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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Lichtbringer am 30.09.2011 | 09:28

Titel: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Lichtbringer am 30.09.2011 | 09:28
Nur eine Kleinigkeit, die ich mal eben loswerden wollte:
Mir wird häufiger das eine oder andere generische System (vor allem das eine - ihr wisst schon, welches) damit angepriesen, es sei eben generisch und außerdem wundervoll gebalancent (im weiteren Verlauf werde ich das deutsche Wort "gerecht" verwenden). Das finde ich jedes Mal wieder überraschend, denn die beiden Aussagen schließen sich per definitionem gegenseitig aus.

Lassen wir die recht schwammige Bedeutung von "universell" und "generisch" beiseite und sehen uns eine Art MinimalKonsens an: Ein System, mit dem ich sowohl mittelalterliche Fantasy als auch im einundzwanzigsten Jahrhundert spielen kann. (Zumindest wurde mir bisher kein selbsterklärt generisches System präsentiert, das dies nicht von sich in Anspruch nimmt.)

Warum kann ein solches System nicht gerecht sein? Weil wir die Gerechtigkeit eines Regelsystems danach bewerten, welche Möglichkeiten und welche Macht es den SC innerhalb der Spielwelt gewährt. Doch in unterschiedlichen Welten sind unterschiedliche Fähigkeiten in unterschiedlicher Zahl wichtig.
Ein einfaches Beispiel: Was ist das wichtigste Attribut in einer mittelalterlichen Welt? Da das Gros der Leute körperliche Arbeit leistet, wird es ein körperliches Attribut sein (Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution o. Ä.). Wenn ich das System in dieser Welt gerecht haben will, muss ich die Mechanismen so ausrichten, dass die Gewichtung der Attribute eine Gerechtigkeit erzeugt. (Stärke mag wichtig sein, aber dafür richten wir die Fertigkeiten so ein, dass hier Intelligenz viel bringt. So macht es beispielsweise D&D 3, da dort die Zahl der Fertigkeitspunkte von der Intelligenz abhängt.)
Jetzt gehen wir in eine andere Welt: Unsere eigene. Was ist das wichtigste Attribut in unserer Zeit? Ohne Frage Intelligenz, wir leben in einer Wissensgesellschaft. Hier müssten die Regelmechanismen völlig anders für Gerechtigkeit sorgen. (Wenn ich auch noch mehr Fertigkeitspunkte für die ohnehin so nützliche Intelligenz bekomme, wird die Ungleichheit noch verstärkt.)
Dieses Spiel kann man beliebig weiterspielen: Wenn ich das System so einrichte, dass man das wichtigste Attribut je nach Welt auswählen kann und sich die Regeln ändern, dann brauche ich nur eine Welt zu finden, in der zwei Attribute sehr wichtig sind. Ad infinitum. (Hinzu kommt: Wenn ich die Regeln alle abwandle, um diesen Effekt zu kompensieren, habe ich dann nicht ein neues System erschaffen?)

Ergo: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: El God am 30.09.2011 | 09:31
Ich stimme deiner Beobachtung grundsätzlich zu, halte aber Balancing für massiv überbewertet und verorte es ohnehin in großen Teilen beim Spielleiter, der seine Gruppe auf solche Art mit Herausforderungen konfrontieren sollte, dass für jeden was dabei ist - unabhängig vom "Machtgefälle" oder dergleichen in der Gruppe. Insofern: Kein großes Problem, aber gut erkannt.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Lichtbringer am 30.09.2011 | 09:35
Ich halte es auch nicht für so wichtig. Daher wollte ich ja auch nur kurz loswerden, dass es Unsinn ist. Ich höre diesen Unfug halt so oft.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Ein am 30.09.2011 | 09:38
Du konstruierst hier einen Fall, um deine Behauptung zu untermauern.

Nehmen wir z.B. als Beispiel BESM. Hier hängt weder die Anzahl der Fertigkeiten von einem Attribut ab (was eh schlechtes Design ist), noch sind die Kosten fix. Vielmehr hängen die Kosten der Werte von dem jeweiligen Setting ab. Je bedeutender ein Wert in einem Setting ist, desto teurer ist er.

Bei GURPS wurde schon vor Jahrzehnten die Kosten für ST gesenkt, da nur wenige Fertigkeiten davon abhängig sind.

Ich verstehe aber auch nicht, was das mit Balance zu tun haben soll.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Terrorbeagle am 30.09.2011 | 09:38
Balancing ist eh fast immer so stark situationsabhängig und von einer Vielzahl Situationen abhängig, dass Balancing im Rollenspiel von vorneherein eher eine Absichtserklärung oder Ideal, auf das man hinarbeitet und kein in Stein gemeißeltes Konstrukt. Balancing muß aktiv angegangen und umgesetzt werden, daher halte ich die hier geäußerte Überlegung für nicht stichhaltig - eher im Gegenteil: Je flexibler und anpassungsfähiger ein System ist, desto umfangreicher ist das Instrumentarium, dass den Mitspielern und insbesondere dem Spielleiter an die Hand gegeben wird, um Balancing anzustreben oder punktuell zu erreichen. Daher sind generische Systeme -sofern sie mit Hand und Fuß gemacht und wohl überlegt gestaltet sind (also Gurps heißen ;D) von der Grundsubstanz besser für "gerechtes" Spiel geeignet als einseitige und unflexiblere Systeme.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: sir_paul am 30.09.2011 | 09:43
Ich kann dem nicht ganz zustimmen. Zugegeben wir Leben in einer Wissensgesellschaft, Wissensfertigkeiten sind wichtig! Aber wollen wir im Rollenspiel wirklich eine Gruppe Wissenschaftler spielen welche sich gegenseitig mit ihren Wissensfertigkeiten übertrumpfen sollen? Ich denke nicht!

Also sollten wir uns mal daran machen nicht die "reellen" Gesellschaften zu untersuchen sondern welche Abenteuer wir erleben möchten. Und ja, ich bin der Meinung das unter anderem auch dieses eine Rollenspiel es recht gut hinkriegt für Gerechtigkeit zwischen den Spielern zu sorgen, egal in welchen Setting wir uns bewegen.

Mir wird häufiger das eine oder andere generische System (vor allem das eine - ihr wisst schon, welches) damit angepriesen, es sei eben generisch und außerdem wundervoll gebalancent (im weiteren Verlauf werde ich das deutsche Wort "gerecht" verwenden). Das finde ich jedes Mal wieder überraschend, denn die beiden Aussagen schließen sich per definitionem gegenseitig aus.

Da wir uns hier aber im Theoriebereich bewegen, würde ich gerne mal deine Definitionen von "generisch" und "gerecht" in diesem Zusammenhang kennen lernen.

Denn meiner Meining nach ist jedes System "gerecht". Es bevorzugt keinen aufgrund von persönlichen Abneigungen, jeder hat die gleichen Möglichkeiten es liegt nur an ihm sie zu nutzen!
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: El God am 30.09.2011 | 09:45
Um es (hoffe ich) im Sinne eines hier Gebannten zu sagen: Ein GUTES System lässt zwar Luschen zu, ermöglicht aber jedem Spieler mit seinem Charakterkonzept einen EFFEKTIVEN Charakter zu bauen. Man muss nur wollen. (oder so) Was eine LUSCHE ist und was ein echter KÖNNER, entscheidet sich dann am SETTING der Kampagne. (Und die Ergänzung ist eher wieder die Dolge'sche Lesart: Und gerecht kann der Charakterbau nur vollzogen werden, wenn ALLE Spieler vorher wissen, um was es in der Kampagne gehen soll.)

Zitat
Da wir uns hier aber im Theoriebereich bewegen, würde ich gerne mal deine Definitionen von "generisch" und "gerecht" in diesem Zusammenhang kennen lernen.

Oh bitte nicht  :P
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: sir_paul am 30.09.2011 | 09:49
Ach keine Definitionen, na gut dann blubbern wir mal ein bisschen vor uns hin damit jeder am Ende recht haben kann weil er sowieso was anderes unter "gerecht" und "generisch" versteht. Na dann viel Spass  ;D
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: El God am 30.09.2011 | 09:50
Genau. Eine generische Diskussion, die ist dann wenigstens gerecht.

*SCNR*

Back to topic?
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Pyromancer am 30.09.2011 | 09:52
Ich stimme der Ursprungsthese nicht zu und liefere auch gleich als Gegenbeispiel ein generisches und gerechtes System: Seucor.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: gunware am 30.09.2011 | 09:59
Warum kann ein solches System nicht gerecht sein? Weil wir die Gerechtigkeit eines Regelsystems danach bewerten, welche Möglichkeiten und welche Macht es den SC innerhalb der Spielwelt gewährt. Doch in unterschiedlichen Welten sind unterschiedliche Fähigkeiten in unterschiedlicher Zahl wichtig.
...
Ergo: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Das sehe ich nicht so, weil ich es nicht verstehe. Warum sollte es sich ausschließen? Ich finde es gerade deswegen gerecht, weil ich Charas aus allen Welten zusammen nehmen kann und spielen.
Diese Art der "Ungerechtigkeit" trifft doch jeden Chara egal in welcher Welt, es kommt zu Situationen, in denen ein Chara optimierter als ein anderer ist. Ein Magier in der Hackerszene, ein Adliger in der verbrecherischen Hafenkneipe - überall da, wo der Chara in eine für ihn andere Welt eintaucht, wird er gedisst. Wenn man es bis auf einzelnen Szenen runterbricht, dann stellt man auch fest, dass einige Charas besser als die anderen passen. Aber das würde ich nicht als Ungerechtigkeit bezeichnen.

EDIT: Ihr schreibt mir zu schnell... Es waren nur 2 Einträge, als ich angefangen habe zu schreiben. Ich finde es ungerecht, dass meine generische Befähigung zum Schreiben hier so ungerecht behandelt wird.   :ctlu:
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Ein am 30.09.2011 | 10:03
Zitat
Ein GUTES System lässt zwar Luschen zu, ermöglicht aber jedem Spieler mit seinem Charakterkonzept einen EFFEKTIVEN Charakter zu bauen. Man muss nur wollen. (oder so) Was eine LUSCHE ist und was ein echter KÖNNER, entscheidet sich dann am SETTING der Kampagne.
Nein, ein gutes Rollenspiel verhindert es, dass ein Spieler aus Versehen eine Lusche baut, außer er will es explizit, denn ein Luschen-Charakter schränkt die Möglichkeit der Spielteilnahme enorm ein.

Beim generischen Rpg besteht nun aber das Problem, dass der Autor des Systems vorher nicht wissen kann, was genau der Spielleiter vorhat. Daher kann er nur Hinweise zu der Balance in den einzelnen Subsystemen geben und Standardfälle explizit beschreiben. Erst in Setting-QBs kann dann noch einmal im Detail auf das Zusammenspiel und die Bedeutung von bestimmten Fertigkeiten und Items eingegangen und natürlich Vorschläge und Bauanleitungen für setting-typische Charaktere geliefert werden.

Da kann man Gurps vorwerfen, was man möchte, aber auf diese Punkte wurde schon immer intensiv eingegangen, weswegen die Gurps-QBs ja auch zu Recht seit jeher einen sehr guten Ruf genießen.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Lichtschwerttänzer am 30.09.2011 | 10:04
Ich finde das Konzept, Stärke sei das wichtigste Attribut in einer mittelalterlichen Welt absolut unzutreffend und ergo die darauf fussende These damit völlig unfundiert.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: El God am 30.09.2011 | 10:07
Ein: Dann sind wir gar nicht soweit voneinander entfernt. Denn ich sehe den SL als regulierenden Mann bei solchen Systemen in der Pflicht. Wenn sich ein Spieler eine Lusche baut, kann der SL ihn warnen: Hey, was du da machst, passt nicht zur Kampagne, ändere doch lieber mal dies und jenes. Und wenn der Spieler das dann immer noch nicht macht, hat er sich halt für eine Lusche entschieden und soll sie von mir aus auch spielen. Das ist allerdings dann kein Grund für den SL, diesen Spieler dafür zu bestrafen, dass er sich keinen hocheffektiven Charakter gebaut hat - nur um dem Argument vorzubeugen.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: gunware am 30.09.2011 | 10:21
Ich sehe es in generischen Systemen als ziemlich schwierig, sich eine Lusche zu bauen. (Klar, für ein zwei Abenteuer locker möglich, aber für eine jahrelange Kampagne?) Wie will man es denn schaffen, dass die Lusche dann aufgrund dessen, dass sie eine Lusche ist, nicht Spotlight bekommt, weil sie gerettet, behütet usw. muss oder dass sie in den Bereichen, in denen sie dann gut ist (in irgendetwas gut muss sie sein - und auch wenn es nur in der unzähligen Anzahl der Fertigkeiten sein sollte, die sie minimal beherrscht, denn eine kleine Gruppe kann nicht alles abdecken und es findet sich bestimmt eine Nische), irgendwann mal an die Reihe kommt, wo sie dann (fast) zwangsläufig im Vergleich zu den anderen "glänzen" kann?

Als kurzfristige Angelegenheit eine Lusche zu haben? - Möglich. Als langfristige Möglichkeit? - Keine Chance.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: El God am 30.09.2011 | 10:36
Bei Spielstile, wo es wirklich "Luschen" gibt, bekommt die Lusche kein Spotlight. Sie stirbt. Zeitig.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: gunware am 30.09.2011 | 10:40
Bei Spielstile, wo es wirklich "Luschen" gibt, bekommt die Lusche kein Spotlight. Sie stirbt. Zeitig.
So großes Spotlight zu bekommen kommt bei uns sehr sehr selten vor. Meistens müssen sie sich weiter quälen.  8)

Aber um ernst zu bleiben: deswegen sagte ich: jahrelange Kampagne. Wenn die Lusche zeitig stirbt, dann war sie nicht in jahrelangen Kampagne, dann hatte sie nur kurzen Auftritt. So oder so bleibe ich dabei, eine Lusche für jahrelange Kampagne in generischen Systemen zu bauen ist fast unmöglich.

EDIT: noch den ernsteren Beitrag hinzugefügt.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Ein am 30.09.2011 | 10:42
Leider hat Spotlight je nach Stil ganz andere Quellen. In herausforderungsorientierten Runden haben Luschen einfach keine Möglichkeiten sinnvoll im Spiel zu agieren und damit im Mittelpunkt zu stehen, sondern sie behindern auch noch die anderen SCs.

Balance ist aber eben überhaupt nur in solchen herausforderungsorientierten Runden von Bedeutung. In Runden mit anderen Stilen kann man seine Spotlights jeder Zeit aus anderen Quellen, also nicht aus den Charakterwerte, ziehen.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: OldSam am 30.09.2011 | 10:46
Ich würde zustimmen, dass in mittelalterlichen Welten im Schnitt Attribute wie Stärke und Konstitution bedeutsamer sind als in einer modernen Industriegesellschaft mit hohem Bildungsniveau, wo einfach viel höhere Anforderungen und Möglichkeiten in Bezug auf mentale Leistungen bestehen.

Deine Schlußfolgerung halte ich aber für ziemlich irreführend: Grundsätzliches Balancing-Problem ist sowieso immer die Abhängigkeit von einer konkreten Situation. Wenn ich z.B. einen starken Mittelalter-Barbarenkrieger spiele, die meisten Sessions aber in Form von Stadtabenteuern mit viel gesellschaftlicher Interaktion, Intrigen, Untersuchungen u.ä. stattfinden und bei Kämpfen womöglich noch die Stadtwache auf die eigene Seite gebracht werden kann, ist mein Char ziemlich extrem benachteiligt - bspw. gegenüber einem schwachen Barden, ein Chartypus, der ja im Allgemeinen nicht grad für seine Power berüchtigt ist hier aber sehr viel mitmischen könnte ;)
Solche "Probleme" hat man immer auch bei nicht-generischen Systemen.

Entscheidend ist ja die Frage für welchen Char die Spieler sich selbst vor dem Hintergrund der bestehenden Regeln entscheiden, sie wissen worauf sie sich einlassen und können sich überlegen wie sie aktiv ihre Vorteile zur Geltung bringen könnten. Und bei den guten generischen Systemen hat dann auch alles trotzdem seine Vorteile, auch wenn die Gewichtung notwendigerweise situativen Variationen unterliegt. Bspw. wird man Stärke auch in modernen Abenteuern oft brauchen, etwa Soldaten-Chars, die viel Equipment/Panzerung tragen, Feuerwaffen mit viel Rückstoß einsetzen oder auch mal ohne Waffen bestehen müssen usw.
Überdies sind Attribute wie Stärke oft zum ÜBERLEBEN wichtiger als etwa Intelligenz, was auch in der Moderne noch gilt und dementsprechend auch für RPG-Chars eine höhere Wertigkeit bedeutet als für Otto Normalverbraucher ;)
IMHO geht es v.a. um POTENTIAL, das durch die Punkte ausgedrückt wird! Der Spieler hat die Möglichkeit durch geschickten, kreativen Einsatz seiner Char-Vorteile viel aus seinem Potential herauszuholen - trotzdem passt nicht jedes Blatt in jeder Situation, mal gewinnt man, mal verliert man, alles andere wäre auch langweilig...
Last but not least gibt es natürlich auch sehr viele, die ein Charakterkonzept v.a. plausibel umsetzen möchten und dabei sind Punktwertigkeiten nicht immer bedeutend  - zudem man vielleicht den gleichen Char auch mal per Zeitreise woanders hinschicken will, jedes Mal die Punkte umändern wäre dann alles andere als glücklich... ;)

Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: ChaosAmSpieltisch am 30.09.2011 | 10:50
auch nicht zu vergessen, dass viele Volkssagen darum gehen, Gegner zu besiegen, die man nicht körperlich besiegen kann, sondern austricksen muss (beliebt ist hier ja in Europa der Teufel).

Daher mag für Otto Normalbauer im Mittelalter Ausdauer und Kraft wichtiger gewesen sein, als Intelligenz, seine Helden waren aber Leute die listig und klug waren.

Otto Normallohnsklave braucht keine Stärke mehr, sondern Intelligenz und (meiner Meinung nach wichtiger) Charisma um zu überleben (hier gleich seinen Job zu behalten), seine Helden sind aber Stark und Geschickt.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Horatio am 30.09.2011 | 10:57
Ich komm nicht ganz mit. Wenn in einem Setting ein bestimmter Bereich mehr wert ist, was zwingt mich dann nicht in diesen wichtigen Bereich zu investieren? Wenn Intelligenz weniger wichtig ist als Stärke, warum soll ich dann Stärke kaufen? Wenn bestimmte Konzepte in dem Setting wenig Sinn machen (wie der Krieger in einer Diplomatenkampange), warum bin ich dann gezwungen dieses Konzept zu wählen?

Zusätzlich was ist mit Systemen wie PDQ, FATE und vielen vielen anderen bei denen man Werte selbst definieren kann bzw. ein Charakter weniger über „Realismus“ als über „thematische Bedeutung“ gebaut wird?

Ebenso, warum messen wir zwangsläufig Gerechtigkeit in Form von „Charaktereffizienz“? Was ist mit Spotlight? Ein Großstadbewohner in der Wildnis wird aufgrund seiner „Schwächen“ vermutlich mehr, zumindest aber anderes Spotlight bekommen als der Großwildjäger, während ein Barbar in einer modernen Großstadt ebenso sehr viel Spielzeit abgreifen wird oder zumindest das Potenzial dazu hat; wieder über seine Unfähigkeiten.

Wenn ich ehrlich bin - aber vielleicht hat mich das Internet auch einfach nur verbittert - sehe ich in dem Ausgangspost mit den Andeutungen und dem gewählten Beispiel nur eine Kritik an GURPS die in etwa aussagt: „GURPS wird seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht“. Dazu muss ich sagen das meines Wissens GURPS seit den 90ern stark zurückgerudert hat, was den „für alles ein System“ Anspruch betrifft; auf jeden Fall so etwas als Theoriethread zu "tarnen" ist schon etwas frech ;).
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: sir_paul am 30.09.2011 | 11:02
[...] mit den Andeutungen und dem gewählten Beispiel nur eine Kritik an GURPS die in etwa aussagt: „GURPS wird seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht“.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Samael am 30.09.2011 | 11:23
Ich kann die Argumentation nicht nachvollziehen.

Der Spieler WEISS doch, wenn er sich den Charakter erstellt in welcher Hintergrundswelt gespielt wird. Wie kann es dann ungerecht sein, wenn STÄ in einem Setting weniger wichtig ist?
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Horatio am 30.09.2011 | 11:25
@ Sir Paul
Das macht es nicht weniger frech :P.


Ergo: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Dann fordere ich die Schlussfolgerung des Ausgangsposts doch mal heraus und bitte mir zu zeigen, wo und wie PDQ (gerne auch #, das kenne ich besser^^) als generisches System mit selbst festlegbaren Werten (oder auch RISUS, das ist weniger zu lesen ;)) nicht genrisch ist oder nicht gerecht ist ;).. oder wo SR4 als nicht generisches System das Problem der unterschiedlichen Effizienz von Chrakterkonzepten besser in den Griff bekommt ;).

Schlechtes Design hat nichts mit „Universalität“ zu tun und kann so oder so nur an den Designzielen gemessen werden, was wieder heißt man muss die Ansprüche die das Produkt an sich selbst stellt heranziehen und sehen ob es diese erfüllt (und wenn man soweit zurück gehen will, ob diese überhaupt sinnvoll sind). Fällt unter das Schlagwort „Focused Design“ und dafür ist SW oder D&D4 (3 kenne ich nicht wirklich) jeweils ein Paradebeispiel.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Oberkampf am 30.09.2011 | 11:53
Nun, ich gehöre zu den Leuten, denen "Balance" / "Gerechtigkeit" im Regelwerk wichtig ist. Ich mag es nicht, wenn dem SL auch noch die Aufgabe aufgebürdet wird, die Balance zwischen den Charakteren herzustellen, weil sowas dem Regelwerk egal ist.

Sir_paul hat auf den aus meiner Sicht wichtigsten Punkt bereits hingewiesen: es geht nicht um den Vergleich der durchschnittlichen Normalbevölkerung, sondern um einen Vergleich von Abenteurern. Der ist zugegebenermaßen immer auch abhängig von der konkreten Spielwelt, der konkreten Kampagne und dem am Tisch üblichen Spielstil.

Allerdings gibt es ein paar sehr häufig, ich würde fast sagen in jeder Kampagne, auftretende Aspekte. Konflikte finden statt, die entweder als Kämpfe oder als soziale Interaktion gespielt werden. Wenn es dabei zu Verletzten oder in ihrem Selbstbewusstsein erschütterten Charakteren kommt, brauchen die ärztliche Hilfe. Die Gruppe muss oft Heimlichkeits- und Einbruchsaufgaben bewältigen, und einige generelle Situationen erfordern Sportlichkeit und Beweglichkeit (Klettern, Schwimmen, Balancieren usw.) Vielleicht kommen dazu noch Wettrennen irgendeiner Art (Pferde, Kutsche, Auto, Raumschiff...). Dies kann bis hin zum Fahrzeug- oder Massenkampf gehen. Diese Sachen kommen so häufig vor, dass ein generisches Regelwerk hier für Ausgleich unter Klassen und Fertigkeiten sorgen muss - und kann.

Daneben gibt es einige Settingspezifische Angelegenheiten - Wildnisfähigkeiten sind in der Fantasy oder in Far Outer Space Pulp-Sachen wahrscheinlich nützlicher als in 1930er- oder Cyberpunk-Settings. Recherche ist dagegen in 30er-Jahre Detektiv- oder Horrorsettings besser, während Wissen(Computer) beim Cyberpunk seinen Nutzen hat. Und das ist tatsächlich so eine Sache, wo das generische System ins Schleudern kommen kann. Allerdings sind das nur verhältnismäßig kleine Gebiete, die mit settingspezifischen Zusatzregeln ausgewogen werden können.

Nach meinem Eindruck ist ein Regelwerk dann gebalanced, wenn es den Charakteren der Spieler ermöglicht, in allen wichtigen Gebieten der Kampagne einen wichtigen Beitrag zum Gruppenerfolg zu leisten.
Das kann über Nischenspezialisierungen laufen, was aber dann Nachteil hat, dass mehrere auf die gleiche Nische spezialisierte Charaktere in einer Gruppe sich die Butter vom Brot nehmen und hier (z.B. im Falle eines Klassensystem) systeminterne Ungerechtigkeit sich gravierend auf die Stimmung ausübt.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass unterschiedliche Charaktere auf unterschiedliche Weise im Teamwork gleichermaßen zum Gruppenerfolg beitragen. Beispielsweise können in D&D(4) alle Charaktere im Kampf etwas wichtiges leisten - selbst wenn sie außerhalb des Kampfes unterschiedliche Nischen besetzen. Auch in diesem Fall muss auf eine faire Verteilung der Chancen geachtet werden, ansonsten provoziert man am Tisch nur Stress.  
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: OldSam am 30.09.2011 | 12:39
... (vor allem das eine - ihr wisst schon, welches) damit angepriesen, es sei eben generisch und außerdem wundervoll gebalancent ...

...denke auch, dass damit v.a. SW gemeint ist, neben seiner allgemeinen These das ein generisches System nicht in der Lage sei gleichzeitig generisch und balanced zu sein.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: ChaosAmSpieltisch am 30.09.2011 | 12:49
wobei ich die Übersetzung balancing mit gerecht schon sehr gewagt, um nicht zu sagen tendenziös finde
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: 1of3 am 30.09.2011 | 18:15
Also SEUCOR kann das....

The Pool sicherlich auch.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Ghostrider am 30.09.2011 | 18:29
Wer hat je behauptet, dass SW gebalanced sei?
 wtf?
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Funktionalist am 30.09.2011 | 20:43
Tu doch mal butter bei die fische, lichtbringer.

Wie schaut es mit spielen aus, die über thematische nähe zum geschehen balancieren? Zu nennen wären da pdq, fate, aber auch western city, universalis...um einmal nach verborgenen annahmen zu fischen.

Obiger versuch "gerecht" über die möglichkeit in jedem genrerelrvanten bereich vom system ungerstützt spotlights erspielen zu können, finde ich interessant. Denn dies ist recht unabhängig vom gruppenstil.

Lg alex
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Lichtbringer am 30.09.2011 | 22:21
Aufgrund von Zeit- und Schlafmangel werde ich nur eine kurze Antwort schreiben:

Also, die Definition von Balancing/Gerechtigkeit, auf die ich mich bezog, hatte ich bereits im ersten Beitrag geschrieben:
Warum kann ein solches System nicht gerecht sein? Weil wir die Gerechtigkeit eines Regelsystems danach bewerten, welche Möglichkeiten und welche Macht es den SC innerhalb der Spielwelt gewährt.

Das ist bestimmt nicht die einzige Form von Gerechtigkeit, sie ist vor allem bei gamistischen Runden im Fokus. Um diese ging es mir an dieser Stelle. Denn gerade die gamistische Agenda fördert (oder gar fordert) ja, dass die Gruppe aus sehr unterschiedlichen SC bestehen, die sich gegenseitig ergänzen. Wenn da der Heiler nur heilen kann und sonst wenig bewirkt, ist dies im gamistischen Sinne ungerecht.

Wer nicht gamistisch spielt, dem ist das egal. Beispiel:
Was FATE, PDQ usw. angeht, so sind diese nicht in jenem Sinne gerecht. In einer Welt, in der Etikette alles ist, wird man Fertigkeitspunkte in "Gewalt" weniger gut nutzen können als solche in "Etikette". Das Gefühl der Gerechtigkeit liegt in einem ganz anderen Bereich: Wie sehr ich durch Erzählmechanismen meine Vorstellungen zum Ausdruck bringen kann.
Wir haben es hier also mit einem schlichten Homonymfehler zu tun. Es heißt beides Gerechtigkeit/Balance/wie auch immer, aber eigentlich geht es um ganz unterschiedliche Dinge.
Ich habe mit solchen Formen von Gerechtigkeit (in diesem Falle mit Arkanakarten) schon Abenteuer geleitet, in denen ein SC als Schatten fast nichts tun konnte außer reden und der andere große magische Kräfte hatte. Das ist aber wohl kaum eine Runde, in der alle SC gleich mächtig und damit spielwerttechnisch ausbalanciert sind. Funktioniert hat sie aber dennoch, weil eine ganz andere Form von Gerechtigkeit im Fokus lag.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Sphärenwanderer am 30.09.2011 | 22:27
Aufgrund von Zeit- und Schlafmangel werde ich nur eine kurze Antwort schreiben:

Also, die Definition von Balancing/Gerechtigkeit, auf die ich mich bezog, hatte ich bereits im ersten Beitrag geschrieben:
Das ist bestimmt nicht die einzige Form von Gerechtigkeit, sie ist vor allem bei gamistischen Runden im Fokus. Um diese ging es mir an dieser Stelle. Denn gerade die gamistische Agenda fördert (oder gar fordert) ja, dass die Gruppe aus sehr unterschiedlichen SC bestehen, die sich gegenseitig ergänzen. Wenn da der Heiler nur heilen kann und sonst wenig bewirkt, ist dies im gamistischen Sinne ungerecht.

Wer nicht gamistisch spielt, dem ist das egal. Beispiel:
Was FATE, PDQ usw. angeht, so sind diese nicht in jenem Sinne gerecht. In einer Welt, in der Etikette alles ist, wird man Fertigkeitspunkte in "Gewalt" weniger gut nutzen können als solche in "Etikette". Das Gefühl der Gerechtigkeit liegt in einem ganz anderen Bereich: Wie sehr ich durch Erzählmechanismen meine Vorstellungen zum Ausdruck bringen kann.
Wir haben es hier also mit einem schlichten Homonymfehler zu tun. Es heißt beides Gerechtigkeit/Balance/wie auch immer, aber eigentlich geht es um ganz unterschiedliche Dinge.
Ich habe mit solchen Formen von Gerechtigkeit (in diesem Falle mit Arkanakarten) schon Abenteuer geleitet, in denen ein SC als Schatten fast nichts tun konnte außer reden und der andere große magische Kräfte hatte. Das ist aber wohl kaum eine Runde, in der alle SC gleich mächtig und damit spielwerttechnisch ausbalanciert sind. Funktioniert hat sie aber dennoch, weil eine ganz andere Form von Gerechtigkeit im Fokus lag.
Insofern ist deine Aussage über generische Systeme aber eine Nullaussage, da Gerechtigkeit in deinem Sinne niemals von einem System, sondern nur von der aktuellen Spielsituation einer Gruppe abhängt. Jede Situation ist verschieden, verschiedene Fähigkeiten werden immer verschieden in Abenteuern gewichtet sein. Also: Kein System kann das. Wieso also das Herumreiten auf dem generischen?
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Ein am 30.09.2011 | 22:55
Zitat
Denn gerade die gamistische Agenda fördert (oder gar fordert) ja, dass die Gruppe aus sehr unterschiedlichen SC bestehen, die sich gegenseitig ergänzen.
Unsinn. Gamismus ist erst einmal nur ein Spielstil und hat überhaupt nichts mit irgendwelchen Forderungen bezüglich einer bestimmten Zusammensetzung der Party zu tun.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Lichtbringer am 1.10.2011 | 09:54
Insofern ist deine Aussage über generische Systeme aber eine Nullaussage, da Gerechtigkeit in deinem Sinne niemals von einem System, sondern nur von der aktuellen Spielsituation einer Gruppe abhängt. Jede Situation ist verschieden, verschiedene Fähigkeiten werden immer verschieden in Abenteuern gewichtet sein. Also: Kein System kann das. Wieso also das Herumreiten auf dem generischen?

Vollkommener Unfug!
Natürlich hat die Situation viel damit zu tun, was gerecht wäre. Aber das bedeutet nicht, dass das System keinen Einfluss darauf hat. Reduction ad absurdum: Volk1 gibt auf alle Werte +2, Volk2 auf alle Werte +1235810. Welche Situation kann hier das ungerechte Verhältnis umkehren?
Es kommt ohne Frage auf die Situation an, ob sich die Einflüsse des Systems manifestieren. Das bedeutet jedoch in keinster Weise, dass diese Einflüsse nicht existieren. Es kommt auf die einzelne Person an, ob sie vom Rauchen Lungenkrebs bekommt. Sind Zigaretten damit gar nicht gesundheitsschädlich?!

Unsinn. Gamismus ist erst einmal nur ein Spielstil und hat überhaupt nichts mit irgendwelchen Forderungen bezüglich einer bestimmten Zusammensetzung der Party zu tun.

Daher schrieb ich ja zunächst auch nur "fördert". Kapitalismus ist erst einmal ein Wirtschaftssystem und hat überhaupt nichts mit irgendwelchen Forderungen zu tun, man müsse Geld verdienen. Dennoch sorgen auf mirakulöse Weise die menschliche Natur und die Eigenschaften des Systems dafür, dass ich gleich losradeln werden, um meine Kontoauszüge zu holen und zu schauen, wie sich mein Kontostand entwickelt hat. Das System zwingt mich nicht dazu, es nennt mir bloß die Konsequenzen meiner Handlungen.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: killedcat am 1.10.2011 | 10:27
Rollenspiel und Gerechtigkeit schließen sich gegenseitig aus. Hunderprozentige Gerechtigkeit kann es nicht geben. In einem Spiel mit mehreren Beteiligten wird es immer Ungerechtigkeiten geben. Spotlight wird nie hunderprozentig verteilt und der Spaß an der Rahmenhandlung nicht bei jedem Teilnehmer in gleichem Maße vorhanden sein.

Nun geht es hier um die Gerechtigkeit in Sachen SC-Power. Okay. Gehen wir also davon aus, dass wir auch hier nur eine eingeschränkte Gerechtigkeit erreichen können, so stellt sich also die Frage, warum ausgerechnet bei generischen Systemen die Ungerechtigkeit besonders groß sein soll. Lichtbringers Argumentation geht dahin, dass bei generischen Systemen auch Optionen angeboten werden (müssen), die in einem spezifischen Setting eben keinen oder nur einen eingeschränkten Mehrwert bringen.

Das sehe ich anders.

Erstens gehst du davon aus, dass das System hierfür keine Kompensation vorsieht, was nicht zwangsläufig der Fall sein muss. Es gibt Systeme, die für unterschiedliche Settings z.B. unterschiedliche Wertigkeiten von Attributen und Fertigkeiten erzwingen. Eines habe ich mal gespielt, ich weiß nur leider nicht mehr, welches das war.

Zweitens besteht das gleiche Problem grundsätzlich auch bei nicht generischen Systemen, da auch die Rahmenhandlung eine Rolle spielt. Wenn ich in D&D einen Kleriker spiele, aber bereits in der ersten Runde alle Götter sterben, habe ich ein Problem, um ein krasses Beispiel zu nennen. Genre schützt vor Handlung nicht.

Drittens haben Gruppe und Spielleiter grundsätzlich die Möglichkeit, die richtigen Werte zu pushen. Ein in einem generischen Spiel nach Handlung optimierter Charakter mag mehr reißen, als ein Seefahrer in einem Wüstenabenteuer in Aventurien.

[edit]
Ich möchte noch hinzufügen, dass es gänzlich ungenerische Systeme gibt, die explizit ein solches Gefälle wünschen. Angel/Buffy möge hier als Beispiel herhalten, wo eine oder zwei Hauptfiguren von vielen "Whitehats" umgeben sind, die regeltechnisch - trotz Dramapunkteüberschuss - total abstinken. Hier muss über die Handlung ein Ausgleich geschaffen werden und dieser Spielstil ist sogar gewünscht.
[/edit]

Zusammenfassend:
Hunderprozentige Gerechtigkeit gibt es nicht. Nicht im Leben und nicht im Spiel. Ob ein Spiel halbwegs gerechte SC-Niveaus anbietet ist imho keine Frage des Genres (oder des Mangels eines selbigen), sondern der Regeln. Ob generisch oder nicht, Regeln können erhebliche Machtgefälle provozieren. Unabhängig davon, ob sie nun für ein generisches Spiel ausgelegt sind, oder für einen bestimmten Hintergrund.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Ein am 1.10.2011 | 10:50
@Lichtbringer
Was genau hat jetzt Balance* im Rollenspiel mit Lungenkrebs und Kapitalismus zu tun? Aber ich nehme das einfach einmal als Indiz, dass du schlicht keine Argumente für deine These hast und wir uns somit die Diskussion sparen können.

* im Übrigen heißt der Begriff bewusst Balance und nicht Gerechtigkeit, Erläuterung siehe killedcat
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Lichtbringer am 1.10.2011 | 11:22
@killedcat: Ich habe nie behauptet, es sei möglich. Mir wird es nur ständig als wünschenswerter Pluspunkt verkauft und zwar im Bezug auf generische Systeme, bei denen die Unmöglichkeit schon prinzipieller Natur im idealen System und nicht erst im realen System auftaucht.
Des Weiteren habe ich nie behauptet, ein Rollenspielsystem müsse diese Eigenschaft haben. Ich habe nur für die Argumentationsführung diese Annahme akzeptiert, die ja viele Rollenspieler diese durchaus vertreten.

@Ein:
Ist es nicht schön? Da verwende ich einfache Beispiele, um Leute, die wenig von Epistemologie verstehen, nicht aus der Diskussion auszuschließen, und du bist davon überfordert, die abstrakte Aussage dahinter zu erkennen. Aber gut, hier in korrekt:
Das Problem war, dass Sphärenwanderer versucht hat ceteris paribus zu argumentieren, obwohl diese Annahme unbewiesen war und der Nullhypothese widersprach (Diese geht bei komplexen Systemen aus, dass alle Faktoren einen gewissen Einfluss haben.). Daher war seine Aussage ein non sequitur. Die reine Tatsache, dass die Situation das Problem mitbestimmt, erlaubt nicht dies Aussage, sie sei der einzige Faktor und das Rollenspielsystem damit unwichtig. Ceteris paribus ist hier keine sinnvolle Vorgehensweise, da das untersuchte System kein derartiges Verhalten erwarten lässt.
Mit ganz einfachen und englischen Worten (falls Latein überfordert): System does matter. Das System hat eben sehrwohl einen Einfluss, auch wenn es das Spielgeschehen mitnichten determiniert.

Dasselbe gilt für gamistische Runden. Aufgrund der Art und Weise, wie dabei neue Impulse in den gemeinsamen Vorstellungsraum gebracht werden, werden Spieler belohnt, die ihre regeltechnischen Möglichkeiten optimieren. Wer beispielsweise in allen Werten schlechter ist als der Rest der Gruppe, wird wenig mitgestalten können. Das mag nicht alle Leute stören, aber im Schnitt wird dies doch als Manko empfunden werden.
Ergo: Auch hier kann nicht ceteris paribus abstrahiert werden, denn dafür wäre die Annahme nötig, dass es keinerlei Korrelation zwischen kreativer Agenda der Gruppe und der Psychologie ihrer Teilnehmer gibt. Dies ist nicht nur eine extrem gewagte Behauptung, sie entspricht auch in keiner Form zumindest meiner Erfahrung.

Was die Übersetzung von Balance mit Gerechtigkeit angeht, habe ich sie vor allem wegen der Alliteration gewählt.

Waren die Argumente für deinen Geschmack gut genug? Du darfst sie gerne widerlegen. Menschen (und damit auch ich) sind sehr schlechte Beobachter. Ich mag grobe Fehler in meinen Annahmen haben, doch diese werden wir nur finden können, wenn wir neue Ideen in Umlauf bringen und analysieren. Die Diskussion in den Wind schlagen zu wollen, weil du meine Beispiel nicht begreifst (denn genau das hast du geschrieben), ist keine aufgeklärte Herangehensweise.

PS: Bitte bedenke, dass die Richtigkeit von Aussagen in keinem Zusammenhang mit ihrer Wertung stehen.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: 1of3 am 1.10.2011 | 11:41
Zitat
Warum kann ein solches System nicht gerecht sein? Weil wir die Gerechtigkeit eines Regelsystems danach bewerten, welche Möglichkeiten und welche Macht es den SC innerhalb der Spielwelt gewährt.

Also nein. Wenn überhaupt geht es, um die Einflusssmöglichkeiten des Teilnehmers am Tisch. Die können mit einem bestimmten Charakter in der Spielwelt verbunden werden, sind dies aber a priori nicht.

Es gibt auch im allgemeinen keine SCs und keine Party. Capes ist ziemlich gamistisch, hat aber RAW nicht mal Charakterbesitz.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: OldSam am 1.10.2011 | 12:07
Rollenspiel und Gerechtigkeit schließen sich gegenseitig aus. Hunderprozentige Gerechtigkeit kann es nicht geben. In einem Spiel mit mehreren Beteiligten wird es immer Ungerechtigkeiten geben. [...]

Ausgehend von entsprechenden Gerechtigkeitstheorien muss ich da leider widersprechen, mit dieser Annahme hätten die Theoretiker schon vor Jahrzehnten aufgeben können... ;)
Entscheidend ist ja die Frage wie man Gerechtigkeit definiert und allein dazu gibt es schon bändeweise philosophische Literatur und hier liegt ja nur eine extrem vereinfachte Beschreibung vor.
Das Problem mit unzureichender Gerechtigkeit besteht meist schlicht in der Praxis durch bestimmte Implementationsmängel, bzw. Aspekte, die nicht oder kaum realisierbar sind oder durch bestimmte Bedingungen (z.B. in Bezug auf die Subjekte), die nicht erfüllt werden. Das heisst aber eben nicht, dass die theoretische Gerechtigkeit nicht erreicht werden kann, sondern nur das dies äußerst schwierig ist und nicht mit jedem Verfahren in jeder Lage machbar.

In der Praxis ist Gerechtigkeit aber v.a. eine Frage der Wahrnehmung bzw. sogar des "Gefühls" - liegt bei allen Beteiligten eine gefühlte Gerechtigkeit vor, so ist das Ziel aus meiner Sicht bereits erreicht und das gelingt schließlich auch in vielen Runden. Auch wenn es da mit Sicherheit bei genauerer Untersuchung noch 'theoretische' Diskrepanzen gibt, hat das ja primär nur akademischen Wert, z.B. wenn man das Ganze empirisch aufschlüsseln und auf diverse Teil-Faktoren untersuchen möchte ... ;)

Darum sollte man IMHO auch vermeiden von "100%" Gerechtigkeit zu reden, das ist wiederum eine spezielle Quantifizierung, die meist gar nicht geleistet werden kann, bspw. wann wäre denn "87%" Gerechtigkeit erreicht...? Primär sollte man eine binäre Entscheidung anstreben, gerecht oder nicht gerecht. Im Rollenspiel heisst das für jeden Spieler er/sie ist entweder zufrieden oder unzufrieden mit der durch das Regelwerk angestrebten Gerechtigkeit bzw. dem Balancing. Da nach "100%iger" Zufriedenheit zu suchen ist schon wieder eine kaum auflösbare Komplikation der Sache - wenn der Spieler noch ein Problem hat ist er schlicht und einfach "nicht" zufrieden. Um zur Zufriedenheit zu gelangen kann er dann entweder versuchen zu helfen das System weiter zu verbessern bzw. zu ersetzen, die Sache einfach ganz sein lassen oder aber die Unzufriedenheit dadurch lösen, dass er das Problem bei sich selbst löst (in der Wahrnehmung). Die Problematik weg zu definieren wäre die Mathematiker-Lösung, die natürlich formal richtig ist, aber leider zu nichts nütze... =)

Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Funktionalist am 1.10.2011 | 12:28
@Lichtbringer

Wie 1of3 irritiert mich die verknüpfung von Generischem System und der Forderung, dass die SCs, also die gespielten Figuren, gleiche Machtlevel/Einflussmöglichkeiten/Bedeutung haben sollen.

ABer darauf kann man sich erstmal einlassen, indem man einfach mal diese Untergruppe betrachtet. Herausforderungsorientiertes Spiel mit einem System, das den ANspruch erhebt, fast alle Welten (mit entsprechender Färbung) darstellen zu können.

Das Argument, dass Zusatzbände die Problematik des bei StarTrek beinahe obsoleten Fechtenwertes dadurch lösen, dass sie diesen Wert verschenken oder gar nicht anbieten oder mit anderen Werten zusammenfassen.... halte ich für eine halbe Mogelpackung.
GURPS hat so viele Module und REgelbausteine, dass es an sich schon ein System zum REgelwerkbau ist. SBA und LoA ebenfalls. Dort ist kein generisches System beschrieben, sondern ein Modulkasten zum erstellen eines Systems, das die gewünschten ANforderungen erfüllt.

Nehmen wir mal an, dass alle diese Bücher "das System" darstellen und die AUswahl der Regeln auch zum Spiel selbst gehört.

Bleibt der Einwand, dass es unfähige Charaktere gibt.

Wenn ich Dich richtig verstanden habe, Lichtbringer, dann schreibst Du, dass es prinzipiell nicht möglich ist, jedes wählbare SC-Konzept in allen Settings gleich stark/einflussreich zu machen.

Ich unterestelle einmal, dass dies in spezialisierten Spielen gelingen kann.
Wenn das stimmt, dann ist es nur eine Frage des Umfangs des Regelwerkes, dass es gerecht wird.

Forderst Du, dass die Regeln für alle Settings gleich sein sollen? Also, der Vorteil des Besitzes eines Blasters drei Punkte kostet und immer fünf Schaden macht und sich mein Raubritter den auch für drei Punkte kaufen kann? Oder sind Settingeinschränkungen der Regeln erlaubt?
Dann könnten auch verschiedene Kosten für das Attribut Stärke oder andere Würfelmechanismen für verschiedene FOrmen der Magie oder für High Fantasy und FIlm Noir erlaubt sein.

Dann könnte ich ein generisches System dadurch zusammenschrauben, dass ich alle möglichen Rollenspiele zusammen zwischen zwei Buchdeckel pappe und im Inhaltsverzeichnis angebe, welches Setting mit welchem "gerechten" System bespielt werden darf. Dieses System würde ich einmal ganz stumpf "Atlas" nennen, weil es jedes Setting stemmen könnte... ~;D

Ich versuche hier einer absoluten Aussage ein denkbares Gegenbeispiel entgegenzusetzen.
(Das ist ein recht mathematisches Vorgehen.... das sich hier bei der Mannigfaltigkeit der verschiedenen Settings geradezu anbietet. ;D )
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: YY am 1.10.2011 | 12:55
Doch in unterschiedlichen Welten sind unterschiedliche Fähigkeiten in unterschiedlicher Zahl wichtig.

Das spielt nur dann eine Rolle, wenn SCs aus unterschiedlichen Welten/Settings kommen oder im Spielverlauf das Setting gewechselt wird.

Freilich werden für solche Sachen gerne generische Systeme genommen, aber der Normalfall (oder - meinem Eindruck nach - auch nur sonderlich weit verbreitet) sind sie nicht.



Für mich liest sich das auch so, als sollten SCs in möglichst vielen Situationen gleichwertig sein - dann landet man bei Geschichten wie z.B. Risus mit einem freigiebigen SL.
Es geht also durchaus - aber ob das jeder mag, ist eine andere Sache.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Horatio am 1.10.2011 | 23:38
Naja was Ein am Rande berührt ist die alte, mir in erster Linie aus der Old School Bewegung (womit es auch gamnistischer kaum noch geht ;)) bekannte und sicherlich richtige Argumentation, dass:

a) Die Charaktere gar nicht gleich effizient sein müssen. Mann spielt miteinander, nicht gegeneinander; das effizientere Charakterkonzept (oder gar nur der besser ausgewürfelte Chara) meines Mitspielers schützt auch meinen Charakter (in einem Spiel in dem es gerade auf niedrigen Stufen erstmal nur um das reine Überleben meiner Spielfigur geht, kommt dieses denken unglaublich schnell automatisch auf).
b) Die Optionen eines Konzeptes (bei Classic D&D zum größten Teil durch die Klasse bestimmt) zwar möglicherweise durch ein anderes bis zu einem gewissen Grad „kompensiert“ aber nicht ersetzt werden können. Heißt letztendlich nichts anders, als wenn ich einen Dieb brauche, brauche ich einen Dieb, unabhängig davon, dass der Magier in seinem Bereich mehr Power und Optionen für die selben „Ressourcen“ bringt. Auch hier wieder geht es um Spotlight / Spielzeit / Beitrag zum Spiel, in diesem (klassischen) Fall über die Stärken des Charakters.

Vereinfacht gesagt und als rollenspielerische Binsenweisheit formuliert: Jeder Charakter muss seine Nische(n) haben.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Skele-Surtur am 2.10.2011 | 00:39
Nur eine Kleinigkeit, die ich mal eben loswerden wollte:
Mir wird häufiger das eine oder andere generische System (vor allem das eine - ihr wisst schon, welches) damit angepriesen, es sei eben generisch und außerdem wundervoll gebalancent (im weiteren Verlauf werde ich das deutsche Wort "gerecht" verwenden). Das finde ich jedes Mal wieder überraschend, denn die beiden Aussagen schließen sich per definitionem gegenseitig aus.

Lassen wir die recht schwammige Bedeutung von "universell" und "generisch" beiseite und sehen uns eine Art MinimalKonsens an: Ein System, mit dem ich sowohl mittelalterliche Fantasy als auch im einundzwanzigsten Jahrhundert spielen kann. (Zumindest wurde mir bisher kein selbsterklärt generisches System präsentiert, das dies nicht von sich in Anspruch nimmt.)

Warum kann ein solches System nicht gerecht sein? Weil wir die Gerechtigkeit eines Regelsystems danach bewerten, welche Möglichkeiten und welche Macht es den SC innerhalb der Spielwelt gewährt. Doch in unterschiedlichen Welten sind unterschiedliche Fähigkeiten in unterschiedlicher Zahl wichtig.
Ein einfaches Beispiel: Was ist das wichtigste Attribut in einer mittelalterlichen Welt? Da das Gros der Leute körperliche Arbeit leistet, wird es ein körperliches Attribut sein (Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution o. Ä.). Wenn ich das System in dieser Welt gerecht haben will, muss ich die Mechanismen so ausrichten, dass die Gewichtung der Attribute eine Gerechtigkeit erzeugt. (Stärke mag wichtig sein, aber dafür richten wir die Fertigkeiten so ein, dass hier Intelligenz viel bringt. So macht es beispielsweise D&D 3, da dort die Zahl der Fertigkeitspunkte von der Intelligenz abhängt.)
Jetzt gehen wir in eine andere Welt: Unsere eigene. Was ist das wichtigste Attribut in unserer Zeit? Ohne Frage Intelligenz, wir leben in einer Wissensgesellschaft. Hier müssten die Regelmechanismen völlig anders für Gerechtigkeit sorgen. (Wenn ich auch noch mehr Fertigkeitspunkte für die ohnehin so nützliche Intelligenz bekomme, wird die Ungleichheit noch verstärkt.)
Dieses Spiel kann man beliebig weiterspielen: Wenn ich das System so einrichte, dass man das wichtigste Attribut je nach Welt auswählen kann und sich die Regeln ändern, dann brauche ich nur eine Welt zu finden, in der zwei Attribute sehr wichtig sind. Ad infinitum. (Hinzu kommt: Wenn ich die Regeln alle abwandle, um diesen Effekt zu kompensieren, habe ich dann nicht ein neues System erschaffen?)

Ergo: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Ich widerspreche auf so ziemlich jeder denkbaren Ebene. Deine Definition von Gerechtigkeit halte ich nicht nur für unzweckmäßig, ich kann sie nicht im geringsten nachvollziehen. Gerechtigkeit benötigt einen Vergleichsmaßstab und der bezieht sich beim Balancing auf die Mitspieler, bzw. auf vorhandene Optionen. Die relative Macht innerhalb der Spielwelt ist dafür völlig irrelevant.

Weder ist Intelligenz in einem Modernen setting per se das wichtigste Attribut, noch ist es Stärke in einem mittelalterlichen Setting. Ein gut konstruiertes System hat kein "wichtigstes" Attribut. Das wichtigste Attribut leitet sich aus dem Kompetenzbereich des Charakters ab.

Kurz: Ich stimme nicht zu.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Lichtbringer am 3.10.2011 | 11:48
Ein gut konstruiertes System hat kein "wichtigstes" Attribut. Das wichtigste Attribut leitet sich aus dem Kompetenzbereich des Charakters ab.

Darum geht es ja gerade. Damit ich ein System so gestalten kann, dass es genau dies leistet, muss ich wissen, wie die Fähigkeiten (du schreibst "Kompetenzbereiche") in der Spielwelt zustande kommen. Wenn ich also deutlich unterschiedliche Welten mit dem gleichen System bespiele, dann werde ich dies nicht hinbekommen.
Wenn diese Überlegung so unsinnig ist, warum wurde dann in D&D 3.5 der Ranger so aufgewertet? Der hatte doch so oder so im Kompetenzbereich des Rangers per definitionem die Nase vorn. Weil er gegenüber anderen Klassen als benachteiligt empfunden wurde. Auch wenn die SC zusammenarbeiten, bedeutet das nicht, dass es nicht als ungerecht empfunden würde, wenn jemand doppelt so viel für das Wohl der Gruppe tun kann wie jemand anderes. (Und damit natürlich auch mehr Aufmerksamkeit und Gestaltungsspielraum bekommt.)
Das Problem ist nur, dass diese angestrebte (wenn auch wegen Multikausalität nicht erreichbare) Ausgewichten der Klassen von der Spielwelt abhängt. Mit Absicht triviales Beispiel: Eine Welt in der es keine Fernkampfwaffen gibt und nur eine zwei Spezies, so dass die "favored enemies" keinen Sinn ergeben, und schon ist der Ranger wieder doof.


Aber ihr habt Recht, für ein hinreichend simples Spiel, das beispielsweise wie TWERPS bloß einen einzigen Wert aufweist, besteht die Problematik der gamistischen Gerechtigkeit nicht. Für generisches Systeme, die jedoch eine auch nur marginal höhrere Komplexität aufweisen, wird es wieder entstehen. Das liegt daran, dass gamistische Systeme versuchen, die Spielrealität in einfachen Zügen abzubilden. Es gibt eben den Wert "Stärke" und nicht die Erzählgewichtung wie bei "The Pool".

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Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: YY am 3.10.2011 | 12:14
für ein hinreichend simples Spiel, das beispielsweise wie TWERPS bloß einen einzigen Wert aufweist, besteht die Problematik der gamistischen Gerechtigkeit nicht. Für generisches Systeme, die jedoch eine auch nur marginal höhrere Komplexität aufweisen, wird es wieder entstehen.

Gerade D20 / D&D 3(.5) krankt da mMn an zwei Faktoren:

Zum Einen ist das System insgesamt so aufgebaut, dass das Problem unterschiedlich gewichteter Attribute nach Klasse deutlich spürbarer ist als in anderen Systemen.

Zum Anderen ist es so (an vielen Stellen unnötig) komplex, dass ungewollte Neben- und Wechselwirkungen entstehen, die das Ganze weiter erschweren. 
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Taschenschieber am 3.10.2011 | 12:17
Außerdem: Ist D20 nicht schon in der "ungenerischen" Variante DnD3.5 massiv imbalanced? Und ist das dann das richtige Beispiel, um zu zeigen, dass Balancing bei generischen Systemen nicht möglich ist?
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Roland am 3.10.2011 | 12:20
Ich halte D&D4, viele FATE-Varianten, Risus und einige andere Systeme mehr für sowohl (mindestens nach Deiner Definition) generisch als auch gerecht. Deine These kann also nicht korrekt sein.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Dark_Tigger am 3.10.2011 | 13:29
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Ich verstehe die ganze Argumentation nicht.
"Im Mittelalter Setting brauch ich Stärke."
"Im Modernen Setting brauch ich Inteligenz."
Lassen wir die Aussagen mal stehen.
Da kann ich trotzdem nur drauf Antworten: So what?
Ich seh nicht wo durch diesen Fakt das System ungerecht wird.
Weil ein Spieler jetzt zum selben Preis das "falsche" Attribut kauft und dadurch einen Nachteil hat?
Weil ein Spieler die "falsche" Klasse gewählt hat und sich dadurch schlecht einbringen kann??
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: ErikErikson am 3.10.2011 | 15:10
Alle generischen Systeme, die ich kenne, namentlich GURPS 3 und BESM 3, haben Anpassungen der Kosten von Skill und Vor/Nachteilen je nach Genre.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Skele-Surtur am 3.10.2011 | 15:37
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Dieses Eine empfinde ich nicht als generisches System und du hast mit Sicherheit Recht, dass es alles andere als gebalanced ist.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Hanfmann am 3.10.2011 | 16:23
Warum kann ein solches System nicht gerecht sein? Weil wir die Gerechtigkeit eines Regelsystems danach bewerten, welche Möglichkeiten und welche Macht es den SC innerhalb der Spielwelt gewährt. Doch in unterschiedlichen Welten sind unterschiedliche Fähigkeiten in unterschiedlicher Zahl wichtig.
Ein einfaches Beispiel: Was ist das wichtigste Attribut in einer mittelalterlichen Welt? Da das Gros der Leute körperliche Arbeit leistet, wird es ein körperliches Attribut sein (Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution o. Ä.). Wenn ich das System in dieser Welt gerecht haben will, muss ich die Mechanismen so ausrichten, dass die Gewichtung der Attribute eine Gerechtigkeit erzeugt. (Stärke mag wichtig sein, aber dafür richten wir die Fertigkeiten so ein, dass hier Intelligenz viel bringt. So macht es beispielsweise D&D 3, da dort die Zahl der Fertigkeitspunkte von der Intelligenz abhängt.)
Jetzt gehen wir in eine andere Welt: Unsere eigene. Was ist das wichtigste Attribut in unserer Zeit? Ohne Frage Intelligenz, wir leben in einer Wissensgesellschaft. Hier müssten die Regelmechanismen völlig anders für Gerechtigkeit sorgen. (Wenn ich auch noch mehr Fertigkeitspunkte für die ohnehin so nützliche Intelligenz bekomme, wird die Ungleichheit noch verstärkt.)
Deine Ausführungen sind aber nicht zu Ende gedacht. Nur weil Intelligenz in der Moderne wichtiger ist, heißt das nicht, dass alle Charaktere automatisch hochintelligent sein müssen. Die meiste Technik heutzutage kann auch vom Durchschnitt bedient werden.
Außerdem ändert sich die Auswahl deiner Attribute innerhalb einer Klasse nicht wirklich:
Spiele ich im Mittelalter einen Kämpfer brauche ich deine Auswahl. In der Moderne brauche ich dann für Feuerwaffen primär Geschicklichkeit um Ziele zu treffen. Dann natürlich Konstitution um auch Treffer wegstecken zu können und, wenn ich auch entsprechend große Waffen wie Maschinengewehre benutzen möchte auch Stärke um diese Waffen zu tragen.
Das einzige, was sich im Fokus von Mittelalter zu Moderne verschiebt ist der von Nah- auf Fernkampf. Die Attribute bleiben, je nachdem was für einen Charakter ich spiele, aber trotzdem gleich wichtig. Und Fernkämpfer gibt es auch im Mittelalter, nur nicht mit so hochentwickelten Waffen.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Oberkampf am 4.10.2011 | 20:41
Also bei längerem Nachdenken entsteht bei mir tatsächlich der Eindruck, dass Gerechtigkeit (Ausgewogenheit) in generischen Systemen unsinnig ist. Besonders, wenn sie ausdrücklich viele Genres mit unterschiedlichen Merkmalen konkret abdecken wollen. Eine MP in einem grim&gritty dark future Setting ist nunmal besser (effektiver) als eine Schwarzpulverpistole mit Vorderlader aus einem Piratenpulpsetting. Also wird der aufgecyberte Gunslinger immer mit mehr Wumms (und wahrscheinlich auch höherer Trefferwahrscheinlichkeit) schießen als der Piratenkapitän des Segelzeitalters.

Folgerung: die "Gerechtigkeitsfrage" stellt sich, und soweit kann ich mit Lichtbringer sogar mitgehen, erst im Spielsetting (möglicherweise sogar erst in der bestimmten Kampagne), wo definiert werden muss, welche Regeln des generischen Regelwerks für die Spielwelt verwendet werden.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: 1of3 am 4.10.2011 | 22:07
Ich halte die Diskussion immer noch für unsinnig. Eine MP ist nur besser, wenn die Regeln sagen, dass sie besser ist. Die Regeln sind aber völlig arbiträr. Bei Wushu ist eine MP nicht besser als ein Vorderlader.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Dark_Tigger am 4.10.2011 | 22:26
@Sniper
Ja und in D&D ist ein +1 Schwert besser als ein stinkgewöhnlicher Dolch.
Trotzdem hat ein Dolch in gewissen Situationen seinen Nutzten. Diese gilt es als Spieler zu erkennen und auszunutzten.
In einem Generischen System ist es ähnlich mit MP und Vorderlader Muskete. Oh ja die MP IST so rein und für sich gesehen nützlicher.
Aber es gibt Situationen (Settings) da taugt sie nichts weil es sie nicht gibt.
Jedes Spiel das regeltechnische Unterschiede zwischen verschiedenen Waffen macht, ist damit "ungerecht".
Wenn wir so anfangen sind nur Systeme "gerecht" bei denen man immer mit einem w6 auf die 4 werfen muss (w4 auf die 3, w8 auf die 5 du weißt was ich meine) und die einzigen Ergebnisse "klappt" und "klappt nicht" sind. Vielleicht noch Systeme wo man mit einem Würfel würfelt und jede Zahl eine andere Qualität Ergebniss erbringt.
Aber alles wie Attribute, Skills, Fähigkeiten, Ausrüstung müsste dann raus.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Oberkampf am 4.10.2011 | 23:08
Ich halte die Diskussion immer noch für unsinnig. Eine MP ist nur besser, wenn die Regeln sagen, dass sie besser ist. Die Regeln sind aber völlig arbiträr. Bei Wushu ist eine MP nicht besser als ein Vorderlader.

Ja, das ist grundsätzlich richtig. Mir geht es aber darum, dass in dem (fiktiven) generischen Regelwerk aus meinem Beispiel sehr detailliert unterschieden wird. Es gibt darin einmal eine MP für den Stil "pseudorealistisches grim&gritty Future", und einmal eine Schwarzpulverpistole für "Pulp-Piraten". Das Regelwerk deckt alle möglichen spielbaren Genres ab, und da muss eine "pseudorealistische grim&gritty" Waffe "der Zukunft" einer Pulp-Waffe in den Auswirkungen überlegen sein. Umgekehrt muss auch ein "pseudorealistisches grim & gritty" Dark-Fantasy-Entermesser regelmechanisch einem pulp-Laserschwert überlegen sein, und das angenommene Beispielsystem regelt das sehr konkret & detailliert.

Der Trick ist aber, dass in so einem Fall nicht alle Regeloptionen im Setting (in der Kampagne) verwendet werden. Und darum ergibt nach meiner Auffassung eine Diskussion um Ausgewogenheit erst auf der Ebene des bespielten Settings einen Sinn.

In dem Fall, den du beschreibst, sind die Regeln sehr abstrakt gehalten und im Setting werden nur die einzelnen "Hüte" oder Ausprägungen ausgetauscht. Es würde dann nicht zwischen MP und Schwarzpulver unterschieden, sondern nur "Schusswaffe" vermerkt, oder vielleicht sogar noch abstrakter "Fernkampfangriff" (kann auch mag. Geschoss sein) mit seinen mechanischen Auswirkungen.

@Dark-Tigger:

Ich verstehe deinen Punkt jetzt nicht ganz. Dass es in einer ganz speziellen Spielsituation mal vorkommen kann, dass eine regelmechanisch ansonsten durchgehend schlechtere Option ausnahmsweise mal vorteilhaft ist, kann vorkommen. Allerdings sind das dann eben Ausnahmefälle - und wie oft kommt es zu denen?

Im schlimmsten Fall führt das zu Forderungen, der SL müsse solche Situationen künstlich herstellen, weil der SL das Spiel (die unbalancierte Spielmechanik) ausgleichen müsse. Fast genauso schlimm ist das Verwenden schlechter Spieloptionen aus "Stylegründen", wenn es nicht sehr begrenzt bleibt. Dann besteht die ernsthafte Gefahr des "Luschenspiels".

Im nur wenig besseren Fall werden die in 99% aller Spielsituationen ungünstigeren Optionen nicht gewählt (nach meinem Eindruck auch oft selbst von den Leuten nicht, die sich ausdrücklich nicht als "Powergamer" verstehen). Dann sind die miserabel ausgebalancten Sachen Scheinoptionen.

Grundsätzlich ist nicht jeder kleine Unterschied "ungerecht" - weder zwischen Waffen, noch zwischen Klassen, Fertigkeiten, Attributen, Talenten usw. Wenn man sich aber die angestrebten (und meistens auch propagierten) Hauptspielinhalte eines Systems anschaut, dann kann es schon passieren, dass einige Optionen (z.B. Klassen) durchweg oder deutlich überwiegend schlechter wegkommen als andere. Klar kann man dann sagen, dass die jeweilige Spielrunde ja nicht die von den Designern angestrebten Spielinhalte spielen muss, sondern etwas komplett anderes (also z.B. D&D ohne Dungeons und ohne Kämpfe), wo das Ungleichgewicht nicht auffällt. Aber das spricht nicht gerade für das System.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Roland am 4.10.2011 | 23:46
Also bei längerem Nachdenken entsteht bei mir tatsächlich der Eindruck, dass Gerechtigkeit (Ausgewogenheit) in generischen Systemen unsinnig ist. Besonders, wenn sie ausdrücklich viele Genres mit unterschiedlichen Merkmalen konkret abdecken wollen. Eine MP in einem grim&gritty dark future Setting ist nunmal besser (effektiver) als eine Schwarzpulverpistole mit Vorderlader aus einem Piratenpulpsetting. Also wird der aufgecyberte Gunslinger immer mit mehr Wumms (und wahrscheinlich auch höherer Trefferwahrscheinlichkeit) schießen als der Piratenkapitän des Segelzeitalters.

Der Trick ist aber, dass in so einem Fall nicht alle Regeloptionen im Setting (in der Kampagne) verwendet werden. Und darum ergibt nach meiner Auffassung eine Diskussion um Ausgewogenheit erst auf der Ebene des bespielten Settings einen Sinn.

Wann wäre denn diese Überlegenheit diverser Waffen gegenüber anderen ein Gerechtigkeitsproblem? Doch nur, wenn die Charaktere untereinander die Waffen nicht tauschen bzw. neue, bessere (und damit auch die besten) erwerben und benutzen könnten.
Dafür gibts Ausgleichsmechanismen, zu betrachten z.B. bei D&D 4 oder TORG.


Grundsätzlich ist nicht jeder kleine Unterschied "ungerecht" - weder zwischen Waffen, noch zwischen Klassen, Fertigkeiten, Attributen, Talenten usw. Wenn man sich aber die angestrebten (und meistens auch propagierten) Hauptspielinhalte eines Systems anschaut, dann kann es schon passieren, dass einige Optionen (z.B. Klassen) durchweg oder deutlich überwiegend schlechter wegkommen als andere. Klar kann man dann sagen, dass die jeweilige Spielrunde ja nicht die von den Designern angestrebten Spielinhalte spielen muss, sondern etwas komplett anderes (also z.B. D&D ohne Dungeons und ohne Kämpfe), wo das Ungleichgewicht nicht auffällt. Aber das spricht nicht gerade für das System.

Es gibt sicher ungerechte, generische Systeme (ich spiele z.B. gerade CoC). Das ist aber doch kein Beleg dafür, dass keine generischen und gerechten existieren.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Skele-Surtur am 5.10.2011 | 01:07
Eine MP ist besser als eine Schwarzpulverpistole. Ja. Und? Das hat nur Einfluss aufs Balancing, wenn beide Waffen im selben Setting auftauchen und in Konkurenz zueinander gestellt werden.

Generisch heißt aber nicht, dass alle Optionen im selben Setting vorkommen, sondern, dass jedes Setting bespielt werden kann.

Man kann einen Gegner, der mit einem Messer ausgerüstet ist, bestimmt besser und sicherer und zuverlässiger mit einer MP erledigen, als mit einer Streitaxt. Aber dann nimmt der Messerkämpfer nur ein geringeres Gefahrenpotential innerhalb des Settings ein. Mit Balance hat das nichts zu tun.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: El God am 5.10.2011 | 08:57
Eine MP ist besser als eine Schwarzpulverpistole. Ja. Und?

Je nach System kann sogar die Schwarzpulverpistole besser sein. Unrealistisch? Ist mir scheißegal  ;D
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Dark_Tigger am 5.10.2011 | 09:47
Ich verstehe deinen Punkt jetzt nicht ganz. Dass es in einer ganz speziellen Spielsituation mal vorkommen kann, dass eine regelmechanisch ansonsten durchgehend schlechtere Option ausnahmsweise mal vorteilhaft ist, kann vorkommen. Allerdings sind das dann eben Ausnahmefälle - und wie oft kommt es zu denen?

Mein Punkt ist wenn du das Argumentationsmuster so hochziehst wie du es mit der MP, und dem Vorderlader getan hast, wirds schnell seeeeehr eng was "gerechte" Systeme angeht.
Jedes Spiel das nur ansatzweiße die Realität abbilden will ist dann ungerecht. Und viele die es nicht tun auch.
Vor allem bei Ausrüstung. In Spielen wo Ausrüstung wichtig ist, ist das ergattern von "besserer" (ungerechter) Ausrüstung ja häufig Teil des Spaßes. Warum wohl? Weil der Chara dadurch besser wird in dem was er tut.
Dann könnte man schlicht und ergreifend den Titel des Threads in "Gamistische/Simulationistische Systeme und Gerecht schließen sich aus" ändern.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Oberkampf am 5.10.2011 | 11:08
Wann wäre denn diese Überlegenheit diverser Waffen gegenüber anderen ein Gerechtigkeitsproblem? Doch nur, wenn die Charaktere untereinander die Waffen nicht tauschen bzw. neue, bessere (und damit auch die besten) erwerben und benutzen könnten.
Dafür gibts Ausgleichsmechanismen, zu betrachten z.B. bei D&D 4 oder TORG.

Besagte Ausgleichmechanismen hatte ich im Blick, als ich die Hauptspielinhalte erwähnte. Beispielsweise mögen einige Waffen- und Rüstungsoptionenoptionen schlechter im Kampf sein als andere. Die besseren Waffen können aber nur von bestimmten Klassen (bspw. Kriegern) verwendet werden, was ausgleicht, dass diese Klassen nicht über Zauberkraft verfügen, was bei anderen Charakteren, die nur "zweitklassige" Waffen verwenden dürfen, der Fall ist. Damit ist die Ungleichheit der Waffenstärke vom Blickpunkt des Spielinhalts "Kampffertigkeit" gesehen eben nicht ungerecht.

TORG ist ein eigenes Problem - da sind die Kosmen ja durch die Axiome ausbalanciert. Nippon Tech scheint mir etwas schwach zu sein, verglichen mit Aysle, Nile und Cyberpapacy. Trotzdem funktioniert es bei TORG zumindest der Theorie nach über Ausgleichsmechanismen. Godlight Laser haben einen Schadenswert, der weit über Aysle-Schwarzpulverwaffen liegt, dafür kann ein Charakter aus Aysle leichter Zauber anwenden, die ein höheres Magielevel voraussetzen.

Es gibt sicher ungerechte, generische Systeme (ich spiele z.B. gerade CoC). Das ist aber doch kein Beleg dafür, dass keine generischen und gerechten existieren.

Naja, generische + gerechte Systeme bedürfen einer äußerst hohen Abstraktionsstufe und eine Detailarmut, damit sich die Gerechtigkeitsfrage nach meiner Ansicht überhaupt erst stellt. Ansonsten kann das generische System im Vergleich bessere, stärkere Optionen anbieten, so viel es will, weil für das Setting ja sowieso nur die passenden ausgewählt werden. In einem Piratensetting gibt es einfach keine Laserpistolen, dann ist der Unterschied im generischen GRW völlig egal.

Eine MP ist besser als eine Schwarzpulverpistole. Ja. Und? Das hat nur Einfluss aufs Balancing, wenn beide Waffen im selben Setting auftauchen und in Konkurenz zueinander gestellt werden.

Generisch heißt aber nicht, dass alle Optionen im selben Setting vorkommen, sondern, dass jedes Setting bespielt werden kann.

Genau! Darauf wollte ich die ganze Zeit hinaus.

Je nach System kann sogar die Schwarzpulverpistole besser sein. Unrealistisch? Ist mir scheißegal  ;D

Dazu zitiere ich mich mal selbst:
Es gibt darin einmal eine MP für den Stil "pseudorealistisches grim&gritty Future", und einmal eine Schwarzpulverpistole für "Pulp-Piraten". Das Regelwerk deckt alle möglichen spielbaren Genres ab, und da muss eine "pseudorealistische grim&gritty" Waffe "der Zukunft" einer Pulp-Waffe in den Auswirkungen überlegen sein. Umgekehrt muss auch ein "pseudorealistisches grim & gritty" Dark-Fantasy-Entermesser regelmechanisch einem pulp-Laserschwert überlegen sein, und das angenommene Beispielsystem regelt das sehr konkret & detailliert.

Hervorhebung von mir. Die Annahme ist, dass das generische System sowohl Werte/Waffen für grim&gritty (pseudorealistisch) anbietet, als auch für pulp ("heroisch"). Dann dürften die grim&gritty Waffen mehr Schlagkraft haben als die Pulp-Waffen. Aber auch hier werden in einer Kampagne nur die Optionen aus dem Angebotspool genutzt, die für den Flair relevant sind.

Mein Punkt ist wenn du das Argumentationsmuster so hochziehst wie du es mit der MP, und dem Vorderlader getan hast, wirds schnell seeeeehr eng was "gerechte" Systeme angeht.

Ja und Nein. Es trifft zu, dass viele Systeme sich vor der Frage drücken, oder sie entweder ausdrücklich oder implizit ausschließen (unten dazu mehr). Aber es gibt auch Systeme, die sich zumindest Mühe geben. Ich kenne nicht viele, das stimmt, aber ich würde z.B. D&D(4) und Warhammer(3) trotz völlig unterschiedlicher Spielziele dazu zählen.

Jedes Spiel das nur ansatzweiße die Realität abbilden will ist dann ungerecht. Und viele die es nicht tun auch.

Das erste stimmt, glaube ich. Aber ich halte ohnehin den Anspruch, in Rollenspielen die Realität abzubilden, für übertrieben. Dazu gabs aber irgendwo schonmal einen Thread. Kurz gesagt ist mein Anspruch eher, nach den Regeln zu spielen und in ungeregelten Bereichen minimale Glaubwürdigkeit zu bewahren, je nach Stimmung zum Vor- oder Nachteil der SCs. Realitätsabbildende RollenSPIELsysteme nehme ich kaum ernst, da würde ich auch keine Gerechtigkeitsfragen an sie richten.

Für die Systeme, die für sich nicht den Anspruch erheben, die Realität abzubilden, gibt es mehrer Möglichkeiten zur Positionierung. Entweder die Unausgeglichenheit gehört ausdrücklich zum Programm (z.B. bei Buffy), dann ist es Unsinn, nach Fairness zu fragen.

Oder sie wird zumindest implizit vorausgesetzt , weil es genrepassend ist (teilweise z.B. Warhammer 1 + 2, wo Elfen einfach besser sind). Wenn man die mit dem Anspruch "spielt", eine genrepassende Welt zu simulieren, dann ist die Gerechtigkeitsfrage nicht von Belang. Wenn tolkiensche Elfen eben in allen Angelegenheiten besser sind als Menschen, zwerge oder Halblinge, dann muss das im Spiel so wiedergegeben werden, und das ist Unausgeglichen. (Über die zweifelhaften Versuche von WHFRPG, die wertmechanisch besseren Elfen durch eine Einschränkung bei der Gesinnungsauswahl auszugleichen, breite ich lieber den Mantel des Schweigens aus.)

Wenn das Spiel aber mit dem Anspruch formuliert ist, den SCs für die Hauptspielinhalte (wichtig!) mehrere spielbare Optionen zur Auswahl zu stellen, dann muss jede Ungleichheit der Optionen daraufhin untersucht werden, ob sie anderswo einigermaßen ausgeglichen wird. Treffsichere 100% mag es da nicht geben, aber ein weitreichender Konsens reicht völlig.

Vor allem bei Ausrüstung. In Spielen wo Ausrüstung wichtig ist, ist das ergattern von "besserer" (ungerechter) Ausrüstung ja häufig Teil des Spaßes. Warum wohl? Weil der Chara dadurch besser wird in dem was er tut.

Das Argument verstehe ich nicht. Auch wenn ein System fair & ausgewogen ist, sollen sich die Charaktere doch verbessern dürfen, z.B. durch Aufstieg oder Ausrüstung. In einigen Spielen gehört das Erbeuten von Ausrüstung klar zum Spielinhalt, z.B. bei D&D in jeder der Inkarnationen. Wenn man da auf Tabellen würfelt, auf denen für jede Klasse was geeignetes draufsteht, dann ist das eine Verteilung durch Lose, die nicht an sich ungerecht ist und sich auf lange Sicht hin ausmittelt. Genauso bei Gleichverteilung durch Wunschgegenstände (D&D4) usw. Unfair kann es nur werden, wenn das Erbeuten von Gegenständen nicht geregelt ist, sondern dem Spielleiter nach Gutdünken überlassen ist, und der SL dann nach Sympathie verteilt (oder an den Spieler, der am lautesten jammert). (Das gefällt mir übrigens an Earthdawn nicht so: es gibt keine Regeln für das Verteilen von Geld und Beute/Fadengegenstände.)

Dann könnte man schlicht und ergreifend den Titel des Threads in "Gamistische/Simulationistische Systeme und Gerecht schließen sich aus" ändern.

Das Argument verstehe ich auch nicht ganz, aber das würde zu einer längeren Diskussion über Gameismus führen. D&D(4) halte ich z.B. für ein Spiel mit ausgeprägten "gamistischen" Zügen, und ich finde es ziemlich fair.

Was ausdrücklich simulatorische Rollenspiele angeht, da würde ich dir Recht geben, aber welches Spiel (außer ein paar Indies) beschränkt sich so stark auf eine Spielrichtung?

Edit: Noch ein paar Anmerkungen zu anderen Posts eingefügt

Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Dark_Tigger am 5.10.2011 | 11:36
Okay realität abbilden, ist vielleicht Falsch formuliert gewesen.
Was ich meinte ist ein Regelsystem das offensichtlich Erfahrbare Dinge abzubilden versucht. (Also Beispielsweise: Im offnen Kampf hab ich Lieber ein Schwert als einen Dolch) Nennen wir das Glaubwürdigkeit in Ordnung.

Das Argument verstehe ich nicht. Auch wenn ein System fair & ausgewogen ist, sollen sich die Charaktere doch verbessern dürfen, z.B. durch Aufstieg oder Ausrüstung. In einigen Spielen gehört das Erbeuten von Ausrüstung klar zum Spielinhalt, z.B. bei D&D in jeder der Inkarnationen. Wenn man da auf Tabellen würfelt, auf denen für jede Klasse was geeignetes draufsteht, dann ist das eine Verteilung durch Lose, die nicht an sich ungerecht ist und sich auf lange Sicht hin ausmittelt. Genauso bei Gleichverteilung durch Wunschgegenstände (D&D4) usw. Unfair kann es nur werden, wenn das Erbeuten von Gegenständen nicht geregelt ist, sondern dem Spielleiter nach Gutdünken überlassen ist, und der SL dann nach Sympathie verteilt (oder an den Spieler, der am lautesten jammert). (Das gefällt mir übrigens an Earthdawn nicht so: es gibt keine Regeln für das Verteilen von Geld und Beute/Fadengegenstände.)
Aber dein Argument war doch MP besser als Vorderlader (ich nehme an Pistole). Wenn ich jetzt, in einem Egal wie fairen Verfahren ein BESSERES Werkzeug bekommen kann. Bleibt doch der Punkt das dieses Neue Werkzeug besser ist als das alte.

Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Oberkampf am 5.10.2011 | 11:59
Aber dein Argument war doch MP besser als Vorderlader (ich nehme an Pistole). Wenn ich jetzt, in einem Egal wie fairen Verfahren ein BESSERES Werkzeug bekommen kann. Bleibt doch der Punkt das dieses Neue Werkzeug besser ist als das alte.

Ja, ich kann dir insoweit folgen, dass es bessere und schlechtere Gegenstände gibt. Allerdings ging es mir primär um die Auswahl bei der Charaktererschaffung.

Wenn für einen Lvl. 1 Charakter sowohl MP als auch Vorderlader zur Auswahl stehen, die MP mechanisch besser ist und keine anderen Regelmechanismen auf die Wahl Einfluss haben (solche wären z.B. bei Torg Technikaxiome), wird zu 90% die MP genommen, und bei den 10%, die es nicht machen, besteht die Gefahr des Luschenspielertums. Damit hat men erstmal nur eine Ungleichheit (MP, Vorderlader), aber keine Ungerechtigkeit.

Wenn jetzt Regelmechanismen eine Klasse (Profession usw.) dazu verpflichten, den Vorderlader zu nehmen, ohne dass Regelmechaniken das verschwundene Kampfpotential ausgleichen, wird die Ungleichheit ungerecht.

In einem Spiel, wo Beute/Ausrüstung eine große Rolle spielt, ist es nicht ungerecht, wenn eine "lvl 12 Waffe" besser ist als eine "lvl 1" Waffe. Das ist einfach eine Ungleichheit, die damit gerechtfertigt wird, dass die Waffe i.d.R. erst auf höherem Level erbeutet wird. Ungerecht wird es dann, wenn es in der Menge der lvl 12 Gegenstände einzelne bessere Gegenstände gibt, die nur bestimmte Charaktere verwenden dürfen oder es einzelne schlechtere Gegenstände gibt, die von bestimmten Klassen/Charakteren verwendet werden müssen und gleichzeitig keine anderen Regeln diese Mechanismen ausgleichen.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Dark_Tigger am 5.10.2011 | 12:17
Wenn jetzt Regelmechanismen eine Klasse (Profession usw.) dazu verpflichten, den Vorderlader zu nehmen, ohne dass Regelmechaniken das verschwundene Kampfpotential ausgleichen, wird die Ungleichheit ungerecht.

Okay genau mit dieser Einschräkung hast du recht.
Das würde dann aber wieder nur auf "generische" Spiele zutreffen die über irgend eine Art von Klassen-System verfügen
(egal wie man das Kind nennt) und selbs unter denen nur auf die bei denen es solche Ausrüstungseinschränkungen gibt.
Naja okay das mag in der einen oder anderen Form noch recht häufig sein.
Titel: Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Beitrag von: Funktionalist am 6.10.2011 | 21:49
Dieser Faden ist besser im Allgemeinen aufgehoben als hier.

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