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Pen & Paper - Spielsysteme => Systemübergreifende Themen => Thema gestartet von: Zouan81 am 16.06.2025 | 20:19
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Hallo Community!
Wollte mal wissen, ob Euch der Regelbegriff "Rüstungsmalus" und was da alles dranhängt eigentlich zusagt.
Sollte man wirklich peinlichst genau Rüstung und ihre Behinderungsmodifikatoren berücksichtigen oder verkompliziert das nur das Spielen?
Oder sollte man Rüstungsmalus als feste Regel weglassen und dem Spielleiter überlassen, ob er wegen Rüstung einen Aufschlag gibt (z.B. beim Schleichen oder beim Zaubern)
Wer nutzt noch Rüstungsmalus und in welchem System ist das Eurer Meinung nach am elegantesten gelöst?
Danke schon mal für Eure Antworten.
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Sinnvoll ist hier nach meinem Dafürhalten: wer im Umgang mit Rüstung ausgebildet ist, kann diese auch (weitgehend) ohne Abzüge nutzen.
Das BE-Kleinklein von DSA finde ich zB zu aufwendig für den Effekt. Erstmal hat jede Rüstung soundso viel Behinderung, aber durch Wahl von Waffentypen, Sonderfertigkeiten etc kann man den Wert dann wieder minimieren, und am Ende hat man viel Aufwand betrieben dafür dass die BE keine Rolle mehr spielt.
Im großen und ganzen finde ich da die Umsetzung in D&D 3E/PF gut gelungen. Es gibt 3 Rüstungskategorien, und die meisten Klassen sind mit den Rüstungen geübt, die für sie am sinnvollsten sind und am besten funktionieren. (Es gibt leider Ausnahmen, v.a. in PF.) Trägt man eine Rüstung mit der man nicht geübt ist, erleidet man Abzüge auf so ziemlich alles; wenn man aber geübt ist fallen die Abzüge nur bei speziellen Tätigkeiten an.
(Ein Schwachpunkt/sinn hierbei ist, dass der Rüstungsmalus standardmäßig auch auf Reiten anzuwenden ist, d.h. der klassische schwergerüstete Ritter kann so praktisch nicht funktionieren, er würde ständig vom Pferd fallen.)
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Sehe das ein wenig wie Feuersänger. Wenn ein absoluter Anfänger sich ne Plattenrüstung anzieht, pumpt er nach wenigen Kampfrunden wie ein Maikäfer. Aber wer das gelernt hat, sollte es auch können. Es ist eine Aufgabe des Systems, dass nicht jeder Hansel das einfach ganz schnell lernen kann.
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Hey, mein aktuelles Lieblingssystem sieht per Voreinstellung nicht mal einen definitiven mechanischen Rüstungsbonus vor, was soll ich da erst mit einem Malus anfangen? ;D
Ganz allgemein würde ich aber davon ausgehen, daß man eine "realistische" Behinderung durch Rüstung ohnehin mit Rollenspielregeln nicht hinbekommen wird, ohne dabei ins Schwimmen zu geraten. (Kann ich in einem Plattenpanzer nun besser oder schlechter laufen als in einem beinlangen Kettenhemd, und wie sieht das mit futuristischer Powerrüstung aus? Habe ich tatsächlich genau denselben Einheitsabzug, wenn ich statt dessen plötzlich klettern oder schwimmen soll? Vermutlich eher nicht so...) Also kann ich mich auch, wenn ich so etwas tatsächlich überhaupt will, gleich darauf konzentrieren, die "Strafe" fürs meist untrainierte Tragen von Rüstung einfach zu halten.
Ein Beispiel, das das für meine Begriffe recht gut hinkriegt, ist Dungeon World. Da geben Rüstungen, die über das Minimum hinausgehen, -1 auf alle gewürfelten Aktionen, solange man sie trägt, was bei 2W6 als Würfelmethode nicht ganz von Pappe ist...aber bestimmte Klassen wiederum dürfen genau diese Eigenheit ignorieren und ein paar andere (nicht alle) können sich diesen Trick im Lauf der Charakterentwicklung prinzipiell abgucken. (Das reine Gewicht von Rüstung und ggf. Schild wird separat verrechnet.)
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Ich denke, es kommt drauf an, welche Funktion und Relevanz die Rüstung im Kampfsystem hat und ob das Spielsystem die Spieler zu Entscheidungen zwingen will.
Wenn es zu Entscheidungen zwingen will, muss eine Rüstung, die einen spieltechnischen Vorteil bietet, auch mit einem spieltechnischen Nachteil (in termini von Kampfkraft) einhergehen, weil es andernfalls keine Entscheidung gibt. Je unwichtiger die Rüstung (bzw. die Unterschiede verschiedener Rüstungen) im Kampf, desto unwichtiger ist auch der Malus.
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Rolemaster löst das ganz gut. Als Ungeübter hat man massive Abzüge auf Bewegungsmanöver, die man durch das Steigern der entsprechenden Rüstungsfertigkeiten reduzieren oder ganz negieren kann. Buchhalterei ist da auch nicht groß, da man den entsprechenden Endwert inklusive Rüstungsmali bereits auf dem Charakterbogen notiert hat.
cu Drantos
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Nuja, ist halt Geschmackssache. Ich finde es ganz gut, wenn der groben Plausibilität Rechnung getragen wird. Wer sich mit nem Zentner Blech am Körper erfolgreich anschleicht hat schon was aussergewöhnliches geleistet. Wer mit einem herkömmlichen Schwert einen Plattenrüstungsträger kaputt haut auch.
Bei meinen eigenen Systemen ist ein pauschaler Malus üblich, den man üblicherweise durch entsprechende Fähigkeiten senken kann. Sinnvoll ist es meist nur mit keinem oder einem geringen Malus rumzulaufen. So wachsen im Laufe der Steigerung die Möglichkeiten, was man an Rüstung mitschleppen kann. Teils ist das dann auch stärkeabhängig. Ohne gutes Training kein langer Marsch in schwerer Rüstung. Kann der einzelne dann schauen, was er lernt, mehr Rüstung, besser Ausweichen, verschiedene Zaubergeschichten, Utilityfähigkeiten, besserer Angriff oder viele andere Möglichkeiten.
Dazu kommen manchmal zusätzliche Mali auf Dinge wie Schleichen oder Schwimmen.
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Sollte man wirklich peinlichst genau Rüstung und ihre Behinderungsmodifikatoren berücksichtigen oder verkompliziert das nur das Spielen?
Eine detaillierte Verregelung über den groben Rüstungstyp hinaus lohnt sich i.d.R. nicht; insbesondere dann nicht, wenn wie von Feuersänger beschrieben noch mal zusätzlicher Regelaufwand getrieben wird, um den Rüstungseinfluss zu verringern.
Trotzdem:
Oder sollte man Rüstungsmalus als feste Regel weglassen und dem Spielleiter überlassen, ob er wegen Rüstung einen Aufschlag gibt (z.B. beim Schleichen oder beim Zaubern)
Es spricht doch nichts dagegen, die Standardsituationen konsistent zu verregeln. Je nach Regelwerk geht das eh nicht genauer als "Schleichen mit Nachteil" o.Ä., von daher ist das ggf. schnell und einfach abgehandelt.
Bei solchen Sachen will ich als SL auch nicht immer wieder groß überlegen müssen, nur um dann mit kleinsten Abweichungen bei den selben Ergebnissen zu landen.
Ansonsten sei erwähnt, dass Rüstungsbehinderung viel eher eine operative als eine taktische Frage ist. Klar, Rüstung schränkt bei einigen Details massiv ein, aber die großen Knackpunkte sind eigentlich mittelfristige Erschöpfung, Hitzestau und Flexibilität (d.h.: wie schnell kann ich eine Rüstung an- und ablegen und kann ich meine Rüstung situationsangepasst abgestuft nutzen oder gibts nur alles oder nichts).
Zuletzt ist der Helm das wichtigste Rüstungsteil und die größte Einschränkungsquelle. Wenn man sich auf taktischer Ebene irgendwo regeltechnisch an der Rüstung abarbeiten will, dann da.
Wenn ein absoluter Anfänger sich ne Plattenrüstung anzieht, pumpt er nach wenigen Kampfrunden wie ein Maikäfer. Aber wer das gelernt hat, sollte es auch können. Es ist eine Aufgabe des Systems, dass nicht jeder Hansel das einfach ganz schnell lernen kann.
Regeln für Rüstungsgewöhnung, insbesondere als Sonderfertigkeit mit X Stufen, finde ich nicht sonderlich schlüssig.
Gut, das ist als pauschale, "einstufige" Regel wenigstens ein recht effektiver Klassen- und Nischenschutz.
Aber abseits von Klassen ist Einschränkung durch Rüstung jenseits einer kurzen Eingewöhnungsphase "nur" eine Frage kampfspezifischer Fitness und gehört mMn generell dort modelliert als speziell bei der Rüstung. Und andersrum: wenn ein System schon fighting fitness ignoriert, braucht es sich auch nicht groß mit Rüstungsbehinderung beschäftigen.
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Oder sollte man Rüstungsmalus als feste Regel weglassen und dem Spielleiter überlassen, ob er wegen Rüstung einen Aufschlag gibt (z.B. beim Schleichen oder beim Zaubern)
Ich würde mal ganz pauschal sagen nein, es sei denn das System hat auch sonst keine festen Regeln. Ansonsten:
Rüstungsfertigkeit (wie bei D&D) sagt ja quasi: trage eine Rüstung mit der du umgehen kannst, ansonsten lass es bleiben. Da sind genaue Mali egal, solange sie nur hoch genug sind. Muss man sich nicht gross Gedanken drum machen.
Interessanter wird es wenn die Rüstung im Kampf einen Kompromiss darstellt. Z.b. man wird einfacher getroffen, nimmt aber weniger Schaden. Oder Earthdawn, da gab es einen Malus auf die Initiative. Aber dass kann man nicht dem Spielleiter überlassen.
Bei Fertigkeiten wie Schleichen, Klettern und vor allem Schwimmen ist SL Entscheid denkbar. Aber es ist recht kompliziert wie genau die Rüstung jetzt die Handlung beeinflusst. Insofern kann es sein dass sowohl SL Entscheid als auch feste Regeln etwas unbefriedigend sind.
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Regeln für Rüstungsgewöhnung, insbesondere als Sonderfertigkeit mit X Stufen, finde ich nicht sonderlich schlüssig.
In Sinne des Nischenschutzes, wie auch von dir erwähnt, finde ich das schon akzeptabel.
Allerdings finde ich es dann doch schon auch schön, wenn etwaige Rüstungsmali oder -kategorien so einigermaßen die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln.
Und wenn man den einschlägigen Videos zum Thema vertrauen darf, sind Vollharnische (ob gotische oder italienische) ja gerade deshalb die Spitze der Rüstungsentwicklung, weil sie nicht nur am besten schützen sondern dabei auch erfreulich wenig behindern. Also auf jeden Fall weniger als bei so einem Konglomerat aus Gambeson, Kettenhemd und wasweißich, das gewaltig aufträgt und überall rumklötert. Das ist aber eine Sache, die etliche Systeme, die überhaupt Rüstungsbehinderung abbilden, genau falsch machen.
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Ich finde, wenn etwas Vorteile bringt, dann soll es auch Nachteile bringen. Ich will als Spieler meine Figur diesbezüglich austarieren.
Wichtig wäre für mich nur, dass es im Spiel einigermaßen flüssig zu handhaben ist.
Bei Midgard sind verschiedene Rüstklassen eingerichtet, wobei spieltechnisch erst mal zwischen Metall und Nicht-Metall unterschieden wird. Und bei den Metallrüstungen gibt es drei, beziehungsweise vier Stufen. Metallrüstungen bringen grundsätzlich Nachteile beim Zaubern und vermindern die Bewegungsweite - je schwerer, desto mehr. Dazu fallen Boni wegen hoher Geschicklichkeit und Gewandheit in Metallrüstungen weg. Und bestimmte Fertigkeiten können nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden.
Auf der anderen Seite gibt es die ziemlich teure Fertigkeit "Kampf in Vollrüstung", die den Fertigkeitseinsatz bei einem Erfolg dann erst wieder ermöglicht oder erleichtert und zwar auch beim Tragen von den leichteren Platten-, beziehungsweise Kettenrüstungen.
Für meinen Geschmack ist das reichlich kompliziert und nicht wirklich intuitiv gemacht.
Dabei wäre eine Sache einfach naheliegend: Ich würde bei Bewegungsfertigkeiten einfach den Bewegungsweitenabzug auch als Malus nehmen (4 für Kette, 8 für Platte und 12 für Vollrüstung). Und mit einem erfolgreichen Wurf auf Kampf in Vollrüstung würde ich den Malus halbieren.
Als Ausnahme würde ich nur Fertigkeiten nehmen, die rittermäßig im Kampf gebraucht werden: Reiten (mit dem richtigen Sattel), Geländelauf (aber nur beim Durchqueren von Kontrollbereichen im Kampf, nicht beim Durchqueren schwierigen Geländes - in schwerer Rüstung muss man nicht alles mit Beweglichkeit sein, man kann sich auch straflos durchrempeln) und bei Kampf zu Pferd.
Mit -12 säuft auch ein sehr guter Schwimmer sehr schnell ab und dass man jedes Mal auf -6 verkleinern kann, ist alles andere als klar und planbar. Natürlich ist es unlogisch, dass es überhaupt auch nur ein bisschen geht, aber dass man damit nicht fest planen kann, reicht doch. Und beim Klettern, Balancieren, Schleichen... gilt eben: Besser ohne schwere Rüstung machen oder dein Glück versuchen.
Für mich wäre die Regel dann austariert, wenn ich vor einer Situation oder einem Abenteuerabschnitt überlegen muss: Brauche ich möglichst viel Eisen, weil ich mit Kämpfen rechne, oder gehe ich leicht bekleidet, weil ich meine Fertigkeiten hoch haben und einsetzen muss. Oder die Gruppe entscheidet, wen sie wann in die erste Reihe stellt. Den Krieger oder den Dieb.
Wenn das Vorgehen überall gleich wäre, fände ich das taktisch reizlos.
Wobei die Grundfrage aber wohl letztlich noch tiefer liegt: Sind Kämpfe eigentlich das Salz in der Suppe oder ein lästiges Übel. Nehme ich Tor B, dann sind Rüstungen am besten eh Kleidung bloß wichtig für den Look. Und dann könnte man sie auch ganz aus der Gleichung streichen.
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Und wenn man den einschlägigen Videos zum Thema vertrauen darf, sind Vollharnische (ob gotische oder italienische) ja gerade deshalb die Spitze der Rüstungsentwicklung, weil sie nicht nur am besten schützen sondern dabei auch erfreulich wenig behindern. Also auf jeden Fall weniger als bei so einem Konglomerat aus Gambeson, Kettenhemd und wasweißich, das gewaltig aufträgt und überall rumklötert. Das ist aber eine Sache, die etliche Systeme, die überhaupt Rüstungsbehinderung abbilden, genau falsch machen.
Jep. Andersrum sind die Harnische wesentlich lauter als die Rüstungen "darunter" - auch das wird gerne mal falsch herum einsortiert.
Ansonsten sind die Bewegungseinschränkungen des Harnisches schon irgendwie kurios: bei manchen Sachen behindert er quasi gar nicht, bei anderen ist er durch die starren und glatten Flächen enorm hinderlich. Das ist schon ziemlich undankbar durch eine einzelne Zahl abzubilden.
Und unterhalb des Harnischs ist die Spanne enorm groß.
"Kettenhemd plus weiche Schicht" deckt ja schon alles von Kriegsausstattung bis zu leichtem zivilem Schutz ab und zumindest ersteres gibts in "one size fits all nobody" oder auf den Leib geschneidert (die zivile Schutzvariante ist quasi nie Massenware). Beide Achsen finden sich in typischen Rüstungslisten nicht.
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Ich finde, wenn etwas Vorteile bringt, dann soll es auch Nachteile bringen. Ich will als Spieler meine Figur diesbezüglich austarieren.
An dem Punkt kommt's dann halt wirklich auf den gewünschten Spielstil an. Auf der einen Seite, klar, Spielgleichgewicht und so. Auf der anderen ist das natürlich definitiv nicht "realistisch", denn wenn's wirklich um Leben und Tod insbesondere auch von Mitkämpfern auf der eigenen Seite geht, dann kann man dem Gegner eigentlich gar nicht überlegen genug sein...und deswegen ist alles Militärische im richtigen Leben eigentlich schon immer eine Übung für gnadenlose Minmaxer und sogar ausgesprochene Schummler. ;)
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Dragonbane hat das ganz gut gelöst, indem Rüstungen Banes (Nachteil) auf bestimmte Skills bringen. Also Sneaking, Evade, Acrobatics und Swimming. Metallrüstungen neigen zum Scheppern, mit mehr Gewicht wird das Ausweichen schwerer (das Klettern und Rumhüpfen sowieso) und Schwimmen im Plattenharnisch ist auch nicht so einfach.
Somit kann man verschiedene Rüstungen recht gut modellieren, ohne mit irgendwelchen Modifikatoren arbeiten zu müssen.