöne Idee  :d



--- Zitat von: Quaint am 28.07.2016 | 17:37 ---- dementsprechend können Jets auch nicht ewig in einer Zielregion rumdümpeln, etwa weil sie darauf warten das Bodentruppen ihnen Ziele markieren oder so

--- Ende Zitat ---

Daher werden sinnvollerweise auch spezialisierte Flugzeuge für CAS verwendet - das ist ja z.B. einer der Kritikpunkte an der Raptor, dass sie auch im Aufgabenbereich der A-10 "wildern" soll, was die Kiste mal so gar nicht kann.


--- Zitat von: Quaint am 28.07.2016 | 17:37 ---- diese ganze Flugzeugkiste ist teuer, vor allem die modernen Flugzeuge kosten sehr viel; ein "normaler" Jet mag so bei 50 bis 70 Mio $ liegen, aber die neusten und tollsten können auch mal eher in Richtung 200 Mio $ gehen

--- Ende Zitat ---

Das Ganze ist so komplex und teuer, dass sinnvoll geführter aktiver Luftkampf einigen wenigen Nationen vorbehalten bleibt und die keine sonderlich großen Reserven hätten, wenn sie das Zeug gegeneinander einsetzen würden.

Luftkampf hat abseits von CAS zunehmend weniger Bedeutung in der zeitgenössischen Kriegsführung (lohnend dazu van Crevelds "The Age of Airpower"), und auch CAS ist so eine Sache.



Von daher finde ich Luftkampf als Einstieg in die moderne Kriegsführung etwas eigenwillig - das ist ein zunehmend entkoppelter Bereich mit ganz eigenen Gesetzen und Rahmenbedingungen.


Ich glaube fast, man wird nicht drum herum kommen, das Thema in mehrere Bereiche aufzusplitten.
Auf der einen Seite die moderne konventionelle Kriegsführung, wie sie aus den Technologien und Umständen des Kalten Krieges erwachsen ist und die westlichen Interventionsarmeen prägt.

Und auf der anderen Seite die unkonventionelle Kriegsführung sowohl von staatlicher als auch von nichtstaatlicher Seite, die sich in sehr kleinen, sehr dynamischen Verbänden organisiert und sehr "retro" in dem Sinne ist, dass ihre Schwerpunkte oft nicht anders sind als das, was z.B. die Special Forces seit den 50ern betreiben.
Dabei integrieren sie aber moderne Technologie wesentlich effektiver, als es die konventionellen Truppen tun.

Was die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte angeht, werden möglicherweise zunehmend auch westliche Staaten bzw. ihre Gesellschaften auf diesem zweiten Feld mitmischen und die Kriegsführung privatisieren und tribalisieren.
Kann man sich z.B. bei den diversen Kriegsfreiwilligen auf beiden Seiten in Syrien oder in der Ukraine anschauen.

Plus ça change...

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