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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Beral am 29.06.2013 | 10:21

Titel: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 29.06.2013 | 10:21
Die Diskussion über Ticksysteme (http://tanelorn.net/index.php/topic,84306.0.html) hat mich auf die Frage gebracht, warum wir unsere Kampfsysteme eigentlich so feinkörnig gestalten. Das Kampfgeschehen wird aufgebrochen in kleinste Zeiteinheiten. Um eine Sekunde des Kampfes abzuhandeln, werden minutenlang Regeln angewendet. Wie soll es bei solchen Regeln möglich sein, sich in der Fantasie eine flüssige Kampfszene auszumalen?

Ich behaupte, dass die feine Skalierung im Sekundentakts bzw. der einzelnen Aktion (Schlag, Parade) die bildliche Vorstellung des Kampfes be- oder gar verhindert. Wir überfrachten uns mit Zahlenverwaltung und stellen der Phantasie nur winzige Bröckchen zur Verfügung, die nicht im Einklang mit der Wirkungsweise unseres Wahrnehmungsapparates stehen.

Warum tun wir das eigentlich? Und gibt es Systeme, die das nicht tun? Gibt es Systeme, die einen Kampf so regeln, dass man sich längere Kampfsequenzen bildlich vor Augen führen kann?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: 1of3 am 29.06.2013 | 10:24
Ja. Natürlich. nWoD ist da schon nicht übel, wenn auch vielleicht noch nicht ganz, was du suchst.

Dogs in the Vineyard, Old School Hack gehen noch anders an die Sache.

Capes, With Great Power gehen noch ein paar Schritte weiter.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Laivindil am 29.06.2013 | 10:26
Dungeon World kommt ohne Initiative und Runden aus. Es setzt sehr auf den gemeinsamen Vorstellungsraum und räumt dem SL viel "Handwedelpower" ein.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 29.06.2013 | 10:47
Es wäre schön, wenn die Kenner ein paar Worte über die Regelumsetzung verlieren. Was ist konkret anders bei den genannten Systemen? Wie wirkt sich das auf das Spielgefühl aus?

Bitte nicht einfach nur einen Systemnamen hinwerfen. Darunter kann man sich nichts vorstellen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arkam am 29.06.2013 | 13:04
Hallo zusammen,

ich vermute das die Kampfsysteme so feinkörnig sind weil es eben um etwas geht.

Bei den meisten Systemen geht es ja um das Leben eines Charakters der einem ein wenig am Herzen liegt, Paranoia nehme ich ausdrücklich aus. Selbst bei Systemen die eine Wiederbelebung kennen ist diese ja entweder mit Regel Nachteilen oder meistens erheblichen Kosten im Spiel verbunden. Man wendet also Ressourcen, also Gold oder Artefakte, auf die man für Anderes effektiver verwenden könnte.

Ein toter Charakter bedeutet das man verloren hat. Man muss erst Mal eine Weile warten, Charakter Erstellung oder passender Einstieg, bis man wieder spielen kann. Hinzu kommen dann auch noch Verluste wie etwa die geschafften Stufen oder gewonnene Ausrüstung.

Das Kampfsystem ist sowohl als Regelbestandteil eines Rollenspiels als auch bei den meisten Systemen ein sehr alter Bestandteil. Entsprechend haben sich Generationen von Rollenspielern und Spieldesignern Gedanken darüber gemacht was man mit dem System machen sollte.
Hinzu kommt das ein Kampf ja viele verschiedene Faktoren umfasst. Wie etwa Bewegung, Fertigkeit Proben, Schaden, Heilung und dann noch Werte der Ausrüstung. Man kann schon sagen das einige Rollenspiele aus einem Kampfsystem mit ein paar Anhängen bestehen.

Hinzu kommt das viele Spieler beim Kampf die Spielregeln akzeptieren bei sozialen Proben aber auch die Möglichkeit des Ausspielens haben möchten.

Zudem sind viele Abenteuer Kampf orientiert. So das man die Kampfregeln sehr wahrscheinlich auch tatsächlich anwendet. Entsprechend wünschen sich auch viele Spieler fein ausgearbeitete Möglichkeiten.

Gruß Jochen
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: 1of3 am 29.06.2013 | 13:10
Zitat
Hinzu kommt das ein Kampf ja viele verschiedene Faktoren umfasst. Wie etwa Bewegung, Fertigkeit Proben, Schaden, Heilung und dann noch Werte der Ausrüstung.

Das ist ein Zirkelschluss oder? Die Frage war doch gerade, warum Kampfsysteme so umfangreich sind. Du antwortest: Weil sie so viel umfassen.


@Beral:

Capes gibts hier: museoffire.com/Games
WGP habe ich hier erklärt: http://tanelorn.net/index.php/topic,69219.0.html
Old School Hack findest du hier: http://www.oldschoolhack.net/
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: tartex am 29.06.2013 | 13:25
Ich behaupte, dass die feine Skalierung im Sekundentakts bzw. der einzelnen Aktion (Schlag, Parade) die bildliche Vorstellung des Kampfes be- oder gar verhindert. Wir überfrachten uns mit Zahlenverwaltung und stellen der Phantasie nur winzige Bröckchen zur Verfügung, die nicht im Einklang mit der Wirkungsweise unseres Wahrnehmungsapparates stehen.

Warum tun wir das eigentlich? Und gibt es Systeme, die das nicht tun? Gibt es Systeme, die einen Kampf so regeln, dass man sich längere Kampfsequenzen bildlich vor Augen führen kann?

AD&D2 hatte Kampfrunde von 2 Minuten Länge. Da war natürlich alles abstrakter und ein Trefferwurf nicht nur ein Schlag. Ich habe allerdings so meine Zweifel, dass diese Abstraktion übers ganze Regelwerk durchgehalten wurde. (Ist auch schon 20 Jahre her, dass ich AD&D2 gelesen habe.)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: xergazz am 29.06.2013 | 13:30
Sobald ein Kampf beginnt hoert das Rollenspiel auf. Da kann die Beschreibung noch so gut sein. Wenn der Spielleiter sagt "Bitte würfelt alle eure Initiative" und jeder seine Würfel rausholt spielen wir auf einmal ein völlig anderes Spiel, das viel mehr an ein Brettspiel erinnert als an irgendwas anderes. Es gibt Runden, man würfelt für jeden Schritt, man kann verlieren und gewinnen, es gibt Handlungsmuster (Attacke, Parade, Bewegung etc.)...

Und ein Brettspiel muss dich in gewisser Weise beanspruchen damit es interessant bleibt. Mensch ärgere dich nicht wird auf dauer langweilig. Daher kommt denke ich die Komplexität. Die Alternative ist auf diese Sonderstellung innerhalb des Systems zu verzichten und den Kampf als möglichst homogenen Teil des Rollenspiels zu sehen. Ein paar Beispiele sind ja schon gefallen. Im Grunde bedeutet es aber eigentlich nur: Ein Kampf funktioniert so wie jede andere Probe auch.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: tartex am 29.06.2013 | 13:35
Bei mir persönlich ist es so, dass ich als Spielleiter im Kampf wieder kreative Kräfte sammeln kann. Es ist eine strukturelle Pause, in der man sich auf andere Fähigkeiten konzentriert, und danach kann ich wieder mit voller Kraft Scheiße verzapfen.

Bei Spielen wie Primetime Adventures, wo es keinen Kampf gibt und sich alle Beteiligten durchgehen voll kreativ einbringen, ist man nach 2 bis spätestens 3 Stunden tatsächlich schon völlig erschöpft.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: alexandro am 29.06.2013 | 13:44
Hmm, dafür (SL entlasten) müssten die Spieler aber weitgehend selbstständig im Kampf handeln können. Habe ich bisher noch nicht erlebt. Eher war es so, dass der Kampf soviel der SL-Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, dass danach das normale Abenteuer erschwert wird.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 29.06.2013 | 14:07
Warum tun wir das eigentlich?

Weil manche Regeldesigner sich dazu entscheiden, alles auf dem gewählten Detailgrad Relevante zu verregeln (warum - s.u.).

Wenn der Detailgrad hoch ist, muss natürlich die Regelanwendung entsprechend flüssig sein, damit da ein Bild des Kampfverlaufes entstehen kann.

Gibt es Systeme, die einen Kampf so regeln, dass man sich längere Kampfsequenzen bildlich vor Augen führen kann?

Vielleicht ist das jetzt Wortklauberei, aber ich kenne kein System, das flüssige, gut vorstellbare Kämpfe produziert, in dem es diese regelt. Das geschieht mMn immer, indem eben große Teile nicht geregelt werden und den Spielern in irgendeiner Weise regelfreie Deutungshoheit über die Abläufe übertragen wird.


In der Regel ist es bei mir so, dass ich mit abstrakteren Systemen noch mehr Vorstellungsprobleme habe.
Z.B. nWoD in der Grundform mit seinen Pools, die alles zusammen schmeißen: Dadurch geht der Unterschied zwischen präzisen, schnellen Waffen mit wenig Schaden und großen, langsamen/unpräzisen Waffen mit viel Schaden verloren.
Für letztere wird der Schaden damit quasi durchschnittlich über die Runden verteilt, was Gift für die Vorstellung ist, wenn der Kampf dann nach wenigen Runden endet.

Da muss ich mir völlig abseits des regelseitigen Verlaufes was vorstellen - das ist ja noch schlimmer.


Und Geschichten wie AD&D2 oder Earthdawn (IIRC), wo eine Kampfrunde im Minutenbereich dauert, versagen an der Fragestellung, warum da in einer Kampfrunde so gut wie gar nichts passiert.


Ich habe schon öfter auf Regeln herumgedacht, die etwas mehr "im Einklang mit der Wirkungsweise unseres Wahrnehmungsapparates stehen" - aber bislang immer die Erfahrung gemacht, dass das letztlich niemand spielen will.
Feinkörnige Kampfregeln dienen letztlich auch der Information der Spieler über die Abläufe und der Vermittlung eines Gefühles der Kontrolle (ob zutreffend oder nicht).
Genau diese beiden Funktionen müsste man aber über Bord werfen...

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Kampfwurst am 29.06.2013 | 14:29
Hinzu kommt das ein Kampf ja viele verschiedene Faktoren umfasst. Wie etwa Bewegung, Fertigkeit Proben, Schaden, Heilung und dann noch Werte der Ausrüstung. Man kann schon sagen das einige Rollenspiele aus einem Kampfsystem mit ein paar Anhängen bestehen.
Ich denke das ist ein Fehlschluss. Nur weil ein echter Kampf viel beinhaltet muss das nicht bedeuten, dass die Simulation des Kampfes viel beinhaltet. Wenn ich will kann ich eine ganze Schlacht mit einem Wurf abhandeln, oder aber einen einzelnen Schwerthieb mit 20 Faktoren behaften.

Und ich denke der springende Punkt ist, dass viele der frühen Rollenspiele an dem Punkt extrem ins Detail gegangen sind. Zugegeben, ich kenne nicht all zu viele der älteren Spiele, aber AD&D, DSA und Shadowrun z.B. gehen da teilweise arg ins Detail. Und ich denke bei vielen Spielen danach ist das dann einfach in gewissem Maße Tradition, die Autoren haben Spiele mit entsprechenden Details gespielt, und wenn man zu viele davon weg lässt fühlt es sich irgendwann "falsch" an, also nimmt man viele Details wieder mit hinein, selbst wenn man sie gar nicht braucht. Einfach aus dem Gefühl heraus, dass etwas so kompliziertes eben auch eine komplizierte Umsetzung braucht.

Ich finde, dass der Detailgrad oft mehr behindert als unterstützt. Ich spiele derzeit in einer DSA Runde, und den letzten Abend haben wir mit einem Kampf beendet. Da mein Lieblings Regelwerk zur Zeit Fate ist, läuft in meinem Kopf immer parallel der gleiche Kampf in Fate ab, und viele Dinge funktionieren einfach eine ganze Ecke cooler, weil man eben für coole Aktionen keinen Nachteil bekommt, nur weil es etwas anderes als einfaches Zuschlagen ist.

Vom ständigen Nachschlagen des exakten Wortlautes der Regeln mal ganz abgesehen, was den Spielfluss häufig stört.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 29.06.2013 | 14:37
AD&D2 hatte Kampfrunde von 2 Minuten Länge. Da war natürlich alles abstrakter und ein Trefferwurf nicht nur ein Schlag. Ich habe allerdings so meine Zweifel, dass diese Abstraktion übers ganze Regelwerk durchgehalten wurde. (Ist auch schon 20 Jahre her, dass ich AD&D2 gelesen habe.)
Korrektur: Eine Minute. Und dass ich es gelesen habe, ist keine Viertelstunde her.  >;D
Ist aber die gleiche Liga - und die ist für Spiele dieser Ära gar nicht so ungewöhnlich. Es gibt eine erhebliche Bandbreite, aber Kampfrunden sind generell länger als in moderneren Systemen (edit: Oder auch nicht? GURPS und DSA2 sind jedenfalls Gegenbeispiele.) Ein paar Beispiele aus meinem Fundus:
GURPS: 1 Sekunde.
DSA2: 2 Sekunden.
DSA4: 3 Sekunden.
Shadowrun 4: 3 Sekunden.
D&D 3.x: 6 Sekunden.
Privateers and Gentlemen: 10 Sekunden.
Flashing Blades: 12 Sekunden.
Runequest 3rd: 12 Sekunden.
Classic Traveller: 15 Sekunden.
2300 AD: 30 Sekunden.
D&D: 1 Minute.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: killedcat am 29.06.2013 | 14:40
Ich werde versuchen die "Kritik" am klassischen Kampf mal ein wenig aufzudröseln.

Zunächst einmal stimmt es, dass beim "klassischen" Rollenspiel, wie wir es seit D&D gewohnt sind, der Kampf quasi einen eigenen Regelteil hat. Die daraus erfolgenden Schlüsse sind aber fragwürdig, nämlich, dass dies schlecht sei oder dass das Rollenspiel darunter leide.

Beispiel: Initiative-würfeln.
SL" würfel mal jeder Initiative"
*allgemeines Gewürfel*
SL "Okay, Reihenfolge klar"
Spieler 1: "Ha! Ihr seid keine Herausforderung für meine katzenhaften Reflexe. Blitzschnell erfasse ich die Situation und mit einem lauten Aufschrei reiße ich meine Fäuste nach oben und ..."

Gewisse Spiele belohnen gute Beschreibungen übrigens mit Bonuswürfeln. Nur weil die regelmechanischen Auswirkungen der Aktionen kein Rollenspiel verlangen, heißt das nicht, dass das Rollenspiel nicht möglich ist.

Was "feinkörnig" ist - und da sind wir beim zweiten Punkt - ist stark interpretationsbedürftig. Selbst innerhalb der klassischen Systeme mit Runden und Schlagabtausch gibt es riesige Unterschiede. Da gibt es Figurenschubser wie Savage Worlds oder DnD und es gibt erzählerischer betonte Kämpfe wie z.B. bei cinematic Unisystem, wo die Distanz erzählerisch bestimmt wird ("ist es cool, wenn der Gegner in Reichweite ist? Dann ist er in Reichweite"). Und da haben wir noch nicht über Erzählrechte, Ereigniskarten oder Ähnliches gesprochen. Diese Kampfsysteme über einen Kamm zu scheren, halte ich für ungerecht.

Warum wir aber überhaupt einen solchen Zinnober um die Kämpfe machen? Da mag es viele Gründe geben. Den Grund, warum ich das (unbedingt) so haben möchte, will ich erläutern:
Sieh Dir Matrix an. Matrix macht in den Kämpfen mit seinen Zeitlupeneffekten genau das. Matrix fokusiert bei den Kämpfen auf die Action. Die Zeit wird langsamer, die Aktionen werden deutlicher. Man bangt mit jedem Schlag um die Figur. Vielleicht lässt sich das auch anders lösen - aber am coolsten fand ich es bisher mit schönen Rundenkämpfen und Input aus der Regelseite. Jedes Mal, wenn die Würfel geworfen werden ist es für mich, als hörte ich im Hintergrund den Sound, der gespielt wird, wenn in Matrix die Zeitlupe einsetzt. "Der Gegner versucht dich zu köpfen" Fwwwoooooooom ZEITLUPE. Der Würfel rollt. Eine 8 - knapp vorbei. Das Ergebnis wird beschrieben. "Der Schlag verfehlt deinen Hals um Haaresbreite. Ein einzelner Blutstropfen zieht seine Bahn, der Klinge des Angreifers folgend." ZZZzzzzzzzit - die Zeitlupe hört auf, was tust du nun?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Oberkampf am 29.06.2013 | 15:04
Kämpfe sind einfach so selten im Rollenspiel, da will man jede Sekunde auskosten.  ;)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Praion am 29.06.2013 | 15:14
Dungeon World kommt ohne Initiative und Runden aus. Es setzt sehr auf den gemeinsamen Vorstellungsraum und räumt dem SL viel "Handwedelpower" ein.

Dungeon World

Es gibt keinen "Kampfmodus" - eine Kampfszene läuft ab wie jede andere Szene im Spiel. Jede Aktion der Spieler führt zu einer neuen Situation im Kampf. Schnelle schnitte von Spieler zu Spieler sorgen dafür adss Kämpfe chaotisch sind und man sich nicht auf sichere Initiative verlassen kann. Kreative Ideen werden eher belohnt als von den Regeln bestraft.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Heinzelgaenger am 29.06.2013 | 15:17
D&Ds langer Schatten; D&D's mechanische Ästhetik wiederum war schwer von Wargames beeinflusst.

Anders gesprochen: wären RPGs in einem Eskimodorf konvergent evolviert, der Fischgrätenwurf wurde die EIsbärenjagd nicht so analkörnig abbilden.

Im Prinzip ist Feinkörnigkeit in "heroischem Hyperrealismus" nicht falsch, die popkulturellen Vorbilder sprechen schliesslich eine sehr deutliche Bildsprache. Jedoch sind Bewegungsregeln wie bei Warhammer, Rüstungsklassen usw weder realistisch noch hyperrealistisch.
Daher eine sinnlose Pain ergo es muss so feinkörnig sein weil es D&D sein will.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 29.06.2013 | 15:29
D&Ds langer Schatten; D&D's mechanische Ästhetik wiederum war schwer von Wargames beeinflusst.
Weder D&D noch die zugrunde liegenden Wargames sind aber so feinkörnig. Hatten wir in diesem Thread doch schon: Gerade das von Beral erwähnte herunterbrechen auf kleine Zeiteinheiten findet man bei D&D nicht.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: killedcat am 29.06.2013 | 15:33
Weder D&D noch die zugrunde liegenden Wargames sind aber so feinkörnig. Hatten wir in diesem Thread doch schon: Gerade das von Beral erwähnte herunterbrechen auf kleine Zeiteinheiten findet man bei D&D nicht.
Hmmm? D&D hat keine Kampfrunden?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Heinzelgaenger am 29.06.2013 | 15:46
Weder D&D noch die zugrunde liegenden Wargames sind aber so feinkörnig. Hatten wir in diesem Thread doch schon: Gerade das von Beral erwähnte herunterbrechen auf kleine Zeiteinheiten findet man bei D&D nicht.
(A)D&D hatte Initiativefaktoren für jede mögliche Waffe. Auf den W10 Wurf kam dann auch noch ein Dex modifier, aber der Waffenmodi war der normalerweise der dickere.  (Interessanterweise ignorierten viele Spieler den I-Faktor übrigens)

Von da war es mechanisch nur ein winziger Schritt für zig Rollos, sogar für AD&D Hausregeln, den Wurf wegzulassen und einfach alle x "ticks" zu agieren.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: xergazz am 29.06.2013 | 15:53
Das Matrix-Beispiel fand ich sehr geil und ist auch im Grunde das, was ich mir unter einem spannenden Kampf vorstelle. Aber: Ich glaube sowas nutzt sich ab. Zeitlupen sind beim ersten Mal noch cool aber wenn die ganze Szene aus Zeitlupen besteht sieht das schnell anders aus. Interessanter wäre es, den Kampf in relativ zügiger Geschwindigkeit runterlaufen zu lassen und diese Zeitlupen nur bei wichtigen Momenten anzuwenden. Aber ich kenn kein System, dass das so macht.

Die daraus erfolgenden Schlüsse sind aber fragwürdig, nämlich, dass dies schlecht sei oder dass das Rollenspiel darunter leide.
Beispiel: Initiative-würfeln.
SL" würfel mal jeder Initiative"
*allgemeines Gewürfel*
SL "Okay, Reihenfolge klar"
Spieler 1: "Ha! Ihr seid keine Herausforderung für meine katzenhaften Reflexe. Blitzschnell erfasse ich die Situation und mit einem lauten Aufschrei reiße ich meine Fäuste nach oben und ..."

Eine Beschreibung innerhalb des Kampfes hat nicht die gleiche Wertigkeit wie außerhalb. Der Unterschied liegt in der intrinsischen bzw extrinsischen Anwendung der Regeln. Ich kann etwas beschreiben, weil ich es erwürfelt habe oder ich kann würfeln, weil etwas beschrieben wurde. Außerhalb des Kampfes bestimmt die Erzählung, ob ich würfeln muss. Innerhalb bestimmt es die Struktur des Kampfes. Die Beschreibung hat keinen Einfluss darauf, wann und wie oft du würfelst und welche Ergebnisse das erzielt. Sie ist nur Ausschmückung eines Faktes, der nicht durch sie geschaffen wurde. Mit anderen Worten: Die Würfel bestimmen was passiert.

Edit:
wären RPGs in einem Eskimodorf konvergent evolviert, der Fischgrätenwurf wurde die EIsbärenjagd nicht so analkörnig abbilden.
Darf ich den Satz in meine Signatur mitaufnehmen? :D
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 29.06.2013 | 16:21
(A)D&D hatte Initiativefaktoren für jede mögliche Waffe. Auf den W10 Wurf kam dann auch noch ein Dex modifier, aber der Waffenmodi war der normalerweise der dickere.  (Interessanterweise ignorierten viele Spieler den I-Faktor übrigens)

Von da war es mechanisch nur ein winziger Schritt für zig Rollos, sogar für AD&D Hausregeln, den Wurf wegzulassen und einfach alle x "ticks" zu agieren.
Ja, AD&D. Was Du aber sagtest, war: D&D und seine Wargaming-Wurzeln sind für die Feinkörnigkeit verantwortlich. Da D&D ursprünglich alles andere als feinkörnig, sondern eher grobkörnig bis rudimentär war, ergibt das keinen Sinn.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 29.06.2013 | 16:23
Hmmm? D&D hat keine Kampfrunden?
Seufz.  :-\
Doch, aber keine im "Sekundentakt".
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: killedcat am 29.06.2013 | 18:57
Seufz.  :-\
Doch, aber keine im "Sekundentakt".
Deswegen ist es immer noch das, was vom Threadersteller gemeint war. Zumindest so, wie ich den Threadersteller verstanden habe.

Eine Beschreibung innerhalb des Kampfes hat nicht die gleiche Wertigkeit wie außerhalb. Der Unterschied liegt in der intrinsischen bzw extrinsischen Anwendung der Regeln. Ich kann etwas beschreiben, weil ich es erwürfelt habe oder ich kann würfeln, weil etwas beschrieben wurde. Außerhalb des Kampfes bestimmt die Erzählung, ob ich würfeln muss. Innerhalb bestimmt es die Struktur des Kampfes. Die Beschreibung hat keinen Einfluss darauf, wann und wie oft du würfelst und welche Ergebnisse das erzielt. Sie ist nur Ausschmückung eines Faktes, der nicht durch sie geschaffen wurde. Mit anderen Worten: Die Würfel bestimmen was passiert.
Nope. So wie ich das sehe, bestimmen die Regeln nur, was "regeltechnisch" passiert. Und die Regeln bestimmen auch nur abstrakt, wann gewürfelt wird. Die konkrete Ausgestaltung ist praktisch immer den Spielern überlassen. Ob ich angreife oder ob ich etwas anderes Versuche, liegt bei mir als Spieler. Wie der Angriff abgelaufen ist, bestimme ich als Spieler. Ob ich dabei cool war oder doof ausgesehen habe, bestimme ich als Spieler. Ob ich treffe oder nicht und wie viel Schaden ich verursache, bestimmen die Regeln zum größten Teil. Bei Exalted wird meine Beschreibung zum Beispiel noch für Bonuswürfel herhalten. Bei anderen Systemen kann ich Kampfmanöver auswählen, um meine Chancen zu beeinflussen.

Du hast vollkommen recht, dass eine Beschreibung im Kampf nicht die gleiche Wertigkeit wie ... außerhalb? Nein, eine Beschreibung hat in einem geregelten Bereich nicht die gleiche Wertigkeit wie in einem Bereich, der der Fantasie der Spieler überlassen wird. Das ist aber normal. Wenn ich in Monopoly oder Mensch Ärger Dich nicht die Würfel weglasse und sage "bestimme selbst, wie weit du läufst", ist die Spannung raus. Darum kann ich das nicht einfach einer Spielerentscheidung überlassen.

Wenn ich keine reine Geschichtenerzählung will, sondern einenen ergebnisoffenen Konflikt, der Spieler und Spielleiter gleichermaßen Überraschungen bereithält, dann muss ich Zufallselemente einbauen. Und zwar überall dort, wo ich das will. Es hat sich herausgestellt, dass die meisten das bei Kämpfen wollen und auch die Anwendung der Fähigkeiten der Helden soll - zumindest unter Druck - nicht einfach funktionieren, wann immer die Spieler das gerne hätten.

Es ist letztendlich eine Frage der Präferenzen. Es ist die Frage, ob ich eine Geschichte erzählen oder erleben will. Ich will eine erleben. Also muss ich überrascht werden können. Also darf ich das Ergebnis nicht frei bestimmen. Ich gebe also Erzählrechte auf und übertrage sie auf ein neutrales, für alle geltendes Instrument: Regeln und Zufallselement. Nur so, kann ich Spannung erleben. Wie das Verhältnis Spannung - Eigenbestimmung, wie die Zuverlässigkeit der Ergebnisse, die Berechenbarkeit, wie die Möglichkeiten der Selbstbestimmung ausgestaltet sind ist Geschmackssache und daher gibt es furchtbar viele Systeme dafür. Ich habe im Kampf gerne viele Zufallselemente und viel Input durch die Regeln. Ich lasse mich gerne überraschen und inspirieren. Dragon Age ist daher ideal für mich: es gibt mir bei Kämpfen immer wieder zufällig bestimmte Stuntpunkte, die ich nutzen kann, um Manöver durchzuführen, die mich wiederum auf Ideen bringen. Das ist ideal, wenn man nach einer anstrengenden Arbeitswoche einen actionreichen Kampf gestalten, aber keine künstlerisch wertvollen Kreativleistungen erbringen möchte.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 29.06.2013 | 19:06
Deswegen ist es immer noch das, was vom Threadersteller gemeint war. Zumindest so, wie ich den Threadersteller verstanden habe.
Dann hast Du ihn anders verstanden als ich, und damit belassen wir es dann auch.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: killedcat am 29.06.2013 | 19:24
Öhm - das wäre doch grundlegend für jede weitere Diskussion hier? Du möchtest diskutieren ohne zu klären worüber? Okay.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Makaber am 29.06.2013 | 21:25
Die Warum tun wir das eigentlich?
 (http://tanelorn.net/index.php/topic,84306.0.html)

Ich habe mal drüber nachgedacht, wenn man eine Konfrontation mit einem Wurf oder einem vergleichenden Wurf entscheidet und dem gegenüber 5 Würfe oder vergleichende Würfe macht. Dann scheint es so zu sein, dass sich die 5 Würfe spannender Anfühlen.

Mir schwirrt im Kopf gerade das Beispiel eines Sportspiels oder eines Turnieres herum. Da finde ich Persönlich ein "Best of 5" spannender, weil nach dem ersten Wurf zwar A oder B einen teilsieg für sich beanspruchen konnten, aber der Gesammtsieg sich erst nach wenigstens 3 bis maximal 5 Würfen herauskristallisiert.

Die Möglichkeit aus einem A 2:0 B noch ein A 2:3 B Sieg zu machen ist spannung pur. Sozusagen eine Klimax innerhalb eines Kampfes.

Ich bin kein Psychologe und weiß desshalb nicht warum, aber ich finde, dass ein Ergebnis nach 10 Würfen fairer und weniger zufällig ist, als eines nach nur einem Wurf. Statistisch natürlich Quatsch. 

Wurf 1 =  Sieg oder Niederlage
10 x Wurf 1 = X Siege oder X Niederlagen =  Sieg oder Niederlage   

es kommt das gleiche dabei raus.  (gibt es einen Thread über die geheimen Konditionierungen der Rollenspielindustrie?)

Kämpfe sind einfach so selten im Rollenspiel, da will man jede Sekunde auskosten.  ;)

Ich glaube die Aussage trifft es, durch das feinkörnen, zögere ich die Entscheidung heraus und steigere die Vorfreude.

Ich möchte aber nicht ausschließen, dass ich auch Kämpfe mag, die komplett ohne Würfel auskommen, darin bin ich noch ziemlich neu, aber ich versuche mir klar zu machen, wann eine feinaufdröselung spannend ist, und wann ein Ergebnis im grunde klar ist, und der Spieler oder der SL einfach beschreibt was passiert ohne zu würfeln.
Mein Lieblingsbeispiel sind Angriffe zum Betäuben/bewußtlos schlagen. In wichtigen Kämpfen verwende ich die im Regelwerk vorhandenen Regeln (in all ihrer schrecklichen detaillierten Pracht) aber in allen anderen Situation wird der NSC einfach umfallen und bewusstlos sein, wenn der Spieler ansagt das er ihn nur Betäuben will.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arkam am 29.06.2013 | 21:42
Hallo 1of3,

Das ist ein Zirkelschluss oder? Die Frage war doch gerade, warum Kampfsysteme so umfangreich sind. Du antwortest: Weil sie so viel umfassen.

nein das war unglücklich formuliert. Also versuche ich es noch Mal besser formuliert.
Meine These ist das fast alles, ich würde sogar behaupten alles, was in Regeln gefasst ist im Kampf auftauchen wird oder von den Spieler in den Kampf mit eingerechnet wird.
Der Grund liegt darin das der Kampf dafür sorgen könnte das der Charakter und damit die Möglichkeit des Spielers mit zuspielen verloren gehen kann.
Dieses einschneidende Ergebnis will man eben nicht nur einem Würfelwurf überlassen. Und dann wird es eben feinkörniger. Also etwa eine Reihe von Proben statt einer einzigen Probe um ein Ergebnis zu ermitteln.
Um das zu verhindern müsste man an der Konsequenz eines Kampfes drehen, wie etwa Paranoia mit seinen sechs identischen Klonen oder 7th Sea wo der Held erst Mal nicht sterben kann.
Viele Hintergründe und Genres kann man so meiner Meinung nach aber nur schlecht darstellen.

Gruß Jochen
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: afbeer am 29.06.2013 | 21:59
Weil wir den Kampf am Tisch nicht auspielen können und wollen. Die Spieler müssen unverletzt bleiben.
Das Regelsystem für eine Unterredung mit dem Schankwirt und dem Unbekannten in der schattigen Ecke dagegen ist nicht feinkörnig, weil wir dies am Tisch ausspielen wollen und können.

Alles was nicht Kommunikation ist, muss in irgendeiner Art und Weise Regeln haben aus dem oben genannten Grund.
Am Kampf hängt unmittelbar die Existenz des Charakters. Daher sind ihn betreffende Regelsysteme feinkörniger.

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Thandbar am 29.06.2013 | 22:05
Sieh Dir Matrix an. Matrix macht in den Kämpfen mit seinen Zeitlupeneffekten genau das. Matrix fokusiert bei den Kämpfen auf die Action.  

Das ist ein guter Punkt. Ich denke, dass wir im Rollenspiel häufig das erleben wollen, was wir in Actionfilmen sehen wollen. Und seitdem die Matrix-Reihe in der Welt ist, interessieren wir uns mehr als früher für furiose Martial-Arts-Sequenzen (das ist mir auch heute beim Kinobesuch aufgefallen, wo ich endlich den neuen Star-Trek-Film sehen konnte).

An dem SF-Spiel "Ashen Stars", das mehr Gewicht auf Detektivarbeit legt, wird ja gerade kritisiert, dass das mit den Regeln mögliche Kampgeschehen das investigative Spiel sehr deutlich unterbietet und somit wenig eindringlich und sogar oberflächlich wirkt.
Vielleicht ist es ja so, dass feinkörnige Regeln die Action näher an unsere Vorstellung heranholen und wir so mehr das Gefühl haben, unser Charakter sei tatsächlich gerade jetzt existenziell bedroht. Die Kamera fährt, um beim Filmvergleich zu bleiben, näher ans Geschehen ran, wenn die Action zunimmt, sprich: die Regeln detaillierter werden.  



 
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: scrandy am 29.06.2013 | 22:22
Warum tun wir das eigentlich?
Die Feinteilige Regelung hat zwrei Wurzeln: Einmal weil Rollenspiel von den Tabletop-Wargames kommt und zweitens weil es nunmal cool ist manche Sachen im Detail zu betrachten. Es ist ja nicht immer nur interessant wie eine Szene ausgeht sondern oft ist es viel interessanter was während der Szene im Detail passiert. Das erst in wenigen Systemen das auch für andere Szenen entdeckt wird (wie Rededuelle, Verfolgungsjagden, Schleichszenen usw.) liegt am Punkt eins und daran, dass die Amerikaner eine massive Waffenbegeisterung haben.

Und gibt es Systeme, die das nicht tun? Gibt es Systeme, die einen Kampf so regeln, dass man sich längere Kampfsequenzen bildlich vor Augen führen kann?
Ja, gibt es. Mystix ist als System explizit so entwickelt worden, dass Kampf erlebt wird und nicht simuliert wird. Das heißt der Fokus liegt darauf den Kampf schnell abzuhandeln und den Stress im Kampf aufrecht zu erhalten. Die aktionen laufen schnell ab, es wird nicht lange taktiert sondern, es wird versucht möglichst nahe an das Echtzeit-Gefühl heranzukommen.

Wodurch wird das erreicht:
1.) Die Probe ist extrem schnell und enthält eine erzähl-Komponente mit Bonuserfolgen (so dass die Ideen der Spieler gewichtet werden können).
2.) Jeder Schlagabtausch enthält eine Faktenwirkung bei der der Aktive Spieler eine Beschreibung vorgibt und der Verteidiger auf die Beschreibung reagieren muss. Ist die Beschreibung nicht passend, so wird die Aktion als Konter gewertet und hat höheres Risiko.
3.) Die Faktenwirkung ist extrem mächtig und befähigt den Aktiven Spieler taktisch vorzugehen indem das beschrieben wird was ihm Vorteile bringt (dadurch gibt es keine abstrakten Mechanismen sondern alle Kampftaktik findet ingame statt.)
4.) Nur das was am Spieltisch erwähnt wird hat Faktenwirkung. Dadurch ist immer nur das relevant, was die Spieler bespielen wollen (Distanz, Flankieren, Umgebung nutzen, Waffeneinsatzgebiete, Höherer Stand, Spezialmanöver, Abgründe usw.)
5.) Bei einem gewonnenen Schlagabtausch wird durch die Faktenwirkung auch nebenbei die Situation für den nächsten Schlagabtausch gesetzt und zusätzliche Fakten geschaffen. (Hat jemand die Angriffsdistanz gewechselt?, wurde jemand zu Boden geworfen/in die Ecke gedrängt usw?)
6.) Schadenssystem fokussiert nicht Kamffortschritt sondern das erzeugen von neuen Spielsituationen (mit entsprechendem Drama, ingame Erlebnis und taktischen Veränderungen)
7.) Initiative ist kein Verwaltungsakt sondern ergibt sich aus der Situation heraus. Gleichzeitig wird Kampfbereitschaft/Überraschung oder Ahnungslosigkeit (Stichwort Anschleichen/Knockout) wichtig genommen.
8.) Es gibt einen Fog of War. Das bedeutet, dass nur Spielerzentriert der Kampf abgehandelt wird und nicht alle Parteien simuliert werden. Nur die Gegner, die mit den SC interagieren werden simuliert. Dadurch wird das Spiel nochmal schneller und hat mehr First-Person-Wirkung.
9.) Es gibt eine KI der Gegner: Wie verhalten sich gegner bei Verwundung, Unterzahl, Überzahl, was ist ihre Kampftaktik und was ist ihre Motivation zu kämpfen. Dadurch ist das vollständige töten aller Gegner der seltenste Fall und Wunden und Kämpfe insgesamt wirken gefährlicher und riskanter. Erlebnisfokus eben.

Nunja, soviel zu meinen Überlegungen. Ich möchte Mystix hier nicht bewerben, aber es fokussiert eben wonach Beral gefragt hat. So wie ich das Sehe klappt das bisher recht gut. Insbesondere mit wenigen Kampfteilnehmern macht es richtig Spaß. Da man hier als SL Ressourcen im Kopf frei hat anspruchsvolle Gegner zu verwalten und den Spielern zu ihren kreativen Aktionen auch kreative Herausforderungen zu stellen. In größeren Schlachten ist der SL ordentlich gefordert alles im Kopf zu behalten und man muss unter Umständen mehrere unabhängige Kampfgruppen nacheinander abhandeln. Sprich der Nachteil ist bisher ganz klar die Skalierbarkeit.

Interessanterweise habe ich gerade durch den Tick-System-Thread vor kurzem mein Initiative-System ein wenig überarbeitet so dass es in Zukunft besser skaliert. Ein Test steht aber noch aus. Es ist kein Tick-System geworden aber es hat dessen visuelle Komponente. Mal sehen ob es funktioniert.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 29.06.2013 | 22:35
Alles was nicht Kommunikation ist, muss in irgendeiner Art und Weise Regeln haben aus dem oben genannten Grund.
Am Kampf hängt unmittelbar die Existenz des Charakters. Daher sind ihn betreffende Regelsysteme feinkörniger.

Da entgegne ich, dass ich sowohl Einiges an Kommunikation nicht ausspielen, sondern verregelt haben will als auch diverse lebensbedrohliche Sachen (Stürze, Feuer, Bergsteigen etc. pp.) nicht so fein geregelt haben muss wie den Kampf.

Dazu kam mir gerade folgender Gedanke:
Eine Bergbesteigung oder ein Gespräch kann ich im Gesamtverlauf sinnvoll zusammenfassen, ohne auf jede kleinste Einzelheit einzugehen.
Wenn es wichtig ist, behandle ich Teilbereiche regelseitig, z.B. eine lange, aber leichtere und eine kurze, schwerere Etappe am Berg.

Es wird aber selten so sein, dass jeder einzelne Handgriff oder jeder einzelne Satz das Geschehen entscheidend beeinflussen können. Für einige Handgriffe oder Sätze mag das gelten - aber die kann ich dann ja auch gesondert beleuchten bzw. gezielt darauf hinspielen.

Im Kampf passiert in kürzerer Zeit mehr, was deutliche Konsequenzen haben kann. Das lässt sich nicht verlustfrei zusammenfassen.


Vielleicht ist es ja so, dass feinkörnige Regeln die Action näher an unsere Vorstellung heranholen und wir so mehr das Gefühl haben, unser Charakter sei tatsächlich gerade jetzt existenziell bedroht. Die Kamera fährt, um beim Filmvergleich zu bleiben, näher ans Geschehen ran, wenn die Action zunimmt, sprich: die Regeln detaillierter werden. 

Das ist zumindest bei vielen feinkörnigeren Systemen eine Zielsetzung.
Scheitern kann das daran, dass man für die Umsetzung zu viel Zeit braucht (was einem beim Film als reiner Zuschauer logischerweise nicht passieren kann) oder die Regelmechanismen nicht sonderlich gut geeignet sind.
Damit auch ich beim Filmvergleich bleibe:
Wenn man - am Besten noch in Zeitlupe - nah ran zoomt, fallen unsauber ausgeführte Stunts und schlechte Spezialeffekte viel eher auf ;)

Damit verliert man eben manchen Zuschauer.

Abstraktere/grobere Regeln sind dann irgendwie das Äquivalent zum Chaos Cinema...

OT:
Ich denke, dass wir im Rollenspiel häufig das erleben wollen, was wir in Actionfilmen sehen wollen. Und seitdem die Matrix-Reihe in der Welt ist, interessieren wir uns mehr als früher für furiose Martial-Arts-Sequenzen

Hat Matrix die Sehgewohnheiten wirklich langfristig so stark beeinflusst?
Nach dem ersten Teil gab es ja einige Trittbrettfahrer und Klone, auch medienübergreifend, aber mittlerweile hat sich das meiner Wahrnehmung nach weitestgehend erledigt.
Und da ging es auch eher um die "bullet time" als solche und weniger um furiose Martial Arts - da ist Matrix nämlich nichts soo Besonderes *find*

Ggf. rüber in den "Sehen"-Thread...
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Xemides am 29.06.2013 | 22:51
Ich behaupte, dass die feine Skalierung im Sekundentakts bzw. der einzelnen Aktion (Schlag, Parade) die bildliche Vorstellung des Kampfes be- oder gar verhindert.

Ich behaupte das Gegenteil. Meine Phantasie braucht eine gewisse Auflösung, um sich einen Kampf vorzustellen.

Benutze ich ein System mit passiver Parade, habe ich überhaupt kein Bild im Kopf (meine Befürchtung für Splittermond). Das sielt sich für mich wie ein Bretttspiel, etwa wie Risiko Da entsteht kein Bild eines Zweikampfes bei mir.

Bei Attacke und Parade, sei es Midgard, DSA oder Dungeonslayers fällt es mir sehr leicht, mir einen Schlagabtausch vorzustellen.

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Thandbar am 29.06.2013 | 22:58
OT:
Hat Matrix die Sehgewohnheiten wirklich langfristig so stark beeinflusst?
Nach dem ersten Teil gab es ja einige Trittbrettfahrer und Klone, auch medienübergreifend, aber mittlerweile hat sich das meiner Wahrnehmung nach weitestgehend erledigt.
Und da ging es auch eher um die "bullet time" als solche und weniger um furiose Martial Arts - da ist Matrix nämlich nichts soo Besonderes *find*

Ggf. rüber in den "Sehen"-Thread...

Ohne ein Experte zu sein, denke ich, dass es eine kontinuierliche Entwicklung gibt und Matrix die Standards - und das Tempo - "östlicher" Martial-Arts-Action ins westliche Mainstream-Kino hineinbrachte. Was Choreographie und Pacing angeht, haben sich unsere Sehgewohnheiten schon ziemlich verändert, finde ich, und Matrix ist da für mich schon ein wichtiges Bindeglied.
Einen Roger-Moore-Bond fände man heute eher unglaubwürdig. Zwischen den Kämpfen der alten und neuen Star-Wars-Filme tut sich ein tiefer Graben auf. In Willow wird weit unbeholfener gefochten als im Hobbit, und der alte Khan kloppt sich anders als der neue.

Bei Rollenspielen scheint es mir schon so zu sein, dass der Eastern-Einfluss schon teilweise spürbar ist. Manchmal schlägt es sich auch in so Kleinigkeiten nieder wie einem À-La-Mode-Gun-Akimbo-Feat.
  
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: AceOfDice am 30.06.2013 | 09:56
Ich vermute, es geht viel um Berechenbarkeit. Am Kampf sind x Leute beteiligt, jeder will/soll sich einbringen, und es soll ja auch ein gemeinsames Planen möglich sein. Wenn sich die Spieler einen Plan überlegen, dann zieht der ins Kalkül, dass sie in Kürze dran sind, die SCs da und dort positioniert sind und nun Gelegenheit haben, dieses oder jenes zu tun.

Je feiner der Kampf aufgedröselt wird, desto berechenbarer sind Position, Aktion und Effekt aller Beteiligten. Das Geschehen wird taktischer und simulationistischer. Je gröber/abstrakter der Kampf abgehandelt wird, desto mehr Raum ist für Erzählung und Kreativität - allerdings um den Preis des Unvorhersehbaren. Als Spieler kann ich damit weniger "vorplanen" und muss auch spontaner sein.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: 1of3 am 30.06.2013 | 10:03
Zitat
Je feiner der Kampf aufgedröselt wird, desto berechenbarer sind Position, Aktion und Effekt aller Beteiligten. Das Geschehen wird taktischer und simulationistischer.

Naja, nein. Nur wenn das System eben simulieren will. Ich kann sehr komplexe Regeln schreiben, die das nicht tun.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Boba Fett am 30.06.2013 | 10:11
Traditionelle Kampfsysteme sind so feinkörnig, weil diese Form der Konfliktaustragung in vielen Rollenspielen Kerninhalt ist und weil sie die ernstesten Konsequenzen für die Charaktere bieten. Daher versucht(e) man hier möglichst viel regeltechnisches Mitgestaltungs- und -entscheidungsrecht auf die Spieler zu übertragen (Charakterwerte und taktische Manöver) und möglichst unanfechtbare ('faire') Resultatsermittlungsmethoden zu schaffen. Und sicherlich war der Plausibilitätsgedanke auch oft Mitwirker im Entscheidungsprozess.

"Moderne" Systeme haben gezeigt, dass es auch anders geht.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 30.06.2013 | 10:25
Taktik, mehrere Würfe bis zur Entscheidung, lebensbedrohliche Konsequenzen, Zufallselement - das alles geht auch in gröberer Auflösung.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: killedcat am 30.06.2013 | 10:35
Taktik, mehrere Würfe bis zur Entscheidung, lebensbedrohliche Konsequenzen, Zufallselement - das alles geht auch in gröberer Auflösung.
Gröber als was? Ab wann ist es taktisch? Wieviele Würfe sind genug? Wieviele Konsequenzen sind denkbar und wie genau sollen sie geregelt sein? Zufallselemente wofür: für's Treffen, den Schaden, die Konsequenzen, die Abwehr, ...?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arkam am 30.06.2013 | 10:41
Hallo zusammen,

mir kommt noch ein Gedanke. Die präzise Beschreibung nach Regeln oder der Aufbau auf einer Battle Map sorgen dafür das die Vorstellungen der Spieler gleich bleiben.
Ich hatte mit DSA 1 schon Mal einen Kampf, Spielercharakter gegen Spielercharakter den wir erst ohne Aufbauen angefangen haben. Nachdem sich dann aber in einer entscheidenden Situation heraus stellte das die Spieler unterschiedliche Vorstellungen hatten haben wir den Kampf mit Aufbau noch Mal wiederholt.

Ein Beispiel für ein grobkörniges System das Taktik, mehrere Würfe bis zur Entscheidung, lebensbedrohliche Konsequenzen und Zufallselement zusammen abdeckt würde mich auch interessieren.

Gruß Jochen
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: ChaosAmSpieltisch am 30.06.2013 | 10:43
Ich denke, der Kampf ist oft feinkörniger als der Rest des Regelsystems, weil das von den Spielern so gewollt wird.

Kampf ist ein Mittel der Konfliktlösung, welcher im Rollenspiel gerne zentral angewandt wird. Entsprechend viel Platz nimmt er entsprechend in den Systemen ein.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Boba Fett am 30.06.2013 | 11:03
Taktik, mehrere Würfe bis zur Entscheidung, lebensbedrohliche Konsequenzen, Zufallselement - das alles geht auch in gröberer Auflösung.
Du musst mein Statement oben als UND Verknüpfung mehrer Faktoren lesen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: 1of3 am 30.06.2013 | 11:06
Naja, es geht eben auch alles zusammen.

Wir würfeln 3 mal. Du musst zwei Würfe schaffen. Schaffst du das nicht, bist du dem Sieger ausgeliefert. Du kannst einen Würfel wiederholen, indem du eine deiner Connections setzt. Vergeigst du den Wurf trotzdem, muss die Connection dran glauben.

Trollbabe (leicht zusammengefasst).
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Boba Fett am 30.06.2013 | 11:10
@1of3: gefragt war die Intention, die hinter der Feinkörnigkeit von Kampfregeln steckt(e), nicht, ob diese anders erreicht werden kann. Abgesehen davon schrieb ich auch nichts anderes:

"Moderne" Systeme haben gezeigt, dass es auch anders geht.

Andere Systeme, die das nicht machen und die auch erlauben längere Kampfsequenzen vor dem immersiven Auge abzuspulen: Wushu
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 30.06.2013 | 11:30
Gröber als was? Ab wann ist es taktisch? Wieviele Würfe sind genug? Wieviele Konsequenzen sind denkbar und wie genau sollen sie geregelt sein? Zufallselemente wofür: für's Treffen, den Schaden, die Konsequenzen, die Abwehr, ...?
Ich nehme jetzt auch mal ein Filmbeispie. (Obwohl ich den ständigen "Äkschnfilm"-Vergleich an sich nicht für zielführend halte, weil Rollenspiele nun mal keine Filme sind.)
http://www.youtube.com/watch?v=BEtPluUi0_U

Hier speziell die Sequenz von 1:11 bis 1:35.

Das könnte im Rollenspiel so aussehen:
a) Diese Sequenz umfasst 8 Kampfrunden, in denen Cunningham zunächst eine Serie von 7 Attacken startet, die von Rob Roy jeweils pariert werden, worauf hin Cunningham, der noch die Initiative hat, eine Aktion "Orientierung" benutzt, anschließend 2 Finten benutzt, um nach einer weiteren Orientierungsaktion den Fintenbonus für einen konzentrierten Angriff einzusetzen, der trifft und Rob Roy 7 Lebenspunkte kostet. Alles in allem ca. 20 Würfe und vielleicht 2 Minuten Spielzeit.

b) Diese Sequenz umfasst einen Teil der ersten Kampfrunde. Cunningham würfelt einmal für Angriff, wobei er gleich zu Beginn des Kampfes einen Punkt aus seinem Trick-Pool verbrät. Rob Roy geht ein Risiko ein, indem er auf die Benutzung von Trick-Punkten verzichtet, schafft die Abwehr nicht und erhält eine Wunde. Alles in allem 3 Würfe und vielleicht 20 Sekunden Spielzeit.

Wird damit klar, was in meinen Augen der Unterschied ist?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Eulenspiegel am 30.06.2013 | 11:50
Das, was in einem Rollenspiel im Zentrum steht, ist am feinkörnigsten und Detailliertesten geregelt. Klassischerweise interessieren sich die Spieler für Kampf, weshalb auch der Kampf im Zentrum steht. Deswegen wird dieser am stärksten geregelt.

Bei anderen Systemen, wo nichtkämpferische Aspekte im Vordergrund sind (Breaking the Ice, DitV, Detektiv-RPGs), werden dann andere Sachen detaillierter geregelt als der Kampf.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 30.06.2013 | 12:47
Das Matrix-Beispiel fand ich sehr geil und ist auch im Grunde das, was ich mir unter einem spannenden Kampf vorstelle. Aber: Ich glaube sowas nutzt sich ab. Zeitlupen sind beim ersten Mal noch cool aber wenn die ganze Szene aus Zeitlupen besteht sieht das schnell anders aus. Interessanter wäre es, den Kampf in relativ zügiger Geschwindigkeit runterlaufen zu lassen und diese Zeitlupen nur bei wichtigen Momenten anzuwenden. Aber ich kenn kein System, dass das so macht.

Ich finde das Matrix-Beispiel auch schön, sehr viele wollen ja auch in den Details im Kampf glänzen, z.B. mit den Spezifika ihrer Waffen, eigene Taktiken etc., nur ist das Problem, dass bei größeren Kämpfen die Dramatik dann in der "Dauerzeitlupe" leicht verlorengeht...

Ein gut brauchbarer Ansatz in diese Richtung sind Mook-Regeln, die ja von vielen Systemen mitgebracht werden oder sich ggf. leicht reinhacken lassen. Um zu verhindern, dass sich die Zeitlupe in einer cineastisch dramatischen Szene schnell abnutzt müssen wir den Fokus von den vielen eher routinemäßigen Abläufen, die in einem normalen Kampf ja immer vorkommen, wegziehen.
Wenn man also z.B. gegen 6 Wachen, deren Hauptmann und einen Magier kämpft - und die Spieler-Charaktere den Wachen ziemlich überlegen sind - muss die Zeitlupe natürlich zum Hauptmann u. Magier, aber nicht zu den Wachen. Zugleich sollte IMHO aber die kleine Chance (und somit die Spannung) bestehen bleiben, dass z.B. bei einer Wache doch etwas ziemlich schief läuft und hier wider Erwarten auch ein Spotlight entsteht - das wäre dann quasi die Chance, dass der Spieler es völlig verpatzt oder die Wache einen sehr glücklichen, kritischen Treffer landen kann.
Prinzipiell ist es dann kein Problem die Kämpfe mit den Wachen jeweils auf einen ganz kurzen Wettstreit zu reduzieren (einzelner vergleichender Wurf), der direkt entscheidet, wer obsiegt und aus der Qualität des Wurfes noch ableitet, ob der Spieler dabei eine relevante Verletzung mitnimmt. Die Beschreibungen und Details dazu überlässt man dem SL. Nur im Falle eines sehr ungewöhnlichen Resultats würde man dort reinzoomen und es detaillierter auflösen. Auf diese Weise kann die meiste Zeit auf den Hauptteil des Kampfes konzentriert werden...


Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: 1of3 am 30.06.2013 | 12:54
Das, was in einem Rollenspiel im Zentrum steht, ist am feinkörnigsten und Detailliertesten geregelt. Klassischerweise interessieren sich die Spieler für Kampf, weshalb auch der Kampf im Zentrum steht. Deswegen wird dieser am stärksten geregelt.

Oder interessieren sich die Leute dafür am meisten, weil es so ausführlich ist? Das ist ein Dino-Ei-Problem. Wir haben eben tradierte Muster, wie Rollenspiele aussehen. Aufgeklärte Leute haben gelernt diese Muster zu durchschauen und zu hinterfragen. Das ist eben nicht die Mehrheit.

Es braucht ja auch Level 6 auf der Fertigkeit (http://de.wikipedia.org/wiki/Lernziel#Klassifizierung_von_Lernzielen). ;)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arldwulf am 30.06.2013 | 13:01
Das Hauptproblem ist: Nichtkampfsituationen sind ungemein komplex und vielschichtig. Das macht es so schwierig ein System zu bauen das sie einerseits feinkörnig abdeckt, andererseits aber auch möglichst alle abdeckt. Im Kampf gibt es zwar immer noch viel Variabilität, aber zumeist doch ähnliche Zielsetzungen und Situationen die man umsetzen kann.

Deshalb sind Nichtkampfsysteme generischer, weniger präzise und feinkörnig, und stärker auf Spielleiterentscheidungen angewiesen. Teilweise kann man dass Problem umgehen indem man nur einzelne Aspekte betrachtet. Aber zum einem bleibt dann immer noch viel übrig. Und zum anderem ist selbst dann noch vieles zu komplex um es sinnvoll feinkörnig abzubilden.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 30.06.2013 | 13:04
Sehr grobkörnige Konfliktauflösungen können im Kontrast prinzipiell sehr gut sein, für mich z.B. besteht aber oft das Problem, dass es schnell passiert, dass sich die Dinge sehr beliebig/willkürlich anfühlen, wenn alles sehr abstrakt und mit Handwink des Spielleiters entschieden wird... Wenn man aber auf abstrakte Weise ermöglicht die jeweils gefühlt wichtigen Details im Kampf als Vor-/Nachteile einzubringen und das Gefühl der Herausforderung gut hinkriegt, finde ich sehr grob auflösende Konzepte ziemlich spannend. Da möchte ich auch noch mehr anspielen, mal schauen was überzeugen kann... ;-)

Am ungünstigsten vom Ansatz her jedenfalls finde ich persönlich die vielen existierenden Lösungen, die zwar "einigermaßen" detailliert sein wollen, dann aber auf der Detailebene viele (faule) Kompromisse eingehen, so dass es am Ende ein Flickenteppich-Konzept ist, dass nicht logisch konsistent ist. Da sollte man IMHO besser immer versuchen eine möglichst feine Auflösung beizubehalten und optionales Rauszoomen ermöglichen (oder umgekehrt standardmäßig grob und fein reinzoomen). Aber unabhängig von den Designproblemen gibt auch hier natürlich viele Varianten, die trotzdem einfach viel Spaß machen, je nach Laune und Spielerpräferenzen ist das ja sowieso immer unterschiedlich auf welche Aspekte man grad mehr wert legt etc.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: 1of3 am 30.06.2013 | 13:09
Das Hauptproblem ist: Nichtkampfsituationen sind ungemein komplex und vielschichtig.

Ulkig. Ist doch für Kämpfe das gleiche.

Ist aber auch egal: Wir kodieren ja nicht Elemente, die wir vorfinden. Wir finden Elemente, weil wir sie kodieren wollen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Praion am 30.06.2013 | 13:13
Das Hauptproblem ist: Nichtkampfsituationen sind ungemein komplex und vielschichtig. Das macht es so schwierig ein System zu bauen das sie einerseits feinkörnig abdeckt, andererseits aber auch möglichst alle abdeckt. Außerhalb des Kampf gibt es zwar immer noch viel Variabilität, aber zumeist doch ähnliche Zielsetzungen und Situationen die man umsetzen kann.

Funktioniert so genauso.

Hinzu kommt, dass taktische Kämpfe aus der Vogelperspektive dieses chaotische in Kämpfen gar nicht abdecken. Von oben als Spieler kannst ud ganz in Ruhe deine Entscheidungen treffen und ggf. wieder ändern. In richtigen Stresssituationen verlässt man sich dann doch wesentlich mehr auf instinkt und antrainierte Verhaltensmuster. Wenn ich jede Sekunde neu entscheiden kann was ich mache fühlt sich das wesentlich anders an als wenn ich meine Handlung für die nächsten 5 Sekunden festlegen muss, egal ob die funktionieren oder nicht. Wenn ich mich entscheide jetzt sofort zuzuschlagen und dann nach hinten wegzuspringen dann führt man meistens diese Handlungsabfolge so aus. Wenn man merkt, dass man mit der Planung falsch liegt ist es meistens schon zu spät weil der Körper noch den vorherigen Anweisungen führt.
Diese Idee fehlt in den meisten Kampfsystemen irgendwie.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arldwulf am 30.06.2013 | 13:22
Funktioniert so genauso.

Nein, Kämpfe sind vergleichsweise simpel (nicht falsch verstehe - es ist immer noch eine komplexe Situation die nur teilweise von den Systemen abgedeckt werden kann. Es ist komplex - nur auf niedrigerem Level)

Beispielsweise sind die Ziele in einem Kampf zumeist ähnlich. Überleben, an irgendwem vorbeikommen, jemand retten/schützen, jemanden an der Flucht hindern. Viel mehr Ziele sind es dort schon gar nicht. Vergleiche ich dies mit Nichtkampfsituationen so ist die Anzahl möglicher Ziele viel komplexer und letztlich unübersehbar.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: 1of3 am 30.06.2013 | 13:27
Das ist doch jetzt nur so, weil du quasi alles andere in eine Schublade ablädst.

Was kann man auf einer Party wollen? Sich vollaufen lassen, tanzen, interessante Gespräche führen, neue Leute kennen lernen, flirten, was abschleppen.

Was kann man im Straßenverkehr wollen? Ankommen, Sprit sparen, angeben, die Landschaft genießen.

Was kann man im Unterricht wollen: Den Stoff lernen, mit den MitschülerInnen fraternisieren, über Gott, die Welt und den Arsch des Lehrkörpers nachdenken.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 30.06.2013 | 13:35
Naja, es ist schon richtig, dass in Bezug auf die Zielsetzung die Komplexität von Kämpfen sehr überschaubar ist (Angreifen/Fliehen/Jemand retten/...),  in Bezug auf die tatsächliche Ausführung/Praxis ist es dann aber wieder enorm komplex...
Und zwar in der Aktionsumsetzung IMHO meist deutlich komplexer - in Bezug auf die spezifischen Auswirkungen auf den Charakter viel weniger vorhersagbar - als typische Alltagssituationen wie mit dem Auto zur Arbeit fahren, sich dort Kaffee machen, mit Kollegen zu reden, seine Büroarbeit zu erledigen, was essen, einkaufen fahren etc. Ich denke das ist auch einer der wesentlichen Unterschiede: Diese ganzen Alltagstätigkeiten <machen wenig mit uns>. Wir kriegen die ein oder andere neue Information, machen vielleicht einen kleinen Fehler für den man sich entschuldigen muss, bezahlen mal etwas zu viel beim Einkaufen oder finden ein Sonderangebot etc. - kaum etwas das uns wirklich verändert.


Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: alexandro am 30.06.2013 | 13:39
Lies dich mal in die Dialogtheorie ein. Dann wirst du sehen, dass "mit jemanden reden" ebenso komplex ist (wenn nicht sogar mehr) wie jeder Kampf.

Und wenn die tatsächliche Ausführung von Autofahren so einfach wäre, warum haben wir dann so komplexe Fahrprüfungen?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Eulenspiegel am 30.06.2013 | 13:43
Oder interessieren sich die Leute dafür am meisten, weil es so ausführlich ist?
Der Hobby-Psychologe in mir sagt: Kampf ist eine Sache, die tief in unseren Genen verankert sind, aber kein Bestandteil der heutigen modernen Gesellschaft mehr ist. Daher erweckt der Kampf eine Faszination in uns, den andere Handlungen niemals wecken könnten.

Es gibt auch bei Brettspielen eine wachsende Zahl an Spielen, die sich mit "Handel und Wirtschaft" beschäftigen (vor allem German Board Games). Aber unangefochtener Platz Nr. 1 ist auch bei Brettspielen nach wie vor diejenigen, die den Kampf behandeln.

Oder man schaue sich nur mal die Blockbuster an: Diese sind zu einem Großteil ebenfalls Filme, in denen Kampf eine bedeutende Rolle einnimmt. (Es gibt zwar auch viele Krimis, Liebesfilme, kampflose Komödien etc., aber diese schaffen es selten bis zum Blockbuster.)

Die Faszination für Kampf ist also kein RPG-spezifisches Phänomen sondern zieht sich über große Teile der Unterhaltungsbranche.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 30.06.2013 | 13:43
Lies dich mal in die Dialogtheorie ein. Dann wirst du sehen, dass "mit jemanden reden" ebenso komplex ist (wenn nicht sogar mehr) wie jeder Kampf.

Das ist schon klar, aber da kommt es sehr auf das Gespräch an.
Ein heftiges Konfliktgespräch ist natürlich übelst krass und unheimlich differenziert, ein typisches Verkaufsgespräch im Laden dagegen meist völlig banal.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 30.06.2013 | 13:47
Dann wirst du sehen, dass "mit jemanden reden" ebenso komplex ist (wenn nicht sogar mehr) wie jeder Kampf.

Die Frage ist, wie weit man es vereinfachen kann, ohne im Hinblick auf den Gesamtverlauf und das Ergebnis zu viel zu verlieren.

Wenn ich weit genug reinzoome, wird alles komplex - spätestens, wenn ich auf neurologischer Ebene angekommen bin.
Aber für die groben Verläufe brauche ich davon nur stark vereinfachte Darstellungen.

Und wenn die tatsächliche Ausführung von Autofahren so einfach wäre, warum haben wir dann so komplexe Fahrprüfungen?

Im Vergleich zu was?
Wie viele Stunden muss man Autofahren lernen, bis man halbwegs brauchbar von A nach B (und durch die Fahrprüfung) kommt?

Da gibt es doch Vieles, was wesentlich schwerer ist.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 30.06.2013 | 13:55
Und wenn die tatsächliche Ausführung von Autofahren so einfach wäre, warum haben wir dann so komplexe Fahrprüfungen?

Ob die komplex ist, finde ich schwer zu beurteilen, durch den Stress aus Sicht des Anfängers sicherlich, aber ich meinte jedenfalls die Alltags-Fahrsituation und die ist trivial. Du fährst eine Strecke, die Du kennst mit einem Wagen, der Dir vertraut ist. Meist heutzutage Stadtverkehr mit genug langweiligen Stop&go-Situationen, hältst an Ampeln, musst ab und an mal Vorfahrt beachten etc., alles ziemlich simpel.
Eine längere oder ungewohnte Autofahrt dagegen ist sicherlich nicht trivial, sowas meinte ich auch nicht. Das merkt man ja allein daran, dass z.B. mehrstündige Fahrten relativ anstrengend sind wegen der Konzentrationsanforderungen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Eulenspiegel am 30.06.2013 | 13:58
@YY
Ich denke, in diesem Punkt unterscheiden sich Kämpfe nicht großartig von Dialogen oder Autofahrten:
Wenn ich nur am Resultat interessiert bin, kann ich alles mit einem einzigen Würfelwurf abhandeln: Ein Würfelwurf auf "Kampf" ist nicht plausibler oder unplausibler als ein Würfelwurf auf "Fahren" oder "Rhetorik".

Das Hereinzoomen ist immer dann gewünscht, wenn man aus der Sache Spannung ziehen will.

Und sobald man hineinzoomt, können auch einzelne Handlungen innerhalb der Gesamtsequenz relevant sein. Beim Kampf ist es die Frage, ob ich offensiv oder defensiv kämpfe, welchen Gegner ich angreife etc.

Beim Fahren ist es die Frage, wie schnell ich durchschnittlich fahre, ob ich einen offensiven oder defensiven Fahrstil habe, ob ich über die Autobahn oder die Nebenstraße fahre, ob ich bei gelber Ampel beschleunige, um noch über die Kreuzung zu gelangen, der aktuelle Gang etc.

Bei Gesprächen ist es relevant, ob man ergebnisoffen oder mit vorgefasster Meinung diskutiert, ob man höflich oder unhöflich ist. Ob man die wahren Argumente bringt oder eine vorgeschobenes Argument, ob man auf persönlicher oder Sachebene redet etc.

Und falls man sich dafür interessiert, kann man das auch gut in Regeln abbilden. (Für Dialoge finde ich z.B. das System von 'Dogs in the Vineyard' extrem gut geeignet.)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Thandbar am 30.06.2013 | 14:00
Der Hobby-Psychologe in mir sagt: Kampf ist eine Sache, die tief in unseren Genen verankert sind, aber kein Bestandteil der heutigen modernen Gesellschaft mehr ist. Daher erweckt der Kampf eine Faszination in uns, den andere Handlungen niemals wecken könnten.

Bücher und Filme funktionieren ja schon oft so: Wenn die Handlung stockt - Action-Sequenz! Raffinierte, fesselnde und spannende Dialoge verfertigen ist schwer. Ein Gefecht ist da immer eine willkommene Auflockerung.
Allerdings begründet diese Feststellung alleine nicht unbedingt die Feinkörnigkeit von Kampf-Systemen, oder?

Ich habe früher immer gedacht, dass der Kampf in Rollenspielen deshalb so wichtig ist, weil man da wirklich sterben kann, und weil gescheiterte "sonstige Sachen" (Verhandlungen, Einbruch, Bluffen und Verkleiden) meistens auch wieder auf Kampf hinauslaufen, so dass man gut beraten ist, darin auch gut zu sein und das dann möglichst auch fein ausgeregelt haben möchte.

Mittlerweile glaube ich, dass ein Großteil dieser kampffixierten Logik Tradition ist - immerhin entstanden Rollenspiele ja aus Kriegssimulationen. Wenn es aber rein um die Wichtigkeit des Überlebens geht, müsste man zb auch Stoffwechselvorgänge regeltechnisch sehr gründlich darstellen (Bin ich infiziert? Tödlich Vergiftet? Kann ich meine Antikörper rechtzeitig mobilisieren?).

Wenn ich ehrlich bin, finde ich zusätzliche Detailgrade in vielen Dingen außerhalb des Kampfes auch nicht so aufregend. Zusätzliche Würfe, ob ich die Petrischale richtig halte? Eine klein-kleine Verregelung über jedes gesprochene Wort, während ich am Tisch die Rede doch selber halten kann? Ein Extrawurf, um die Beine beim Absprung auch richtig anzuziehen? Das scheint mir nicht sonderlich spannend zu sein. Bei der feinkörnigen Aufgliederung des Kampfes habe ich zumindest, wenn das System stimmt, ein dramaturgisch interessanteres Bild vor Augen.  
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: 1of3 am 30.06.2013 | 14:01
Zitat
Oder man schaue sich nur mal die Blockbuster an: Diese sind zu einem Großteil ebenfalls Filme, in denen Kampf eine bedeutende Rolle einnimmt. (Es gibt zwar auch viele Krimis, Liebesfilme, kampflose Komödien etc., aber diese schaffen es selten bis zum Blockbuster.)

Wie ist es denn, was hat höhere Einschaltquoten? Der Blockbuster auf Pro7 oder der Tatort auf dem Ersten? Oder gar Rosamunde Pilcher auf dem Zweiten?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Eulenspiegel am 30.06.2013 | 14:11
Bücher und Filme funktionieren ja schon oft so: Wenn die Handlung stockt - Action-Sequenz! Raffinierte, fesselnde und spannende Dialoge verfertigen ist schwer. Ein Gefecht ist da immer eine willkommene Auflockerung.
Allerdings begründet diese Feststellung alleine nicht unbedingt die Feinkörnigkeit von Kampf-Systemen, oder?
Ich denke: Doch, das ist der einzige Grund für die Feinkörnigkeit.

Zitat
Mittlerweile glaube ich, dass ein Großteil dieser kampffixierten Logik Tradition ist - immerhin entstanden Rollenspiele ja aus Kriegssimulationen. Wenn es aber rein um die Wichtigkeit des Überlebens geht, müsste man zb auch Stoffwechselvorgänge regeltechnisch sehr gründlich darstellen (Bin ich infiziert? Tödlich Vergiftet? Kann ich meine Antikörper rechtzeitig mobilisieren?).
Richtig, das sind Sachen, die extrem wichtig sind, den Durchschnittsbürger aber nicht interessieren. Deswegen gibt es dafür keine Regeln.
Falls man aber mal ein Krankenhaus-RPG schreibt, würde ich diese Sachen alle verregeln, da sie dann im Fokus des Interesses liegen.

Wie ist es denn, was hat höhere Einschaltquoten? Der Blockbuster auf Pro7 oder der Tatort auf dem Ersten? Oder gar Rosamunde Pilcher auf dem Zweiten?
Warum glaubst du, heißt ein Blockbuster "Blockbuster"?
Und wer hatte im Kino Millionen eingenommen: Der Blockbuster, Tatort oder gar Rosamunde Pilcher? (Bzw. Warum lief der Blockbuster vorher im Kino und Tatort kam nie im Kino?)

Btw, den Öffentlich-Rechtlichen kann die Einschaltquote recht egal sein.
Bei den Privaten gilt jedoch, dass eine höhere Einschaltquote auch zu höheren Werbeeinnahmen führt.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 30.06.2013 | 14:12
Was das große US-Kino angeht, habe ich mal eine schöne Statistik gesehen, die zeigte, dass es - abseits jeglicher inhaltlicher Ausgefeiltheit etc. - leider tatsächlich im Vergleich diverser Kassenschlager einen direkten Zusammenhang zwischen den Einspielergebnissen und der Anzahl an Explosionen pro Film gab  - je mehr Boom!, desto mehr Cash, war wirklich so! ;D
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 30.06.2013 | 14:18
Aber wirklich gute Regeln für den Fall dramatischer bzw. brisanter Dialogsequenzen - die das Ausspielen durch spezielle Konsequenzen erweitern etc. - scheinen leider wirklich eine Seltenheit zu sein, da würde ich mir auch mehr Details wünschen... (Was gibt es denn noch so an Empfehlungen?)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 30.06.2013 | 14:50
Gröber als was?
Gröber als ein Schlag.

Übrigens habe ich ad&d gespielt und die eine Minute als Kampfrunde fand ich fürchterlich. Ich selbst habe die Regelbücher nicht gewälzt, aber meine Mitspieler haben mir keine bildliche Darstellung liefern können, was in dieser Minute passieren soll. Halt irgendwie eine Reihe von Angriffen und Paraden. Größere Zeiteinheiten machen es nicht automatisch besser (aber das war auch nicht meine Hypothese!). Da wir uns nicht vorstellen konnten, was in dieser Minute genau geschehen sollte, haben wir ingame nur einen Schlag ausgespielt. Aber wir haben generell sehr viele Regeln ignoriert, so dass ich die Schuld für komisches Systemverhalten nicht gleich dem System zuschreiben würde.

Ab wann ist es taktisch? Wieviele Würfe sind genug? Wieviele Konsequenzen sind denkbar und wie genau sollen sie geregelt sein? Zufallselemente wofür: für's Treffen, den Schaden, die Konsequenzen, die Abwehr, ...?
Ja, gute Fragen. Aber von der Skalierung völlig losgelöst. Warum drängt sich der einzelne Schlag so sehr als kleinste Einheit auf? Vielleicht weil die Regelautoren vom Kampf keine Ahnung haben und dem Laien der einzelne Schlag als sinnvolle Einheit erscheint? Weil er so ins Auge springt?

Nehmen wir doch mal einen Boxkampf. 12 Runden Kampf, 36 Minuten Kampfzeit, hunderte von Treffern auf beiden Seiten. Worin besteht denn die Taktik? Ist die Aufteilung in einzelne Schläge denn die beste Möglichkeit zur Darstellung eines Boxkampfes?

Taktik, mehrere Proben und Zufallselement gingen auch anders. Für die erste Runde beschließt mein Kämpfer defensives Verhalten und die Wahrung von Distanz. Die Runde will er nutzen, um die Vorgehensweise des Gegners zu analysieren. Würfeln wir, wie gut das gelingt. Gern separat für die Defensive und die Analyse. In der zweiten Runde will der Kämpfer weiter defensiv bleiben und den Gegner auspowern lassen. Derweil sucht er weiter nach Schwachstellen. In der dritten Runde will mein Kämpfer den Gegner moralisch destabilisieren, indem er eine kleine, aber wilde Offensive startet und so andeutet: "Ich bin da und hellwach und kann dich plätten, wenn ich es nur will". Würfeln wir darauf und schauen, wie gut das gelingt.

In diesem Beispiel umfasst jede Kampfrunde gleich drei Minuten im Ring. Das ist eine sehr grobe Auflösung im Vergleich zum einzelnen Schlag. Ich persönlich kann mir darunter sehr intensiv etwas vorstellen, kann dem Kampfverlauf sehr gut folgen. Wie ist es bei euch?

Diese Vorgehensweise ermöglicht übrigens weiterhin gedankliche Zeitlupen. Beim vergleichenden Wurf von meiner Dedensive und des Gegners Offensive gelingt dem Gegner ein kritischer Treffer. In der Mitte von Runde drei hat mein Kämpfer eine kurze Unkonzentriertheit, der Gegner zieht mit einem Körpertreffer die Deckung runter und gleich darauf landet ein seitlicher Schwinger an der Schläfe meines Kämpfers. Schweiß, Speichel und Mundschutz fliegen seitlich davon, die Augen werden schlagartig glasig, der Körper rotiert um seine Längsachse, während die Knie weich werden und der Kämpfer unkontrolliert zu Boden sackt. Verschwommen sieht er den Boden, die leichtfüßig trippelnden Füße des Gegners und wie einen Blinker die Finger des Ringrichters, die im Gesichtsfeld auftauchen und gleich wieder verschwinden. Machen wir mal eine Konstitutionsprobe.

Die Argumente, die hier ins Feld geführt werden, sind allesamt ok. Kampf ist zentral, er ist wichtig, wir wollen ihn, wir wollen ihn detailliert, es soll spannend und offen sein. Alles prima. Nur braucht man für all das nicht den Schlag oder die Sekunde als Grundeinheit.

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 30.06.2013 | 15:14
In diesem Beispiel umfasst jede Kampfrunde gleich drei Minuten im Ring. Das ist eine sehr grobe Auflösung im Vergleich zum einzelnen Schlag. Ich persönlich kann mir darunter sehr intensiv etwas vorstellen, kann dem Kampfverlauf sehr gut folgen. Wie ist es bei euch?

Finde ich für das Beispiel des Boxkampfs sehr gelungen. Die Frage ist aber was man daraus allgemein übertragen könnte, denn z.B. die meisten Selbstverteidigungssituationen in der Realität (also richtige Kämpfe abseits des Sports) dauern nur wenige Sekunden... (in Bezug auf die physischen Aktionen, Vorgeplänkel etc. könnte je nach Situation natürlich noch dazu zählen)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: 1of3 am 30.06.2013 | 15:18
Ja, gute Fragen. Aber von der Skalierung völlig losgelöst. Warum drängt sich der einzelne Schlag so sehr als kleinste Einheit auf? Vielleicht weil die Regelautoren vom Kampf keine Ahnung haben und dem Laien der einzelne Schlag als sinnvolle Einheit erscheint? Weil er so ins Auge springt?

Die Analyse ist zweifelsfrei richtig. Aber warum sollten sie Ahnung haben müssen?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 30.06.2013 | 15:19
Nehmen wir doch mal einen Boxkampf. 12 Runden Kampf, 36 Minuten Kampfzeit, hunderte von Treffern auf beiden Seiten. Worin besteht denn die Taktik? Ist die Aufteilung in einzelne Schläge denn die beste Möglichkeit zur Darstellung eines Boxkampfes?

(Parallelpost zu OldSam)

Zwei Punkte:
Zum Einen hat ein Boxkampf eine ganz andere Struktur als ein "echter" Kampf, basierend sowohl auf den Zielen der Beteiligten als auch auf den Regeln und der verwendeten Ausrüstung.
Zum Anderen hat er im Vergleich wahrscheinlich deutlich weniger ernste Konsequenzen.

Ich hätte auch in sonst sehr feinkörnigen Systemen kein Problem damit, einen Boxkampf als einzelnen vergleichenden Wurf abzuhandeln, solange er kein zentrales Plotelement ist.


Betrachtet man aber Kämpfe (ggf. mit Waffen) in freier Wildbahn und deutlich anderen Zielsetzungen und Konsequenzen, ergibt z.B. eine minutenweise Abhandlung oder ein einziger Wurf nach jedem Taktikwechsel o.Ä. mMn keinen Sinn.
Diese Kämpfe spielen sich i.d.R. in so kurzen Zeiträumen ab, dass zumindest einzelne Kombinationen/Angriffskomplexe als kleinste Einheit durchaus geeignet sind.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arldwulf am 30.06.2013 | 15:31
Das ist doch jetzt nur so, weil du quasi alles andere in eine Schublade ablädst.

Was kann man auf einer Party wollen? Sich vollaufen lassen, tanzen, interessante Gespräche führen, neue Leute kennen lernen, flirten, was abschleppen.

Was kann man im Straßenverkehr wollen? Ankommen, Sprit sparen, angeben, die Landschaft genießen.

Was kann man im Unterricht wollen: Den Stoff lernen, mit den MitschülerInnen fraternisieren, über Gott, die Welt und den Arsch des Lehrkörpers nachdenken.

Ganz genau. Das ist es ja was ich oben anspreche. Schon eine solche Einzelsituation ist vergleichbar in ihrer Komplexität mit Kämpfen. Würde ich für jedes solches Szenario ein System bauen hatte ich sehr viel Aufwand damit zu betreiben.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Mutifu am 30.06.2013 | 15:43
Anders als in dem Boxkampf sind in vielen Kämpfen auch mehr Personen beteiligt. Wenn ich mir einen Kampf in einem fantasy Szenario vorstelle, dann gibt es dort ganz unterschiedliche Kämpfertypen. Wenn der Fechter in der Zeit, in der der Elf gerade einen Pfeil eingelegt und abgefeuert hat, schon mehrere Attacken und Paraden ausgeführt hat könnte sich der Elfenspieler benachteiligt fühlen. Daher ist es naheliegend einen Bogenschuss und eine Fechtattacke jeweils als eine Aktion zu definieren und jedem Charakter pro Runde genau eine solche Aktion zu geben. 
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: killedcat am 30.06.2013 | 15:58
Ich sag es mal ganz subjektiv:

Für mich hat noch keiner einen besseren Kompromiss aus inuitiv verständlich, ausreichend spannend, spielerisch funktionierend und dabei minimalem Lernaufwand gefunden. Ich hab schon einiges ausprobiert, kehre aber immer wieder zur klassischen Kampfrunde mit einzeln zu würfelnden Aktionen zurück. Ob es realistisch, originell oder artsy ist, interessiert mich dabei nicht.

Wie es anderen geht, weiß ich nicht.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 30.06.2013 | 16:02
Wenn der Fechter in der Zeit, in der der Elf gerade einen Pfeil eingelegt und abgefeuert hat, schon mehrere Attacken und Paraden ausgeführt hat könnte sich der Elfenspieler benachteiligt fühlen. Daher ist es naheliegend einen Bogenschuss und eine Fechtattacke jeweils als eine Aktion zu definieren und jedem Charakter pro Runde genau eine solche Aktion zu geben.  

Das wäre für meine Maßstäbe schon wieder ein relativ grober Ansatz.
Mir fallen einige Systeme ein, die genau so was nicht machen - größtenteils aus simulatorischen Gründen.

SC- bzw. Waffenbalancing scheint mir nicht der Grund für einzelne Angriffe als kleinste Einheit zu sein.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Mutifu am 30.06.2013 | 16:34
Es ist vielleicht nicht "der Grund" aber mir fallen spontan nur drei Möglichkeiten ein mit der Problematik umzugehen:

1. Man akzeptiert den Unterschied und verregelt diesen, was zu einem sehr kleinteiligen Kampfsystem wie z.B. einem Ticksystem Führt.

2. Man passt die Aktionen auf eine Aktion pro Runde an.

3. Man entkoppelt Fiktion und Regeln. Der Elf schiesst einen Pfeil ab, der Fechter setzt mehrere Attacken, Regelmechanisch wirkt sich beides gleich aus

Das Ganze ist natürlich ein Kontinuum.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 30.06.2013 | 16:42
Übrigens habe ich ad&d gespielt und die eine Minute als Kampfrunde fand ich fürchterlich. Ich selbst habe die Regelbücher nicht gewälzt, aber meine Mitspieler haben mir keine bildliche Darstellung liefern können, was in dieser Minute passieren soll.
Mach Dir nix draus, das konnte das System selber auch nicht.  >;D
In ihrem Spielbeispiel haben die Autoren explizit das typische "Jetzt entscheide Dich innerhalb von Sekunden oder Deine Aktion diese Runde verfällt" als wünschenswertes Spielleiterverhalten dargestellt und "Vorstürmen und zuschlagen" als eine für eine Kampfrunde angemessene Aktion angesehen...
Außerdem hat AD&D ja schon auf mittleren Stufen das Problem, das in einer Kampfrunde nichts entscheidendes passiert. Man wird vielleicht getroffen und kriegt ein paar HP wegrasiert, was aber auf kurze Sicht keinen wirklichen Unterschied macht. Die weitgehende Abwesenheit von systemimmanenten taktischen Optionen (jedenfalls ohne Magie) tut ein Übriges. Wenn aber spieltechnisch nicht viel passiert, dann stellt man sich eben auch nicht viel vor.
Generell würde ich sagen, dass Kampfrunden und Aktionen so bemessen sein sollten, dass sie das Potential haben, die Situation spürbar zu verändern. Dabei bevorzuge ich es, wenn eine Kampfrunde gar nicht exakt auf ein Zeitmaß festgelegt ist.

Zitat
Da wir uns nicht vorstellen konnten, was in dieser Minute genau geschehen sollte, haben wir ingame nur einen Schlag ausgespielt. Aber wir haben generell sehr viele Regeln ignoriert, so dass ich die Schuld für komisches Systemverhalten nicht gleich dem System zuschreiben würde.
Ja, gute Fragen. Aber von der Skalierung völlig losgelöst. Warum drängt sich der einzelne Schlag so sehr als kleinste Einheit auf? Vielleicht weil die Regelautoren vom Kampf keine Ahnung haben und dem Laien der einzelne Schlag als sinnvolle Einheit erscheint? Weil er so ins Auge springt?
Der springt eigentlich (mir jedenfalls) gar nicht so sehr ins Auge. Egal ob Boxkampf, Fechtturnier oder jegliche Art von Nahkampf im Film: Ich könnte Dir nie auch nur annähernd sagen, wer nun wie oft zugeschlagen hat.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Maarzan am 30.06.2013 | 17:01
Ich postuliere mal:
Für ein Rollenspiel sind das entscheidende die relevanten Entscheidungen für die Figur, urch welche der Spieler am Spiel teilnimmt.
Relevanz bedeutet einmal dass die Entscheiungen Folgen haben und der sie Treffende zumindestens eien generelle Vorstellung dieser Folgen hat.

Für diese Vorstellung der Folgen benötigt der Spieler eine Vorstellung von der entsprechenden Grundlagen der Handlung selber.
Diese Vorstellung kann für viele Handlungen aus der Realität stammen, für andere wiederum müssen Regeln geschrieben werden, wenn die Realität zu kompliziert oder ihr Status umstritten sein könnte. Akzeptierte Regeln schreiben erfordert aber auch etwas zu produzieren, wa den Leuten plausibel oder zumindest genretypisch vorkommt.

Im Kampf treffen nun Relevanz in Form drastischer Folgen wie auch meist relativ geringe Fakten- aber um so mehr "Genre"-Kenntnisse aufeinander. Eine regelseitige Behandlung ist also dringend erforderlich, wenn Kampf eine typische Handlunsgweise sein sollte. Dazu kommt der Adrenalinrest aus wenigstens dem genetischen Gedächtnis angesichts solcher Aktivitäten und die Tatsache, dass Kampf eine der inklusivsten Aktivitäten ist, wo jeder etwas zu tun hat und wenn es die richtige Deckung suchen ist. 
Also bietet es sich an sich genau hier auch auszutoben. Man muss eh tätig werden, um diese üblichen Diskrepanzen zu überwinden und es lohnt sich wegen der grundlegenden und gemeinsamen Aktivierung aller Spieler. (Gruppensex im Spiel hat sich noch nicht so durchgesetzt ...)

Alternativen sind sicher denkbar, aber wohl nur immer mit einem Blick auf eine Minderheit an Spielern und mit dem Risiko in dieser Minderheit nicht nur auf aus Medien gebildete zu treffen, sondern ggf echte Fachleute odder interessierte Laien, was die Latte für akzeptierte Qualität doch recht hoch legt.
Rein soziale Mechaniken wiederum sind extrem breit und mit den Spielern als persönlich Betroffene auch im RL ähnlich schwierig zu behandeln wie spezialisierte Themen, aber plötzlich ist jeder ein wenigstens gefühlter Experte.

Kampfsysteme sind da bei allen Fanwars trotzdem noch ein einfaches und dankbares Metier.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 30.06.2013 | 17:21
Finde ich für das Beispiel des Boxkampfs sehr gelungen. Die Frage ist aber was man daraus allgemein übertragen könnte, denn z.B. die meisten Selbstverteidigungssituationen in der Realität (also richtige Kämpfe abseits des Sports) dauern nur wenige Sekunden... (in Bezug auf die physischen Aktionen, Vorgeplänkel etc. könnte je nach Situation natürlich noch dazu zählen)
Reale Duelle haben oft durchaus mehrere Minuten lang gedauert. Auch Zweikämpfe von einer halben Stunde und mehr gab es. Ein zehnminütiger Kampf wären bei DSA4 200 Kampfrunden (und bei D&D 3.x 100.)

Aus diesen und anderen Gründen bevorzuge ich schon seit einiger Zeit flexible, aber tendenziell längere Kampfrunden. Es löst ja noch viele andere Probleme: Die Tatsache, dass man den Spielern eigentlich während der Kämpfe jegliche Kommunikation untersagen müsste, weil ja jede Runde nur wenige Sekunden sind. Dass auch zwischen SCs und Gegnern eigentlich nichts stattfinden kann, weil man in der Zeit höchstens ein paar Worte rauskriegt. Dass jedes Taktieren und überlegen eigentlich wegfallen müsste. Dass Kämpfe eigentlich nie unter Zeitdruck stattfinden können, weil sie sowieso keine nenneswerte Zeit benötigen etc. etc.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Maarzan am 30.06.2013 | 17:32
Kampf ist halt nicht so homogen, wie es typischerweise abgehandelt wird.

Wenn mein System mal fertig sein sllte, wird es wohl zwei Zeitraster geben, ein Plänkeln - deutlich langsamer, aber auch deutlich sicherer und wohl eher psychologisch und positionierend geprägt und dann unter entsprechenden psychologischen Hürden die Eskalation in den rasanteren, chaotischen aber deutlich gefährlicheren und fehlerträchtigeren infight. 
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 30.06.2013 | 18:21
Es löst ja noch viele andere Probleme: Die Tatsache, dass man den Spielern eigentlich während der Kämpfe jegliche Kommunikation untersagen müsste, weil ja jede Runde nur wenige Sekunden sind. Dass auch zwischen SCs und Gegnern eigentlich nichts stattfinden kann, weil man in der Zeit höchstens ein paar Worte rauskriegt. Dass jedes Taktieren und überlegen eigentlich wegfallen müsste. Dass Kämpfe eigentlich nie unter Zeitdruck stattfinden können, weil sie sowieso keine nenneswerte Zeit benötigen etc. etc.
Haben wir in einer unserer Spielrunden exakt so gemacht und das waren die geilsten Rollenspielkämpfe die ich je hatte. Da wurde meist im vorhinein ein Plan festgelegt (wer stürmt das Haus von wo, wer sichert, wer deckt, wann wird nachgerückt). Der SL hat dafür gesorgt, dass die Handlungszeiten kurz blieben - man hatte 5-10 Sekunden um sich zu entscheiden was man tut und die 1-2 Sätze zu sagen, die man sagen wollte. Da eine Kampfrunde meist weniger als 2 Minuten gedauert hat war es auch überhaupt kein Problem, dass man nur 1-2 Sätze herausbekommen hat, meist waren die Kommandos eh kurz (NIEMAND hält während eines Feuergefechts einen minutenlangen taktischen Dialog) - es entspannte sich dann im gegebenen Fall halt ein Dialog der über mehrere Kampfrunden ging.
Taktiert wurde sehr wohl, nur eben auf einer völlig anderen Ebene als bei üblichen Rollenspielen. Bei uns war vor allem Bewegungstaktik, gegenseitige Deckung und Behinderung des Gegners (z.B. durch Unterdrückungsfeuer) wichtig - wenn nicht jeder da war wo er hingehörte konnte der Kampf jederzeit eine sehr hässliche Wendung nehmen. Die Kombination von Feats und anderen Spezialfähigkeiten spielte praktisch keine Rolle (denn dem Scharfschützen nützt sein "Deckung ignorieren" Feat garnichts, wenn er an einer Position steht von der aus er den Gegner nicht beschießen kann).
Das ganze war allerdings auch ein ModernWarfare/SciFi-Setting, d.h. die meisten Gegner waren nach dem ersten guten Treffer kampfunfähig oder tot (die Spieler/besseren NSC die etwas High-Tech-Powersuits trugen hielten meist so 2-3 Treffer aus bevor sie kampfunfähig wurden, wobei eine Panzerfaustgranate auch für sie jederzeit jähen Tod bedeuten konnte).
Sowas ist aber natürlich nur schwer auf ein Fäntelalter-Schwertduell zu übertragen.

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 30.06.2013 | 18:22
Reale Duelle haben oft durchaus mehrere Minuten lang gedauert. Auch Zweikämpfe von einer halben Stunde und mehr gab es.

Das war aber sicher kein durchgehender Schlagabtausch.

Falls längere Pausen oder auch "nur" ein vorläufiger Stillstand eintreten, überspringe ich Runden oder verlasse das Kampfsystem komplett.

Es löst ja noch viele andere Probleme: Die Tatsache, dass man den Spielern eigentlich während der Kämpfe jegliche Kommunikation untersagen müsste, weil ja jede Runde nur wenige Sekunden sind. Dass auch zwischen SCs und Gegnern eigentlich nichts stattfinden kann, weil man in der Zeit höchstens ein paar Worte rauskriegt.

Dann dauert eine Kommunikation eben mehrere Runden - erst mal kein Problem.
Und wenn es die Situation nicht her gibt, fällts eben aus.

Dass jedes Taktieren und überlegen eigentlich wegfallen müsste.

Schon mit wenigen Sekunden KR-Länge finde ich das ziemlich unproblematisch.
Da stört es mich eher, dass in entsprechenden Duellsituationen o.Ä. meistens kein spielmechanischer Anreiz zum Taktieren besteht und es deswegen auch nicht gemacht wird.

Dass Kämpfe eigentlich nie unter Zeitdruck stattfinden können, weil sie sowieso keine nenneswerte Zeit benötigen etc. etc.

Für einen konkreten Schlagabtausch ist das richtig.
Aber ein Kampf kann ja durchaus aus mehreren Etappen bestehen mit längerem Leerlauf aus irgendwelchen Gründen (Beschwichtigungsversuche, von Umstehenden getrennt, Fluchtversuch einer Seite, gedecktes Manövrieren etc. pp.).
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 30.06.2013 | 19:29
Zum Einen hat ein Boxkampf eine ganz andere Struktur als ein "echter" Kampf, basierend sowohl auf den Zielen der Beteiligten als auch auf den Regeln und der verwendeten Ausrüstung.
Einverstanden.

Betrachtet man aber Kämpfe (ggf. mit Waffen) in freier Wildbahn und deutlich anderen Zielsetzungen und Konsequenzen, ergibt z.B. eine minutenweise Abhandlung oder ein einziger Wurf nach jedem Taktikwechsel o.Ä. mMn keinen Sinn.
Diese Kämpfe spielen sich i.d.R. in so kurzen Zeiträumen ab, dass zumindest einzelne Kombinationen/Angriffskomplexe als kleinste Einheit durchaus geeignet sind.
Was meinst du mit Kombinationen und Angriffskomplexen? Entsprechen sie dem klassischen Einzelschlag der Regelsysteme?

Für diese Vorstellung der Folgen benötigt der Spieler eine Vorstellung von der entsprechenden Grundlagen der Handlung selber.
Diese Vorstellung kann für viele Handlungen aus der Realität stammen, für andere wiederum müssen Regeln geschrieben werden, wenn die Realität zu kompliziert oder ihr Status umstritten sein könnte. Akzeptierte Regeln schreiben erfordert aber auch etwas zu produzieren, wa den Leuten plausibel oder zumindest genretypisch vorkommt.
Die Laienvorstellung ist offenbar, dass ein Kampf aus einer Aneinanderreihung von Schlägen besteht. Es gibt zwar regelseitig meist Sondermanöver (Wuchtschlag, gezielter Schlag, entwaffnen, festhalten usw.), aber in der Praxis habe ich noch nicht erlebt, dass das gehaltvoll angewendet wird.

Aber ein Kampf kann ja durchaus aus mehreren Etappen bestehen mit längerem Leerlauf aus irgendwelchen Gründen (Beschwichtigungsversuche, von Umstehenden getrennt, Fluchtversuch einer Seite, gedecktes Manövrieren etc. pp.).
Genau, und es wäre doch spannend, das abzubilden. Was du da ansprichst, sind Manöver im weitesten Sinn, und so wie ich es einschätze, lassen sie sich nicht sinnvoll in einen Sekundentakt pressen.

Oder um es anders zu formulieren: Die Sekunde oder der einzelne Schlag ist nicht unbedingt der entscheidende Taktgeber in einem Kampf. Ich kann spontan nicht sagen, was der entscheidende Taktgeber ist, aber wenn man sich die Frage einmal stellt, findet man sicher auch eine Antwort. Die Antwort könnte man probeweise in Regeln operationalisieren.

Das Mystix-Beispiel hörte sich gut an. Gibt es irgendwo ein Diary mit Kampfsequenz, wo man einen konkreten Ablauf nachvollziehen kann?

Das Beispiel von Galatea klingt ebenfalls spannend. Welche Regeln habt ihr benutzt? Welchen Teil der Regeln habt ihr eventuell weggelassen/umgewandelt, um das beschriebene Vorgehen möglich zu machen?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 30.06.2013 | 19:43
Reale Duelle haben oft durchaus mehrere Minuten lang gedauert. Auch Zweikämpfe von einer halben Stunde und mehr gab es.

Und Du bist sicher, dass das Kämpfe auf Leben und Tod waren...? Ohne Regeln? Wäre dafür relativ ungewöhnlich, wenn das auch sicherlich hin und wieder vorkam...
Klar, wenn die Kontrahenten defensiv bleiben und sich z.B. kontaktlos "belagern" oder z.B. in einer Bodenkampfpattsituation feststecken, kann durchaus mal ne gewisse Zeit vergehen, aber das ist ja nicht unbedingt das "Normale". Dementsprechend macht es IMO relativ wenig Sinn sich primär an der Ausnahme-Situation zu orientieren.

Die typischsten Fälle des Kampfs auf Leben u. Tod sind sicherlich die Selbstverteidigungs- und die Schlachtfeld-Situation (allein schon in Bezug auf die historische Häufigkeit). Dort geht es normalerweise um wenige Sekunden, da der menschliche Körper einfach sehr fragil ist, wenn es die richtigen Stellen erwischt ("arbeitet" man natürlich einfach Lebenspunkte runter, ist das was anderes :p). Und mit der entsprechenden Entschlossenheit schaffen das selbst Ungeübte relativ schnell, dann wird eben mal ein Stein gegriffen und auf den Schädel geschlagen o.ä. bzw. selbst ohne jegliche Form von Waffe ist es sehr leicht innerhalb von Sekunden kampfentscheidende Verletzungen beizubringen - ok, natürlich kann es z.B. bei 2 ungeübten Bauern, die einfach nur zuschlagen und treten ne ganze Weile dauern, aber es ist sicherlich logischer sich als Grundannahme erstmal daran zu orientieren, dass bei vielen Kämpfern zumindest eine gewisse kriegerische Grundausbildung vorhanden ist...



Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 30.06.2013 | 20:07
Was meinst du mit Kombinationen und Angriffskomplexen? Entsprechen sie dem klassischen Einzelschlag der Regelsysteme?

Ich meine eine zusammenhängende Menge/Folge von Angriffen. Also mehrere Angriffe, die in einem Sinn- oder Handlungszusammenhang stehen.
Im Kampfsport meinetwegen das Reingehen mit einem Kick aus der langen Distanz gefolgt von mehreren Geraden und Haken bis in den Clinch oder auch wieder raus.

Oder die altbekannten zwei Schuss in die Brust und einen in den Kopf.

Kurz: Angriffsserien oder eben -komplexe, zu denen sich zumindest grob im Vorfeld entschlossen wird.
Und je nachdem, wie die dann genau verlaufen, macht man einfach weiter oder setzt ganz neu an.

Das ist im Prinzip ähnlich dem, was manche Systeme machen, wenn sie ihre längeren Kampfrunden als ein Hin und Her mehrerer Angriffe und Paraden definieren - nur einen Tick weniger abstrakt.

Was du da ansprichst, sind Manöver im weitesten Sinn, und so wie ich es einschätze, lassen sie sich nicht sinnvoll in einen Sekundentakt pressen.

Da stimme ich zu.
Umgekehrt bin ich aber auch der Meinung, dass bei einer Regelung, die diese Geschichten mit in die Kampfrunde "zieht", die Darstellung der entscheidenden Sekundenbruchteile, in denen tatsächlich gekämpft wird, leidet.

Meine Lösung ist es wie gesagt, an solchen Stellen auf die spielmechanische Betrachtung einzelner Kampfrunden (in denen ja sowieso nicht gekämpft würde!) zu verzichten.

Zum Thema Taktgeber:
Ein solcher längerer Konflikt, in dessen Verlauf ggf. mehrmals gekämpft wird, aber auch andere Sachen stattfinden, läuft gefühlt mit verschiedenen Geschwindigkeiten (daher auch mein Ansatz).

Als Vergleich mag das Befahren einer Rennstrecke dienen. Das ist sicher durchgehend stressig, aber an bestimmten Schlüsselstellen wird es eben richtig haarig und im Vergleich sind andere Abschnitte relativ entspannt.

Fasst man das unter einer Betrachtungsweise zusammen, geht etwas verloren.
Da geht mir Maarzans oben erwähnter Ansatz mit verschiedenen Zeitrastern schon eher in die richtige Richtung - so mache ich das ja auch, nur verwende ich für die geruhsameren Abschnitte den normalen Nichtkampf-Regelsatz anstelle einer zweiten Variante für die Zeitmessung/Handlungsabwicklung im Kampf.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 30.06.2013 | 20:53
Vielleicht fehlt es einfach an sinnvollen Beispielen für Manöver. Und vor allem an ihrer taktischer Verzahnung.

Ein weiteres Makel ist wohl, dass die Lebenspunkte als einziger Endpunkt aller Kampfhandlungen dienen und somit einen Großteil der real vorhandenen Taktiken obsolet machen.

Ein weiteres Problem hängt unmittelbar mit den Lebenspunkten zusammen: Wenn ich phantasieanregend beschreibe, wie ich den Gegner zu köpfen versuche, und mir der Wurf auch gelingt, der Gegner aber nur ein paar LP verliert und in seiner Kampffähigkeit kein bisschen behindert ist, hat die Phantasie ein Problem. Gut, einmal kann ich mir vorstellen, wie ich den Hals nur knapp verpasse und stattdessen eine Schramme in der Brust verursache. Wenn aber der ganze Kampf aus einer langen Serie solcher knapp verpasster Todesurteile besteht, ist es des Guten zu viel.

Das wiederum berührt einen Punkt, der zwischendurch kurz angesprochen, aber nicht weiter verfolgt wurde. Die Frage, was zuerst kommt - der Handlungsplan oder der Wurf - ist von großer Relevanz. Wenn Handlung und Handlungsziel konkret angesagt werden, finde ich es schwieriger, das anschließend zum Würfelergebnis passend hinzubiegen. Ich stelle es mir viel angenehmer vor, zuerst zu würfeln und dann das Ergebnis erzählerisch zu interpretieren - ohne vor dem Wurf anzusagen, was man genau vorhatte. Dann hat man viel mehr Freiheitsgrade, das Würfelergebnis in der Phantasie auszuschmücken. Man ist gedanklich noch nicht auf eine bestimmte Handlungsschiene gestellt. Letzteres ist mir bisher aber noch nicht untergekommen am Spieltisch. Ob es in der Spielpraxis wirklich angenehmer wäre, wie ich es mir vorstelle, weiss ich gar nicht. Hypothese: beim stupiden Schlag-Gegenschlag zum LP-Abziehen wäre es besser, nach dem Wurf die Handlung zu interpretieren. Vorher ansagen ist besser, wenn man tatsächliche taktische Optionen hat.

Hm, das führt jetzt von der Frage der Zeiteinheiten ab, aber was solls. Die Kernfrage ist ja, welche Regelelemente die bildliche Vorstellung des Kampfes fördern und welche sie behindern. Die anfangs vermuteten Zeiteinheiten sind vielleicht nicht des Rätsels Lösung. Oder zumindest nicht allein entscheidend.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Eulenspiegel am 30.06.2013 | 21:10
Ein weiteres Problem hängt unmittelbar mit den Lebenspunkten zusammen: Wenn ich phantasieanregend beschreibe, wie ich den Gegner zu köpfen versuche, und mir der Wurf auch gelingt, der Gegner aber nur ein paar LP verliert und in seiner Kampffähigkeit kein bisschen behindert ist, hat die Phantasie ein Problem.
GURPS macht da den Ansatz, dass einzelne Treffer extrem wirkungsvoll sein können. Wenn da ein angesagter Treffer auf den Kopf gelingt, dann ist der Gegner in über 50% aller Fälle tatsächlich kampfunfähig.

Zitat
Hm, das führt jetzt von der Frage der Zeiteinheiten ab, aber was solls. Die Kernfrage ist ja, welche Regelelemente die bildliche Vorstellung des Kampfes fördern und welche sie behindern. Die anfangs vermuteten Zeiteinheiten sind vielleicht nicht des Rätsels Lösung. Oder zumindest nicht allein entscheidend.
Ich würde sagen, es hängt von unterschiedlichen Spielertypen ab. Für einige ist es sehr hilfreich, wenn die Regeln detailliert sind und sich ihre Vorstellung an den Regeln entlanghangeln kann.

Für wieder andere ist es hilfreich, wenn sie ihrer Phantasie freien Lauf lassen können und die Regeln ihnen nicht im Weg stehen.

Was ich allgemein als sehr hinderlich für die Vorstellung gefunden habe, ist, wenn man extrem viel rumrechnen muss. Optimalerweise läuft der Wurf nebenher ab. Er soll zwar eine Bedeutung haben, es soll aber nicht zuviel Zeit in Anspruch nehmen, die Bedeutung aus dem Würfelergebnis herzuleiten.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 30.06.2013 | 21:16
Das Beispiel von Galatea klingt ebenfalls spannend. Welche Regeln habt ihr benutzt? Welchen Teil der Regeln habt ihr eventuell weggelassen/umgewandelt, um das beschriebene Vorgehen möglich zu machen?
Wir haben eine modifizierte Version von Opus anima genommen. Das Regelwerk findet sich hier: http://tanelorn.net/index.php/topic,83003.0.html (das ist die noch etwas erweiterte Mass Effect Version, wir haben damals mit der Starship Troopers Version gespielt).

Verändert haben wir vor allem die Fernkampfregeln (kein Grundschaden -> Schaden hängt komplett vom Angriffswert ab bzw. AoE-Waffen haben Festschaden), die Fahrzeugregeln (die OA-Originale sind ja bestenfalls rudimentär) und die Waffenregeln (es gibt verschiedene Eigenschaften/"Traits", z.B. vollautomatisch, Kegel oder Zweibein, mit denen man sich wie in einem Baukastensystem den gewünschten Waffentyp zusammenschrauben kann).

Das System sieht auf den ersten Augenblick auch recht regellastig aus (irgendwo ist es schon ein "Tabletop light"), wenn man es erstmal drauf hat besticht es aber durch ungeheure Geschwindigkeit. Kampfrunden (8 Spieler, 8 -10 NSCs) unter 2 Minuten sind gut machbar.
Der größte Trick dabei ist dass alle Spieler gleichzeitig würfeln und ihre Werte verteilen, d.h. bei 8 Spielern braucht man nicht die 8-fache Zeit, sondern eher die Doppelte bis Dreifache. Außerdem kann man den Schaden praktisch direkt ablesen - wenn ein Spieler mit seinem Fernkampfangriff (respektive Nahkampfangriff) 5 Punkte über der Fernkampfschwelle (respektive Paradewert) des Ziels liegt und seine Waffe 2 Schaden pro Teilerfolg macht, dann bekommt das Ziel 10 Schaden.
Man muss nicht nochmal Schaden würfeln und das Ziel hat auch keinen Resistenzwurf oder ähnliches, Rüstung ist rein passiv. Außerdem halten wenige Ziele mehr als 1-2 gute Treffer aus. Ein Wurf pro Kampfrunde spart halt erheblich Zeit, ganz besonders eben wenn alle Spieler diesen Wurf gleichzeitig machen (Hordengegner werden vom SL üblicherweise mit einem Wurf bedient, der dann für alle Individuen er Gruppe gilt).

Ein weiteres Problem hängt unmittelbar mit den Lebenspunkten zusammen: Wenn ich phantasieanregend beschreibe, wie ich den Gegner zu köpfen versuche, und mir der Wurf auch gelingt, der Gegner aber nur ein paar LP verliert und in seiner Kampffähigkeit kein bisschen behindert ist, hat die Phantasie ein Problem. Gut, einmal kann ich mir vorstellen, wie ich den Hals nur knapp verpasse und stattdessen eine Schramme in der Brust verursache. Wenn aber der ganze Kampf aus einer langen Serie solcher knapp verpasster Todesurteile besteht, ist es des Guten zu viel.
Was zu einem guten Teil aber auch dadurch bedingt ist, dass Personen (SCs und NSCs) in den meisten Systemen einfach lächerlich stabil sind. Wenn Spieler mit 80 LP rumrennen und ein Langschwert 2W6 Schaden macht, dann gelten die normalen Gesetze der Physik sowieso nicht mehr. Da sind untödliche Kopftreffer noch das harmloseste - in einem solchen System kann man einem Krieger 5 Schwerter durch die Brust treiben ohne dass ihn das umbringt.

(http://www.mediafire.com/convkey/3b94/4bbdsjj0li18f5mfg.jpg)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 30.06.2013 | 21:41
Wenn Handlung und Handlungsziel konkret angesagt werden, finde ich es schwieriger, das anschließend zum Würfelergebnis passend hinzubiegen.

Für eine wirklich konkrete Ansage muss es auch eine passende Regelgrundlage geben. Dann brauche ich auch nichts hinbiegen, weil das jeweilige Ergebnis eindeutig ist.
Ordentlich umgesetzt kenne ich das nur von GURPS.

Hypothese: beim stupiden Schlag-Gegenschlag zum LP-Abziehen wäre es besser, nach dem Wurf die Handlung zu interpretieren. Vorher ansagen ist besser, wenn man tatsächliche taktische Optionen hat.

Zustimmung zum ersten Satz.

Taktische Optionen kann man alternativ aber auch erst dann auswählen, wenn man den entsprechenden Wurf geschafft hat - darauf muss das Regelwerk dann aber auch recht umfassend ausgerichtet sein.
Runequest und Trauma machen das z.B. so.
Einigen Spielern gefällt es aber nicht, quasi "ins Blaue" zu agieren, ohne vorher ihre genaue Absicht kundtun zu "können" (obwohl es an dieser Stelle eigentlich stets "müssen" genannt werden müsste).
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 30.06.2013 | 22:06
Und Du bist sicher, dass das Kämpfe auf Leben und Tod waren...?
Oh ja.

Zitat
Ohne Regeln?
Nö, natürlich gab's Regeln, die gab's bei Duellen immer. Aber keine, die irgend welche Kampfpausen erzwungen hätten.

Zitat
Wäre dafür relativ ungewöhnlich, wenn das auch sicherlich hin und wieder vorkam...
Woher willst Du wissen, dass das ungewöhnlich war? Ich habe gerade eine Beschreibung eines Duelles gelesen, das mit vier Minuten als ungewöhnlich kurz eingestuft wurde...

Zitat
Die typischsten Fälle des Kampfs auf Leben u. Tod sind sicherlich die Selbstverteidigungs- und die Schlachtfeld-Situation (allein schon in Bezug auf die historische Häufigkeit). Dort geht es normalerweise um wenige Sekunden,
Feuergefechte zwischen militärischen Einheiten dauern nicht selten Stunden...

Das war aber sicher kein durchgehender Schlagabtausch.

Falls längere Pausen oder auch "nur" ein vorläufiger Stillstand eintreten, überspringe ich Runden oder verlasse das Kampfsystem komplett.
Wenn ich 90% oder mehr aller Runden überspringen muss, oder das Kampfsystem ständig ein- und ausschalte, kann ich auch gleich flexible Kampfrundenlängen nehmen - was ich ja auch tue. Oder ggf. auf die Rundenstruktur komplett verzichten.

Zitat
Dann dauert eine Kommunikation eben mehrere Runden - erst mal kein Problem. Und wenn es die Situation nicht her gibt, fällts eben aus.
Ein durchschnittlicher Kampf in einem System wie Shadowrun - unter der Maßgabe, dass man RAW benutzt - dauert ungefähr so lange, wie man braucht, um diesen Satz hier auszusprechen; und das ist schon ein Problem.

Zitat
Für einen konkreten Schlagabtausch ist das richtig.
Aber ein Kampf kann ja durchaus aus mehreren Etappen bestehen mit längerem Leerlauf aus irgendwelchen Gründen (Beschwichtigungsversuche, von Umstehenden getrennt, Fluchtversuch einer Seite, gedecktes Manövrieren etc. pp.).
Ja, aber warum soll ich das aus dem Kampfsystem heraustrennen? Manövrieren, belauern etc. gehört zum Kampf dazu, das macht man ja nicht aus Spaß. Ich gehe nicht a priori davon aus, dass ich kleinteiligste Kampfrunden aus irgend einem Grund brauche, also brauche ich auch keine Maßnahmen zu treffen, um sie beizubehalten.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 30.06.2013 | 22:25
Woher willst Du wissen, dass das ungewöhnlich war? Ich habe gerade eine Beschreibung eines Duelles gelesen, das mit vier Minuten als ungewöhnlich kurz eingestuft wurde...

Dann nenne doch auch Ross und Reiter - wer wann wo mit welcher Ausrüstung?

Sonst spekuliert hier jeder außer dir wild rum und wir kommen doch nirgends an.

Feuergefechte zwischen militärischen Einheiten dauern nicht selten Stunden...

Mit entsprechenden Leerlauf-, Belauerungs- und Manövrierphasen.
Die reine Schießzeit bewegt sich dabei für die meisten Schützen im niedrigen Minutenbereich.


Anekdote dazu:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Eulenspiegel am 30.06.2013 | 22:27
In diesem Video (http://www.youtube.com/watch?v=Tc7Jy1VU0IA) sind auch ein paar Beispielkämpfe gezeigt.

Und auch, wenn man sich auf Mittelaltermärkten oder so historischen Schwertkampf (und keinen Showkampf) anschaut, stellt man fest, dass dieser sehr kurz ist.

Bei Duellen konnte es zwar hin und wieder vorkommen, dass einer starb, aber das war nicht die Norm. Meistens kämpfte man bis zum ersten Blut oder bis einer aufgab.

Zu Fernkämpfen:
Ja, wenn beide Seiten sich verbarrikadiert haben, dann dauert es recht lange, bis man mal einen Zufallstreffer gemacht hat.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 30.06.2013 | 22:37
Dann nenne doch auch Ross und Reiter - wer wann wo mit welcher Ausrüstung?
Zwei französische Politiker, mit Schwertern (als Rapiere bezeichnet), 1888. Der eine (ein General Boulanger) war dem Artikel zufolge als Fechter erfahren, der andere nicht, hat sich aber trotzdem gut gehalten. Boulanger hatte ebenfalls dem Artikel zufolge unbedingt vor, seinen Gegner zu töten.

Zitat
Sonst spekuliert hier jeder außer dir wild rum und wir kommen doch nirgends an.
Wenn jemand anders Erkenntnisse über die Dauer von Duellen, Gefechten, Turnieren etc. hat: Immer her damit. Die sind ziemlich selten (was ja auch kein Wunder ist, da das selten ein kritisches Überlieferungsinteresse ist und ohnehin kaum jemand mit einer Stoppuhr daneben stand.)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Makaber am 30.06.2013 | 22:40
In diesem Video (http://www.youtube.com/watch?v=Tc7Jy1VU0IA) sind auch ein paar Beispielkämpfe gezeigt.

Und auch, wenn man sich auf Mittelaltermärkten oder so historischen Schwertkampf (und keinen Showkampf) anschaut, stellt man fest, dass dieser sehr kurz ist.

Man sollte solche Videos als Veranschaulichung von Regeln verwenden, die den Kampf weniger feinkörnig gestalten. Ich bin auch eher ein Freund von so feinkörnig wie nur möglich. Aber nach dem video kann ich mich auch mit Mechanismen anfeunden, die einen kompletten Kampf über einen einzigen vergleichenden Wurf regeln
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Eulenspiegel am 30.06.2013 | 22:46
@Wulfhelm und YY
Hier ein Zeitungsartikel (http://paperspast.natlib.govt.nz/cgi-bin/paperspast?a=d&d=NEM18880821.2.9&dliv=&e=-------10--1----2--) zum Duell Boulanger vs. Floquet.

Die 4 Minuten kommen dort auch vor. Allerdings wird es nicht als besonders schnell dargestellt. Und die vier Minuten beinhalten auch die Zeit, die Boulanger vom Sekundanten verarztet wurde.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 30.06.2013 | 23:04
Hier ein Zeitungsartikel (http://paperspast.natlib.govt.nz/cgi-bin/paperspast?a=d&d=NEM18880821.2.9&dliv=&e=-------10--1----2--) zum Duell Boulanger vs. Floquet.
Hmmm... es gibt keinen Facepalm-Smilie, also sage ich's direkt: Ach sag bloß.  ::)

Zitat
Allerdings wird es nicht als besonders schnell dargestellt.
Doch? Die Formulierungen "just" oder "only" sind recht eindeutig. Da ich des weiteren auf eine der von Dir zu erwartenden seitenlangen semantischen Manöverdiskussionen keine Lust habe (und daran auch nicht teilnehmen werde), wiederhole ich einfach meine Aufforderung: Immer her mit den Vergleichsdaten.

Ich muss natürlich auch noch dazusagen: Natürlich erhebe ich nicht die von vielen Spielern ja einigermaßen verteufelte historische Realität zum allein seligmachenden Maßstab. Aber Kämpfe in den ansonsten so beliebten Action-Filmen dauern auch länger als ein paar Sekunden...
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: scrandy am 30.06.2013 | 23:07
Ein weiteres Makel ist wohl, dass die Lebenspunkte als einziger Endpunkt aller Kampfhandlungen dienen und somit einen Großteil der real vorhandenen Taktiken obsolet machen.
Ja LE sind wirklich problematisch. Vor allem deswegen weil eine erfolgreiche Kampfaktion immer in einem Treffer resultiert. Sowohl in Filmkämpfen als auch in realistischen Kämpfen sind erfolgreiche Kampfaktionen aber nicht immer Treffer. Treffer sind dafür viel zu gefährlich und wirkunsstark. Verletzte Kämpfer sind meist so sehr beeinträchtigt, dass sie deutlich schwächer werden oder sogar (je nach Techlevel) Totgeweiht sind. Das bedeutet also dass ein Großteil an erfolgreichen Kampfaktionen sich ohne Treffer abspielen müssen. Man kann dazu durchaus auch ein Punktesystem nehmen. Diese Punkte sollten aber sowas wie Verteidigung überwunden oder Gegner in Bedrängung gebracht repräsentieren und nicht repräsentieren wie oft der Gegner getroffen wurde. Es wäre außerdem hilfreich wenn die Punktzahl klein gehalten wird und nach jedem Kampf automatisch regeneriert. Wenn diese Punktzahl auf 0 gebracht wird müssen Wunden folgen, die entsprechende Spielwirkung haben.

Auch das alle Gegner grundsätzlich bis zum Tod kämpfen ist unrealisitisch und führt zu dem klassischen "wir töten alle Gegner"-Prinzip. Warum sollte ein Wachmann bis zum Tod kämpfen, wenn es nur sein Job ist. Warum sollte jedes Wilde Tier bei Verletzung bis zum Tode kämpfen? Oft reicht es ja schon den Gegner aus dem Weg zu räumen, zu überwältigen oder leicht zu verwunden um sein eigenes Ziel zu erreichen.

Das wiederum berührt einen Punkt, der zwischendurch kurz angesprochen, aber nicht weiter verfolgt wurde. Die Frage, was zuerst kommt - der Handlungsplan oder der Wurf - ist von großer Relevanz.
Was die Erzählreihenfolge betrifft, geht es sogar noch anders:
1.) Zuerst erklären beide die Absicht, was sie gerne erreichen wollen.
2.) Dann würfeln beide.
3.) Der SL formuliert die Absichtserklärung des Gewinners in tatsächlich stattfindende Aktionen aus.
4.) Sowohl Würfelwurf als auch Beschreibung haben Konsequnzen sowohl in form von Spielwerten als auch von ingame Fakten

Im Grunde ist diese Erzählfolge das, was ich bei Mystix gemacht habe, nur das hier noch klarer geregelt wird, wer zuerst seine Absicht erklärt und das der Zweite darauf seine Absichtserklärung anpassen muss.

Dadurch passiert erzählerisch und somit auch im gemeinsamen Vorstellungsraum sehr viel und Taktik findet immer ingame statt.


Dadurch das bei vielen Systemen die Erzählreihenfolge garnicht geregelt ist, tendieren einige Spieler dazu lediglich die Regelkomponente anzusagen, die sie nutzen ("Ich schlage mit meinem Schwert zu" ...). Nutzt man das Beschreiben nach dem Wurf wird das ganze noch einiges cinematischer, weil man dann abhängig vom Würfelergebnis schön detailliert die Regeln wieder in Fiktion unmwandeln kann.

Das von mir oben Beschriebene Konzept geht allerdings noch einen Schritt weiter, weil Beschreibung nicht nur schönes Beiwerk ist, sondern tatsächliche Konsequenzen hat. Jedes Probenergebnis besteht quasi aus dem Werteteil des Charakters und den Ideen des Spielers. Im Grunde ist das die Idee aus Wushu, dass durch die Beschreibung die Probe beeinflusst wird, in weniger Powertelling-Gefährdete Bahnen gegossen, die sich etwas klassischer anfühlen. Dadurch lässt sich schon mehr Kampf-Erleben aufbauen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: xergazz am 30.06.2013 | 23:17
Das wiederum berührt einen Punkt, der zwischendurch kurz angesprochen, aber nicht weiter verfolgt wurde. Die Frage, was zuerst kommt - der Handlungsplan oder der Wurf - ist von großer Relevanz. Wenn Handlung und Handlungsziel konkret angesagt werden, finde ich es schwieriger, das anschließend zum Würfelergebnis passend hinzubiegen. Ich stelle es mir viel angenehmer vor, zuerst zu würfeln und dann das Ergebnis erzählerisch zu interpretieren - ohne vor dem Wurf anzusagen, was man genau vorhatte. Dann hat man viel mehr Freiheitsgrade, das Würfelergebnis in der Phantasie auszuschmücken. Man ist gedanklich noch nicht auf eine bestimmte Handlungsschiene gestellt. Letzteres ist mir bisher aber noch nicht untergekommen am Spieltisch. Ob es in der Spielpraxis wirklich angenehmer wäre, wie ich es mir vorstelle, weiss ich gar nicht. Hypothese: beim stupiden Schlag-Gegenschlag zum LP-Abziehen wäre es besser, nach dem Wurf die Handlung zu interpretieren. Vorher ansagen ist besser, wenn man tatsächliche taktische Optionen hat.

Halte ich für eine gute Beobachtung. Im Grunde hängts wieder am System:

Möglichkeit Eins: Iterativer Kampf -> Postskriptiv
Der Spieler kloppt durch die Qualität seiner Aktionen einen Pool herunter, der mehr oder weniger den Fortschritt des Kampfes abbildet (zb Angriff > Schaden > Gegner verliert Lebenspunkte). In dem Fall macht wie du schon sagst etwas präskriptives wenig Sinn. Ich beschreibe, wie ich versuche den Gegner zu köpfen, erziele dann aber nur einen Schadenspunkt. Das Beschriebene ist aufgrund des Würfelergebnisses nicht glaubwürdig in der Spielwelt darstellbar.

Möglichkeit Zwei: Rekursiver Kampf -> Präskriptiv
Der Spieler sagt das Ziel seiner Aktion an (Conflict Resolution) und ändert dadurch bei erfolgreicher Probe die Situation oder den Ausgang des Kampfes. Er erzeugt zum Beispiel Konsequenzen wie es sie bei Fate gibt. Die Würfel geben keine Qualität an, sondern bauen auf der Ansage des Spielers auf und modifizieren sie gegebenenfalls (zB. 6 = Ja und... | 5 = Ja | 4 = Ja, aber... | 3 = Nein, aber... | 2 = Nein | 1 = Nein, und...). Somit kann das Würfelergebnis die Ansage des Spielers zwar verändern, aber immer nur in Form von "ja, aber du bringst dich in eine ungünstige Position" oder "Ja und du kannst dadurch den Kampf entscheiden" oder "Nein, aber du kannst es trotzdem erreichen, wenn du dir etwas Zeit nimmst" und so weiter.

Ich finde auch die ganze Pacing-Betrachtung interessant. Also dass nur die Teile des Kampfes genauer behandelt werden, die auch wirklich Folgen für einen der Beteiligten haben. OldSam hat ja schon etwas zu den Mook-Regeln gesagt. Was auf Storyebene ja inzwischen von einigen Systemen gemacht wird ist das spielen mit Szenen. Das ist im Grunde doch nichts großartig anderes. Vielleicht lässt sich sowas ja übertragen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 30.06.2013 | 23:21
Nö, natürlich gab's Regeln, die gab's bei Duellen immer.
Wobei Duelle aber auch wiederum in der Gesamtheit klar zu einem geringen Anteil tödlicher Kämpfe zählen, das meinte ich ja, dass man sich IMO v.a. am Regelfall orientieren sollte...

Feuergefechte zwischen militärischen Einheiten dauern nicht selten Stunden...
Klar, was Belagerungskämpfe angeht hast Du völlig recht, das gab es natürlich oft.
Aber die ganze "Wartezeit" würde man in einem RPG-Szenario ja sicherlich eh nicht in Kampfrundenzeit durchspielen wollen, wie Du selbst sagtest ;)
Das war in Runden, die ich erlebt habe, aber nie ein störendes Problem dann z.B. zu sagen, "Während ihr hinter den Sandsäcken abwartet,passiert bis auf ein paar einzelne Schüsse in die Luft 2 Minuten lang erstmal nichts weiter... Dann hört ihr auf einmal..." und man ist wieder im Runden-Modus.

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arkam am 30.06.2013 | 23:34
Hallo zusammen,

ich bin mir ganz sicher das man Kampf auch grobkörnig abbilden kann.
Aber wenn es nicht auf extreme Spezialisten, alternative Lösungen oder eine Umdeutung (1) des Kampfe hinaus läuft sehe ich häufige neue Charaktere am Horizont.
Probleme sehe ich auch bei Taktiken aus der realen Welt. Spiel Taktiken wird es ja wahrscheinlich geben.

Gruß Jochen

(1) Umdeuten: Ein im Kampf besiegter Charakter ist nicht tot oder schwer verwundet sondern muss im Sinne des Gegners handeln. Bei Räubern würde also das Gold des Charakters abgegeben. Ein Anschlag durch einen Assassinen würde im Erfolgsfall dafür sorgen das der Charakter nicht als Zeuge auftreten darf und so weiter.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 30.06.2013 | 23:38
Aber die ganze "Wartezeit" würde man in einem RPG-Szenario ja sicherlich eh nicht in Kampfrundenzeit durchspielen wollen, wie Du selbst sagtest
[Hervorhebung durch mich.]
Das sagte ich ganz sicher nicht. Aber hier zeigt sich sehr schön das Problem: Die Vorstellung, dass eine Kampfrunde eine sehr kurze Zeiteinheit ist, ja sein muss, ist so stark im Denken verankert, dass die Möglichkeit, "Kampfrundenzeit" auch anders zu definieren, gar nicht vorkommt.

Witzigerweise haben die taktischen Wargames, die hier ja schon für die Kleinteiligkeit im Rollenspielkampf verantwortlich gemacht wurden, damit weniger ein Problem: Da gibt es natürlich Kampfrunden, aber ebenso natürlich nicht im Sekundentakt.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 30.06.2013 | 23:40
@Wulfhelm:

Zum Thema französische Duelle gibt es auch einige Videoaufnahmen, z.B.
http://www.youtube.com/watch?v=vybUtd4GOnU
http://www.youtube.com/watch?v=uL9BWkN-Wcg

1888 wird man nicht großartig anders gefochten haben.
Die schwerere Verletzung ist mEn hauptsächlich Folge von Gen. Boulangers unbedachtem Vorgehen.

Die Regel ist es viel mehr, wie von OldSam angemerkt, dass man wie die Franzmänner in den obigen Videos bis aufs erste Blut nach den Flossen gestochert hat und fertig...

Und die reinen Kampfzeiten scheinen mir da insgesamt recht kurz zu sein.

Wenn jemand anders Erkenntnisse über die Dauer von Duellen, Gefechten, Turnieren etc. hat: Immer her damit.

Das berühmte Duell von 1386 zwischen Jacques LeGris und Jean de Carrouges wird recht unpräzise mit mehreren Minuten Dauer angegeben.
Die kämpften allerdings auch in Vollrüstung, zunächst zu Pferd. Die Entscheidung brachte letztlich ein Dolch im Bodenkampf.

Da kann ich so eine Dauer durchaus nachvollziehen.


Es ging OldSam aber auch ursprünglich um SV- und sonstige regellose Kämpfe.
Die sind tatsächlich erfahrungsgemäß noch kürzer.
Klar, auch da gehen welche über einige Minuten.
Umgekehrt klatschts aber auch oft genug ein Mal und das Thema ist durch...

Wenn ich 90% oder mehr aller Runden überspringen muss, oder das Kampfsystem ständig ein- und ausschalte, kann ich auch gleich flexible Kampfrundenlängen nehmen - was ich ja auch tue. Oder ggf. auf die Rundenstruktur komplett verzichten.

Mit flexiblen Rundenlängen ist mMn bei den zu überspringenden Zeiträumen auch kein Staat mehr zu machen - da bin ich ja dann doch wieder bei minutenlangen Runden, wenn das beherrschbar bleiben soll.

Umgekehrt kann ich auf die Rundenstruktur in den kritischen Phasen nicht verzichten - wie sollte ich das für einen "normalen" Kampf machen?

Bei einem Scharfschützenduell o.Ä. sähe das ggf. anders aus, aber meistens brauche ich für diese Phasen dann doch ein Initiativesystem usw..



Ein durchschnittlicher Kampf in einem System wie Shadowrun - unter der Maßgabe, dass man RAW benutzt - dauert ungefähr so lange, wie man braucht, um diesen Satz hier auszusprechen; und das ist schon ein Problem.

Das sind dann i.d.R. auch Feuergefechte mit relativ schweren Waffen und hoch kompetenten Schützen auf kurze und kürzeste Entfernungen.
Was soll denn da anderes rauskommen?

Unter solchen Umständen muss auch das Vorgehen im Team automatisiert sein; für "richtige" Kommunikation ist da eben keine Zeit.

Sieht man doch auf entsprechenden Videos ganz gut...


Und was sollte eine flexible Kampfrundenlänge daran ändern, außer meine Vorstellungskraft zu überfordern?

Natürlich erhebe ich nicht die von vielen Spielern ja einigermaßen verteufelte historische Realität zum allein seligmachenden Maßstab. Aber Kämpfe in den ansonsten so beliebten Action-Filmen dauern auch länger als ein paar Sekunden...

Wenn wir Action-Filme oder noch besser alte Kung-Fu-Schinken als Maßstab nehmen, sind wir sowieso völlig frei in der Gestaltung.
Dann ist auch das Runterschratzen von dreistelligen HP-Zahlen irgendwo passend... :D

Man sollte solche Videos als Veranschaulichung von Regeln verwenden, die den Kampf weniger feinkörnig gestalten. Ich bin auch eher ein Freund von so feinkörnig wie nur möglich. Aber nach dem video kann ich mich auch mit Mechanismen anfeunden, die einen kompletten Kampf über einen einzigen vergleichenden Wurf regeln

Einspruch!

Das ist eine Technikvorführung. Natürlich geht da alles schön sauber durch und jeder noch so leichte Treffer "zählt".

Wenn man sich aber eingehender damit befasst, wird auf einmal doch wieder jeder Kleinscheiß wichtig.

Sieh es mal so:
Wenn das System verheerende Treffer abbilden kann, ist jede Runde potentiell ein (zugegebenermaßen zweiteiliger) vergleichender Wurf.
Das kann sich natürlich eine ganze Weile hinziehen - wird es aber in der Regel nicht.


ich bin mir ganz sicher das man Kampf auch grobkörnig abbilden kann.
Aber wenn es nicht auf extreme Spezialisten, alternative Lösungen oder eine Umdeutung (1) des Kampfe hinaus läuft sehe ich häufige neue Charaktere am Horizont.

Das kommt drauf an, wie man die Konsequenzen regelseitig ausgestaltet.
Es ist doch Quatsch, einen Kampf erst ganz grob und abstrakt über einen einzigen Wurf abzuhandeln und dann als einzig mögliches Ergebnis den Tod des Verlierers festzulegen.

Das kann man auch im Vorfeld oder auch hinterher mit entsprechenden Erzählrechten, Gummipunkten, Bietsystem etc. pp. aushandeln/bestimmen.

Abstrakt "verloren" heißt doch zunächst nur, dass das eigene Ziel nicht erreicht wurde.
Je nach Ausgestaltung dieses Ziels kann der Kampfwurf auch entsprechend leichter oder schwerer werden...
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 30.06.2013 | 23:54
1888 wird man nicht großartig anders gefochten haben.
Mit "wird man" kommt man in der Geschichte nicht weit - aber dass man 1958 sich noch genau so duelliert hat wie 1888, möchte ich mich aus dem Fenster lehnend glatt ausschliessen.
(Im Übrigen sind beides offensichtliche Ausschnitte und daher eher irrelevant.)

Zitat
Die Regel ist es viel mehr, wie von OldSam angemerkt, dass man wie die Franzmänner in den obigen Videos bis aufs erste Blut nach den Flossen gestochert hat und fertig...
Woher willst Du das denn wissen? (Insbesondere für die früher eher üblichen Duelle mit tödlichem Ausgang, die aber leider nicht mit Minutenangaben in der Zeitung stehen.)

Zitat
Mit flexiblen Rundenlängen ist mMn bei den zu überspringenden Zeiträumen auch kein Staat mehr zu machen - da bin ich ja dann doch wieder bei minutenlangen Runden, wenn das beherrschbar bleiben soll.
Ich habe nicht im geringsten verstanden, was Du hier sagen willst und was das Problem ist. Du musst nichts überspringen, wenn Du flexible Rundenlängen hast. Und sie sind nicht minutenlang, sondern so lang, wie es eben passt.

Zitat
Das berühmte Duell von 1386 zwischen Jacques LeGris und Jean de Carrouges wird recht unpräzise mit mehreren Minuten Dauer angegeben. Die kämpften allerdings auch in Vollrüstung, zunächst zu Pferd.
Oh, sehr schönes Beispiel, das ja auch dem typischen Fantasy-Rollenspiel etwas näher ist. Ich persönlich würde sowas eben ungerne 50 oder 100 Runden lang dauern lassen. (Was es ja in typischen Systemem auch nicht tut. DSA4, das genau so etwas ja unter seinen eigenen Maßstäben emulieren möchte, würde einen solchen Kampf 30 Sekunden dauern lassen, wenn es sehr hoch kommt. Aber vermutlich wäre er schon früher zuende.)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arkam am 30.06.2013 | 23:56
Hallo zusammen,

@YY
Mit dem Umdeuten hatte ich ja genau diese Umgestaltung der Konsequenzen angesprochen.

Gruß Jochen
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 1.07.2013 | 00:29
Mit "wird man" kommt man in der Geschichte nicht weit - aber dass man 1958 sich noch genau so duelliert hat wie 1888, möchte ich mich aus dem Fenster lehnend glatt ausschliessen.
(Im Übrigen sind beides offensichtliche Ausschnitte und daher eher irrelevant.)

Die Waffen sind doch ähnlich bis identisch, ebenso wie die Fechtausbildung - möglicherweise nicht in der Intensität/Qualität, aber technisch schon.

Ein fechthistorisch Bewanderterer möge mich aufklären, falls ich mich da irre.
Aber ich gehe schwer davon aus, dass die traditionelle Duellmethode 1958 und 1912 (!) so weit nicht weg war von 1888.
Ich sehe (zugegebenermaßen mit Nichtfechteraugen) jedenfalls zwischen ´58 und ´12 keinen großartigen Unterschied.

Woher willst Du das denn wissen? (Insbesondere für die früher eher üblichen Duelle mit tödlichem Ausgang, die aber leider nicht mit Minutenangaben in der Zeitung stehen.)

Bevor hier was durcheinander kommt:
Ein Duell bis auf erste Blut (das nicht nur so angedacht, sondern von beiden Duellanten auch so angegangen wird) wird nie großartig anders aussehen als das, was die Herren da veranstalten.
Es ergibt einfach keinen Sinn, anders vorzugehen.

Wenn natürlich nicht nur bis zum ersten Blut gekämpft wird, sieht es anders aus.
Dann wird tendentiell die Belauerungs- und Abtastphase etwas länger, bis der Entschlossenere der beiden Kämpfer meint, eine gute Gelegenheit zu haben.
Sollten beide auf Zeit spielen, kann sich das entsprechend hinziehen.

Die Zeit, die mit dem tatsächlichen Schlagabtausch verbracht wird, bewegt sich aber sicher regelmäßig nicht über wenigen Minuten.
Genau darum gehts doch.


Die längsten Kämpfe sind Sportkämpfe mit entsprechendem Regelwerk, wenn zwei gleichwertige Gegner aufeinander treffen - das ist dann auch mal eine reine Ausdauerveranstaltung.

Aber regellos und mit ernsthafter Verletzungsabsicht lässt sich i.d.R. nicht über eine Viertelstunde oder länger kämpfen, ohne dass ein Ergebnis eintritt - schon gar nicht durchgehend.
Das sind dann tatsächlich freak incidents und man wird davon nur eine Handvoll aufzählen können.

Ich habe nicht im geringsten verstanden, was Du hier sagen willst und was das Problem ist. Du musst nichts überspringen, wenn Du flexible Rundenlängen hast.

Ich formuliere um:
Es gibt zwischen zwei heißen Phasen einen relativ langen Zeitraum, in dem nichts wirklich Relevantes passiert.
Ob ich diesen jetzt überspringe bzw. aus dem Kampfsystem herausgelöst abhandle oder eine oder mehrere Kampfrunden auf die Länge dieses Zeitraumes ausdehne, bleibt sich gleich.

Und für die heißen Phasen will ich kurze Kampfrunden, weil da jede Menge Relevantes in sehr kurzer Zeit passiert.
Längere Kampfrunden kann ich nur nutzen, wenn ich abstrakter arbeite.

@Arkam:
Verstanden und genehmigt  :)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 1.07.2013 | 00:43
Feuergefechte zwischen militärischen Einheiten dauern nicht selten Stunden...
Es kommt drauf an was man unter "Feuergefecht" versteht. Der einzelne Infanterist befindet sich praktisch nie in einem stundenlang andauernden Schusswechsel, allein schon weil er dafür neben einer Palette Munitionskisten sitzen müsste.
Die typischen Aktionen in denen Spieler auch tatsächlich Einfluss nehmen können und nicht völlig in der Masse untergehen dauern in der Regel wenige Minuten.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 1.07.2013 | 00:48
Die Zeit, die mit dem tatsächlichen Schlagabtausch verbracht wird, bewegt sich aber sicher regelmäßig nicht über wenigen Minuten.
Genau darum gehts doch.
Mir nicht. Ich will ja ein Kampfsystem und kein Schlag- oder Schußsystem.

Zitat
Aber regellos und mit ernsthafter Verletzungsabsicht lässt sich i.d.R. nicht über eine Viertelstunde oder länger kämpfen, ohne dass ein Ergebnis eintritt - schon gar nicht durchgehend.
Lassen wir mal trotz existenter Schilderungen längerer Kämpfe eine Viertelstunde als Maßgabe gelten: Das geben die meisten Rundensysteme auch nicht her. Ich meine, das wären bei D&D 150 Runden, bei DSA 300 und bei GURPS 900. Wer will das spielen?

Zitat
Es gibt zwischen zwei heißen Phasen einen relativ langen Zeitraum, in dem nichts wirklich Relevantes passiert.
Das ist davon abhängig, was man als relevant betrachtet. Für die Kämpfenden ist es natürlich relevant, sonst würde es nicht passieren. Für die Spielmechanik ist es sicher nicht immer relevant, aber darum, Aktionen auf dieses Maß herunterzudampfen, ging es ja in diesen Thread schon.

Zitat
Ob ich diesen jetzt überspringe bzw. aus dem Kampfsystem herausgelöst abhandle oder eine oder mehrere Kampfrunden auf die Länge dieses Zeitraumes ausdehne, bleibt sich gleich.
Ob sich's gleich bleibt, weiß ich nicht, aber das eine ist regelmechanisch halt viel weniger elegant und weniger... sagen wir ehrlich als das andere. "Eine Kampfrunde ist auf exakt 3 Sekunden festgelegt, aber weil dabei völliger Quatsch herauskommen kann, überspringen Sie doch einfach eine beliebige Anzahl Runden, wenn Ihnen danach ist." Klar... kann man machen. Ist aber nicht so mein Ideal.

Zitat
Und für die heißen Phasen will ich kurze Kampfrunden, weil da jede Menge Relevantes in sehr kurzer Zeit passiert.
Ja und? Selbst wenn ich unflexibel längere Kampfrunden habe, ist es nicht ausgeschlossen, dass in sehr kurzer Zeit eine Menge relevantes passiert, und bei flexiblen Kampfrunden natürlich sowieso nicht.  wtf?

Flexible Kampfrunden haben eigentlich nur einen (hier witzigerweise gar nicht angesprochenen) Nachteil: Die Interaktion mit realen Zeiteinheiten. Fragen wie "Wie viele Kampfrunden dauert es, bis die 60-Sekunden-Zeitbombe hochgeht?" beantworten - sowas können traditionelle Kampfrunden natürlich besser.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Darius der Duellant am 1.07.2013 | 01:05
Die Waffen sind doch ähnlich bis identisch, ebenso wie die Fechtausbildung - möglicherweise nicht in der Intensität/Qualität, aber technisch schon.

In dem Zeitfenster sind die Unterschiede bei den Waffen wirklich sehr geringfügig, da wären andere Zeitfenster (nochmal 250 Jahre in die Vergangenheit) deutlich auswirkungsreicher.
Dementsprechend:
Auch wenn es gewisse Technikunterschiede gibt, kann man das hier:

Zitat
Aber ich gehe schwer davon aus, dass die traditionelle Duellmethode 1958 und 1912 (!) so weit nicht weg war von 1888.

unterschreiben, da diese im Hinblick auf die hier interessanten Punkte (Dauer eines Duells) einfach unbedeutend sind.
Da geben sich aber eigentlich die meisten halbwegs aktuellen Klingenwaffen nicht viel.
Selbst ein im Vergleich zu italienischen Fechtwaffen "plumpes" Deutsches Langes Schwert (man merkt wie weit ich zurückgehe) ist immer noch eine ziemlich schnell führbare Waffe die potentiell zu sehr zügigen Kampfausgängen führen kann.

Das menschliche Gehirn kann einfach nicht dauerhaft fehlerfrei arbeiten.
5 Minuten Vollkontakt ohne getroffen zu werden [ähnliches Vermögen vorausgesetzt]ist schon eine ziemliche Ansage.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 1.07.2013 | 10:42
Man sollte solche Videos als Veranschaulichung von Regeln verwenden, die den Kampf weniger feinkörnig gestalten. Ich bin auch eher ein Freund von so feinkörnig wie nur möglich. Aber nach dem video kann ich mich auch mit Mechanismen anfeunden, die einen kompletten Kampf über einen einzigen vergleichenden Wurf regeln
In einer Sekunde passiert da mit dem Zweihänder eine ganze Menge...

Stupiden Schlagabtausch habe ich hingegen nicht gesehen. Jede Aktion und Reaktion war die Ausgangsbasis für die weitere Aktion.

Weder die Sekunde als Zeiteinheit noch der Schlag als Grundeinheit machen Sinn, um die geschilderten Kämpfe zu modellieren.

Als Echtkampfsimulation würde ich solche Nachstellungen aber nicht betrachten. Die sind sichtbar einstudiert und damit sie so klappen wie dargestellt, bleibt einer der Partner stets passiv. Gerade in den Zeitlupen kann man das auch als Laie deutlich erkennen. YYs Kritik kommt dazu. Wenn das Manöver nicht 100% glatt abläuft und man sich für die Typen Rüstungen dazudenkt, hätte eine Menge nicht funktioniert. Überdies dürfte man im echten Todeskampf ernsthaft nervös bis ängstlich sein, was sich schwer auf den Mut und die Präzision der Kampftechniken auswirkt. Nur die echten Meister dürften mit der nötigen Konzentration und Ruhe die komplizierten Manöver auszuführen. Der große Rest würde eher in wilden, hormongetriebenen Schlagabtausch verfallen. Womit wir wieder bei den Schlagfolgen des Rollenspiels wären? :D ;)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Eulenspiegel am 1.07.2013 | 18:55
Hmmm... es gibt keinen Facepalm-Smilie, also sage ich's direkt: Ach sag bloß.  ::)
(http://irishrailwaymodeller.com/images/smilies/facepalm.gif)
Hallo? Wenn du keine Lust hast, Sachen zu verlinken, dann mach andere Leute nicht von der Seite an, weil sie deine Arbeit erledigen.

Zitat
Doch? Die Formulierungen "just" oder "only" sind recht eindeutig. Da ich des weiteren auf eine der von Dir zu erwartenden seitenlangen semantischen Manöverdiskussionen keine Lust habe (und daran auch nicht teilnehmen werde), wiederhole ich einfach meine Aufforderung: Immer her mit den Vergleichsdaten.
1) Das Wort "just" bzw "only" bezieht sich darauf, dass die Streiterei ohne Kampf mehrere Tage gedauert hätte. Anstatt eine Sache ohne Kampf in mehreren Tagen zu erledigen, wurde das mit Kampf in wenigen Minuten erledigt.

2) In Gegensatz zu dir verlinke ich meine Aussagen. Wenn du Vergleichsdaten willst, schau dir mein Video an. Oder lese dir den Zeitungsartikel  "Boulanger vs. Floquet"  durch. (Wo ich mir im Gegensatz zu dir die Mühe gemacht habe, ihn zu verlinken.)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 1.07.2013 | 19:25
Lassen wir mal trotz existenter Schilderungen längerer Kämpfe eine Viertelstunde als Maßgabe gelten: Das geben die meisten Rundensysteme auch nicht her. Ich meine, das wären bei D&D 150 Runden, bei DSA 300 und bei GURPS 900. Wer will das spielen?

Beispiele/Links sind mir stets willkommen ;)

Zumindest für GURPS kann ich sprechen, wenn ich sage:
Diese 900 Runden wird man nicht spielen müssen, wenn durchgehend gekämpft wird.
Auch keine 100 und sehr wahrscheinlich auch keine 50.

Für D&D müsste man die spielmechanischen Umstände schon in einem eng begrenzten Rahmen halten, um eventuell 150 Runden abreißen zu müssen - die kann man dann aber im Prinzip wirklich einfach so runterwürfeln.
Wollte ich persönlich jetzt auch nicht. Aber ich will erst gar kein D&D spielen  :P

"Eine Kampfrunde ist auf exakt 3 Sekunden festgelegt, aber weil dabei völliger Quatsch herauskommen kann, überspringen Sie doch einfach eine beliebige Anzahl Runden, wenn Ihnen danach ist."

Nicht weil dabei Quatsch rauskommen kann, sondern weil es nicht sinnvoll ist, für alle Beteiligten aktionslose Kampfrunden einzeln zu verwalten.

Wenn z.B. sich zwei erschöpfte Kämpfer erholen wollen, springt man bis zu dem Punkt, wo einer der beiden weitermachen will.


Selbst wenn ich unflexibel längere Kampfrunden habe, ist es nicht ausgeschlossen, dass in sehr kurzer Zeit eine Menge relevantes passiert

Dann muss ich mich aber wenigstens fragen, warum in manchen Kampfrunden so viel passiert und in anderen so wenig.
Die Absicht hinter der Kampfrunde ist es doch gerade, überschaubare Sinnabschnitte zu kriegen. Wenn das nicht mehr gegeben ist, weil zu viel in eine Runde gequetscht wird oder sich die Handlungsmöglichkeiten beißen (s. unten bei Beral), ist die gewählte Kampfrundenform ungeeignet.

Verständnisfrage:
Wie flexibel sind denn deine Kampfrunden konket, d.h. welche Zeiträume können sie umfassen? Und was definiert sie - ein bestimmtes "Volumen" an Handlungen, die Entscheidung zu einer anderen Vorgehensweise o.Ä.?

Stupiden Schlagabtausch habe ich hingegen nicht gesehen. Jede Aktion und Reaktion war die Ausgangsbasis für die weitere Aktion.

Dafür spielt die Kampfrundenlänge aber nur insofern eine Rolle, als dass man mit langen Kampfrunden den gesamten Kampf in einer Runde (ggf. in einem einzigen Wurf) unterbringen kann und das dann entsprechend schildert.

Mit kürzeren Kampfrunden (also so kurz, dass man den Kampf nicht mehr in einer einzigen Runde unterbringt) ist das Problem dann "nur", dass die meisten Systeme keine Auswirkungen über mehrere Runden hinweg vorsehen.
Z.B. bei "The Riddle of Steel" gibt es das aber durchaus und GURPS4 kann das in sehr ähnlicher Weise leisten.

Das sind aber auch zwei von sehr wenigen...einige abstraktere Systeme machen das zwar locker aus dem Handgelenk, dann aber eben meist rein spielmechanisch und nicht mehr nah am konkreten Kampfverlauf.

Kurz:
Wenn das Ende einer Runde die ganze Interaktion wieder komplett auf Anfang setzt, ergibt sich kein flüssiger und nachvollziehbarer Verlauf, sondern repetitives HP-Runterschratzen, weil es i.d.R. die sinnvollste Vorgehensweise ist.

Weder die Sekunde als Zeiteinheit noch der Schlag als Grundeinheit machen Sinn, um die geschilderten Kämpfe zu modellieren.

Ich lasse mich auf Folgendes runterhandeln:
Es ist stellenweise etwas umständlich und man muss genau wissen, was man tut, wenn man das so angehen will.

Aber für den anderen Fall gibt es da auch genug Negativbeispiele.
Wenn eine Kampfrunde als ein längerer Zeitabschnitt mit Angriffen, Paraden, Manövrieren etc. pp. definiert ist und dann ohne mit der Wimper zu zucken Spezialmanöver wie "Finte" aufgelistet werden - da ist doch Hopfen und Malz verloren.


Meiner Wahrnehmung nach fällt es vielen Systemen schwer, in dieser Hinsicht wirklich konsequent an einer Linie festzuhalten.
Shadowrun 2 etwa betrachtet einzelne Schüsse (!) sehr kleinteilig, fasst zugleich aber komplette Nahkämpfe zu einem vergleichenden Wurf zusammen (und kommt dann in Erweiterungsregeln mit genau solchen Manövern wie oben kritisiert aus der Kurve).

Andere Systeme wie WoD kommen zwar so ganz gut zurecht, versagen dann aber beim Behandeln von selbstladenden und insbesondere automatischen Schusswaffen (damit steht es auch bei Weitem nicht allein da...).
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 1.07.2013 | 20:54
Lassen wir mal trotz existenter Schilderungen längerer Kämpfe eine Viertelstunde als Maßgabe gelten: Das geben die meisten Rundensysteme auch nicht her. Ich meine, das wären bei D&D 150 Runden, bei DSA 300 und bei GURPS 900. Wer will das spielen?

Du konzentrierst Dich hier meiner Ansicht nach auf unwahrscheinliche Extremfälle, die in der Spielpraxis so praktisch niemals vorkommen ;)
Also ich habe jedenfalls noch nie einen Spielbericht vernommen, wo ein Duell soooooooooo ausschweifend gewesen wäre, nicht einmal bei DSA4 und das will schon was heissen  :P

Die Zeiten, die solche ausgefallenen Duelle wirklich so lang machen, sind doch zu sehr großen Teilen "Wartezeiten" (Belauern etc.) Würdest Du die tatsächlich genau so ausspielen, wie sie das Gefühl des Duells real abbilden, kann ich Dir garantieren, dass es selbst bei 300 Runden noch extremst spannend wäre! Warum? Weil Du dann nämlich als der Spieler selbst umgebracht würdest, wenn Du das deadly Game verlierst... ;)
Ja, das bringt eine gewisse Spannung rein, denn es kommt fast an das Gefühl eines echten tödlichen Duells ran :p ...warum nur fast? Der körperliche Aspekt fehlt noch und der ist auch ein starker Faktor, wie hier ja schon angemerkt wurde. Es ist eine immense Gehirnleistung, wenn man kämpft, dabei über Minuten volle Konzentration zu behalten, wo doch auch der Körper mit maximalem Energieeinsatz versorgt werden muss. Logisch, dass die höheren Hirnfunktionen, da eher auf "Sekundärenergie" geschaltet werden und die Taktik sehr viel trivialer wird mit der Zeit. Und da kommt noch hinzu, dass in vielen Kämpfen natürlich  Rüstungen getragen werden, was die Energiereserven noch viel schneller leert und somit auch schneller zu technischen/taktischen Fehlern bzw. schlichtem körperlichen Versagen führt...  - das ist dann von einem Moment auf den anderen vorbei.

Um mal von abstrakter Theorie wegzugehen und z.B. einen praktischen Vergleich bei GURPS grob zu skizzieren: Wenn die tatsächliche Kampfzeit zwischen 2 Kontrahenten dort 10 KR übersteigt ist es meiner Erfahrung nach schon sehr lange, ich habe es im Vergleich dazu viel häufiger erlebt, dass der Kampf bereits nach nur 1 KR entschieden war. Taktische Duelle mit Belauern, Vorstößen, Rückzug etc. zwischen versierten Gegnern - die beide gute defensive Fähigkeiten haben - dauern in der Tat eine Weile. Aber ist das nicht auch wünschenswert und zu erwarten bei sehr erfahrenen Gegnern, die sich einen großen und erbitterterten Kampf liefern? Und selbst hier ist es jederzeit möglich, dass z.B. durch eine ganz simple relative Anpassung der Skill-Levels deutlich zu beschleunigen (normale Regel aus dem Basic), wenn man wirklich will. Ist aber meist gar nicht nötig, da sich Profis dann i.d.R. auch entsprechend heftige Angriffe mit Abzügen um die Ohren hauen, wenn sich nicht beide sehr defensiv verhalten. Die Zeit des "Belauerns" etc. (in exakter Rundenzeit umgesetzt z.B. konstante Evaluate- oder Wait-Manöver) lässt sich trotzdem sehr schnell spielen, da dafür dann immer abwechselnd direkt die Runde übersprungen wird, während man ein paar Atmo-Beschreibungen dazu liefert, bis einer etwas aktiv ändert... (solange muss ja sonst auch nie was gewürfelt werden o.ä.)
Falls Du sowas konkret sehen möchtest, schildere einfach mal eine grobe Duell-Konstellation (was für Gegner/Ausrüstung/Situation...) und man könnte ein kleines Testspiel dafür bauen, gerne auch mit ein paar "gewollten" Verzögerungen, wie Du sie ja angenommen hast...


Flexible Kampfrunden haben eigentlich nur einen (hier witzigerweise gar nicht angesprochenen) Nachteil: Die Interaktion mit realen Zeiteinheiten. Fragen wie "Wie viele Kampfrunden dauert es, bis die 60-Sekunden-Zeitbombe hochgeht?" beantworten - sowas können traditionelle Kampfrunden natürlich besser.

Dieses Problem kommt doch aber auch in normalen Kämpfen ohne specials wie Zeitbomben andauernd zum tragen, z.B. die eben bereits kurz erwähnten Ladezeiten von Schusswaffen, seien es nun Sturmgewehre, Revolver oder auch Bögen, Armbrüste... Worin siehst Du denn das Problem die normalen KR an passender Stelle flexibel nach vorne springen zu lassen? Dadurch erreiche ich doch bereits den Effekt, dass ich weitgehend irrelevante Geschehnisse in großen Zeiträumen abhandeln kann und habe trotzdem ein sauberes Verhältnis zu realen Zeiteinheiten.



Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 1.07.2013 | 22:01
Kurz:
Wenn das Ende einer Runde die ganze Interaktion wieder komplett auf Anfang setzt, ergibt sich kein flüssiger und nachvollziehbarer Verlauf, sondern repetitives HP-Runterschratzen, weil es i.d.R. die sinnvollste Vorgehensweise ist.
Genau das meine ich auch.

_____________

Wir können eine zentrale Herausforderung an das Regelsystem festhalten: Der Kampf muss abschnittsweise unterteilt werden.

Gängig sind Sekunde (oder mehrere davon) und Schlag. Darauf kommt man leicht als Laie.

Da muss es aber mehr Möglichkeiten geben, oder?

Aus meinem Boxbeispiel weiter oben kann man taktische Grundhaltungen als Einheit nehmen. Ich bin defensiv, würfeln wir darauf. Jetzt bin ich offensiv, würfeln wir darauf. Jetzt will ich auf die Psyche einwirken, würfeln wir darauf. Der Kampf ist damit in Abschnitte geteilt. Egal wie lange sie dauern und wie viele Schläge dabei gesetzt werden.

Scrandy hat bei Mystix, so wie ich das verstehe, erzählerische Einheiten als Abschnitte. Ich sage die Handlung an und das ist der Abschnitt des Kampfes. Wir würfeln, interpretieren das Ergebnis, erreichen eine neue Situation, aus der heraus wieder eine Handlung angesagt wird. Ein neuer Kampfabschnitt.

Welche Alternativen fallen uns noch ein, wenn wir unsere Kreativität bemühen?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 1.07.2013 | 22:25
Doppelpost, aber auch ein neuer Gedanke.

Die kritisierte feste Zeiteinheit als Rundenbasis hat schon auch einen schwerwiegenden Vorteil. Sie synchronisiert die Aktionen vieler Kampfteilnehmer und erfüllt so eine Schiedsrichterfunktion.

Wenn ich z.B. meinen Kämpfer von der Treppe über die Hängeleuchte zu einem bedrängten Freund am anderen Ende des Raumes schwinge, ist das eine erzählerische Einheit. So weit, so gut. Der SL überlegt kurz und sagt an, dass in dieser Zeit der Räuber weiterhin den Freund beharkt. Schlägt er einmal, zweimal, dreimal zu in dieser Zeit? Höchstens einmal, rufe ich! Mindestens zweimal, ruft der SL!

Damit dringen wir zu einem tief ligenden und bisher unbeachteten Aspekt der Sache. Wenn die Spieler sich schwer einigen können über den Vorstellungsraum, aber auch wenn sie kompetitiv gegeneinander vorgehen (nicht im negativen Sinn gemeint, sondern als Wettkampf), ist die Schiedsrichterfunktion der Zeiteinheit kaum wegzudenken. Wenn also der ingame Konflikt zu einem Wettstreit auch auf Spielerebene wird. Da wiegt der Vorteil der Runde auch schwere Nachteile auf. So gesehen wundert es mich jetzt gar nicht, dass sich die Kampfrunde als Maß durchgesetzt hat.

Wenn jedoch die Spieler kein Interesse daran haben, gegeneinander zu wetteifern, sondern die Konflikte wirklich und wahrhaftig nur auf die ingame Ebene beschränkt sind, so ist die klassische Kampfrunde leicht ersetzbar und nicht unbedingt das Mittel der Wahl.

Und noch ein anderer Gedanke. Bisher habe ich von Sekunde / Schlag gesprochen als Grundeinheit. Nun möchte ich behaupten, dass Zeit die Grundeinheit ist. Die Zeit synchronisiert man mit dem häufigsten Kampfelement und kommt so auf den Schlag. Man nimmt nicht den Boxschlag, von dem man 3 in der Sekunde machen kann, und auch nicht den Kanonenschuss, von dem nur einer pro Minute möglich ist, sondern den Schwertschlag, von dem ein Laie annimmt, dass er eine Sekunde dauert. Der Kämpferprototyp im Rollenspiel ist der Held mit Rüstung und Schwert.

Bei der Frage nach der Henne und dem Ei lege ich mich fest, dass die Zeiteinheit das eigentlich relevante und der Ursprung ist, weil sie die Handlungen vieler Kämpfer gerecht vergleichbar macht. Und die Kürze oder Länge der Zeit (1 bis 4 Sekunden scheinen die Klassiker zu bevorzugen, von den Inkonsistenzen von ad&d mal abgesehen) orientiert sich pragmatisch am Prototyp des Kämpfers. Davon ausgehend wird alles andere skaliert.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 1.07.2013 | 22:32
Du konzentrierst Dich hier meiner Ansicht nach auf unwahrscheinliche Extremfälle, die in der Spielpraxis so praktisch niemals vorkommen
Ähm... that was the point, dude.

Zitat
Die Zeiten, die solche ausgefallenen Duelle wirklich so lang machen, sind doch zu sehr großen Teilen "Wartezeiten" (Belauern etc.) Würdest Du die tatsächlich genau so ausspielen, wie sie das Gefühl des Duells real abbilden, kann ich Dir garantieren, dass es selbst bei 300 Runden noch extremst spannend wäre! Warum? Weil Du dann nämlich als der Spieler selbst umgebracht würdest, wenn Du das deadly Game verlierst...
Wir kommen hier nicht weiter. Wie ich bei meiner letzten Antwort schon festgestellt habe, sehe ich hier unter anderem bei Dir ein ausgeprägtes Unvermögen, in anderen als den (gar nicht mal so sehr) tradierten Kampfrunden von wenigen Sekunden auch nur zu denken. Und mir fällt leider auch nichts mehr ein, was ich noch sagen könnte, um dem abzuhelfen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 1.07.2013 | 22:51
Wenn ich z.B. meinen Kämpfer von der Treppe über die Hängeleuchte zu einem bedrängten Freund am anderen Ende des Raumes schwinge, ist das eine erzählerische Einheit. So weit, so gut. Der SL überlegt kurz und sagt an, dass in dieser Zeit der Räuber weiterhin den Freund beharkt. Schlägt er einmal, zweimal, dreimal zu in dieser Zeit? Höchstens einmal, rufe ich! Mindestens zweimal, ruft der SL!
"Ist doch egal, zählt schließlich als ein Angriff" ruft der am Tisch sitzende Designer. Hier ist vielleicht das Mißverständnis entstanden, dass flexible Kampfrunden Abwesenheit von geregelten Handlungsoptionen bedeuten. Das ist natürlich nicht (notwendigerweise) der Fall.

Zitat
Damit dringen wir zu einem tief ligenden und bisher unbeachteten Aspekt der Sache. Wenn die Spieler sich schwer einigen können über den Vorstellungsraum, aber auch wenn sie kompetitiv gegeneinander vorgehen (nicht im negativen Sinn gemeint, sondern als Wettkampf), ist die Schiedsrichterfunktion der Zeiteinheit kaum wegzudenken. Wenn also der ingame Konflikt zu einem Wettstreit auch auf Spielerebene wird. Da wiegt der Vorteil der Runde auch schwere Nachteile auf. So gesehen wundert es mich jetzt gar nicht, dass sich die Kampfrunde als Maß durchgesetzt hat.
Das ist überhaupt kein Problem, weil es für die Regelfunktion der Kampfrunde völlig wumpe ist, wie viel Spielzeit sie repräsentiert. (Kleiner Zwischengedanke: In einer typischen Fantasywelt haben die Charaktere sowieso keine genaue Vorstellung davon, wie viel Zeit im Kampf vergangen ist.) Runden gibt es in vielen Brettspielen, ohne dass sich irgend jemand Gedanken machen würde, wie viel Zeit sie repräsentiert.

Zitat
Bei der Frage nach der Henne und dem Ei lege ich mich fest, dass die Zeiteinheit das eigentlich relevante und der Ursprung ist, weil sie die Handlungen vieler Kämpfer gerecht vergleichbar macht. Und die Kürze oder Länge der Zeit (1 bis 4 Sekunden scheinen die Klassiker zu bevorzugen, von den Inkonsistenzen von ad&d mal abgesehen) orientiert sich pragmatisch am Prototyp des Kämpfers. Davon ausgehend wird alles andere skaliert.
[Google] Zitat bezüglich Shadowrun, das ungefähr in die gleiche Kerbe schlägt:

Combat, bleeding, and first aid are incredibly short in duration under Shadowrun rules. It's a fundamental problem with setting the combat round length to the minimum times people achieve. So in the real world you can shoot four people with a semi automatic pistol in 3 seconds. In actual firefights, this basically never happens, but it is possible. So the game sets that as the standard time frame, and then everything takes an unrealistically short amount of time.

Wobei man dazu noch witzigerweise anmerken muss, dass die 3 Sekunden-Runde in die Richtung auch nicht funktioniert. Ein nichtvercyberter, nichtmagischer Mensch kann bei Shadowrun mit einer halbautomatischen Pistole zwei Schüsse innerhalb von diesen 3 Sekunden abgeben. In der Realität kann man in dieser Zeitspanne bei einer halbautomatischen Pistole das Magazin leerschießen (und es gibt auch Kampfübungen, die genau das fordern.)

Wir können eine zentrale Herausforderung an das Regelsystem festhalten: Der Kampf muss abschnittsweise unterteilt werden.
Das stimmt, aber dafür sind Runden sehr viel weniger wichtig als Züge.
Kampfrunden braucht man eigentlich nur, um abgelaufene Spielzeit zu messen. Für die sonstigen Spielmechanismen ist eigentlich nur wichtig, wer in welcher Reihenfolge was machen darf.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 1.07.2013 | 23:00
Diese 900 Runden wird man nicht spielen müssen, wenn durchgehend gekämpft wird. Auch keine 100 und sehr wahrscheinlich auch keine 50.
Gibt es irgendwelche Regeln, die dafür sorgen, dass man unter irgendwelchen Umständen so lange brauchen kann? Und wie läuft das bei GURPS (das ich nur theoretisch kenne) praktisch ab?

Zitat
Wie flexibel sind denn deine Kampfrunden konket, d.h. welche Zeiträume können sie umfassen? Und was definiert sie - ein bestimmtes "Volumen" an Handlungen, die Entscheidung zu einer anderen Vorgehensweise o.Ä.?
Kommt aufs System und die Situation an. Zwischen einer Sekunde und mehreren Minuten ist da alles möglich.

P.S.: Weil Du ja so nett in Vorleistung gegangen bist - diesmal sogar mit Link  (http://www.thearma.org/essays/Theobald-versus-Seitz.pdf)für diejenigen, die sich nicht vorstellen können, dass man Sachen irgendwo anders als im Internet gelesen haben könnte. Aber wie gesagt, spielt das an sich keine Rolle. Die grobe Maßgabe "mehrere Minuten" reicht aus.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 2.07.2013 | 00:03
Wir kommen hier nicht weiter. Wie ich bei meiner letzten Antwort schon festgestellt habe, sehe ich hier unter anderem bei Dir ein ausgeprägtes Unvermögen, in anderen als den (gar nicht mal so sehr) tradierten Kampfrunden von wenigen Sekunden auch nur zu denken. Und mir fällt leider auch nichts mehr ein, was ich noch sagen könnte, um dem abzuhelfen.

Ich kenne das nicht nur theoretisch, sondern habe auch durchaus selbst schon in der Praxis RPGs gespielt, die nicht mit Kampfrunden arbeiten, wie z.B. szenen-basierte Indies a la Western City, dort gibt es keinerlei Zeiteinheiten sondern nur narrative Sequenzen, die die Spieler zusammendichten. Gefällt mir für solche Games auch gut :)
Dennoch ist mir in der Tat leider nicht klar geworden wie genau Deine ideale flexible KR im Spiel funktioneren soll und warum es damit besser ist als das bewährte Rundenkonzept in Kombination mit flexiblem "Vorspulen" von irrelevanten Wartezeiten... aber was soll's ;)


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PS: Den einzigen wirklichen Nachteil, den ich in Bezug auf die klassische KR sehe, findet man als Grund-Problematik in jedem rundenbasierten RPG:
Nämlich dass es zeitversetzte Züge gibt, obwohl ingame ja eigentlich alles zeitgleich stattfindet.
Man muss also hin und wieder die Dinge ein wenig "hacken", wenn ansonsten Logikfehler im Ablauf entstehen würden, weil ja immer irgendwer als "1." oder "2.", "3." dran ist etc. (geht in der Praxis aber meist ganz ok, da ja sehr viele Aktionen nicht direkt miteinander verbunden sind - übrigens wird dieses Problem im traditionellen Modus um so größer, je länger die KR ist, also 3-5 Sek. hat entsprechend deutlich mehr Logikfehler als 1 Sek. etc.)
Das wäre etwas was man vielleicht mit einem irgendwie dynamischen Zeitabschnitt besser machen könnte, aber auch das wäre wohl nicht ganz so einfach schaffbar, da ja trotzdem irgendein Spieler zuerst dran ist usw. usf., aber wenn es dazu gute Ideen gibt interessiert es mich auf jeden Fall...

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 2.07.2013 | 00:16
Bei der Frage nach der Henne und dem Ei lege ich mich fest, dass die Zeiteinheit das eigentlich relevante und der Ursprung ist, weil sie die Handlungen vieler Kämpfer gerecht vergleichbar macht. Und die Kürze oder Länge der Zeit (1 bis 4 Sekunden scheinen die Klassiker zu bevorzugen, von den Inkonsistenzen von ad&d mal abgesehen) orientiert sich pragmatisch am Prototyp des Kämpfers. Davon ausgehend wird alles andere skaliert.

Hier eher kurze Rundenzeiten zu wählen hat den Vorteil, dass Schätzfehler nicht allzu groß werden.

Irgendwie muss man bei festen Rundendauern schließlich festlegen, was in einer Runde geht und was länger dauert - und da verhauen sich einige Systeme gründlich.

Hier ist vielleicht das Mißverständnis entstanden, dass flexible Kampfrunden Abwesenheit von geregelten Handlungsoptionen bedeuten. Das ist natürlich nicht (notwendigerweise) der Fall.

Macht man sich da nicht ein ganz neues Problemfeld auf?
Auch wenn man die Dauern nicht konkret benennt, ist doch bei einem Wechsel z.B. von der Sekunden- auf die Minutenskala auf einmal die Bandbreite an Handlungen für eine Runde eine ganz andere.
Je nach System stellt sich da auch schon die Frage, ob das mit Fertigkeiten und anderen Charakterwerten einfach so zusammengeht.

Was gibt es denn da an Vorgehensweisen abseits davon, bei einer Verlängerung um den Faktor X eben auch die Handlungsoption Z X-mal wählbar zu machen - ggf. mit einer zusammengefassten Abhandlung, sonst wäre es ja sinnlos.

Combat, bleeding, and first aid are incredibly short in duration under Shadowrun rules. It's a fundamental problem with setting the combat round length to the minimum times people achieve. So in the real world you can shoot four people with a semi automatic pistol in 3 seconds. In actual firefights, this basically never happens, but it is possible. So the game sets that as the standard time frame, and then everything takes an unrealistically short amount of time.

SR hat mit diesem Ansatz schon so seine Probleme, ja.
Aber dass man nicht mittem im Feuergefecht anfängt, Erste Hilfe zu leisten, ergibt sich immer noch aus den Regeln. Und auch verblutet wird nicht von einer Runde auf die nächste.

Aber grundsätzlich hat man da etwas zu kurz gedacht:
Was wer in welcher Zeit hinkriegt, ist gerade in Sachen Schießen eine Fertigkeitsfrage und keine Frage rein physikalischer Machbarkeit.
Mit so einem Ansatz die Rundendauer zu definieren, zäumt das Pferd von hinten auf.

Gibt es irgendwelche Regeln, die dafür sorgen, dass man unter irgendwelchen Umständen so lange brauchen kann? Und wie läuft das bei GURPS (das ich nur theoretisch kenne) praktisch ab?

Denkbar ist es z.B. dann, wenn
- die Kontrahenten schwer gerüstet, aber in Relation dazu eher unwirksam bewaffnet sind,
- beide ziemlich gleichwertige Kämpfer sind,
- beide bereits vom Training her eher auf eine defensive Kampfweise ausgerichtet sind,
- und im Kampf auch tatsächlich fast ausschließlich defensiv agieren,
- viel taktiert und eingeschätzt wird.


Die ersten drei Punkte ergeben sich organisch aus den Ausrüstungs- und Charaktererschaffungsregeln.

Regelseitig liefe eine sehr defensive Kampfweise darauf hinaus, dass viel mit folgenden Manövern gearbeitet wird:

"Evaluate" gibt einen Bonus auf eine folgende Attacke, verfällt aber, wenn die Voraussetzungen dafür wegfallen - im Nahkampf regelmäßig dann, wenn die beiden Gegner sich zu weit voneinander entfernen.

"Feint" erlaubt es einerseits, sich einen Angriffsbonus für die folgende Runde auch dann zu erarbeiten, wenn der Gegner im vergleichenden Wurf seine Probe ebenfalls schafft, aber eben um einen geringeren Betrag als man selbst. Bei einem echten Angriff wäre hier alles wieder auf Anfang, mit der Finte ergibt sich ein kleiner Vorteil.
Umgekehrt kann man die Finte auch defensiv einsetzen, um dem Gegner den nächsten Angriff zu erschweren - spielmechanisch das Selbe mit umgekehrten Vorzeichen.

"All-out defense" erlaubt es, unter Verzicht auf einen Angriff zwei verschiedene Verteidigungen einzusetzen oder eine einzelne Verteidigung mit Bonus.
Für jede aktive Verteidigung gibt es noch die Option des Zurückweichens, das ebenfalls einen Bonus mit sich bringt.

Als weitere Regeloption könnte man erlauben, mit Ausdauerpunkten einen weiteren Bonus für die Verteidigung zu kaufen.


Wenn nun beide Kämpfer mit einem Schild ausgerüstet sind und sich darauf verlegen, durch Bewegung ein gegnerisches "Evaluate" zu entwerten, um danach mit einer ausreichend guten Finte eine Lücke zu suchen (die der Gegner seinerseits mit einer defensiven Finte beantworten wird), kann sich das schon eine ganze Weile hinziehen. Zumal auch bei einer gut gelungenen Finte dem Gegner immer noch mindestens das Zurückweichen zur Verfügung steht - wenn er sich nicht nach einer eher schlechten defensiven Finte* sowieso erst mal auf "all-out defense" verlegt.


*Erfolgsgrade von gegnerischen Finten werden standardmäßig nicht angesagt, um sie auch auf der Metaebene einigermaßen wirksam zu machen. Da aber die eigene Finte eingeschätzt werden kann, ist volle Verteidigung nach einer schlecht ausgeführten defensiven Finte trotzdem sinnvoll.

Solange man schön Platz zum Zurückweichen und Entwerten von "Evaluate" hat und die Ausdauer nicht ausgeht, zieht sich das dann entsprechend.

Für so einen Verlauf müssen aber auch äußere Umstände dafür sorgen, dass beide einerseits bleiben, ohne aber andererseits mit entsprechendem Druck die Entscheidung zu suchen.
Ein Gerichtskampf wäre eines der Paradebeispiele.

In einem "normalen" Kampf mit eindeutigerer Rollenverteilung von Aggressor und Verteidiger kann sich der Aggressor so langes Taktieren nicht erlauben, weil der andere sonst kurzerhand stiften geht und der Verteidiger nicht, weil er dem anderen bei erster Gelegenheit selbst Druck machen muss, sonst geht er im Angriffshagel unter.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 00:50
Macht man sich da nicht ein ganz neues Problemfeld auf?
Auch wenn man die Dauern nicht konkret benennt, ist doch bei einem Wechsel z.B. von der Sekunden- auf die Minutenskala auf einmal die Bandbreite an Handlungen für eine Runde eine ganz andere.
Du verwechselst hier Ross und Reiter. Die Situation bestimmt die durch eine Runde repräsentierte Zeit, nicht umgekehrt. Ein gewisses Maß an Abstraktion ist natürlich ohnehin notwendig, aber das ist eigentlich sowieso immer so. (Jede denkbare Handlung in einem Gefecht durch einzelne Regelkomplexe emulieren zu wollen, funktioniert nicht.)

Zitat
SR hat mit diesem Ansatz schon so seine Probleme, ja.
Aber dass man nicht mittem im Feuergefecht anfängt, Erste Hilfe zu leisten, ergibt sich immer noch aus den Regeln. Und auch verblutet wird nicht von einer Runde auf die nächste.
Hm, doch? Also jede Runde nur bei Body 1, aber jede zweite oder dritte ist bei vielen Charakteren drin. Und ein Punkt zusätzlicher Overflow ist bei Shadowrun schon eine heftige Sache.

Der Gedanke dahinter ist ja auch vollkommen klar: Wir wollen, dass verbluten und Stabilisierung auch während des Kampfes relevant sein kann. Da Kampf aber im 3-Sekunden-Takt abläuft, verbluten SR4-Charaktere im Zeitraffer.

Das geht jetzt allerdings auch schon wieder auf eine kleinteilige Diskussion von einzelnen Regeln zu... das Prinzip ist wichtig: Die Anpassung der Kampfrundenlänge auf den kleinsten gemeinsamen Nenner.

Zitat
Die ersten drei Punkte ergeben sich organisch aus den Ausrüstungs- und Charaktererschaffungsregeln.
Ich sehe bei diesen und den folgenden Erklärungen noch nicht den Punkt, wo man dutzende von Runden vorspult. (Bei Shadowrun, das ich ja nun etwas genauer kenne, übrigens auch nicht.)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 00:52
Ich kenne das nicht nur theoretisch, sondern habe auch durchaus selbst schon in der Praxis RPGs gespielt, die nicht mit Kampfrunden arbeiten, wie z.B. szenen-basierte Indies a la Western City, dort gibt es keinerlei Zeiteinheiten sondern nur narrative Sequenzen, die die Spieler zusammendichten.
Darum geht's mir hier aber nicht.

Zitat
Dennoch ist mir in der Tat leider nicht klar geworden wie genau Deine ideale flexible KR im Spiel funktioneren soll und warum es damit besser ist als das bewährte Rundenkonzept in Kombination mit flexiblem "Vorspulen" von irrelevanten Wartezeiten
Bei welchem System hast Du denn schon mal "vorgespult", wie lange und warum?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 2.07.2013 | 00:54
Gibt es irgendwelche Regeln, die dafür sorgen, dass man unter irgendwelchen Umständen so lange brauchen kann? Und wie läuft das bei GURPS (das ich nur theoretisch kenne) praktisch ab?

Denkbare Szenarien gibt es, durchaus sehr lustige sogar ;)
Bspw. gibt es knock-down-Regeln und es könnte unter sehr seltenen Umständen vorkommen, dass zwei Duellanten sich z.B. tatsächlich gleichzeitig gegenseitig K.O. schlagen und dann erstmal ne Weile rumliegen bis sie wieder aufwachen. Die Wiederholung selbigens ist dann nochmal viel unwahrscheinlicher aber möglich, würde dann langsam Richtung Comedy gehen :p Im Anschluss kann es dann natürlich sein, dass die Typen so angeschlagen wie sie sind nich mehr viel gebacken kriegen, aber es trotzdem unbedingt drauf anlegen sich gegenseitig umzubringen und dann ständig danebenhauen, zwischendurch stürzen und sich dank kritischem Fehler z.B. den Arm brechen, danach noch luschiger kämpfen etc., bis irgendwann einer der beiden schwarzen Ritter den anderen mit etlichen hartnäckigen Biss-Attacken tötet (ist eine legitime 'natural weapon' für Menschen :p) und dieser schließlich nach und nach über viele, viele, viele Runden langsam verblutet... =)

Wenn das jetzt gegen jede Wahrscheinlichkeit doch mal passieren würde, wäre es schon der Hammer ^^
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 2.07.2013 | 00:59
Bei welchem System hast Du denn schon mal "vorgespult", wie lange und warum?

Eigentlich bei allen klassischen KR-Systemen, die ich bisher schon gespielt habe, in verschiedenen Situationen, meinetwegen sowas wie das:

"Ihr seht sie in 200m Entfernung die Straße lang laufen, direkt in den Ort hinein..." - "Wir rennen hinterher..." - "Ok, 2 Minuten später [Zeit überspringend] habt ihr sie fast eingeholt, als sie plötzlich in eine Sackgasse kommen und stehen bleiben müssen, ihr seid nur 10m entfernt, was tut ihr?" [KR-Modus]
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 01:02
Eigentlich bei allen klassischen KR-Systemen, die ich bisher schon gespielt habe, in verschiedenen Situationen, meinetwegen sowas wie das:

"Ihr seht sie in 200m Entfernung die Straße lang laufen, direkt in den Ort hinein..." - "Wir rennen hinterher..." - "Ok, 2 Minuten später [Zeit überspringend] habt ihr sie fast eingeholt, als sie plötzlich in eine Sackgasse kommen und stehen bleiben müssen, ihr seid nur 10m entfernt, was tut ihr?" [KR-Modus]
Wenn noch nicht mal klar geworden ist, dass es um die Zeit während des Kampfes geht, bestärkt das nur den Eindruck, dass wir hier nicht vorankommen. Dieser wird weiter dadurch bestärkt, dass das Beispiel natürlich mit der durch die Kampfrunden repräsentierten Zeit gar nichts zu tun hat.

Zitat
Denkbare Szenarien gibt es, durchaus sehr lustige sogar
Ich spiele aber nun mal auch andere Sachen als Paranoia, also ist das nicht zielführend. Womit Du Deine Frage übrigens quasi selbst beantwortet hast (neben den schon vergeblich genannten Vorteilen): Weil ich mit flexiblen Kampfrunden längere Kämpfe visualisieren kann, ohne Tortenschlacht-Stimmung zu erzeugen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arkam am 2.07.2013 | 07:25
Hallo zusammen,

kann es sein das hier inzwischen das Thema gewechselt hat?
Denn inzwischen diskutiert ihr doch darüber welche Zeiteinheit eine Kampfrunde haben sollte. Dazu muß ich sagen mir ist es eigentlich egal wie lange die Kampfrunde dauert solange fest steht was ich in einer Kampfrunde tun kann und wie weit ich mich bewegen kann.
Ob das jetzt ein oder mehrere Sekunden oder Minuten sind spielt für mich im Spiel keine Rolle.
Ob ich meinen Gegner in der Realität erst in eine passende Position manövriere oder mit einem Schlag erledigen kann ist mir egal.

Realistisch wird man es bei den meisten Systemen sowie klein geschrieben. Man orientiert sich eher an den Action orientierten filmischen Vorlagen.

Gruß Jochen
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.07.2013 | 08:08
Wie schon jemand sagte, ich glaube es war YY, ist nicht Zeit das Problem, sondern Runden. Ich habe nicht alles genau gelesen, also vielleicht sage ich nicht viel neues.
Eine Runde ist erst mal ein Spielelement das dafür sorgt dass jeder immer wiederkehrende, gleiche Optionen hat. Es wäre gar kein Problem Zeit in einer beliebigen Einheit bzw. natürlich in variablen Einheiten, je nach Bedarf zu messen, ganz ohne Runden, falls man das zur Synchronisation braucht. Runden sind nicht zum Zeitmessen da.

Das gängige System von Runden geht davon aus dass das einzige was sich von Runde zu Runde wesentlich ändert die Trefferpunkte sind, die irgendwann gegen null gehen. Wie schon festgestellt ist das in einem typischen Nahkampf natürlich völliger Unsinn. Ein Nahkampf entscheidet sich nach taktischer Situation, nicht nach Verwundung, also "Abnutzung". Dieser Abnutzungskampf ist eine Modellierung von Schiffskampf bzw. Linienkampf von geschlossenen Verbänden, wo es nur darum geht wie viel Feuerkraft gegen eine bestimmte Masse gerichtet wird, die sich langsam abnutzt. Da gibt es ansonsten keine taktische Situation (Nahkampf und Verfolgungsjagden bzw. Positionierungsmanöver ausgenommen).
Da sieht man eben die Wargaming-Wurzeln. Für Verbände auf einem Schlachtfeld ist das eine sinnvolle Abstraktion.

Ein realistisches Taktieren müsste in qualitativ unterschiedlichen Phasen ablaufen, also mit sich verändernden Optionen und Wahrscheinlichkeiten, abhängig von den vorigen Ereignissen. Es dürfte aber klar sein, dass sowas komplexer ist. Bedingte Wahrscheinlichkeiten, womöglich auch noch mit mehr als 2 möglichen Ereignissen sind nicht einfach zu durchschauen.

Manöver im realen Kampf sind auch nicht einfach dazu da Schaden zu verursachen, sondern opportunistisch, d.h. man versucht gleichzeitig mehrere verschiedene günstige Umstände herbeizuführen, wie eigenen Schutz, Verbesserung der Position und Angriff des Gegners. Selbst wenn das Primäre Ziel nicht erreicht wird, man z.B. nicht trifft, muss man immer noch die anderen Ziel im Auge behalten.
Man könnte sowas modellieren indem es für jedes Manöver abhängig von der taktischen Situation für jede taktische Veränderung eine eigene Wahrscheinlichkeit gibt, also z.B. eine W-keit für eigene Verletzung, eine für Verletzung des Gegners, eine für Übergang in taktische Situation X und eine für Situation Y. Das ist halt kompliziert. Mit nem Computer wär das kein Problem. Ansonsten haben manche Systeme das ja mit verschachtelten Tabellen in dieser Art zu modellieren versucht, was wie manche wissen ziemlich nervig sein kann.

Auf Runden wird man nicht ganz verzichten können, die sind ebene ein Element der Vereinfachung, weil sich irgendwann alles wiederholt, dann sollte jede Runde aber qualitativ unterschiedliche Phasen und eine zeitlich variable Länge haben. Das Rundenende hängt dann von dem Erreichen eines Zielzustandes ab, der ähnlich ist wie der Startzustand. Z.B. Taktieren, Taktieren, ..., Angriff, Konter, Konter, ... , Lösen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: pharyon am 2.07.2013 | 09:23
Für mich steht hinter der Feinkörnigkeit die Frage, wodurch ich im Spiel Spannung erhalte. Einige haben ja schon geschrieben, dass insbesondere das Zufallselement für sie spannend ist, bei anderen lese ich, dass für sie der kreative Deutungsprozess spannend ist. Ich glaube, da würde sich auch ggf. ein Zusammenhang zu bestimmten Systemen, die fein- oder grobkörnig auflösen, finden. Interessanterweise finden sich mEn die feinsten Auflösungen in Rollenspielen in Spiel-Situationen (und entsprechenden Regeln), in denen die Gefahr besteht, dass die eigene Figur aus dem Spiel ausscheiden kann. Aus dem Kriegsspiel-Hintergrund sind das dann zuallererst Kämpfe - geschenkt. In Situationen, in denen es auch gefährlich werden, man sich aber kaum Eingreifmöglichkeiten vorstellen kann, wird es dann eben abstrakter (gezwungenermaßen), z.B. Fallschaden/Kletterregeln oder Ähnliches. Inzwischen gibt es Spiele, die das auch für soziale Konflikte, da hier auch die Figur in dem Maß "aus dem Spiel ist", als dass der Spieler einen Teil seiner Handlungshoheit über diese Figur verlieren kann.
Daher würde ich die Hypothese aufstellen:
Feinkörnige Systeme wird man vor allem dann vorfinden, wenn bestimmte Gründe dafür sprechen, z.B. wenn
Falls sich der Spieleentwickler in dieser Richtung Gedanken macht, werden wir eher ein feinkörniges System von ihm lesen.
Wenn ich nun eher Spannung/Unterhaltung aus der Deutung eines Würfelergebnisses erhalte, interessiert mich der "Kleinkram" eher weniger, mehr noch: er schränkt mich in meiner Deutungsfreiheit/Kreativität ein. Dann tendiere ich eher zu geringeren Auflösungen.

Das soll jetzt eine kontinuierliche Dichotomie darstellen, die so wahrscheinlich nur einen kleinen Teil vereinfacht abbildet. Abseits von Plausibilitätsermessen (Realismus von Regeln) spielen bestimmt noch viele weitere Überlegungen mit rein.

Zu guter Letzt: Ich tendiere selbst zu feinkörnigeren Systemen, da mein erster Kontakt mit Rollenspiel mit dem FASA-Star Trek Rollenspiel stattfand. Dort gab es einerseits Aktionspunkte für Handlungen (was Bewegung sehr... taktisch machte), andererseits aber nur wenig Auswahl an beschriebenen Handlungen, was es mir schwer machte "in den Kampf reinzukommen". Mein zweiter Kontakt lief über DSA 4(.0), dort war Bewegung eher Nebensache, aber ich hatte Optionen im Kampf (ungeachtet der Umsetzung). Das hat mir mehr Spaß gemacht und immer wieder geholfen Bilder im Kopf entsehen zu lassen und dadurch Spaß zu haben.

p^^
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 09:59
Runden sind nicht zum Zeitmessen da.
Eigentlich sind sie wie erwähnt nur dazu da...

Zitat
Das gängige System von Runden geht davon aus dass das einzige was sich von Runde zu Runde wesentlich ändert die Trefferpunkte sind, die irgendwann gegen null gehen.
Kampfrunden und Trefferpunktesysteme haben an sich gar keine Verbindung. Ich habe hier jetzt schon mehrmals was von HP-Runterkloppen gelesen und frage mich jedesmal: Was zum Henker hat das mit Kampfrunden zu tun?
Kampfrunden gab's schon in "Chainmail". Trefferpunkte nicht. Womit die Sache mit den "Wargaming-Wurzeln", die hier irgendwie als universelle Erklärung herhalten müssen, auch erledigt wäre.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 10:34
kann es sein das hier inzwischen das Thema gewechselt hat?
Denke nicht...

Das Kampfgeschehen wird aufgebrochen in kleinste Zeiteinheiten. Um eine Sekunde des Kampfes abzuhandeln, werden minutenlang Regeln angewendet. [...] Ich behaupte, dass die feine Skalierung im Sekundentakts bzw. der einzelnen Aktion (Schlag, Parade) die bildliche Vorstellung des Kampfes be- oder gar verhindert.

Es geht also nicht um Regeln oder Kampfrunden an sich, oder Trefferpunkte, oder Angriffs- und Abwehrregeln und all die anderen schönen Dinge, über die hier diskutiert wurde, sondern in der Tat um die Skalierung.

Zitat
Dazu muß ich sagen mir ist es eigentlich egal wie lange die Kampfrunde dauert solange fest steht was ich in einer Kampfrunde tun kann und wie weit ich mich bewegen kann.
Ob das jetzt ein oder mehrere Sekunden oder Minuten sind spielt für mich im Spiel keine Rolle.
Ob ich meinen Gegner in der Realität erst in eine passende Position manövriere oder mit einem Schlag erledigen kann ist mir egal.
Exakt.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 2.07.2013 | 10:45
kann es sein das hier inzwischen das Thema gewechselt hat?
Denn inzwischen diskutiert ihr doch darüber welche Zeiteinheit eine Kampfrunde haben sollte. Dazu muß ich sagen mir ist es eigentlich egal wie lange die Kampfrunde dauert solange fest steht was ich in einer Kampfrunde tun kann und wie weit ich mich bewegen kann.
Ja, die Diskussion entwickelt sich inhaltlich weiter. Finde ich toll! [Ninjaedit: Wie sich die Wahrnehmungen unterscheiden! :D]

Etwas schade finde ich, dass wir den Gedanken nicht weiterverfolgen, wie man Kampfabschnitte ohne Zeitmaße definieren kann. Der Aufruf zum Kreativsein ist im Tumult untergegangen. ;)

Realistisch wird man es bei den meisten Systemen sowie klein geschrieben. Man orientiert sich eher an den Action orientierten filmischen Vorlagen.
Ich glaube, die meisten Klassiker orientieren sich wirklich an Laienvorstellungen vom Kampf. GURPS scheint eine rühmliche Ausnahme zu sein, was realistische Kampfsimulation angeht. Übrigens, hat die 3. Edition in dieser Hinsicht gravierende Nachteile gegenüber der 4. Edition? Oder andersherum: Hat die 4. Edition so viel Mehrwert, dass man sie gegenüber der 3. dringend empfehlen muss?

Kampfrunden und Trefferpunktesysteme haben an sich gar keine Verbindung. Ich habe hier jetzt schon mehrmals was von HP-Runterkloppen gelesen und frage mich jedesmal: Was zum Henker hat das mit Kampfrunden zu tun?
Gesetzmäßig nichts. In der Regelpraxis sehen wir diese Verknüpfung aber standardmäßig. Die Nachteile haben wir auch schon diskutiert hier im Thread. Und schließlich geht es hier doch genau darum, das Tradierte zu hinterfragen, seinen Sinn und Unsinn herauszufinden.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 2.07.2013 | 10:55
Übrigens, warum die Systeme so feinkörnig sind, haben wir eigentlich herausgefunden. Die Zeit als Maßstab ist eine notwendige Basis für die Schiedsrichterfunktion der Regeln. Und je kleiner die Zeiteinheit, desto besser kann sie diese Funktion ausüben. Die Rundenlänge von einer Minute hat sich nicht durchgesetzt. Wenige Sekunden sind üblich.

Das ist eine sinnvolle Lösung für eine Spielweise, bei der die Spieler (inklusive SL) miteinander wetteifern. Sinnvoll, weil diese Lösung das Konfliktpotential am besten reduziert.

Der Nachteil ist, dass die bildliche Vorstellung des Kampfes darunter leidet. Ich kann mir vorstellen, dass GURPS in dieser Hinsicht besser aufgestellt ist, weil es so viele Manöver hat, die die Phantasie direkt mit Inhalt füllen. Ist aber nur eine theoretische Vermutung, weil ich GURPS nicht gut genug aus der Praxis kenne.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: gunware am 2.07.2013 | 11:21
Das wäre etwas was man vielleicht mit einem irgendwie dynamischen Zeitabschnitt besser machen könnte, aber auch das wäre wohl nicht ganz so einfach schaffbar, da ja trotzdem irgendein Spieler zuerst dran ist usw. usf., aber wenn es dazu gute Ideen gibt interessiert es mich auf jeden Fall...
Ich weiß es nicht, wie es Western City regelt, deswegen kann es sein, dass es ähnlich abläuft.

Bei DrDII bestimmt derjenige, der die Initiative gewonnen hat, die Länge der Runde durch seine Handlung, die er ansagt. Alle, die nach ihm kommen, müssen sich dann "anpassen". Deswegen kann die "Kampfrunde" von einer Sekunde bis zu mehreren Tagen (*extremsfall - was nur theoretisch auftreten kann, praktisch wäre es unsinnig*) dauern. Das heißt, dass die Kampfrundendauer während des Kampfes ziemlich oft (und meistens tut sie es auch) wechseln kann.
Im Unterschied zu GURPS versucht man nicht die einzelnen Schritte zu simulieren (auch wenn man es könnte), sondern spricht eher die bildliche Vorstellung an (auch wenn es dann regeltechnisch "fast" genauso schwierig sein kann, jemanden den Kopf abzuhahacken, wie ihm die Finger zu brechen). In der Form hat dann selbstverständlich GURPS die Nase vorn.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arldwulf am 2.07.2013 | 11:36
Der Nachteil ist, dass die bildliche Vorstellung des Kampfes darunter leidet.

Nicht unbedingt. Beschreibung und bildliche Vorstellung ist immer abhängig von Ansatzpunkten und Relevanz. Unter "Ok, Max und der Riese kämpfen - Max gewinnt" lässt sich halt nicht wirklich etwas bildlich vorstellen. Unter
Zitat
"Max und der Riese kämpfen, Max weicht der Keule aus und verwundet seinen Gegner aber dieser packt ihn und wirft ihn an die Wand. Max braucht einen Moment um wieder auf die Füße zu kommen, flieht um eine Säule, immer vom Riesen verfolgt. Da spannt sich die Kette um den Hals des Riesen, er wird zurückgerissen. Max nutzt den Moment und schlägt seine Axt in den Fuß des Gegners der schreiend aufjault. Mit voller Wucht haut ihm Max die Axt in den Bauch und der Riese sinkt sterbend zu Boden.

schon eher. Detaillierte Aufschlüsslung der Aktionen ist also schon wichtig. Natürlich kann sich der Spieler von Max all dies auch bei der ersten Beschreibung vorstellen. Aber er hat keine Ansatzpunkte was passiert sein könnte. Und seine Vorstellung hat keine Relevanz. Ob er sich vorstellt das der Riese ihn an die Wand warf oder nicht macht keinen Unterschied. Obwohl dies im Spiel einen großen Unterschied machen könnte. Und sei es nur weil hinter der Wand ein Geheimgang war der nun ein Stückchen offen ist.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arkam am 2.07.2013 | 11:38
Hallo zusammen,

ich sehe nicht so recht wo man noch ein Zeitmaß braucht. Denn letztendlich wird die Handlung in einem Kampf doch in einer Sequenz abgearbeitet die nach den gegebenen Regeln gewisse Aktionen erlauben und sich dann wiederholen.
Sind genügend Optionen vorhanden so wird man nicht in die Verlegenheit kommen eine neue Option einpflegen zu müssen und dann eben im Vergleich zu den anderen Aktionen einpflegen zu müssen.

Wie man jetzt die häufigeren Eingriffsmöglichkeiten des Spielers, für mich der Kernpunkt der für feinkörnige Kampfregeln sorgt, ins Spiel bringt ist eigentlich egal. Die Einen kloppen eben Lebenspunkte herunter oder fliehen während die Anderen taktieren bis sie eine günstige Position erreichen und erledigen alles in einem finalen Schlag oder fliehen.

Gruß Jochen
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 2.07.2013 | 11:53
Übrigens, warum die Systeme so feinkörnig sind, haben wir eigentlich herausgefunden. Die Zeit als Maßstab ist eine notwendige Basis für die Schiedsrichterfunktion der Regeln. Und je kleiner die Zeiteinheit, desto besser kann sie diese Funktion ausüben. Die Rundenlänge von einer Minute hat sich nicht durchgesetzt. Wenige Sekunden sind üblich.
Ich würde behaupten wenige Sekunden haben sich auf deswegen durch gesetzt, weil eine Minute so lang ist dass keine vernünftige Kausalitätskette mehr aufgebaut werden kann. Es ist nicht mehr möglich regeltechnisch auf Aktionen eines Gegners entsprechend zu reagieren, genauso wenig ist es möglich Konfliktpartner zuzuteilen. Innerhalb einer Minute kann ein Schütze auf zwanzig Leute schießen und seine Position um mehrere Stockwerke verändern, innerhalb von 5-10 Sekunden sind die Anzahl der Ziele und sein Reaktionsradius doch eher begrenzt.

Bei Kampfrunden von einer Minute oder länger findet alles auf einer sehr viel abstrakteren Ebene statt, bei der Spieler eigentlich kaum noch wirklich Kontrolle über die Situation besitzen.

Der Nachteil ist, dass die bildliche Vorstellung des Kampfes darunter leidet. Ich kann mir vorstellen, dass GURPS in dieser Hinsicht besser aufgestellt ist, weil es so viele Manöver hat, die die Phantasie direkt mit Inhalt füllen. Ist aber nur eine theoretische Vermutung, weil ich GURPS nicht gut genug aus der Praxis kenne.
Ehrlich gesagt brauche ich keine tausend Spezialmanöver. Mir reicht es wenn ich beeinflussen kann ob ich offensiv/defensiv oder taktisch/rabiat kämpfe, den Rest mach die Vorstellungskraft. Es interessiert mich nicht ob ich einen Spezialstich auf das linke Ohrläppchen des Gegners machen kann, ich möchte nur die Ausrichtung meiner Handlungen wählen können.
Viele Systeme besitzen zehntausend Spezialmanöver für Dinge die sich viel leichter und flexibler darstellen ließen (z.B. mit Senkung des eigenen Angriffswerts bei Erhöhung des Schadens für solche Spezialtreffer) und überfrachten damit das System ohne es wirklich besser zu machen.
Denn jedes Spezialmanöver ist auch wieder ein Regelkonstrukt, das man kennen muss um es auszuführen, und wenn es zu viele davon gibt hält das nicht nur den Kampf auf ("ich möchte auf den Hals des Gegners zielen, Moment ich such mal die Regeln dafür..."), oft bläht es das System unnötig auf (man braucht ja auch die Kleinteile um solche Manöver zu ermöglichen).
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Praion am 2.07.2013 | 12:06
Oder, man beschreibt einfach, dass man den Hals des Gegners angreift und wenn man trifft dann tut man das auch. Was dann passiert ergibt  sich aus der Beschreibung und dem gewürfelten Schaden. Solange das Rückwirkungen auf die Fiktion und von dort auf die gegnerische Reaktion hat, kann man das machen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 12:18
Bei DrDII bestimmt derjenige, der die Initiative gewonnen hat, die Länge der Runde durch seine Handlung, die er ansagt. Alle, die nach ihm kommen, müssen sich dann "anpassen". Deswegen kann die "Kampfrunde" von einer Sekunde bis zu mehreren Tagen (*extremsfall - was nur theoretisch auftreten kann, praktisch wäre es unsinnig*) dauern. Das heißt, dass die Kampfrundendauer während des Kampfes ziemlich oft (und meistens tut sie es auch) wechseln kann.
Das ist eine ziemlich clevere Regelung. (Btw wäre es nett, in solchen Fällen die Titel auszuschreiben. Bei diesem  (http://www.dracidoupe.cz/)Spiel kann man allgemeine Kenntnis wohl eher nicht voraussetzen.)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: gunware am 2.07.2013 | 12:29
wäre es nett, in solchen Fällen die Titel auszuschreiben.
  Da hast Du selbstverständlich recht. Asche auf mein Haupt. Es war keine böse Absicht.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.07.2013 | 12:29
Also nochmal: Runden messen keine Zeit. Runden mit Zeiten zu assoziieren ist eine Notlösung, eine unzureichende Abstraktion. Runden sind ein Mittel zur Synchronisation und damit zur Standardisierung von Aktionen bzw. Ereignissen. Das ist eigentlich genau das Gegenteil einer genauen Messung.

Niemand wird ja wohl ernsthaft behaupten ein Angriff oder eine Parade dauere immer exakt 2 Sekunden, oder Manöver X, Zauber Y exakt 5 Minuten. Der Punkt ist, sie tun es gerade nicht. Wenn ein Schwertstreich 0,43s benötigt und irgend eine Finte 1,67s und ich beide in jeweils einer eigenen Kampfrunde abhandele (weil sie ja nicht in eine passen), dann habe ich die genaue Zeitmessung aufgegeben, und zwar zugunsten eines einfacheren Kampfablaufes, einer einfacheren Logik. Das ist das Gleiche Prinzip wie beim Computer die Taktfrequenz. Ein Computer könnte auch ohne Taktfrequenz rechnen, er wäre sogar viel schneller, er wäre nur viel schwieriger zu steuern.

Jeder der schon mal ein Computer-RPG gespielt hat wird die seltsamen Animationen der Spielfiguren bemerkt haben, die sich an Runden orientieren. Ein Animateur hat die Wahl alle Aktionen völlig seltsam aussehen zu lassen um sie miteinander zu synchronisieren, oder seltsam aussehende Pausen einzufügen, in denen die Figuren federnden Fußes, mit Brainfreeze warten, bis sie wieder zuhauen dürfen. Offensichtlich fand man letzteres besser, aber mit realen Aktionen oder Bewegungen und dem realen Ablauf von echter Zeit hat das wenig zu tun.

Ich weiß nicht ob das jetzt hier völlig kontrovers ist, dann halte ich auch gerne den Mund. Ich bin mir nur nicht sicher wer hier wirklich glaubt Runden dienten der Zeitmessung. Vielleicht verstehe ich das auch völlig falsch was hier diskutiert wird.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 12:30
"Max und der Riese kämpfen, Max weicht der Keule aus und verwundet seinen Gegner aber dieser packt ihn und wirft ihn an die Wand. Max braucht einen Moment um wieder auf die Füße zu kommen, flieht um eine Säule, immer vom Riesen verfolgt. Da spannt sich die Kette um den Hals des Riesen, er wird zurückgerissen. Max nutzt den Moment und schlägt seine Axt in den Fuß des Gegners der schreiend aufjault. Mit voller Wucht haut ihm Max die Axt in den Bauch und der Riese sinkt sterbend zu Boden.
Leider läuft das in der Praxis ja nicht so, sondern dieser kurz beschriebene und in einem typischen System vielleicht eine halbe Minute dauernde Kampf wird in kleine Abschnitte gestückelt, die jeweils von ggf. minutenlangen Regelanwendungen unterbrochen werden. Und das ist einer der Faktoren, der bei mir das Kopfkino kaputt macht. Bei einem Kampf mit zwei Seiten geht das noch, aber bei einem typischen Gruppenkampf wird es extrem. Es kommt für mich einfach kein Dabeisein-Gefühl auf, wenn ich 5 Minuten am Tisch sitze, um eine Sekunde im Spiel abzuhandeln. Mir ist natürlich klar, dass sich "Echtzeit" in den meisten Fällen nicht erreichen lässt, aber die extreme Diskrepanz zwischen Spieler- und Charakterzeit nimmt mich (jenseits aller hier breitgeklopften Realismuserwägungen) mehr aus dem Kampf raus, als mich die Detailtiefe einzelner Schläge hineinbringen kann.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Arkam am 2.07.2013 | 12:31
Hallo zusammen,

ich finde diese beiden Punkte aus Galatea interessant.

Ich würde behaupten wenige Sekunden haben sich auf deswegen durch gesetzt, weil eine Minute so lang ist dass keine vernünftige Kausalitätskette mehr aufgebaut werden kann.

Ehrlich gesagt brauche ich keine tausend Spezialmanöver. Mir reicht es wenn ich beeinflussen kann ob ich offensiv/defensiv oder taktisch/rabiat kämpfe, den Rest mach die Vorstellungskraft.
Denn jedes Spezialmanöver ist auch wieder ein Regelkonstrukt, das man kennen muss um es auszuführen, und wenn es zu viele davon gibt hält das nicht nur den Kampf auf ("ich möchte auf den Hals des Gegners zielen, Moment ich such mal die Regeln dafür..."), oft bläht es das System unnötig auf (man braucht ja auch die Kleinteile um solche Manöver zu ermöglichen).

bei der Kampfrunde bin ich der Meinung das eigentlich nicht der beschriebene Zeitrahmen sondern die im Regelwerk angegebenen möglichen Aktionen interessant sind. Wenn eben davon ausgegangen wird das man erst taktiert und eine günstige Position sucht könnte es ja auf einen Angriff pro Runde hinaus laufen. Wenn man jetzt natürlich laut Regelwerk 1 Sekunde pro Angriff benötigt und bei seiner Initiative alle Angriffe spielen darf wird es in der Tat schwierig mit der Kausalität.
Problematisch können solche Differenzen werden wenn verschiedene Rahmen aufeinander stoßen. Wenn etwa die Kampfrunde für Fahrzeuge Minuten beschreibt und die für Charaktere Sekunden.

Wie viele Kampfoptionen ich mir als Spieler wünsche hängt damit zusammen wie konkret das Regelwerk ist. Wenn der Hals also die einzige Stelle ist wo mein Charakter nicht schwer gerüstet ist erwarte ich schon das es eine Regel gibt das das Treffen einer solch kleinen Stelle schwierig ist. Vor allen wenn nach Regeln noch andere Zustände wie etwa verblutend oder betäubt an der Treffer Stelle fest gemacht werden.
Ist das nicht der Fall ist mir ein Halstreffer egal und aus meiner Sicht auch uninteressant.

Gerade bei Spielern die in einem Kampf mitdenken wird man schnell auf Aktionen stoßen die eine einschneidende Wirkung haben können und nicht unbedingt durch Regeln abgedeckt sind.

Gruß Jochen
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 2.07.2013 | 12:36
Ehrlich gesagt brauche ich keine tausend Spezialmanöver. Mir reicht es wenn ich beeinflussen kann ob ich offensiv/defensiv oder taktisch/rabiat kämpfe, den Rest mach die Vorstellungskraft. Es interessiert mich nicht ob ich einen Spezialstich auf das linke Ohrläppchen des Gegners machen kann, ich möchte nur die Ausrichtung meiner Handlungen wählen können.
Viele Systeme besitzen zehntausend Spezialmanöver für Dinge die sich viel leichter und flexibler darstellen ließen (z.B. mit Senkung des eigenen Angriffswerts bei Erhöhung des Schadens für solche Spezialtreffer) und überfrachten damit das System ohne es wirklich besser zu machen.
Gute Gedanken. Kennst du Systeme, die die Vorgabe von qualitativ hochwertigen Manövern / Taktiken erfüllen?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 12:38
Also nochmal: Runden messen keine Zeit.
Schön wär's. Aber genau das tun sie eben laut den hier diskutierten Regelwerken doch. Um genau zu sein: "Runde" ist im Grunde genommen nichts anderes als ein Zeitmaß.
Wenn Du sagen willst, dass das nicht so sein muss oder sollte, stimme ich natürlich zu. Aber leider ist es in den meisten Fällen so.

Zitat
Niemand wird ja wohl ernsthaft behaupten ein Angriff oder eine Parade dauere immer exakt 2 Sekunden, oder Manöver X, Zauber Y exakt 5 Minuten. Der Punkt ist, sie tun es gerade nicht.
Zauber dauern in vielen Systemen exakt X Runden (und jede Runde ist als exakt Y Sekunden definiert.) Dein eigenes Computerspielbeispiel zeigt das Problem recht deutlich: Die Funktion, eine Abfolge zwischen den Aktionen der Kämpfenden zu etablieren, wird ganz rigoros mit der Funktion einer Zeiteinheit verbunden, und dadurch entstehen die erwähnten Künstlichkeiten.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.07.2013 | 12:48
Schön wär's. Aber genau das tun sie eben laut den hier diskutierten Regelwerken doch. Um genau zu sein: "Runde" ist im Grunde genommen nichts anderes als ein Zeitmaß.
Selbst wenn Regelwerke das sagen sollten, dann haben die Leute selbst nicht verstanden was sie eigentlich machen, wäre bei Rollenspielautoren nicht das erste mal.
Eine Runde kann gar kein Zeitmaß sein, weil Zeit kontinuierlich ist (zumindest für menschliche Zwecke) und eine Runde diskret. Würde man in halben, viertel oder drei fünftel Runden rechnen, was man mit einem Zeitmaß ja durchaus macht, wäre der ganze Zweck einer Runde dahin. Die Frage wäre auch noch warum es es leichter ist in einer Zeiteinheit zu rechnen die sich aus ganzen Vielfachen einer Zeiteinheit zusammensetzt die jeder Mensch bereits benutzt. Können Rollenspieler nicht bis 2 zählen wenn es um Sekunden geht, aber mit Runden klappt es plötzlich?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 13:09
Würde man in halben, viertel oder drei fünftel Runden rechnen, was man mit einem Zeitmaß ja durchaus macht, wäre der ganze Zweck einer Runde dahin.
Dem vorzubeugen ist vermutlich ein weiterer Grund für die sehr kurzen Runden. (Nebenbei tun das bestimmte Systeme ja durchaus.) Aber dass Runden in der Tat Zeit messen und welche Probleme sich (für mich) dabei ergeben, kann ich vielleicht an einem Beispiel verdeutlichen:
S: "Okay, während die beiden sich duellieren und aller Leute Aufmerksamkeit gebannt ist, schleiche ich mich ins Zimmer des Groswesirs und durchsuche es nach dem Kelch."
SL: "Gut, das dauert ungefähr 10 Minuten, das wären 100 Kampfrunden..."
Schon mal eine solche Situation gehabt?

Zitat
Die Frage wäre auch noch warum es es leichter ist in einer Zeiteinheit zu rechnen die sich aus ganzen Vielfachen einer Zeiteinheit zusammensetzt die jeder Mensch bereits benutzt. Können Rollenspieler nicht bis 2 zählen wenn es um Sekunden geht, aber mit Runden klappt es plötzlich?
Das haben sich vermutlich die Designer von GURPS und Hackmaster gedacht, die dann in der Tat die Sekunde zum Runden- bzw. Tickmaß erhoben haben.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.07.2013 | 13:45
Ich bestreite nicht dass es eine Abbildung von Zeit auf Runden gibt, das muss ja der Fall sein, wenn man synchronisieren will. Mein Punkt ist dass sich Runden nicht zum Messen bzw. zum genauen Ausdrücken von Zeiten eignen und sie dafür auch nicht nötig sind und sie diese Funktion deswegen auch nicht in RPG-Systemen erfüllen. Dass Systeme trotzdem dann dazu neigen Zeit in Runden auszudrücken zeigt nur dass Runden das fürs System relevantere Maß sind und man versucht die Anschauung (reale Zeit) in Spielbegriffe (Runden) zu übersetzen. Zeit ist nicht wirklich wichtig fürs System, sondern nur Spieloptionen. Zeit sagt mir nicht was ich im System machen kann (nur was ich in der Realität machen könnte). Und eine viertel Runde kann auch nicht gespielt werden, deswegen mag sie als Zeitmaß existieren, was aber letztlich nur der Anschauung dient, nicht als Strukturelement des Systems.

Ich weiß nicht ob das hier nur semantische Spielerei ist, deswegen beende ich die Diskussion mal meinerseits. Wir sind uns glaube ich einig, dass Runden zur Berechnung von Zeiten sinnlos sind.
dass Runden in der Tat Zeit messen und welche Probleme sich (für mich) dabei ergeben...

PS: Ich habe Berals Lösung zur Ausgangsfrage "Warum so feinkörnig" glaube ich nicht wirklich verstanden, deswegen mal ein Antwortversuch meinerseits: Da eine Runde Handlungsoptionen vorgibt, muss der Zeitraum den eine Runde beschreibt möglichst genau so groß sein, dass eine entsprechende Handlung auch einen Großteil dieses Zeitraums einnimmt und ihn nicht überschreitet, damit der Fehler der in der Anschauung entsteht möglichst klein wird.
Trotzdem wird die Anschauung immer durch eine solche Verwendung von Runden behindert werden, die Frage ist nur wie stark. Will man das vermeiden muss man Runden und Zeit voneinander entkoppeln, was natürlich den Verwaltungsaufwand erhöht. Man muss dann einerseits regeln wann Handlungsoptionen gegeben sind und anderseits Zeit messen um zu sehen wie die Handlungen koordiniert werden müssen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 14:04
Mein Punkt ist dass sich Runden nicht zum Messen bzw. zum genauen Ausdrücken von Zeiten eignen und sie dafür auch nicht nötig sind und sie diese Funktion deswegen auch nicht in RPG-Systemen erfüllen sollten.
So würde ein Schuh draus werden, aber dann halt nicht...
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 2.07.2013 | 14:08
Runden messen die Zeit, weil sie per Definition einer exakten Zeiteinheit zugeordnet sind. Zeit wird in Runden operationalisiert. Außerhalb des Rollenspiels operationalisieren wir die Zeit in Stunden und Minuten und messen sie damit auch.

Aber es geht eigentlich nicht darum, ob Runden die Zeit messen können oder sollen. Es geht um die Vergleichbarkeit der Spielerhandlungen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: xergazz am 2.07.2013 | 14:25
Eine Runde ist zunächst ein regeltechnisches Konzept, um den Ablauf eines Kampfes gliedern zu können. Ohne die Anwendung von Regeln gibt es auch keine Runden (siehe freies Erzählspiel). Dabei ist in den meisten Fällen eine Runde gleichzusetzen mit der Zeit, in der ein Schlagabtausch stattfindet. Die Beobachtung, die man hier jedoch machen muss ist: Was ist maßgeblich, damit eine Handlungskette als Runde gilt? Dass in der Fiktion fünf Sekunden an Zeit verstrichen sind ODER dass jeder genau eine Attacke gewürfelt hat? Wenn ich meinem Spielleiter glaubhaft erkläre, dass ich durch die Schnelligkeit meiner Waffe realistischerweise locker zwei mal in fünf Sekunden angreifen kann, bin ich dann auch zwei mal in der Runde dran?

tldr: +1 für Dr.Boomslang, der es wie ich finde eigentlich schon sehr verständlich erklärt hat.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.07.2013 | 14:59
Aber es geht eigentlich nicht darum, ob Runden die Zeit messen können oder sollen. Es geht um die Vergleichbarkeit der Spielerhandlungen.
Das habe ich schon verstanden, aber dafür halte ich was ich bisher gesagt habe für relevant, sonst hätte ich es nicht gesagt.

Runden messen die Zeit, weil sie per Definition einer exakten Zeiteinheit zugeordnet sind. Zeit wird in Runden operationalisiert.
Wir meinen wahrscheinlich das gleiche. Nur, wenn man schon eine Zeiteinheit hat, kann man damit bereits Zeit messen, da braucht man keine Runden dafür. Die Runde braucht man erst wenn man damit was anderes machen kann als mit einer Zeiteinheit. Leuchtet das nicht ein?
Zeit wird nicht in Runden operationalisiert, sondern Handlungen werden in Runden operationalisiert, weil sie sich eben nicht auf einfache Weise in Zeiträumen operationalisieren lassen.

Wenn ich sage jeder mögliche Angriff dauert exakt 2 Sekunden, weiß sofort jeder dass das Unsinn ist. Ein Regelsystem das 2-Sekunden-Runden verwendet sagt das auch gar nicht, bzw. wenn es das tut dann haben die Autoren mal wieder keine Ahnung von Spielmechanik gehabt. Die Runde sagt dass es für die Spieler egal ist ob der Angriff 2 Sekunden oder weniger dauert, weil es einfach alles was die Spielfigur macht in eine Spielerhandlung zusammenfasst. Der Zeitraum von 2 Sekunden wird in eine Spielhandlung übersetzt, nicht jede mögliche Handlung dauert 2 Sekunden.
Es dürfte einleuchten dass das für manche Abläufe sinnvoller ist als für andere. Und es wird auch klar dass für größere Zeiträume das Problem größer wird keine genaue Information mehr über den Zeitraum zu bekommen, wenn man ihn als Runde abstrahiert. Es erleichtert den Umgang mit komplexen Aktionen, weil sie eben nicht einzeln in ihrem zeitlichen Ablauf betrachtet werden, bewirkt aber gleichzeitig dass die Spieler sich auch nicht mehr genau vorstellen können wie diese 2 Sekunden nun genau aussehen, weil nur noch auf Ebene der Runde und nicht mehr für Zeiträume entschieden wird. Dieser Modus wird dann verlassen, sobald man nicht mehr in Runden spielt und plötzlich kann man sich auch wieder alles Vorstellen, man kann es nur wieder schlechter koordinieren.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 15:15
Zeit wird nicht in Runden operationalisiert, sondern Handlungen werden in Runden operationalisiert, weil sie sich eben nicht auf einfache Weise in Zeiträumen operationalisieren lassen.
Nö. Handlungen werden in meistens in Handlungseinheiten (oder wie ich gesagte hatte: Zügen) operationalisiert.
Ich bin dran, Mitspieler ist dran, Monster sind dran, ich bin dran etc.
Ich bin dran, Mitspieler ist dran, Monster sind dran, [Rundenende], ich bin dran etc.
Runden als eigene Einheiten sind für die Regelung der Handlungen wie ersichtlich völlig überflüssig. (Ausnahmen gibt es, zum Beispiel Spiele mit simultanen Handlungsanweisungen, aber das ist im Rollenspiel eher selten.)

Zitat
Wenn ich sage jeder mögliche Angriff dauert exakt 2 Sekunden, weiß sofort jeder dass das Unsinn ist.
Ja, aber das ist ja nicht der Punkt. Das System sagt nämlich schon "Jeder mögliche Angriff dauert höchstens zwei Sekunden" und "man kann innerhalb zwei Sekunden höchstens einmal angreifen". Das ist natürlich ebenfalls Unsinn.

Und jetzt noch mal auf den Punkt: Die Ansicht, Runden seien kein Zeitmaß, kannst Du ja vielleicht irgendwie philosophisch, mathematisch oder physikalisch begründen. Aber mit real existierenden Rollenspielen hat das nun mal nichts zu tun: Im Regelwerk steht für die Zauberdauer "5 Runden". Wenn der Spieler fragt "wie lange hält der Effekt an", sagt der Mitspieler "20 Runden". Runden werden als Zeitmaß benutzt.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 2.07.2013 | 15:30
Hallo zusammen,

ich finde diese beiden Punkte aus Galatea interessant.

bei der Kampfrunde bin ich der Meinung das eigentlich nicht der beschriebene Zeitrahmen sondern die im Regelwerk angegebenen möglichen Aktionen interessant sind. Wenn eben davon ausgegangen wird das man erst taktiert und eine günstige Position sucht könnte es ja auf einen Angriff pro Runde hinaus laufen. Wenn man jetzt natürlich laut Regelwerk 1 Sekunde pro Angriff benötigt und bei seiner Initiative alle Angriffe spielen darf wird es in der Tat schwierig mit der Kausalität.
Ja, ich sehe das tatsächlich so, dass sich Kampfrunden in erster Linie durch die Aktionen die sich innerhalb ihrer Dauer abspielen, definieren und nicht durch die genaue Zeitdauer in Sekunden. In den meisten Systemen lässt sich eine Kampfrunde so beschreiben "die Zeitdauer in der man sich ein paar Schritte bewegen und/oder einige Schläge mit einem Gegner austauschen kann".
Das ist bei Ticksystemen genau dasselbe (und tatsächlich ist das Beispiel mit dem Klech in einem Ticksystem noch viel schwieriger und unsinniger).
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, eine genaue Zeitangabe ist auch überhaupt nicht nötig. Ein Spieler muss nicht exakt wissen, wieviele Sekunden eine Kampfrunde dauert - es reicht wenn er einer echt gute Vorstellung davon hat, was er in dieser Runde anstellen kann.

Problematisch können solche Differenzen werden wenn verschiedene Rahmen aufeinander stoßen. Wenn etwa die Kampfrunde für Fahrzeuge Minuten beschreibt und die für Charaktere Sekunden.
Deswegen macht man sowas auch nicht. Das ist dasselbe Problem wie mit den Lebenspunkten. Viele Systeme führen da auch Megaschaden/Mega-LP ein (1 Raumschiff-LP = 1000 Personen-LP), weil sie es nicht vernünftig darstellen können.

Wie viele Kampfoptionen ich mir als Spieler wünsche hängt damit zusammen wie konkret das Regelwerk ist. Wenn der Hals also die einzige Stelle ist wo mein Charakter nicht schwer gerüstet ist erwarte ich schon das es eine Regel gibt das das Treffen einer solch kleinen Stelle schwierig ist. Vor allen wenn nach Regeln noch andere Zustände wie etwa verblutend oder betäubt an der Treffer Stelle fest gemacht werden.
Ist das nicht der Fall ist mir ein Halstreffer egal und aus meiner Sicht auch uninteressant.

Gerade bei Spielern die in einem Kampf mitdenken wird man schnell auf Aktionen stoßen die eine einschneidende Wirkung haben können und nicht unbedingt durch Regeln abgedeckt sind.
Das Problem ist hier lustigerweise, dass diese nicht abgedeckten Fälle ein umso größeres Problem sind, je detaillierter das Kampfsystem daherkommt. Wenn man erstmal Trefferzonen wie Arm und Kopf hat, dann möchten die Spieler schnell auch Augen oder Hals treffen. Hat man überhaupt keine Trefferzonen (oder ein System das Schadenserhöhung im Tausch gegen Trefferchance zulässt) stört das meist viel weniger.
Eine große Rolle spielt hier auch die Stabilität von Objekten. Wenn ein Infanterist nach dem ersten guten Treffer mit einem Sturmgewehr kampfunfähig oder tot ist brauche ich überhaupt keine Regeln für Trefferzonen, weil die sowieso nur sinnlosen Overkill produzieren würden.

Leider läuft das in der Praxis ja nicht so, sondern dieser kurz beschriebene und in einem typischen System vielleicht eine halbe Minute dauernde Kampf wird in kleine Abschnitte gestückelt, die jeweils von ggf. minutenlangen Regelanwendungen unterbrochen werden. Und das ist einer der Faktoren, der bei mir das Kopfkino kaputt macht. Bei einem Kampf mit zwei Seiten geht das noch, aber bei einem typischen Gruppenkampf wird es extrem. Es kommt für mich einfach kein Dabeisein-Gefühl auf, wenn ich 5 Minuten am Tisch sitze, um eine Sekunde im Spiel abzuhandeln. Mir ist natürlich klar, dass sich "Echtzeit" in den meisten Fällen nicht erreichen lässt, aber die extreme Diskrepanz zwischen Spieler- und Charakterzeit nimmt mich (jenseits aller hier breitgeklopften Realismuserwägungen) mehr aus dem Kampf raus, als mich die Detailtiefe einzelner Schläge hineinbringen kann.
Also bei uns lief das ungefähr so.
SL: "Okay, Kampfwerte bestimmen"
*Kampfwerte werden bestimmt und verteilt, Bögen anschließend Richtung Mitte des Tisches geschoben*
SL: "Spieler 3, du hast die höchste Initiative, was machst du?"
S1: "Ich trete die Tür ein, presse mich gegen den Türrahmen und feuere eine Unterlaufgranate in den Flur."
*Die Tür wird eingetreten (dank +4 Stärkebonus durch die Servorüstung hat S1 Stärke 12 und es ist kein Test erforderlich), S1 hat AW6 und die Granate ist im ersten Reichweitenabschnitt macht also eine Punktlandung, zwei Verteidiger erleiden 10 Schaden und sind sofort tot*
SL: Der letzte Verteidiger der etwas weiter hinten im Flur hinter einem Umgekippten Tisch kauert eröffnet das Feuer auf S1
*Verteidiger hat AW4, S1 mittlere Deckung (Schwelle +3) durch den Türrahmen erleidet also 2 Punkte Schaden*
S2: "Ich stürme durch die Tür und feuere eine Salve auf den letzten Verteidiger."
*S2 hat AW8 und macht damit 16 Punkte Schaden, der zweite Verteidiger bricht tödlich getroffen hinter dem Tisch zusammen*
S2: "Eingang gesichert!"
SL: "Okay Gruppe 2 an der Rückseite des Hauses, was macht ihr?"...

Im Spiel hätte das jetzt ungefähr.... ca. 10 Sekunden für das würfeln und verteilen der Werte und vielleicht 20 Sekunden für das abarbeiten der Handlungen gebraucht. Sobald der SL die zweite Gruppe fragt was sie tut fangen die Spieler von Gruppe 1 ggf. bereits wieder an ihre Werte zu würfeln und zu verteilen, wodurch beim zweiten Durchlauf sogar noch die Zeit wegfällt. Im Extremfall führt das dazu dass dazu dass Spieler nicht mal 10 Sekunden brauchen um ihre eigenen Handlungen anzusagen und abzuarbeiten.

Dem vorzubeugen ist vermutlich ein weiterer Grund für die sehr kurzen Runden. (Nebenbei tun das bestimmte Systeme ja durchaus.) Aber dass Runden in der Tat Zeit messen und welche Probleme sich (für mich) dabei ergeben, kann ich vielleicht an einem Beispiel verdeutlichen:
S: "Okay, während die beiden sich duellieren und aller Leute Aufmerksamkeit gebannt ist, schleiche ich mich ins Zimmer des Groswesirs und durchsuche es nach dem Kelch."
SL: "Gut, das dauert ungefähr 10 Minuten, das wären 100 Kampfrunden..."
Schon mal eine solche Situation gehabt?
Nein, in dem Fall hätte mich unser SL erstmal gefragt "wo möchtest du als erstes suchen" und ich hätte eine ziemlich gute Vorstellung gehabt, dass wenn ich sage "ich suche als erstes die Kommode durch, ziehe die Schubladen raus und durchwühle ihren Inhalt" ich damit in 1-2 Runden fertig bin.
Meine Entscheidung bestimmt wie lange ich brauche um den Kelch zu finden. Rate ich gleich richtig und er ist in der Kommode? Vielleicht hat der ihn auch unter dem Kopfkissen versteckt. Wenn unsere Charaktere den Grosswesir kennen kann man das Versteck vielleicht abschätzen. Zudem weiß ich nicht wie lange der Duellant den Wesir beschäftigt halten kann - natürlich habe ich eine gewisse Ahnung wie der Kampf läuft, aber ein guter Angriff des Wesirs und nächste Runde bin ich aufgeflogen. Ich muss unter Zeitdruck Entscheidungen treffen, die über Erfolg oder Misserfolg meiner Bemühung bestimmen. Das ist für mich eine deutlich spannendere Situation.

Grundlegend ist "Ich durchsuche das Zimmer nach dem Kelch" hier auch spielerseitig eine für ein Kampfrundensystem viel zu ungenaue Angabe (das ist in etwa so eine präzise Angabe wie "ich greife die Gegner an"). Genau gesagt trifft der Spieler hier keine spezifische Entscheidung, er sagt nur eine recht schwammige Handlung an und der SL soll irgendwie was draus machen. So funktioniert ein Kampfrundensystem aber nicht.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 16:03
Also bei uns lief das ungefähr so.

Das waren ~80 Worte, ohne dass dabei irgend ein Informationsaustausch über die eigentlichen Spielelemente schon inbegriffen wäre. (Und nein, Deine Erklärungen in Sternchen habe ich nicht mitgezählt.) In diesem Sinne...

Zitat
Im Spiel hätte das jetzt ungefähr.... ca. 10 Sekunden für das würfeln und verteilen der Werte und vielleicht 20 Sekunden für das abarbeiten der Handlungen gebraucht.

... halte ich das gelinde gesagt für eine etwas optimistische Einschätzung. Wenn ich's recht bedenke: subtile Formulierungen führen nur zu Mißverständnissen. Das ist eine völlige Fehleinschätzung.

Aber das ist ja auch recht erhellend dafür, die Gründe für die Feinkörnigkeit herauszubekommen: Mangelndes Zeitgefühl ist offensichtlich ein möglicher Grund.

Zitat
Nein, in dem Fall hätte mich unser SL erstmal gefragt "wo möchtest du als erstes suchen"

Ich sage mal: Das Zimmer des Großwesirs ist nicht der Nachbarraum.

Zitat
und ich hätte eine ziemlich gute Vorstellung gehabt, dass wenn ich sage "ich suche als erstes die Kommode durch, ziehe die Schubladen raus und durchwühle ihren Inhalt" ich damit in 1-2 Runden fertig bin.

Meine "mangelndes Zeitgefühl"-Theorie nimmt Gestalt an...

Zitat
Zudem weiß ich nicht wie lange der Duellant den Wesir beschäftigt halten kann - natürlich habe ich eine gewisse Ahnung wie der Kampf läuft, aber ein guter Angriff und nächste Runde bin ich aufgeflogen. Das ist für mich eine deutlich spannendere Situation.

... die aber nicht entstehen kann, wenn ich genau weiß, dass ein Kampf nie im Leben auch nur lange genug dauert, um unauffällig den Raum zu verlassen. Was der Punkt war.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 2.07.2013 | 16:33
Das waren ~80 Worte, ohne dass dabei irgend ein Informationsaustausch über die eigentlichen Spielelemente schon inbegriffen wäre. (Und nein, Deine Erklärungen in Sternchen habe ich nicht mitgezählt.) In diesem Sinne...
Und was sagt das jetzt genau aus?
(den Satz mit der Initiative und dem bestimmen der Kampfwerte kannst du btw rausstreichen, das war nur Metainformation für Außenstehende, wir wussten auch wann wir Kampfwerte bestimmen mussten oder wann wir dran waren ohne dass der SL uns das extra sagen musste).

... halte ich das gelinde gesagt für eine etwas optimistische Einschätzung. Wenn ich's recht bedenke: subtile Formulierungen führen nur zu Mißverständnissen. Das ist eine völlige Fehleinschätzung.
Das ist keine Fehleinschätzung, das ist Erfahrung. Und ja, ich habe tatsächlich öfter mal auf die Uhr geschaut. Wir hatten eine Gruppe die äußerst diszipliniert war, das System gut genug kannte um viele Dinge selbst regeln konnte ohne ständig die Aufmerksamkeit des Spielleiters zu benötigen. Die Gruppe konnte sogar koordiniert agieren ohne sich ständig abzusprechen.
Dazu kam ein System, das nicht nur äußerst tödlich, sondern auch sehr würfelarm war (nur ein Poolwurf pro Runde) und das das vergleichen und ablesen der Werte extrem einfach machte.
Die meisten Gruppen (wir haben da auch jede Menge Con-Erfahrung) brauchen für eine Kamfprunde 5-10 Minuten. Eine Gruppe die richtig gut ist schafft das aber in unter 2 Minuten.


Ich sage mal: Das Zimmer des Großwesirs ist nicht der Nachbarraum.
Das war mir schon klar. Und das beeinflusst das Szenario jetzt genau wie?

... die aber nicht entstehen kann, wenn ich genau weiß, dass ein Kampf nie im Leben auch nur lange genug dauert, um unauffällig den Raum zu verlassen. Was der Punkt war.
Und woher weißt du dass der Kampf nicht lange genug dauert? Wenn der Verteidiger gut ist und sehr defensiv kämpft kann er den Wesir eine ganze Weile beschäftigen (vorausgesetzt natürlich dsa System kann ds überhaupt adäquat darstellen). Wir reden hier ja nicht von einem Schusswechsel mit modernen Sturmgewehren oder tragbaren Railguns, wo es kaum möglich ist sich irgendwie zu schützen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 17:35
Und was sagt das jetzt genau aus?
Offensichtlich entweder a) dass man in eurer Runde mit einer Geschwindigkeit von ca. 5 Wörtern pro Sekunde Informationen austauscht, also mehr als doppelt so schnell wie ein normaler Nachrichtensprecher oder genau so schnell wie dieser  (http://www.youtube.com/watch?v=K0Cho9WeDBo)Typ hier seine Sätze abspult. Ohne dass es dabei irgendwelche Pausen oder Übergänge gäbe.

Oder b) dass Du Dich bei der Zeit verschätzt hast.

Ich will keine der beiden Möglichkeiten ausschließen, aber in beiden Fällen bringt das Beispiel nichts, da es in Fall a) auf sämtliche mir bekannte Rollenspielrunden, in denen derartiges Maschinengewehrartiges Schnellreden nicht praktiziert wird, nicht anwendbar und in Fall b) sachlich falsch wäre.

Zitat
Das war mir schon klar. Und das beeinflusst das Szenario jetzt genau wie?
Ich weiß nicht, wo Du Dich gerade befindest, aber verlasse einfach mal das Zimmer und begib Dich in eines in einem anderen Stockwerk, ohne dabei zu rennen oder ähnliches, und stoppe mal mit der Uhr mit, wie lange Du dafür brauchst.

Zitat
Und woher weißt du dass der Kampf nicht lange genug dauert?
Weil das in allen mir bekannten Systemen mit kurzen Kampfrunden so sicher ist wie das Amen in der Kirche?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 2.07.2013 | 18:12
Aber das ist ja auch recht erhellend dafür, die Gründe für die Feinkörnigkeit herauszubekommen: Mangelndes Zeitgefühl ist offensichtlich ein möglicher Grund.
Der Grund, würde ich sagen.

Wenn zwei Typen gerade kämpfen und mein SC schnell aus dem Raum rauslaufen will, um durch die andere Tür reinzukommen und so dem Gegner in den Rücken zu fallen, stellt sich die Frage der Synchronisation dieser Handlungen sehr dringend. "Schaffe ich bestimmt locker in zwei Kampfrunden" behaupte ich. "Naja, mindestens vier mal Schlagabtausch gibt es, bis du da ankommst" entgegnet der SL. Und jetzt?

Das ist genau die Art von Konfliktpotential, die nur umgangen werden kann, wenn der Runde eine exakte Zeiteinheit zugeordnet ist. Und genau solcherart Konflikte führen dann zu Zusatzregeln, die die Bewegungsreichweite pro Runde regeln, außerdem benötigt man dann noch Bodenpläne, und die Traglast bestimmt die Bewegungsreichweite auch noch, usw usf. Ein riesiger Haufen von Regeln dient nichts anderem, als die Handlungen der Spieler zeitlich miteinander zu synchronisieren.

Die Runde ist doppelt geeicht. Das eigentlich entscheidende, was aber als solches gar nicht wahrnehmungspflichtig ist, ist die feste Zeiteinheit, die der Runde zugrundegelegt wird. Nennen wir das die funktionelle Eichung. Die zweite Eichung ist die Passung der Zeiteinheit an irgendeine typische Handlung. Hier wird die Brücke geschlagen zum Vorstellungsraum. Das ist eine kosmetische Eichung. Funktion und Kosmetik passt man natürlich einander an, damit die Vorstellung erleichtert wird.

Eine Runde von einer Sekunde Länge ist eben nicht als Schlag definiert. Oberflächlich vielleicht, aber nicht im Kern. Denn meist sehen die Regeln Möglichkeiten vor, in denen pro Runde zwei Schläge möglich sind. Und manche Schläge sollen zwei oder mehr Runden dauern. Ein Zauber, der 5 Runden wirkt, wirkt nicht 5 Schläge lang. Der Dieb mit zwei Dolchen hat in dieser Zeit 10 mal zugeschlagen und der Heiler hat sich nur bewegt in diesen fünf Runden. Das Verbindende dieser Handlungen ist die Runde und das Verbindende aller Runden ist die Zeit.

In solchen Systemen gibt es daher auch nicht den umgekehrten Fall, wo eine Runde länger oder kürzer als die festgeschriebene Zeiteinheit dauert. Was in der Runde passiert, ist variabel. Wie lang die Runde dauert, ist unverrückbar. Auch so erkennen wir die echte, die funktionelle Eichung.

Und dann sind da natürlich die Gegenbeispiele über die ich immer noch gern diskutieren möchte, aber offenbar nur ich allein. Das sind Runden, die überhaupt nicht an Zeit gebunden sind. Per Definition nicht. Grundsätzlich nicht. Die sind dann z. B. an eine Erzähleinheit gebunden, egal wie lang diese dauern soll.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 2.07.2013 | 18:20
Offensichtlich entweder a) dass man in eurer Runde mit einer Geschwindigkeit von ca. 5 Wörtern pro Sekunde Informationen austauscht, also mehr als doppelt so schnell wie ein normaler Nachrichtensprecher oder genau so schnell wie dieser  (http://www.youtube.com/watch?v=K0Cho9WeDBo)Typ hier seine Sätze abspult. Ohne dass es dabei irgendwelche Pausen oder Übergänge gäbe.
Wir haben uns sehr kurz gefasst, schnell geredet und häufig auch Gestik eingesetzt. Zudem musste sich die Gruppe nach den ersten Szenarien nur noch sehr wenig absprechen, wir wussten wie die jeweiligen Spieler/Charaktere drauf waren. Und man darf natürlich nicht vergessen, dass wir eine Militäreinheit darstellten, sprich der Einheitenführer/die jeweiligen Truppführer gaben Kommandos und die restlichen Spieler haben das beste getan um diese auszuführen. Taktische Beratung gab es nicht, höchstens dann wenn wir mal ne Runde Luft hatten konnten wir uns rudimentär austauschen.
Unser SL hat da auch ordentlich Druck gemacht, wer mehr als ein paar Sekunden gezögert hat stand halt desorientiert in der Gegend rum oder blieb hinter seiner Deckung sitzen, sprich er kam die Runde nicht dran.
Beraten wurde da wirklich ziemlich wenig.

Ich will keine der beiden Möglichkeiten ausschließen, aber in beiden Fällen bringt das Beispiel nichts, da es in Fall a) auf sämtliche mir bekannte Rollenspielrunden, in denen derartiges Maschinengewehrartiges Schnellreden nicht praktiziert wird, nicht anwendbar und in Fall b) sachlich falsch wäre.
Ich weiß nicht, wo Du Dich gerade befindest, aber verlasse einfach mal das Zimmer und begib Dich in eines in einem anderen Stockwerk, ohne dabei zu rennen oder ähnliches, und stoppe mal mit der Uhr mit, wie lange Du dafür brauchst.
Weil das in allen mir bekannten Systemen mit kurzen Kampfrunden so sicher ist wie das Amen in der Kirche?
Aaaaaah, okay. Großer Irrtum, ich dachte wir reden vom Zimmer/Saal in dem das Duell stattfindet.
Klar, wenn ich mich durch den halben Palast schleichen muss um überhaupt erstmal in das Zimmer des Großwesirs zu gelangen ist das natürlich ganz was anderes. Da ist das Kampfrundensystem natürlich sehr unpraktisch.
Allerdings sehe ich hier auch keinen Grund das Kampfrundensystem überhaupt anzuwenden. Der genaue Verlauf des Duells ist für die Szene überhaupt nicht relevant, da es hat keinen unmittelbaren Effekt auf den Dieb (und damit das Kernelement der Szene) hat. Hier reicht eine viel abstraktere Lösung, bei der einerseits festgestellt werden muss wie lange der Angreifer den Wesir beschäftigt hält und andererseits festgestellt werden muss wie lange der Dieb benötigt um in den Raum zu kommen, den Kelch zu finden und wieder zu entwischen.
Man schaltet ja auch nicht in das Kampfrundensystem, wenn man nur feststellen will wie lange es dauert ein Schloss zu knacken, während der Wachmann auf dem Klo sitzt.

Der Grund, würde ich sagen.

Wenn zwei Typen gerade kämpfen und mein SC schnell aus dem Raum rauslaufen will, um durch die andere Tür reinzukommen und so dem Gegner in den Rücken zu fallen, stellt sich die Frage der Synchronisation dieser Handlungen sehr dringend. "Schaffe ich bestimmt locker in zwei Kampfrunden" behaupte ich. "Naja, mindestens vier mal Schlagabtausch gibt es, bis du da ankommst" entgegnet der SL. Und jetzt?
Deshalb gibt es sowas wie Bewegungsreichweiten*. Und da ist es eben völlig unerheblich ob die Runde eine Sekunde oder zehn Sekunden dauert. Wichtig ist nur wie weit man in dieser Runde mit seiner Bewegungsaktion kommt.

*(die natürlich bei solchen Spezialfällen wie unauffälligem schleichen oft nicht mehr wirklich greifen)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 18:47
Wir haben uns sehr kurz gefasst, schnell geredet und häufig auch Gestik eingesetzt.
Ja, aber wenn ihr nicht alle Weltrekordkandidaten im Schnellsprechen seid: Nicht so kurz. Glaub's einfach: 80-100 Worte in 20 Sekunden ist sehr schnelles Reden, etwa wie der Typ in dem Video. In 10 Sekunden, die es angeblich nach der ersten Runde gedauert haben soll, stößt es an die Grenzen des Menschenmöglichen. Eine normale Sprechgeschwindigkeit im Gespräch ohne längere(!) Unterbrechungen sind vielleicht 2 Worte pro Sekunde. Und das ist wie gesagt nur das Sprechen.

Zitat
Taktische Beratung gab es nicht, höchstens dann wenn wir mal ne Runde Luft hatten konnten wir uns rudimentär austauschen.
Das war auch gar nicht einbezogen. Allein der Sprechakt der von Dir beschriebenen Szene hätte bei einem normalen Gespräch ohne lange Pausen knapp eine Minute gedauert.

Zitat
Allerdings sehe ich hier auch keinen Grund das Kampfrundensystem überhaupt anzuwenden.
Unter der Maßgabe, dass es sich um einen Kampf zwischen einem SC und einem NSC handelt, sehe ich den sehr wohl. Im Übrigen halte ich auch nichts von Regeln, die ich ignorieren muss, um die Welt einigermaßen plausibel emulieren zu können.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: xergazz am 2.07.2013 | 18:48
Wenn zwei Typen gerade kämpfen und mein SC schnell aus dem Raum rauslaufen will, um durch die andere Tür reinzukommen und so dem Gegner in den Rücken zu fallen, stellt sich die Frage der Synchronisation dieser Handlungen sehr dringend. "Schaffe ich bestimmt locker in zwei Kampfrunden" behaupte ich. "Naja, mindestens vier mal Schlagabtausch gibt es, bis du da ankommst" entgegnet der SL. Und jetzt?

In dem Fall sind die Spieler doch synchronisiert. Was hilft der Zwischenschritt: 4 Runden Bewegung -> 12 Sekunden -> Ein Schlag alle drei Sekunden -> 4 Schläge? Warum muss man da unbedingt ne genaue Zeitangabe haben? Das was zählt ist doch die Synchronität wie du es nennst, Verteilung von Spotlight wie ich es nenne.

Das ganze erinnert mich an eine Szene aus einer High-Fantasy-Runde mit meiner Gruppe. Darius war Drachenreiter und hatte das heilige Schwert von Zoras dabei, der sich mitten im Schlachtgetümmel befand. Beide wussten das Schwert würde in Zoras Händen die entscheidende Wendung der Schlacht herbeiführen und so preschte Darius im Sturzflug auf das Schlachtfeld zu und warf Zoras das Schwert zu. Unser Spielleiter antwortete: "Ok in der nächsten Runde hast du das Schwert" und alle fanden die Szene einfach nur awesome. Was wirklich passierte: Zwei Spieler stritten sich über die Zeit, die das Schwert für den Fall benötigen würde. Erdbeschleunigung und so was. 10 Minuten später wussten wir alle Bescheid, aber ich muss glaub ich nicht erwähnen, dass die Szene dadurch zerstört war.

Was ich damit sagen will: Vielleicht wirft Kampf auch nur so aus dem Spiel, weil dies der Moment ist, bei dem besonders viel Wert auf eine "realistische Simulation" gelegt wurde.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 19:01
Das was zählt ist doch die Synchronität wie du es nennst, Verteilung von Spotlight wie ich es nenne.[...]
Das ganze erinnert mich an eine Szene aus einer High-Fantasy-Runde mit meiner Gruppe. Darius war Drachenreiter und hatte das heilige Schwert von Zoras dabei, der sich mitten im Schlachtgetümmel befand. Beide wussten das Schwert würde in Zoras Händen die entscheidende Wendung der Schlacht herbeiführen und so preschte Darius im Sturzflug auf das Schlachtfeld zu und warf Zoras das Schwert zu. Unser Spielleiter antwortete: "Ok in der nächsten Runde hast du das Schwert" und alle fanden die Szene einfach nur awesome. Was wirklich passierte: Zwei Spieler stritten sich über die Zeit, die das Schwert für den Fall benötigen würde. Erdbeschleunigung und so was. 10 Minuten später wussten wir alle Bescheid, aber ich muss glaub ich nicht erwähnen, dass die Szene dadurch zerstört war.
Wiederum ein perfektes Beispiel für einen der Gründe, aus denen ich fix definierte Kampfrunden nicht mehr mag.

Zitat
Was ich damit sagen will: Vielleicht wirft Kampf auch nur so aus dem Spiel, weil dies der Moment ist, bei dem besonders viel Wert auf eine "realistische Simulation" gelegt wurde.
Wobei da auch die Frage nach Henne und Ei im Raum steht. Die typischen feinkörnigen Kampfregeln implizieren eben sehr stark einen mechanistischen, berechenbaren Ablauf - welcher der Sache eher unangemessen ist. Und diese Denke etabliert sich dann eben auch bei den Spielern, was zu Problemen wie dem oben genannten führt.

Ich finde auch die Erwähnung des "Spotlights" schön, weil Du da etwas anschneidest, das viel erwähnt, aber wenig konkret umgesetzt wird: Das Filmvorbild.

In einer typischen Kampfszene in einem Film, bei der mehrere Charaktere auftreten, hält die Kamera auf einen dieser Charaktere, während der etwas interessantes tut, und schwenkt dann zum nächsten. In der Zeit, in der die Kamera bei einer Figur ist, läuft es für die anderen Figuren nicht off-screen weiter, sondern alle wichtigen Handlungen finden statt, während die Kamera oder eben das "Spotlight" bei der jeweiligen Figur ist.

Das ist eine Struktur, die sich sehr gut auf ein typisches Initiativesystem im Rollenspiel abbilden lässt. Ein Charakter ist an der Reihe. Er handelt (nach Möglichkeit sind die Handlungsoptionen so gestaltet, dass jedesmal "Spotlight" auch etwas wichtiges erlaubt) und danach schwenkt das Spotlight zum nächsten. Explizit muss dabei nicht gegeben sein, dass die Handlungen in der Spielwirklichkeit alle gleichzeitig ablaufen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: scrandy am 2.07.2013 | 19:24
Und dann sind da natürlich die Gegenbeispiele über die ich immer noch gern diskutieren möchte, aber offenbar nur ich allein. Das sind Runden, die überhaupt nicht an Zeit gebunden sind. Per Definition nicht. Grundsätzlich nicht. Die sind dann z. B. an eine Erzähleinheit gebunden, egal wie lang diese dauern soll.
Also erstmal: Du bist nicht der einzige, den das interessiert. Ich komme nur momentan kaum zum schreiben.

Als ich damals angefangen habe mir für Mystix Gedanken über Kampfrunden usw. zu machen, wollte ich nach Möglichkeit komplett flexible Aktionslängen haben. Im Grunde war es mir sogar lieber einzelne Zweikämpfe nacheinander abzuhandeln, weil man damit das Kampf-Feeling noch eindringlischer halten kann. Es macht eben mehr Spaß wenn man erstmal den Gegner mit mehreren Attacken in die Ecke drängt (eine lange Aktion), dann ihn täuscht (zeitlich wahrscheinlich sogar parallel zur ersten Aktion) und dann durch einen gezielten Stich (eine schnelle Aktion) in die ewigen Jagdgründe schickt. Würde man für sowas ein Zeitmanagement einführen wollen, dann würde es in Verwaltungsarbeit ausarten. Da auch die längeren Zweikämpfe gegen die Geduld nicht-handelnder Spieler ging, wurde auch bei Mystix schnell der Kampf weiter aufgesplittet. Wobei die unterschiedlichen Aktionslängen interessanterweise geblieben sind, ohne das es große Widersprüche gab.

Letztendlich war es exakt dieses Beispiel von dir, dass mir mich mein Konzept überdenken ließ: 
Wenn zwei Typen gerade kämpfen und mein SC schnell aus dem Raum rauslaufen will, um durch die andere Tür reinzukommen und so dem Gegner in den Rücken zu fallen, stellt sich die Frage der Synchronisation dieser Handlungen sehr dringend.
Die Frage ist jedoch ob so etwas wie eine exakte Rundendauer überhaupt exisitert. Natürlich versuchen die besonders exakten Systeme sowas wie "ein Schlag", freie Aktionen usw. das genau zu regeln was den in einer Aktion erlaubt ist, aber ich würde mal behaupten, dass diese Runden realisitsch betrachtet höchst unterschiedliche Längen haben.

Und ich habe bei meinen Spielrunden festgestellt, dass es gar nicht so wichtig ist, dass jede Aktion einer Runde gleich lang ist. Letztendlich können sie sogar sehr unterschiedlich lang sein. Wichtig ist nur, dass sich keiner benachteiligt fühlt und das die Illusion von gleichzeitigkeit aufrechterhalten bleibt.

Ich würde die Zeit, die wir mit einer Aktion verbinden mal plausible Aktionszeit nennen. "Plausible Aktionszeit" deswegen, weil kaum einer von uns weiß, wie viel Zeit welche Kampfaktion verbraucht und selbst wenn diese wahrscheinlich massiv von der tatsächlichen Ausführung abhängen. Ob man in der selben Zeit in dem man zuvor ein Schwert geschwungen hat einen Dolch ziehen kann jemanden zur Seite treten kann um einem anderen Gegner den Dolch in den Bauch zu rammen, kann (zum Glück) niemand aus Erfahrung einschätzen. Allerdings sind Nebenhandlungen aufgrund der Erfahrungswerte aus Regelwerken heraus oft als Zeitraubender einzustufen und kleine Waffen werden oft als schneller wahrgenommen usw. Das diese Vorstellungen aber letztendlich hauptsächlich durch unsere Spielerfahrungen, Filme usw. geformt sind, ist kaum jemandem bewusst.

Wenn ich jetzt also noch mal zu meinem eher Erzählerisch-motivierten Konzept von Mystix zurückkehre, dann würde ich behaupten, dass eine plausible Aktionszeit in etwa einem Kamera-Cut entspricht. Man nehme zum Beispiel den Endkampf aus Matrix 1 (Neo vs. Agent Smith): In diesem Kampf werden die verschiedensten Angriffe durchgeführt und jeder Angriff ist unterschiedlich lang: Mal ist es ein einziger schneller Schlag, mal eine ganze Schlagkombination, Mal wird jemand aufgehoben und mit viel Kraft geworfen - alles letztendlich Aktionen mit unterschiedlichem Zeitbedarf. Ich glaube allerdings nicht, dass innerhalb meinen Rollenspielrunden, längere Aktionen wirklich als länger wahrgenommen werden, weil keine dieser Aktionen die plausible Aktionszeit überschreiten.

Wenn man stattdessen feiner verregelte Systeme hat, bei denen wertetechnisch viel davon abhängt ob das, was man vor hat, eine Aktion kostet, oder noch nebenbei gemacht werden kann, dann ist man natürlich automatisch genauer was noch als plausible Aktionszeit wahrgenommen wird. Wobei dort auch plausible Aktionszeit und regeltechnisch definierte Aktionszeit im Widerspruch sein können. Da ich bei Mystix unabhängig von der Aktionsart immer nur einmal Werte verrechnen lasse, ist es allerdings egal wie lange die Aktion tatsächlich gedauert hat, weil der Spieler mit der längeren Aktion keinen gamistischen Vorteil davon hat - ganz im gegenteil zu einem Spiel mit mehreren Attacken bzw. wichtigen freien Aktionen usw..

Was das Beispiel "aus dem Kampf lösen und rennen" betrifft, habe ich das bei Mystix mit FATE-ähnlichen Zonen gelöst:
1.) Wenn man innerhalb einer Zone sich frei bewegen möchte kostet das eine Runde
2.)   -- Sind hindernisse im Weg, dann muss man eine Probe schaffen um den Ort in der Runde tatsächlich zu erreichen.
3.) Externe Zonen zu durchqueren kostet auch eine Runde
4.) Hindernisse wie bei 2.) ebenfalls für extrene Zonen.

Da die Zonen relativ groß sind ist das vergleichsweise großzügig. Da aber fast immer der weg blockiert oder schwierig ist, ist selbst so ein taktisches Manöver oft ein interessantes Quest bei dem (durch die Probe) unterschiedliche Situationen entstehen könnnen. Und darauf kommt es bei dem Ansatz ja schließlich an.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: scrandy am 2.07.2013 | 19:27
In einer typischen Kampfszene in einem Film, bei der mehrere Charaktere auftreten, hält die Kamera auf einen dieser Charaktere, während der etwas interessantes tut, und schwenkt dann zum nächsten. In der Zeit, in der die Kamera bei einer Figur ist, läuft es für die anderen Figuren nicht off-screen weiter, sondern alle wichtigen Handlungen finden statt, während die Kamera oder eben das "Spotlight" bei der jeweiligen Figur ist.
Schön das du das auch so siehst. Hatte leider mein Matrix-Beispiel schon fertig geschrieben.

Ich denke das wichtige hier ist "etwas wichtiges TUN". Das disqualifiziert im Grunde alle Aktionen bei denen man nur abwartet oder Zauber vorbereitet usw. Zumindest entspricht das meiner Spieltisch-Erfahrung, dass das "etwas tun können" wichtiger ist als die genauen zeitlichen Fakten.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: xergazz am 2.07.2013 | 19:46
Ich finds gut, dass die ganze Spotlight und Pacing-Frage jetzt nochmal auftaucht, weil das mMn einer der interessantesten Ansätze dieses Fadens ist, um mit dem vom TE erkannten Problem umzugehen. Das Konzept ist im Grunde so lange relativ frei zu spielen, bis etwas interessantes passiert, um dann dort sowohl was die Regeln betrifft als auch was das Spotlight betrifft konkret bzw komplexer zu werden. Für mich interessant sind dabei vor allem: Wie setzt man dieses "heranzoomen" um und welche Dinge gelten hierbei eigentlich als interessant?

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 2.07.2013 | 19:58
Deshalb gibt es sowas wie Bewegungsreichweiten*. Und da ist es eben völlig unerheblich ob die Runde eine Sekunde oder zehn Sekunden dauert. Wichtig ist nur wie weit man in dieser Runde mit seiner Bewegungsaktion kommt.
Kann das Argument überhaupt nicht nachvollziehen. Es ist also völlig unerheblich, ob mein Kämpfer eine Strecke von 20 Metern in 1 oder 10 Sekunden zurücklegt?

In dem Fall sind die Spieler doch synchronisiert. Was hilft der Zwischenschritt: 4 Runden Bewegung -> 12 Sekunden -> Ein Schlag alle drei Sekunden -> 4 Schläge? Warum muss man da unbedingt ne genaue Zeitangabe haben? Das was zählt ist doch die Synchronität wie du es nennst, Verteilung von Spotlight wie ich es nenne.
Die Spieler sind ja nicht synchronisiert, weil sie sich nicht einig sind. :)
Sie sind sich nicht einig, weil sie auf Realismus pochen und davon unterschiedliche Vorstellungen haben. Hier kommt das Regelwerk als Schiedsrichter ins Spiel. Es zwingt die Vorstellungen auf eine einheitliche Linie. Ob diese Vorstellungen dann noch realistisch sind, darf vielfach bezweifelt werden, aber einheitlich sind sie und darauf kommt es auch an.

Und ich habe bei meinen Spielrunden festgestellt, dass es gar nicht so wichtig ist, dass jede Aktion einer Runde gleich lang ist. Letztendlich können sie sogar sehr unterschiedlich lang sein. Wichtig ist nur, dass sich keiner benachteiligt fühlt und das die Illusion von gleichzeitigkeit aufrechterhalten bleibt.
Ja, wenn man sich problemlos einig wird, ist dein System das bessere. Aber wenn die Spieler miteinander wetteifern und die Erbsen zu zählen beginnen, brauchen sie auch ein System, das Erbsen zählt.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 2.07.2013 | 20:22
Wenn noch nicht mal klar geworden ist, dass es um die Zeit während des Kampfes geht, bestärkt das nur den Eindruck, dass wir hier nicht vorankommen. Dieser wird weiter dadurch bestärkt, dass das Beispiel natürlich mit der durch die Kampfrunden repräsentierten Zeit gar nichts zu tun hat.

Dazu muss ich antworten Du interpretierst das Beispiel nicht weitsichtig genug, denn was <davor> kam habe ich offen gelassen und es spielt auch keine Rolle, das ist ja das Ding! Wir können hier gerne etwas beliebiges einsetzen wie: "[KR6] X sticht mit seinem Messer den letzten von ihnen nieder. [KR7] Etwas entfernt seht ihr plötzlich.... -> Bezug zu den flüchtenden Personen, Übergang zur nächsten Sequenz. [Ende der KR-Zeit, Zeitsprung]
Im Prinzip ist das überhaupt nichts besonderes, fast alle Gruppen, die ich kenne machen das so, unabhängig vom System, erstaunlich warum das so unverständlich wirkt für Dich...

Ich spiele aber nun mal auch andere Sachen als Paranoia, also ist das nicht zielführend. Womit Du Deine Frage übrigens quasi selbst beantwortet hast (neben den schon vergeblich genannten Vorteilen): Weil ich mit flexiblen Kampfrunden längere Kämpfe visualisieren kann, ohne Tortenschlacht-Stimmung zu erzeugen.

wtf? Das war ein Joke-Beispiel und Du meinst das wohl leider ernst, so whatever...
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: scrandy am 2.07.2013 | 20:33
Ja, wenn man sich problemlos einig wird, ist dein System das bessere. Aber wenn die Spieler miteinander wetteifern und die Erbsen zu zählen beginnen, brauchen sie auch ein System, das Erbsen zählt.
Ich denke es geht nicht wirklich um besser oder schlechter. Du hattest ja nach Systemen gefragt, die es anders machen und ich hab eben meinen Ansatz gefunden. Der ist sicherlich nicht die Löung für alle und funktioniert wahrscheinlich nur mit einem darauf optimiertem Gesamtsystem.

Ich weiß, dass eine menge Rollenspieler, sei es aus Präferenz oder einfach nur aus Gewohnheit gewisse Denkmuster nicht verlassen wollen oder können obwohl wie du so schön sagst, das Regelwerk letztendlich nur Schiedsrichter spielt und keineswegs das realistischere Ergebnis liefern muss. Das fängt bei 1Schlag=1Aktion an und hört bei 1Kampferfolg=1Treffer auf. Ich finde es auch gar nicht schlimm, dass traditionelle Systeme so sind wie sie sind. So ist für jeden eben was dabei.

Ich persönlich geniesse einfach die zusätzlichen Freiheitsgrade, die ein gröberes System besitzt, andere Spieler vermissen taktische Optionen oder schlicht den Halt ohne Vorgaben zu spielen. So ist das halt.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 2.07.2013 | 20:48
nd ich habe bei meinen Spielrunden festgestellt, dass es gar nicht so wichtig ist, dass jede Aktion einer Runde gleich lang ist. Letztendlich können sie sogar sehr unterschiedlich lang sein. Wichtig ist nur, dass sich keiner benachteiligt fühlt und das die Illusion von gleichzeitigkeit aufrechterhalten bleibt.

Ich würde die Zeit, die wir mit einer Aktion verbinden mal plausible Aktionszeit nennen.

Ist vom Ansatz her sehr nachvollziehbar und schön einfach, aber das kommt halt schnell an die Grenzen, wenn Spieler und/oder Spielleiter für eine gute "Illusion" (bzw. ihr Immersionsgefühl) auch mehr Anspruch an die Logik des Spielablaufs stellen, das ist letztlich wie üblich eine Frage von Geschmack bzw. persönlicher Wahrnehmung...
Den einen stört es nicht, dass er nur 1x Schiessen kann, während der Kollege stattdessen eine Granate vom Gürtel zieht, bereit macht und wirft, den anderen schon. Und wenn man dann anfängt, "ok Du kannst stattdessen 2x schiessen" ist man dabei wieder über Zeit zu verhandeln, d.h. man wäre mit einer klaren Definition im Vorfeld IMO besser dran.
Meiner Erfahrung nach funktionieren so lockere Konzepte gut bei Genres, die wenig Action enthalten - wie z.B. storyorientierte Detektivabenteuer - oder wo die Action keinerlei Anspruch auf Logik erhebt bzw. komödiantisch sein kann. Dann kommen solche Immersionsbrüche gar nicht erst auf, denn wir sind es auch z.B. aus TV+Kino gewöhnt, dass in Komödien unlogische Dinge passieren können, solange sie uns ein cooles Entertainment bieten! :)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Oberkampf am 2.07.2013 | 21:03
Das Problem liegt darin, dass man sich angewöhnt hat, in Rollenspielregeln "physikalische Zeit" darzustellen, anstatt "narrative Zeit". Das Beispiel ais dem Filmbereich erklärt es ganz gut, ähnlich funktionieren auch Comics: Da wird eine Aktion dargestellt, die so viele Panels braucht, wie sie braucht - und bei Speedstern kann dass trotz vieler Panels weniger als eine Mikrosekunde sein - und dann wird der Fokus auf die nächste interessante Aktion eines beteiligten Charakters gerichtet.

Dabei besteht natürlich die Gefahr, dass die Zeitverläufe ins Unglaubwürdige abgleiten bzw. den gemeinsamen Vorstellungsraum strapazieren können, aber die besteht bei zeitlich exakt festgelegten Kampfrunden eigentlich auch.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: scrandy am 2.07.2013 | 21:08
@ OldSam
Den einen stört es nicht, dass ...
Ja, genau das ist es - persönliches Empfinden. Ich denke nicht das das Granate-Werfen zwangsläufig länger dauert als ein Schuss. Das kommt auf viele Kleinigkeiten an, die man alle kaum simulieren kann:
- Ist die Granate direkt am Gürtel, oder dauert es Zeit sie zu preparieren?
- Ist das Ziel offen zu sehen oder muss ich Zielen?
- Von wo aus bewege ich die Waffe wohin?
- Stehe ich schon perfekt zum Schießen oder muss ich mich gar vorher orientieren oder bewegen?

Ich möchte dir wirklich nicht den Spaß an den Details nehmen, aber ich denke, dass ein gröberes System für seriöse Kämpfe auszuschließen ist zu kurz gedacht. Ich würde sogar behaupten, dass man durch den höheren Freiheitsgrad näher an das Gefühl von Kämpfen rankommt als durch viele fein geregelte Aktionen, weil man nicht nur aus einer vorgefertigten Aktionstabelle auswählt sondern stattdessen öfter ingame denkt und Aktionen ausführt, die sich in der Situation realistisch anfühlen. Natürlich bedient das eine andere Art von Zielgruppe als das durchverregelte taktische Tabletop-ähnliche-Spiel aber es ist keineswegs weniger für detaillierte (und ernsthafte) Kämpfe geeignet als andere Spiele. Und im Grunde ist es auch nicht unrealistischer - es fühlt sich nur für eine gewisse Zielgruppe zu grob an. Für andere wiederum ist es ein Graus, wenn eine gute Idee, die in der Kampfsituation genau passen würde, keine Wirkung zeigt, weil es keine Option im Regelwerk dafür gibt, weil man alles bis ins Detail verregelt hat und eine Regel für die gute Idee vergessen hat.

Wie viele Regelwerke berücksichtigen zum Beispiel, dass man Waffenlosen-Kampf auch mit Waffen durchführen kann, dass man Gegner packen und Werfen kann und dass soziale oder Stealth-Aktionen im Kampf große Wirkung haben können. Stattdessen haben manche Spiele immer noch sowas wie Backstab-Regeln. Unheimlich realistisch.


Außerdem was SLF sagte.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 2.07.2013 | 21:10
Ja, aber wenn ihr nicht alle Weltrekordkandidaten im Schnellsprechen seid: Nicht so kurz. Glaub's einfach: 80-100 Worte in 20 Sekunden ist sehr schnelles Reden, etwa wie der Typ in dem Video. In 10 Sekunden, die es angeblich nach der ersten Runde gedauert haben soll, stößt es an die Grenzen des Menschenmöglichen. Eine normale Sprechgeschwindigkeit im Gespräch ohne längere(!) Unterbrechungen sind vielleicht 2 Worte pro Sekunde. Und das ist wie gesagt nur das Sprechen.
Also ich weiß nicht was für ein Scharping ihr sprecht, aber für den den Satz "Ich tret die Tür ein, press mich gegen den Türrahmen und feuer ne Unterlaufgranate in den Flur." brauche ich 4 Sekunden. In normaler Sprechgeschwindigkeit. Ja, ich habe das gerade abgemessen.
Das geistige erfassen der Wertedifferenz Angriff vs Fernkampfschwelle dauert vermutlich ungefähr 3 Sekunden (im Fall der Granate ist es nichtmal notwendig, da sie bei einem so hohen AW und so kurzer Distanz nicht abweicht, Festschaden hat und die ersten beiden Gegner automatisch ausschaltet - da muss man höchstens kurz feststellen ob sich der dritte Gegner auch noch im Explosionsradius befindet) und das rausstreichen der Gegner (oder im Falle eines Bodenplans das entfernen der Figuren) höchstens 5 weitere Sekunden.

Das war auch gar nicht einbezogen. Allein der Sprechakt der von Dir beschriebenen Szene hätte bei einem normalen Gespräch ohne lange Pausen knapp eine Minute gedauert.
WTF? Für den Sprechakt (aller Sätze) brauche ich höchstens 20 Sekunden. Und da hab ich mir schon Zeit gelassen. Ohne Unterbrechungen geht das in 15 Sekunden. Eine Minute für fünf "Sätze" ist so massiv übertrieben, dass ist schlichtweg lächerlich.

Unter der Maßgabe, dass es sich um einen Kampf zwischen einem SC und einem NSC handelt, sehe ich den sehr wohl. Im Übrigen halte ich auch nichts von Regeln, die ich ignorieren muss, um die Welt einigermaßen plausibel emulieren zu können.
Selbst wenn es ein Kampf zwischen einem SC und einem NSC ist stellt sich immernoch die Frage ob es angebracht ist in dieser Situation das Kampfrundensystem anzuwenden. Das ist ungefähr wie wenn ein Charakter einem schlafenden NSC den Kopf abschlägt und der SL "by the rulebook" für Schaden würfeln lässt. Ja, RAW ist es korrekt, aber das heißt nicht dass es angebracht, geschweige denn der Atmosphäre förderlich ist.

Kann das Argument überhaupt nicht nachvollziehen. Es ist also völlig unerheblich, ob mein Kämpfer eine Strecke von 20 Metern in 1 oder 10 Sekunden zurücklegt?
Rein prinzipiell, ja. Es ist nur wichtig welche Distanz er innerhalb einer Runde zurücklegen kann und dass seine Bewegungsrate zumindest ansatzweise mit der Dauer den anderen Aktionen übereinstimmt, die während einer Runde möglich sind.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 2.07.2013 | 21:23
@ OldSamJa, genau das ist es - persönliches Empfinden. Ich denke nicht das das Granate-Werfen zwangsläufig länger dauert als ein Schuss. Das kommt auf viele Kleinigkeiten an, die man alle kaum simulieren kann:
- Ist die Granate direkt am Gürtel, oder dauert es Zeit sie zu preparieren? - Ist das Ziel offen zu sehen oder muss ich Zielen?
- Von wo aus bewege ich die Waffe wohin? - Stehe ich schon perfekt zum Schießen oder muss ich mich gar vorher orientieren oder bewegen?

Genau da lieferst Du doch das Beispiel dafür, dass ich es in der Tat sehr schnell und sauber genau so simulieren kann mit einem entsprechenden System, bei GURPS z.B. kann man als erfahrener SL all dies ganz schnell "mit einem Blick" abchecken (also das Beispiel wäre gut aus dem Kopf direkt machbar), weil alles Standardgeschichten sind :)  (*) Somit kann man dann auch eine Aussage treffen, die nicht von subjektiver SL-Einschätzung abhängt und leicht mit dem Spieler-Empfinden kollidieren könnte, sondern von den Autoren mit Playtests und Fachkenntnis geprüft wurden etc., also in den allermeisten Fällen eine sehr gute Grundlage sein wird (Specials, die nicht gut vorhersagbar sind, muss man ja eh ab und an in jedem System "hinzurechnen", aber eine gute Grundlage macht sehr viel aus IMO). Es wird dann v.a. auch direkt geregelt welche Einbußen ich vielleicht in Kauf nehmen könnte, um es doch zu schaffen, z.B. "verzichtest Du darauf die Umgebung im Auge zu halten und Dich verteidigen zu können geht das noch" etc.; all dies kann ein erfahrener Spieler dann auch direkt schon wissen bzw. schnell erfragen ohne dass der SL handwedeln müsste.
Trotzdem bleibt alles letztlich natürlich eine Präferenz wie man es gerne macht...

*wenn der Background interessiert:
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Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: scrandy am 2.07.2013 | 21:42
Ja es ist alles genauer durch Regeln modellierbar. Aber die Frage bleibt trotzdem, ob es in jedem Fall wirklich realistischer wäre und ob der zugewinn an Realismus den Verlust anderer Dinge immer wert ist.

Außerdem muss man auch ganz klar sagen, dass bei so viel Aufwand für so vergleichsweise unwichtige Dinge die Aufmerksamkeit von Spieler und SL von anderen Dingen abgezogen wird. Das kann sowas sein wie Beschreibung, Inszenierung oder schlicht Charakterspiel.

Das Problem ist halt, dass Charakterspieler immer mit Lagerfeuer und Taverne gleichgesetzt werden und Inszenierung oft mit Railroading gleichgesetzt wird. Aber auch ein guter Kampf muss gut inszeniert werden, sowohl von der Beschrebung her als auch von der KI und fordernden Aktionen der Gegner. Und wenn Spieler aufhören im Kampf ihre Rollen zu spielen, weil sie zu viel überlegen müssen mit welchen Regelmechanismen sie jetzt was machen, dann geht da definitiv was verloren.

Letztendlich ist die Frage, was einem wie wichtig ist. Mir persönlich ist es allerdings sehr wichtig auch in Actionszenen diese zu spüren und die Charaktere und die Bedrohung zu erleben. Ich möchte nicht in Kämpfen das ROLLENspiel abschalten und ein Tabletop auspacken.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 2.07.2013 | 22:28
Rein prinzipiell, ja. Es ist nur wichtig welche Distanz er innerhalb einer Runde zurücklegen kann und dass seine Bewegungsrate zumindest ansatzweise mit der Dauer den anderen Aktionen übereinstimmt, die während einer Runde möglich sind.
Merkst du es? Du forderst genau das, was du argumentativ widerlegen willst. Inklusive Realismusanspruch. ;)

Ja es ist alles genauer durch Regeln modellierbar. Aber die Frage bleibt trotzdem, ob es in jedem Fall wirklich realistischer wäre und ob der zugewinn an Realismus den Verlust anderer Dinge immer wert ist.
Mein Eindruck verfestigt sich, dass die entscheidende Frage ist, ob die Spieler gegeneinander zocken oder nicht. Sobald sie es tun, brauchen sie konkrete Regeln, deren Rahmen sie nicht verlassen dürfen (so wie bei den Brettspielen). Das schränkt die Freiheitsgrade ein und kann unschöne Blüten treiben, je komplexer es wird, aber es erfüllt immerhin die Schiedsrichterfunktion und ohne die wäre der Anspruch des gegeneinander zockens gar nicht zu erfüllen.

Die Wettkampforientierung ist die unkompliziertere. Die Position der Charaktere wird mit denen der Spieler gleichgesetzt. Für den anderen Fall, für den man auch keine Schiedsrichterregeln benötigt, gilt die herausfordernde Vorbedingung, dass alle Spielteilnehmer relativ strikt trennen zwischen Spielwelt und Spieltisch und in den beiden Sphären konträre Haltungen annehmen: Konflikte in der Spielwelt, Kooperation am Spieltisch.

Systemisch stabil ist der Zustand, bei dem man nicht trennen muss. Kein Wunder also, dass alle Rollenspiele mit wirklich großer Reichweite auf dieser Vorbedingung aufbauen und dazu passende Regeln mitbringen. Spiele wir Mystix werden auch weiterhin ein Nischendasein fristen müssen, nicht weil sie schlecht sind, sondern weil sie zum Funktionieren eine psychosoziale Konstellation voraussetzen, die sich ungern einstellt und leicht ins Wanken gebracht werden kann. Bildlich kann es so verdeutlicht werden:

(http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a0/Meta-stability.svg/220px-Meta-stability.svg.png)Ein stabiles System. Die Kugel bleibt in der Senke liegen. Das ist die Voraussetzung für D&D-Artige.

(http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/3/3a/Lability.svg/220px-Lability.svg.png)Ein labiles System. Die Kugel will nicht bleiben, wo sie ist, sondern neigt dazu, zu einer Seite abzukippen. Das ist die Voraussetzung für Mystix-Artige.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 2.07.2013 | 22:44
Ja es ist alles genauer durch Regeln modellierbar. Aber die Frage bleibt trotzdem, ob es in jedem Fall wirklich realistischer wäre und ob der zugewinn an Realismus den Verlust anderer Dinge immer wert ist.
...
Realistischer (natürlich sowieso nie perfekt) und v.a. in sich konsistenter ist es mit einem guten Regelwerk aus meiner Sicht sicherlich beim Großteil der Fälle, aber natürlich nicht immer, klar. Zudem erfordert allein schon die Situationsbewertung (also auch die Bewertung des Regelwerks in dem Kontext) ja jeweils gewisse Fachkompetenzen, die nicht immer da sein können, so dass der SL hier durch das Regelwerk auch entlastet wird und sich nicht unbedingt mit Physik, mittelalterlicher Geschichte, Medizin, Materialkunde und Kampfkunst gleichermaßen gut auskennen bzw. nicht in Diskussionen mit den Spielern nach Lösungen suchen muss ;)
Die andere Frage ist letztlich "Philosophie", v.a. hängt ja so vieles daran und nicht nur ein potentieller Simulationsanspruch - bspw. diverse taktische Optionen zu haben ist auch von vielen Spielern gewünscht, die auf Sim keinen Wert legen, aber halt die gamistische Herausforderung wollen usw. usf.

Letztendlich ist die Frage, was einem wie wichtig ist. Mir persönlich ist es allerdings sehr wichtig auch in Actionszenen diese zu spüren und die Charaktere und die Bedrohung zu erleben. Ich möchte nicht in Kämpfen das ROLLENspiel abschalten und ein Tabletop auspacken.
Ich will i.d.R. auch kein Tabletop, wobei ich oft aber auch viel Taktik mit im Spiel haben will. Aber Du hast schon recht, es ist dann in der Tat nicht ganz einfach immer alles unter einen Hut zu kriegen... Persönlich bin ich aber eigentlich zufrieden wie das bei meinen Runden läuft.  Auf Spielerseite fördere ich sehr atmosphärische bzw. coole Beschreibungen durch implizite Boni und lege den Spielern immer nahe so zu denken wie das was sie in Wirklichkeit in dieser Situation tun würden, das ist dann eigentlich auch immer regeltechnisch eine gute Aktion.
Für Spieler, die die Regeln nicht im Blut haben setze ich das im Kopf on-the-fly um, so dass sie nur ihren Wert haben und würfeln, ohne sich mit mechanischen Details zu belasten. Meinetwegen kommt sowas wie: "Ich stürme mit einem wütenden Schrei die verbleibenden 3 Schritte auf Ihn zu, reisse den Säbel hoch und schlage direkt auf seinen Schwertarm!" Dann frage ich ggf. kurz ein nötiges Detail nach, um es taktisch einzuordnen: "Wirfst Du Dich mit maximalem Einsatz - aber auch hohem Risiko ohne etwas zurückzuhalten - in den Angriff oder versuchst Du auch noch Dich dabei zu schützen?" - "Mir ist jetzt alles egal, ich sehe rot und will ihn vernichten!" (Dann weiss ich sofort für mich: Gezielte All-out-Attack - keine Verteidigung möglich, dafür +4, mit Abzug von -2 für den Arm, ergo +2 für den Angriffswurf) - "Ok, Angriff erleichtert um 2..." - und sobald die Aktion dann aufgelöst ist, liefere ich eine anschauliche Beschreibung des Resultats, "Dein Säbel dringt tief in sein Fleisch ein und mit schmerzverzerrtem Gesicht und einem unterdrückten Aufschrei lässt er seine Klinge fallen..."
Auf diese Weise ist es eine Kombination wo Taktik und immersive Beschreibungen idealerweise beide so gut wie möglich einbezogen werden, aber es stimmt natürlich grundsätzlich immer, dass es ganz ohne taktische Überlegungen leichter ist im reinem Feeling zu bleiben - ich gehöre allerdings zu der Spielergruppe die auf beides nicht verzichten will  :P
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 2.07.2013 | 22:48
Merkst du es? Du forderst genau das, was du argumentativ widerlegen willst.
Nein, ich sage lediglich, dass die Bewegungsreichweite mit der Zeitdauer der anderen möglichen Handlungen halbwegs übereinstimmen sollte. Ich sage NICHT (!) dass exakt definiert sein muss wie lange eine Kampfrunde dauert. Aber wenn ich in einer Kampfrunde eine Salve aus einem Sturmgewehr abgeben oder 500 Meter rennen kann - dann passt das einfach nicht zusammen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 2.07.2013 | 22:59
Also ich weiß nicht was für ein Scharping ihr sprecht, aber für den den Satz "Ich tret die Tür ein, press mich gegen den Türrahmen und feuer ne Unterlaufgranate in den Flur." brauche ich 4 Sekunden. In normaler Sprechgeschwindigkeit.
Erstmal: In dem "Scharping", das wir sprechen, sagen wir "trete", "presse" und "feuere", und wenn wir ganz Snob sind, auch mal "eine".

Anyways: Wenn Du das in Deiner Gruppe irgendwie so hinkriegst, klasse für Dich. Objektiv ist das ein erheblich überdurchschnittliches Tempo (wobei Du natürlich das für so einen kurzen Zeitraum und vermutlich im Eigenversuch unter Zuhilfenahme lediglich einer Sekundenanzeige sowieso nicht messen kannst.) Stell' einfach mal ein nicht-gestelltes Rundenvideo ein, dann transkribieren und messen wir ein wenig...

Zitat
Selbst wenn es ein Kampf zwischen einem SC und einem NSC ist stellt sich immernoch die Frage ob es angebracht ist in dieser Situation das Kampfrundensystem anzuwenden. Das ist ungefähr wie wenn ein Charakter einem schlafenden NSC den Kopf abschlägt und der SL "by the rulebook" für Schaden würfeln lässt. Ja, RAW ist es korrekt.
Wenn ich in einem Kampf zwischen SC und NSC die für Kämpfe zwischen SC und NSC gedachten Regeln nicht anwende, weil sie offensichtlich unplausible oder für meinen Spielstil unpassende Ergebnisse erzeugen, dann komme ich doch vernünftigerweise auf die Idee, dass die Regeln nichts taugen - wenn ich mit bestimmten Regelkonzepten nicht verheiratet bin.
Wenn die Regeln für Meuchelmord an wehrlosen Zielen sowas wie verdoppelten Schaden vorsehen und das schon bei mittelstufigen Charakteren heißt, dass man sie nicht im Schlaf ermorden kann, dann würde ich ebenfalls sagen, dass die Regel nichts taugt.

Wobei wir bei einem weiteren Grund für die kleinschrittigen Kampfrunden wären: Rollenspieler sind konservativ.  >;D

Dazu muss ich antworten Du interpretierst das Beispiel nicht weitsichtig genug, denn was <davor> kam habe ich offen gelassen und es spielt auch keine Rolle, das ist ja das Ding!
Doch, das spielt schon eine Rolle. Sonst hätte ich nicht danach gefragt. Und in Deinem neuen Beispiel hast Du mit dem Niederstechen des letzten Gegners ganz kkar das Ende eines vorhergehenden Kampfes vorher gesetzt und so mit zum x-ten Male klargemacht, dass Du nicht rallst, wovon ich rede.

Zitat
wtf? Das war ein Joke-Beispiel und Du meinst das wohl leider ernst,
Nein, die Antwort war doch offensichtlich ironisch. Wobei das in der Tat eine Art von "ernst" ist, denn die Ironie sollte Dir ernsthaft nahe bringen, was von Deinem "Joke-Beispiel" zu halten ist...
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 3.07.2013 | 00:01
Das Problem liegt darin, dass man sich angewöhnt hat, in Rollenspielregeln "physikalische Zeit" darzustellen, anstatt "narrative Zeit".
Das fasst sehr präzise eines der wesentlichen Probleme  :d.

Ich möchte dir wirklich nicht den Spaß an den Details nehmen, aber ich denke, dass ein gröberes System für seriöse Kämpfe auszuschließen ist zu kurz gedacht. Ich würde sogar behaupten, dass man durch den höheren Freiheitsgrad näher an das Gefühl von Kämpfen rankommt als durch viele fein geregelte Aktionen, weil man nicht nur aus einer vorgefertigten Aktionstabelle auswählt sondern stattdessen öfter ingame denkt und Aktionen ausführt, die sich in der Situation realistisch anfühlen. Natürlich bedient das eine andere Art von Zielgruppe als das durchverregelte taktische Tabletop-ähnliche-Spiel aber es ist keineswegs weniger für detaillierte (und ernsthafte) Kämpfe geeignet als andere Spiele.
Exakt so ist es.
Eine Sache möchte ich noch ergänzen: Details, umfangreiche Regeln und kleinschrittige Unterteilungen haben nichts damit zu tun, wie taktisch ein Kampfsystem ist. Ich würde im Gegenteil sogar behaupten, dass eher abstrakte und einfache Systeme eher das Potential für taktische Tiefe haben als hyperkomplexe.

Zitat
Für andere wiederum ist es ein Graus, wenn eine gute Idee, die in der Kampfsituation genau passen würde, keine Wirkung zeigt, weil es keine Option im Regelwerk dafür gibt, weil man alles bis ins Detail verregelt hat und eine Regel für die gute Idee vergessen hat.
Dank bestimmter D&D-Spielleiter finde ich mich hier erschreckend gut wieder...
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 3.07.2013 | 00:44
Doch, das spielt schon eine Rolle. Sonst hätte ich nicht danach gefragt. Und in Deinem neuen Beispiel hast Du mit dem Niederstechen des letzten Gegners ganz kkar das Ende eines vorhergehenden Kampfes vorher gesetzt und so mit zum x-ten Male klargemacht, dass Du nicht rallst, wovon ich rede.

Es ist wiederum ebenfalls nicht klar geworden, was ich damit meinte, dass es keine Rolle spielt - dies bezog sich auf die zeitliche Beliebigkeit,jedes Mal, wenn sich eine Handlungssequenz auftrennen lässt (v.a. eben durch bestimmte Wartezeiten / Distanzen, die überbrückt werden müssen etc.) Egal ob jetzt z.B. der letzte Gegner an Punkt A schon tot ist oder ebenfalls dort noch einer hinter den Spieler herrennt, was auch immer: Aktionen (KR) -> logische Trennung -> Zeitsprung -> Aktionen (KR) -> logische Trennung -> Zeitsprung - Aktionen (KR) etc.
Aber offenbar reden wir ständig aneinander vorbei, weil Du ebensowenig verstehst worauf ich hinauswill ;) Der Punkt dabei ist, dass ich (wie bei dem vielleicht auch ungünstig gewählten Beispiel) jedesmal, wenn irgendeine logische Trennung erfolgt ist, Kampfrunden übersprüngen kann, das geht ganz intuitiv (machen wie gesagt sehr, sehr viele Spieler so). Aber es bringt auch eh nix das zu vertiefen...

Was allerdings Fakt ist: Obwohl Du selbst ja den Punkt mit der "flexiblen KR" in den Fokus gebracht hast, wurde über die letzten Seiten nie mal konkret und detailliert mit ausführlichem Beispiel o.ä. erklärt, wie das, was Du Dir da vorstellst, eigentlich im Spiel funktionieren soll, trotz entsprechender Nachfragen. Also ist die Frage, ob Du eigentlich wirklich erwarten kannst, dass hier viele Leser tatsächlich wissen wovon Du eigentlich sprichst...? ;)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 3.07.2013 | 01:21
Es ist wiederum ebenfalls nicht klar geworden, was ich damit meinte, dass es keine Rolle spielt - dies bezog sich auf die zeitliche Beliebigkeit,jedes Mal, wenn sich eine Handlungssequenz auftrennen lässt
Wann ist das?

Zitat
(wie bei dem vielleicht auch ungünstig gewählten Beispiel)
Dann wähle halt ein günstiges Beispiel...

Zitat
(machen wie gesagt sehr, sehr viele Spieler so).
Woher weißt Du das denn nun wieder?

Zitat
Was allerdings Fakt ist: Obwohl Du selbst ja den Punkt mit der "flexiblen KR" in den Fokus gebracht hast, wurde über die letzten Seiten nie mal konkret und detailliert mit ausführlichem Beispiel o.ä. erklärt, wie das, was Du Dir da vorstellst, eigentlich im Spiel funktionieren soll,
Ähm, da haben wir so ungefähr die letzten zwei Seiten drüber geredet, offensichtlich ohne dass Du es mitbekommen hast... Beispiele (das mit dem Schwert des Zoras war schon super) wurden auch schon genannt.

Greifen wir einfach Dein eigenes verkorkstes Beispiel auf: Drei SC im Gefecht mit Orks, die ein Dorf überfallen. Die SC haben gerade im ersten Ansturm einige Orks angegriffen, die im äußeren Bereich des Dorfes wüteten und einige von ihnen erledigt. Der gefährliche Anführer des Orktrupps lebt aber noch.

SL: Von der Mühle aus könnt ihr sehen, dass zwei Orks gerade dabei sind, mit Äxten die Tempeltür einzuschlagen. *lost Initiative aus* Spieler 1?
S1: Ich rufe meinen Kameraden zu "Mit dem hier werde ich alleine fertig, rettet ihr den Tempel!" und gehe dann auf den Orkanführer los. *Absprache mit SL und Kampfgewürfel*. Der Kampf zwischen uns wogt hin und her, ohne dass es klar ist, wer überlegen ist.
S2: Ich rufe zurück "Dein Wort in der Göttin Ohr!" und renne auf den Tempel zu.
S3: Ich renne mit.
SL: Als ihr euch dem Tempel nähert, seht ihr, dass sich ein in dreckige Roben gekleidete, mit Knochen und Federn geschmückter Ork etwas abseits des Tempels aufgebaut hat und eine Art grotesken Tanz aufführt.
S2: Ihr Schamane! Das kann nichts gutes heißen. Ich halte kurz inne, lege einen Pfeil auf und schieße. *Absprache mit SL und Kampfgewürfel*. Verflucht, daneben.
SL: Der Schamane hat den Schuss jedoch bemerkt. Er wendet sich Dir zu und seine Augen beginnen rot zu leuchten.
S3: Ich renne derweil weiter zum Tempel und versuche die beiden Orks schnell zu erledigen. *Absprache mit SL und Kampfgewürfel*. Mit zwei blitzschnellen Hieben strecke ich die überrumpelten Grünhäute nieder.
SL: Okay, die Orks handeln. Der Stoßtruppanführer... etc. etc.

Regeln: Jeder Teilnehmer hat pro Kampfrunde eine Bewegungs- und eine Kampfaktion. Kommunikation ist je nach Situation unbegrenzt möglich. Optionen für den Angriff auf mehrere Gegner existieren. Ob eine Aktion viel Spielzeit braucht oder wenig, ob man sich auf einen einzelnen Hieb konzentriert oder einen Kampfverlauf abstrakt schildert - alles irrelevant.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Praion am 3.07.2013 | 08:39
Läuft bei mir in der Runde genau so.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 3.07.2013 | 10:42
Erstmal: In dem "Scharping", das wir sprechen, sagen wir "trete", "presse" und "feuere", und wenn wir ganz Snob sind, auch mal "eine".

Anyways: Wenn Du das in Deiner Gruppe irgendwie so hinkriegst, klasse für Dich.
Bei uns hat das funktioniert (leider gibt es die Runde nicht mehr seit der SL weggezogen ist). Ich sage auch nicht, dass es mit jeder Gruppe funktioniert. Man braucht eine Gruppe die in der Lage ist konzentriert zu bleiben und die miteinander harmoniert.

Wenn ich in einem Kampf zwischen SC und NSC die für Kämpfe zwischen SC und NSC gedachten Regeln nicht anwende, weil sie offensichtlich unplausible oder für meinen Spielstil unpassende Ergebnisse erzeugen, dann komme ich doch vernünftigerweise auf die Idee, dass die Regeln nichts taugen - wenn ich mit bestimmten Regelkonzepten nicht verheiratet bin.
Wenn die Regeln für Meuchelmord an wehrlosen Zielen sowas wie verdoppelten Schaden vorsehen und das schon bei mittelstufigen Charakteren heißt, dass man sie nicht im Schlaf ermorden kann, dann würde ich ebenfalls sagen, dass die Regel nichts taugt.
Regeln sind immer für bestimmte Situationen gedacht, in denen ihre Anwendung meist auch Sinn macht. Das bedeutet aber nicht dass es sinnvoll ist in jeder Situation in der eine Regel anwendbar ist diese auch anzuwenden (und nein, das bedeutet nicht automatisch dass die Regel dumm ist). Wenn sich die Spielergruppe unter ungezieltem Feuer der Gegenseite zu ihrem zwei Kilometer entfernten Landungsschiff zurückzieht käme kein normaler Mensch auf die Idee das in 5 Sekunden langen Kampfrunden auszuspielen. Was aber nicht heißt dass die Kampfregeln per se schlecht sind.

Greifen wir einfach Dein eigenes verkorkstes Beispiel auf: Drei SC im Gefecht mit Orks, die ein Dorf überfallen. Die SC haben gerade im ersten Ansturm einige Orks angegriffen, die im äußeren Bereich des Dorfes wüteten und einige von ihnen erledigt. Der gefährliche Anführer des Orktrupps lebt aber noch.

[...]

Regeln: Jeder Teilnehmer hat pro Kampfrunde eine Bewegungs- und eine Kampfaktion. Kommunikation ist je nach Situation unbegrenzt möglich. Optionen für den Angriff auf mehrere Gegner existieren. Ob eine Aktion viel Spielzeit braucht oder wenig, ob man sich auf einen einzelnen Hieb konzentriert oder einen Kampfverlauf abstrakt schildert - alles irrelevant.
Das hört sich für mich nach SEEEHR viel Handgewedel an. In einer erzählerisch getriebenen Fäntelalterrunde kann ich mir sowas gut vorstellen (wobei ich dann ehrlich auch gleich Freiform/2 Regeln oder "würfel 2W6 und interpretiere" nutzen kann), aber wenn ich mich mit einem Enterkommando durch die Innereien eines Raumschiffs kämpfe hätte ich doch gerne ein etwas akkurateres System.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 3.07.2013 | 11:08
Das hört sich für mich nach SEEEHR viel Handgewedel an.
Zu der ästhetisch wie inhaltlich katastrophalen Übernahme des Begriffs "Handwaving" im deutschen Rollenspielforenbereich sage ich jetzt mal nichts. Korrekt ist allerdings, dass Spieler wie Spielleiter natürlich folgendes mitbringen müssen:
a) Die Fähigkeit zur situationsbedingten Improvisation, was auch ein gutes Maß an GMV mit einschließt.
b) Ein bestimmtes Maß an Vertrauen in die Fairness nicht nur des Spielleiters.

Zitat
In einer erzählerisch getriebenen Fäntelalterrunde kann ich mir sowas gut vorstellen, aber wenn ich mich mit einem Enterkommando durch die Innereien eines Raumschiffs kämpfe hätte ich doch gerne ein etwas akkurateres System.
Wenn Du Dich in einem Enterkommando durch die Innereien eines Raumschiffs kämpfst, läuft die Szene ja auch - wenn die oben genannten Voraussetzungen gegeben sind - anders ab. Das ist ja das schöne daran. Und noch schöner ist, dass dabei der ganze Unsinn, den "akkurate Systeme" regelmäßig produzieren mit den ganzen "Wenn Du soviel über Funk sagst, ist es schon eine volle Aktion" und "in der Zeit müsste ich zehnmal schießen können"-Kram entfällt.

Zitat
Regeln sind immer für bestimmte Situationen gedacht, in denen ihre Anwendung meist auch Sinn macht.
Wenn meine Kampfregeln für Kämpfe keinen Sinn ergeben, sind meine Kampfregeln Mist. Wenn ich in einem Fantasysystem für die Situation "SC im Schwertkampf mit einem NSC" die Kampfregeln nicht anwende, weil sie nicht passig sind, dann läuft offensichtlich etwas schief.

Zitat
Das bedeutet aber nicht dass es sinnvoll ist in jeder Situation in der eine Regel anwendbar ist diese auch anzuwenden (und nein, das bedeutet nicht automatisch dass die Regel dumm ist). Wenn sich die Spielergruppe unter ungezieltem Feuer der Gegenseite zu ihrem zwei Kilometer entfernten Landungsschiff zurückzieht käme kein normaler Mensch auf die Idee das in 5 Sekunden langen Kampfrunden auszuspielen. Was aber nicht heißt dass die Kampfregeln per se schlecht sind.
Doch, genau das heißt es. Ich finde es übrigens gelinde gesagt milde selbstironisch von Dir, dass Du im gleichen Posting abfällig von "Handwedelei" sprichst, in dem Du mehrmals forderst, Regeln einfach situationsbedingt zu ignorieren. :D

Gilt dann da auch das folgende?  8]
Zitat
(wobei ich dann ehrlich auch gleich Freiform/2 Regeln oder "würfel 2W6 und interpretiere" nutzen kann)

Überhaupt wird Deine Argumentation zusehends bizarr. Also was Du hier sagst:
- Kampfregeln in vielen verschiedenen Situationen einfach ignorieren und das irgendwie anders abhandeln, weil die normale 5-Sekunden-Kampfrunde oft nicht passig ist: Super!
- Einfach von Anfang an zugestehen, dass eine Kampfrunde nicht immer 5 Sekunden sein muss: Weiche, Satanas!

Sorry, aber das ist doch nur noch Sturheit.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: gunware am 3.07.2013 | 11:44
Als ich damals angefangen habe mir für Mystix Gedanken über Kampfrunden usw. zu machen, wollte ich nach Möglichkeit komplett flexible Aktionslängen haben. Im Grunde war es mir sogar lieber einzelne Zweikämpfe nacheinander abzuhandeln, weil man damit das Kampf-Feeling noch eindringlischer halten kann. Es macht eben mehr Spaß wenn man erstmal den Gegner mit mehreren Attacken in die Ecke drängt (eine lange Aktion), dann ihn täuscht (zeitlich wahrscheinlich sogar parallel zur ersten Aktion) und dann durch einen gezielten Stich (eine schnelle Aktion) in die ewigen Jagdgründe schickt.
So ist es eigentlich auch von DrDII (Dračí Doupě II) gedacht. Zuerst dem Gegner die Bedrohung erhöhen und ihn dann mit cooler Aktion den Gnadenstoß geben. Deswegen ist es nicht notwendig die Kampfrunden zeitlich genau festzulegen.

SL: Von der Mühle aus könnt ihr sehen, dass zwei Orks gerade dabei sind, mit Äxten die Tempeltür einzuschlagen.
...
SL: Okay, die Orks handeln. Der Stoßtruppanführer... etc. etc.

Regeln: Jeder Teilnehmer hat pro Kampfrunde eine Bewegungs- und eine Kampfaktion. Kommunikation ist je nach Situation unbegrenzt möglich. Optionen für den Angriff auf mehrere Gegner existieren. Ob eine Aktion viel Spielzeit braucht oder wenig, ob man sich auf einen einzelnen Hieb konzentriert oder einen Kampfverlauf abstrakt schildert - alles irrelevant.
Da bricht DrDII aus der Rolle, weil die Bewegungs- und Kampfaktionen in dem Sinne "irrelevant" sind. Wichtig ist nur, was angesagt wird. Deswegen kommt es auch nicht zu (Zeit)Problemen*, ob die Charas die Mühle rechtzeitig erreichen oder den Schamanen mit dem Schuss aufhalten können, während S1 noch an einer anderen Stelle sich gegen die Übermacht wehrt.

*zumindest theoretisch. Praktisch habe ich es nicht ausprobiert. Es würde mich wirklich interessieren, ob es so ohne weiteres funktioniert, weil ich eher der GURPS-Typ bin und diese Vorgehensweise mir ein bisschen suspekt ist. Und ich nichtmal weiß, ob ich es ohne ein paar Mal geübt zu haben, überhaupt richtig einsetzen könnte.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 3.07.2013 | 11:53
Wenn meine Kampfregeln für Kämpfe keinen Sinn ergeben, sind meine Kampfregeln Mist. Wenn ich in einem Fantasysystem für die Situation "SC im Schwertkampf mit einem NSC" die Kampfregeln nicht anwende, weil sie nicht passig sind, dann läuft offensichtlich etwas schief.
Nicht wenn die "verkürzte" Probe kein grob anders Ergebnis liefert als ein ausspielen des gesamten Kampfes würde. Wenn es möglich ist den Kampf komplett auszuspielen und dabei zu ungefähr zum selben Ergebnis kommen würde/könnte, dann ist es auch möglich die Szene zu verkürzen einfach weil die Details nicht wichtig für den Verlauf der Szene sind.

Und ja, es soll Leute (v.a. bei DSA) geben, die einen unfassbaren Spaß daran haben JEDE Mahlzeit und JEDEN Toilettengang auszuspielen. Macht aber normalerweise niemand. Eigentlich müssten 90% aller Rollenspielgruppen verhungern, weil sie praktisch nie essen oder trinken (und ja, die meisten RPGs haben Regeln für verhungern), geschweige denn regelmäßig Essen kaufen.

Doch, genau das heißt es. Ich finde es übrigens gelinde gesagt milde selbstironisch von Dir, dass Du im gleichen Posting abfällig von "Handwedelei" sprichst, in dem Du mehrmals forderst, Regeln einfach situationsbedingt zu ignorieren. :D
Ich fordere nicht Regeln situationsabhängig zu ignorieren, ich fordere Regeln situationsabhängig anzuwenden. Das ist ein verdammt großer Unterschied.

Gilt dann da auch das folgende?  8]
Überhaupt wird Deine Argumentation zusehends bizarr. Also was Du hier sagst:
- Kampfregeln in vielen verschiedenen Situationen einfach ignorieren und das irgendwie anders abhandeln, weil die normale 5-Sekunden-Kampfrunde oft nicht passig ist: Super!
Man kann durchaus verschiedene Arten von Regeln auf verschiedene Situationen anwenden. Wenn man eine Situation nur grob erfassen möchte braucht man dafür keine superdetaillierten Regeln. Ist dagegen eine Situation wichtig und man möchte sie quasi durch das Vergrößerungsglas betrachten kann man detailliertere Regeln darauf anwenden.

- Einfach von Anfang an zugestehen, dass eine Kampfrunde nicht immer 5 Sekunden sein muss: Weiche, Satanas!
Ich sage überhaupt nicht, dass man das nicht machen kann. Ich spiel ab und an auch Freiform oder Systeme die Situationen generell nur äußerst grob erfassen. Aber du führst hier einen gerade zu religiösen Kreuzzug für ein Kampfsystem mit sogenannten "flexiblen Runden" ohne vernünftig dazulegen wo der Mehrwert gegenüber Freiform oder 2 Regeln liegen soll. Wenn ich keine Definition habe was genau ich innerhalb einer "Runde" anstellen kann, dann habe ich effektiv kein Rundensystem. Dann brauche ich kein Rundensystem. Dann reicht auch ein reines Erzählsystem/Freiform.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 3.07.2013 | 12:14
Ich fordere nicht Regeln situationsabhängig zu ignorieren, ich fordere Regeln situationsabhängig anzuwenden. Das ist ein verdammt großer Unterschied.
Äh... nein? Ob ich sage: "Ich wende die Regeln nur in bestimmten Situationen an" oder "ich wende die Regeln in bestimmten Situationen nicht an", ist nur ein Unterschied in den sprachlichen Nuancen.

Zitat
Nicht wenn die "verkürzte" Probe kein grob anders Ergebnis liefert als ein ausspielen des gesamten Kampfes würde. Wenn es möglich ist den Kampf komplett auszuspielen und dabei zu ungefähr zum selben Ergebnis kommen würde/könnte, dann ist es auch möglich die Szene zu verkürzen einfach weil die Details nicht wichtig für den Verlauf der Szene sind.
Um verkürztes Abhandeln des Kampfes ging es nicht, aber ich finde es unglaublich amüsant, wie Du hier propagierst, einen potentiell tödlichen Kampf mal eben so Pi mal Daumen abzuhandeln, während Du auf exakte Handlungsoptionen und "akkurate" Systeme bestehst.  :D
Und, was es noch amüsanter macht, ein System, dass es erlaubt, den Kampf mit exakten Handlungsoptionen und regelgetreu abzuhandeln, ohne dabei in Widersprüche mit der Spielweltvorstellung zu geraten, ablehnst.

Alles andere, was Du geschrieben hast, sind von einer zunehmenden argumentativen Abwärtsspirale zeugende Strohmänner, die keine Einzelerwiderung wert sind. Weder hat hier jemand das hartwurstige Ausspielen von Details gefordert (welche logischen Verrenkungen Du angestellt hast, um das in diesen Zusammenhang herbeizufantasieren, erschließt sich mir nicht), noch sind flexible Kampfrunden "Freiform".
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 3.07.2013 | 12:36
Da bricht DrDII aus der Rolle, weil die Bewegungs- und Kampfaktionen in dem Sinne "irrelevant" sind. Wichtig ist nur, was angesagt wird. Deswegen kommt es auch nicht zu (Zeit)Problemen*, ob die Charas die Mühle rechtzeitig erreichen oder den Schamanen mit dem Schuss aufhalten können, während S1 noch an einer anderen Stelle sich gegen die Übermacht wehrt.
Ich hatte in das Beispiel meine bisherige Spielpraxis einfließen lassen, und da kannte ich diese Idee noch nicht. Ich finde das Konzept aus DrDII allerdings auch sehr interessant und vielversprechend und wäre gespannt, wie das im Spiel funktioniert. Also flink übersetzen und Spielrunde anleiern.  ;)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: xergazz am 3.07.2013 | 12:39
Aber du führst hier einen gerade zu religiösen Kreuzzug für ein Kampfsystem mit sogenannten "flexiblen Runden" ohne vernünftig dazulegen wo der Mehrwert gegenüber Freiform oder 2 Regeln liegen soll. Wenn ich keine Definition habe was genau ich innerhalb einer "Runde" anstellen kann, dann habe ich effektiv kein Rundensystem. Dann brauche ich kein Rundensystem. Dann reicht auch ein reines Erzählsystem/Freiform.

Zu sagen, eine Runde hat keine Definition, wenn sie keine feste Zeitspanne besitzt ist schlicht falsch. Sie definiert sich nicht durch den Vorstellungsraum sondern durch die Regeln. Einfaches Beispiel:
Schau in deinem Lieblings-Rollenspiel nach, wie es genau geregelt ist, wenn eine Figur die Möglichkeit erhält schneller anzugreifen. Da wird nicht stehen: "Deine Figur greift nun alle 2,5 Sekunden statt alle 5 Sekunden an". Da steht "deine Figur hat 2 Attacken pro Runde". Inhaltlich ist es das gleiche aber es zeigt deutlich, dass der Fokus ein anderer ist.

Was Spiele mit flexiblen Runden eigentlich nur machen ist den Dingen, die nicht essenziell für das Kampfgeschehen sind, eine geringere Bedeutung zugunsten des Spielflusses zuzumessen. Schadet es wirklich so sehr, wenn die Anzahl an Worten pro Runde nicht begrenzt ist? Werden die Spieler nicht sogar mehr in den Kampf miteinbezogen, wenn es ihnen erlaubt ist Rollenspiel zu betreiben? Ich mein was kann den schlimmstenfalls passieren? Und in letzter Konsequenz ist es sowieso meine Meinung, dass nicht das Regelbuch sondern das Vertrauen am Spieltisch dafür verantwortlich ist, ob das Spiel funktioniert oder nicht.

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: gunware am 3.07.2013 | 12:43
"Ich wende die Regeln nur in bestimmten Situationen an" oder "ich wende die Regeln in bestimmten Situationen nicht an", ist nur ein Unterschied in den sprachlichen Nuancen.
Ich glaube, das sollte eher so was in der Art sein, dass man in der gleichen Situation verschiedene Regel anwenden kann. Zum Beispiel könnte ich bei SaWo die Verfolgungsregel nehmen oder den Kampf ausspielen, wenn jemand durch ein paar Straßen gejagt und zur Strecke gebracht werden muss. Das hat mit Sprachnuance nichts zu tun (vorausgesetzt, ich habe das Gesagte richtig interpretiert).

Ich hatte in das Beispiel meine bisherige Spielpraxis einfließen lassen, und da kannte ich diese Idee noch nicht. Ich finde das Konzept aus DrDII allerdings auch sehr interessant und vielversprechend und wäre gespannt, wie das im Spiel funktioniert. Also flink übersetzen und Spielrunde anleiern.  ;)
Falls Du FreieZeit™ zum Verkaufen hast, nehme ich gerne. Theoretisch habe ich ein paar Sachen schon angefangen, weil ich es auch gerne ausprobieren möchte. Aber wegen Zeitmangel schläft es.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 3.07.2013 | 13:29
Äh... nein? Ob ich sage: "Ich wende die Regeln nur in bestimmten Situationen an" oder "ich wende die Regeln in bestimmten Situationen nicht an", ist nur ein Unterschied in den sprachlichen Nuancen.
Ich glaube, das sollte eher so was in der Art sein, dass man in der gleichen Situation verschiedene Regel anwenden kann. Zum Beispiel könnte ich bei SaWo die Verfolgungsregel nehmen oder den Kampf ausspielen, wenn jemand durch ein paar Straßen gejagt und zur Strecke gebracht werden muss. Das hat mit Sprachnuance nichts zu tun (vorausgesetzt, ich habe das Gesagte richtig interpretiert).
EXAKT. DANKE!
(Ich meinte natürlich Regelkomplexe die auf eine ganze Situation Anwendung finden und nicht einzelne Regeln. Es gibt nicht DIE EINE REGELUNG™ für das abhandeln einer Situationen. Selbst in Tabletop-D&D kann man Duelle über vergleichende Stärke/Konstitution/Whatever-Proben lösen anstatt sie komplett in voller Länge auszuspielen.)

Zu sagen, eine Runde hat keine Definition, wenn sie keine feste Zeitspanne besitzt ist schlicht falsch. Sie definiert sich nicht durch den Vorstellungsraum sondern durch die Regeln. Einfaches Beispiel:
Schau in deinem Lieblings-Rollenspiel nach, wie es genau geregelt ist, wenn eine Figur die Möglichkeit erhält schneller anzugreifen. Da wird nicht stehen: "Deine Figur greift nun alle 2,5 Sekunden statt alle 5 Sekunden an". Da steht "deine Figur hat 2 Attacken pro Runde". Inhaltlich ist es das gleiche aber es zeigt deutlich, dass der Fokus ein anderer ist.
Verdammt. In meinen Lieblingssystemen gibt es so eine Situation nicht. Bei Opus anima ist das einzige was ansatzweise in die Richtung geht die Rang 5 Halbgott-Fähigkeit des Versehrten, der sich eine persönliche zusätzliche Runde kaufen darf in der nur er handeln kann (die aber imho eine dringende Überarbeitung nötig hat). Aber wer bei OA eine solche Fähigkeit hat der ist sowieso kein normaler Mensch mehr und wirklich nur noch eine Stufe vom Olymp oder dem Hades entfernt. "Ratten!" sieht multiple Handlungen pro Runde garnicht vor (allerdings sieht Ratten! ziemlich viel nicht vor...) und bei Pikun gibt es sowas ebenfalls nicht (eigentlich gibt es bei Pikun nichtmal Runden, es gibt ja nichtmal einen Wert für Inititiave).

Abgesehen davon ist das doch das was ich die ganze Zeit sage. Eine Runde braucht keine feste Zeitangabe, solange klar geregelt ist was innerhalb einer Runde möglich ist (http://www.forenplanet.de/images/smilies/05.gif)
Siehe hier, gleich zu Anfang: http://tanelorn.net/index.php/topic,84634.msg1716410.html#msg1716410

Was Spiele mit flexiblen Runden eigentlich nur machen ist den Dingen, die nicht essenziell für das Kampfgeschehen sind, eine geringere Bedeutung zugunsten des Spielflusses zuzumessen.
Man kann aber auch einen Schritt weitergehen und allem was nicht für die spezifische Szene essentiell ist (und das ist der exakte sekündliche Verlauf des Duells im Kelchbeispiel schlichtweg nicht) zugunsten des Spielflusses eine geringere Bedeutung beimessen. Man verkürzt einen Kampf der regulär ausgespielt vermutlich eine Stunde Realzeit in Anspruch nehmen und sich über Dutzende Runden hinziehen würde effektiv mit einer oder einer Handvoll Proben auf eine oder wenige "Runden".
DAS IST PRAKTISCH DASSELBE IN GRÜN.

Schadet es wirklich so sehr, wenn die Anzahl an Worten pro Runde nicht begrenzt ist? Werden die Spieler nicht sogar mehr in den Kampf miteinbezogen, wenn es ihnen erlaubt ist Rollenspiel zu betreiben? Ich mein was kann den schlimmstenfalls passieren?
SCHLIMMSTENFALLS passiert das was mir auf der Teck-Con vor Jahren in einem Match Battletech (8-10 Spieler pro Seite) passiert ist. 15 Minuten taktische Vorbesprechung -> Initiative würfeln -> 15 Minuten taktische Besprechung -> Einheiten bewegen -> 15 Minuten taktische Besprechung -> Einheiten feuern -> Schaden notieren -> 15 Minuten taktische Nachbesprechung.

Um das mal klarzustellen, es gab auch bei uns keine expliziten Regeln wieviele Wörter man jetzt pro Runde genau sprechen darf, geschweige denn wie lange ein Kampfrunde exakt dauerte (gefühlsmäßig lag die irgendwo um 10-15 Sekunden). Aber wir haben unser bestes getan uns möglichst kurz zu fassen (viel Besprechung war auch schlicht nicht nötig), weil es nichts schlimmeres gibt als stundenlanges Palaver während eines hitzigen Gefechts.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: xergazz am 3.07.2013 | 14:00
SCHLIMMSTENFALLS passiert das was mir auf der Teck-Con vor Jahren in einem Match Battletech (8-10 Spieler pro Seite) passiert ist. 15 Minuten taktische Vorbesprechung -> Initiative würfeln -> 15 Minuten taktische Besprechung -> Einheiten bewegen -> 15 Minuten taktische Besprechung -> Einheiten feuern -> Schaden notieren -> 15 Minuten taktische Nachbesprechung.

Ich sprach von in-character-Kommunikation. Ansonsten geb ich dir mit jedem Punkt recht.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 3.07.2013 | 14:14
Abgesehen davon ist das doch das was ich die ganze Zeit sage. Eine Runde braucht keine feste Zeitangabe, solange klar geregelt ist was innerhalb einer Runde möglich ist.
Wenn das so wäre, wäre das hier...

Zitat von: Beral
Merkst du es? Du forderst genau das, was du argumentativ widerlegen willst.
... ein weiteres Mal festzustellen.

Zitat von: Galatea
Man kann aber auch einen Schritt weitergehen und allem was nicht für die spezifische Szene essentiell ist (und das ist der exakte sekündliche Verlauf des Duells im Kelchbeispiel schlichtweg nicht)
Ähm... das besondere an dem Kelchbeispiel ist eben gerade, dass die Zeit, die das Duell braucht, sehr wohl wichtig ist. Das war der Punkt bei dem Beispiel: Es ist wichtig, ob das Duell lange genug dauert, um dem anderen SC Zeit für seine Aktion zu verschaffen. Aber als ich das Beispiel ursprünglich gebracht habe, war das Thema noch ein ganz anderes, nämlich dass bei üblichen Fantasy-Rollenspielen ein Kampf so kurz ist, dass man zeitgleich überhaupt keine nennenswerten anderen Dinge tun kann.

Wenn Du jetzt hier ein "bäh, man muss ja nicht jeden Scheiß ausspielen"-Fass aufmachst, das mit diesem Problemkomplex nichts zu tun hat, liegt für mich der Schluss nahe, dass Du hier aus Rechthaberei und Wichtigtuerei anfängst, Allgemeinplätzchen in die Runde zu werfen, um irgendwas allgemein zustimmungsfähiges zu sagen. Genau in die gleiche Kerbe schlägt Deine bahnbrechende Erkenntnis, dass man bei jedem System auch statt des Kampfsystems einfach mal eine vergleichende Probe nutzen kann. Aber komplett lächerlich und damit lustig wird's erst, wenn Du im gleichen Atemzug sowas hier...

Zitat von: Galatea
(wobei ich dann ehrlich auch gleich Freiform/2 Regeln oder "würfel 2W6 und interpretiere" nutzen kann),

... vom Stapel lässt.  >;D

Ganz ehrlich: Wenn ich Deine Methode nehme, kann ich auch gleich Freiform spielen.  :D
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Oberkampf am 3.07.2013 | 14:18
Der Unterschied zwischen Freiform und flexiblen Zeiteinheiten liegt darin, dass auch bei zeitlich flexiblen Runden die Spieler (inkl. SL) feste, vorgegebene Regelmechaniken anwenden, während bei Freiform je nach Ausprägung Erfolg und Effekt einer Handlung der willkürlichen Entscheidung (des Spielleiters/des Anwenders/der gesamten Spielgruppe) unterworfen ist.

Freiform ist sicherlich nicht gänzlich regellos, aber die Regeln sind in vielen Punkten derart abhängig vom Konsens der Gruppe, dass bestimmte überraschende Wendungen, die unkonventionelle Entscheidungen oder unvorhersehbare Würfelergebnisse gelegentlich hervorbringen, tendenziell seltener werden, wenn nicht gar verschwinden. Gerade in Kämpfen (oder anderen Actionszenen) geht dabei viel Spannung verloren.

Ein weniger feinkörniges (Kampf-)System, das nicht jede einzelne Teilaktion, jeden Meter Bewegung und jede Sekunde genau verregelt, bleibt trotzdem noch ein in weiten Fällen von spontaner Entscheidung unabhängiges System. Ich würde sogar behaupten, es ist nicht weniger unabhängig als ein starr verregeltes System. Wie oft erlebt man am Tisch Diskussionen, was man alles in den 6 oder 10 Sekunden einer Kampfrunde tun kann und muss einen spontanen Konsens finden (oder eine SL-Bauch-Entscheidung akzeptieren)? Egal wie exakt alles mögliche festgelegt ist, es gibt immer wieder Schlupflöcher, die trotzdem Entscheidungen am Tisch notwendig machen.


Mal ein Beispiel für ein eher abstraktes, weniger feinkörniges System:

Kämpfe werden in Runden unterteilt. In jeder Runde hat jeder am Kampf beteiligte eine Hauptaktion, eine Bewegung und beliebig viele Abwehrreaktionen. Die Dauer der Kampfrunde in der Spielwelt wird anhand der Art des Konflikts grob abgeschätzt, wenn es aus spieltechnischen Gründen notwendig ist. Bei einem Schwertkampf dauert eine Kampfrunde zwischen 2 und 10 Sekunden, in einer Seeschlacht dagegen mehrere Minuten oder sogar eine halbe Stunde.

Initiative wird erzählerisch weitergegeben. Wer seine Aktion in der Runde hatte, sucht aus, wer nach ihm am Zug ist (System von MHR).

Entfernung wird in Zonen gemessen (wie z.B. bei FATE oder Warhammer 3). Die Größe einer Zone wird ebenfalls abgeschätzt nach der Art des Konflikts und der Geschwindigkeit der Teilnehmer. Jeder Charakter kann sich pro Runde eine Zone bewegen.

Signifikant schnellere Teilnehmer können sich um ein oder mehrere zusätzliche Zonen bewegen. Wenn ein Charakter seine Hauptaktion zur Fortbewegung ausgibt, darf er sich noch so viele weitere Zonen bewegen, wie er Erfolgsgrade in einem Wurf auf Sportlichkeit (oder Fahren, Pilot, Reiten etc.) hat.

Alle Aktionen hinterlassen einen Effekt in der Spielwelt, der sich i.d.R. in einem Spielwert niederschlägt. Beispielweise Schaden, Heilung, Vorteil (positive Würfelmodifikation), Nachteil (negative Würfelmodifikation), Bewegung. Um den Erfolg und Effekt einer Handlung zu ermitteln, wird einmal gewürfelt. Wichtig ist dabei, dass jedem Spielwelteffekt ein Zahlenwert oder Würfelwert zugeordnet ist. Was keinen Spielwelteffekt auslöst, ist i.d.R. keinje Aktion, sondern eine Nebenaktion.

Die vielen einzeln aufgeführten Nebenaktionen in feinkörnigeren Regelsystemen, wie bspw. das Ziehen einer Waffe, das Herauskramen eines Trankes aus dem Rucksack usw., werden entweder ignoriert oder in eine geringwertige Würfelmodifikation der Erfolgsprobe übersetzt, deren Höhe gleichbleibend festgelegt ist. In einem W20-Systen z.B. immer -2 auf die Hauptaktion pro Nebenaktion, unabhängig davon, was die Nebenaktion konkret ist. In einem Poolsystem könnte das so aussehen, dass pro Nebenaktion ein Würfel um eine Stufe heruntergedreht wird (W8 z.B. zu W6).

Wenn der Charakter in seiner Hauptaktion mehrere Dinge gleichzeitig unternehmen will, die alle einen Spielwelteffekt haben sollen, wirkt sich das auf seine Erfolgsprobe aus: Die Schwierigkeit wird pro Aktion deutlich erhöht (W20: -5), oder er muss bei einem Poolsystem pro Zusatzaktion Würfel aus seinem Vorrat nehmen usw.

Taktisches Ausnutzen der Umwelt und (je nach cinematischer Vorliebe) elegante Beschreibungen cooler Aktionen schlagen sich in einem pro Runde einmaligen positiven Würfelmodifikator nieder. Auch da gibt es zwei festgelegte Stufen (+5 und +2 auf W20), und Richtlinien zur Verteilung der Boni.  

Spezialaktionen: Unser Regelsystem kennt für die vom Genre her erwartbaren häufigsten Kämpfe ein paar Spezialangriffe und Spezialaktionen, die von jedem Charakter (evtl. klassenabhängig) einzeln erlernt werden müssen. In einem Fantasysystem währen das evtl. Kampfmanöver, in einer Space Opera Pilotenmanöver usw. In der Regel schlagen sich die in Würfelmodifikationen oder Zusatzwürfeln aus, selten auch spezielle Zusatzaktionen. Beispielsweise: Gelegenheitsangriffe auf Gegner, die ihre Bewegung in der gleichen Zone wie der Charakter beginnen. Um das System übersichtlich zu halten, schränken wir die Zahl der erlernbaren Zusatzmanöver ein (bspw. + 1 Manöver alle 2 Stufen).

Man kann das sicherlich noch abstrakter machen, indem man die Boni vereinheitlicht oder ganz weglässt, oder auf Spezialaktionen verzichtet. Aber dieses System erspart schonmal das Auswürfeln von Initiative, das Abzählen von Kästchen, teilweise das Synchronisieren von Zeiteinheiten und das Nachschlagen von unterschiedlichen Boni bzw. Mali.

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 3.07.2013 | 14:21
Ich sprach von in-character-Kommunikation. Ansonsten geb ich dir mit jedem Punkt recht.
Das ist halt BattleTech und einer der Gründe, warum ich das offline nicht mehr spiele.
Wobei es natürlich nicht ganz so abläuft, wie Galatea sagt, da man sich mit dem Ziehen und Feuer deklarieren abwechselt, ergo auf erfolgte Aktionen der Gegenseite reagiert - und dadurch wird die Planungs- und Überlegenszeit eher auf die ganze Phase verteilt.
Es sei denn, er meinte, dass für jeden Mech 15 Minuten pro Phase fällig waren, dann verbuche ich das unter meiner "mangelndes Zeitgefühl"-Theorie.  ;)

EDIT: Um darauf noch etwas einzusteigen - BattleTech, wenn auch kein Rollenspiel an sich, ist ein Paradebeispiel für das, was bei kleinteiligen Runden und mangelnder Abstraktion so schief laufen kann, wenn es an die Umsetzung in die Vorstellung geht. BattleTech hat 10-Sekunden-Runden. Darauf aufbauend 30-Meter Felder. Wir haben also futuristische Riesenroboter, deren Geschütze sich auf Entfernungen beharken, über die man sich schon 1870/71 totgelacht hätte. Wir haben moderne Infanterieeinheiten, die in dichtgedrängten Formationen über das Schlachtfeld wandern und deren Maschinengewehre eine effektive Reichweite von weniger als 200 Metern haben. Und wir haben ausgefeilte taktische Kommandosysteme, die im Sekundentakt funktionieren.

Wenn man bei BattleTech irgendwas für eine wie auch immer geartete Simulation einer fiktiven Realität (die keine cartoonhafte Farce ist) retten will, muss man den Maßstab erhöhen. Oder man sagt halt "sei's drum, ist nur ein Brettspiel mit Spielfiguren."
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: gunware am 3.07.2013 | 14:23
allem was nicht für die spezifische Szene essentiell ist (und das ist der exakte sekündliche Verlauf des Duells im Kelchbeispiel schlichtweg nicht) zugunsten des Spielflusses eine geringere Bedeutung beimessen.
Die Regelung bei DrDII geht in dem Sinne sogar so weit, dass der Spieler, der die Initiative hat, eigentlich entscheidet, welche Bedeutung der Kampf hat und wie stark er den Spielfluss beeinflussen will, weil er die Aktionsdauer durch seine Ansage für die Kampfrunde vorgibt. Wenn er sagt: "Meine Kriegsaxt schlägt das Kurzschwert des anstürmenden Goblins zur Seite und in einer flüssigen Umdrehung verpasse ich ihm noch einen Schlag auf den Rücken, damit er an mir vorbeistolpert und ich ihn von hinten angreifen kann" oder "Ich springe vor, köpfe den ersten Goblin, trete den zweiten ins Gesicht, damit sein Genick bricht und springe zur Seite. Meine Gefährten sollen Platz haben, damit sie die restlichen Goblins mit Pfeilen spicken können. Die Reise soll weiter gehen."; dann ist ganz klar, welche Bedeutung der Spieler gerade diesem Kampf beimisst. (Ob es so auch funktioniert ist jetzt eine andere Geschichte (vielleicht hat er sich einfach viel zu viel vorgenommen), aber ich hoffe, die Richtung ist erkennbar.)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 3.07.2013 | 14:26
Der Unterschied zwischen Freiform und flexiblen Zeiteinheiten liegt darin, dass auch bei zeitlich flexiblen Runden die Spieler (inkl. SL) feste, vorgegebene Regelmechaniken anwenden, während bei Freiform je nach Ausprägung Erfolg und Effekt einer Handlung der willkürlichen Entscheidung (des Spielleiters/des Anwenders/der gesamten Spielgruppe) unterworfen ist.
Danke, dass Du das sagst. Auf Dich haben sie sich noch nicht so eingeschossen, vielleicht kannst Du da noch was bewirken.

Zitat
Ein weniger feinkörniges (Kampf-)System, das nicht jede einzelne Teilaktion, jeden Meter Bewegung und jede Sekunde genau verregelt, bleibt trotzdem noch ein in weiten Fällen von spontaner Entscheidung unabhängiges System. Ich würde sogar behaupten, es ist nicht weniger unabhängig als ein starr verregeltes System. Wie oft erlebt man am Tisch Diskussionen, was man alles in den 6 oder 10 Sekunden einer Kampfrunde tun kann und muss einen spontanen Konsens finden (oder eine SL-Bauch-Entscheidung akzeptieren)? Egal wie exakt alles mögliche festgelegt ist, es gibt immer wieder Schlupflöcher, die trotzdem Entscheidungen am Tisch notwendig machen.
Dem ist nichts hinzuzufügen. (http://www.youtube.com/watch?v=HNGXsgLRkXU)

Zitat
Mal ein Beispiel für ein eher abstraktes, weniger feinkörniges System:
Das ist ein sehr gutes Beispiel, das ich von Detailunterschieden abgesehen in ganz ähnlicher Form benutze.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 3.07.2013 | 15:25
Die Regelung bei DrDII geht in dem Sinne sogar so weit, dass der Spieler, der die Initiative hat, eigentlich entscheidet, welche Bedeutung der Kampf hat und wie stark er den Spielfluss beeinflussen will, weil er die Aktionsdauer durch seine Ansage für die Kampfrunde vorgibt. Wenn er sagt: "Meine Kriegsaxt schlägt das Kurzschwert des anstürmenden Goblins zur Seite und in einer flüssigen Umdrehung verpasse ich ihm noch einen Schlag auf den Rücken, damit er an mir vorbeistolpert und ich ihn von hinten angreifen kann" oder "Ich springe vor, köpfe den ersten Goblin, trete den zweiten ins Gesicht, damit sein Genick bricht und springe zur Seite. Meine Gefährten sollen Platz haben, damit sie die restlichen Goblins mit Pfeilen spicken können. Die Reise soll weiter gehen."; dann ist ganz klar, welche Bedeutung der Spieler gerade diesem Kampf beimisst. (Ob es so auch funktioniert ist jetzt eine andere Geschichte (vielleicht hat er sich einfach viel zu viel vorgenommen), aber ich hoffe, die Richtung ist erkennbar.)
Dieser Ansatz scheint mir auf jeden Fall sehr interessant - auch wenn er sehr viel mehr "Erzählspiel"-mäßig ist als das, was ich meinte und von SLF gut zusammengefasst wurde - aber mir stellt sich die Frage: Was passiert denn in eben jenem Falle, dass etwas nicht klappt?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: gunware am 3.07.2013 | 16:04
Dieser Ansatz scheint mir auf jeden Fall sehr interessant - auch wenn er sehr viel mehr "Erzählspiel"-mäßig ist als das, was ich meinte und von SLF gut zusammengefasst wurde - aber mir stellt sich die Frage: Was passiert denn in eben jenem Falle, dass etwas nicht klappt?
Das gleiche wie immer. Je nach dem, wie die Würfel fallen, wird jemand verletzt, in schlechterer Position als vorher feststecken oder es bleibt "unentschieden". Oder der Kämpfer wird auf brutale Art und Weise gestoppt.

Ein Teil von Erzählspiel findet sich zwar dort wieder, aber für Erzählspiel regelt es zu viel über die Fähigkeiten und die Attribute der Charas, meiner Meinung nach.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 3.07.2013 | 16:09
Das gleiche wie immer. Je nach dem, wie die Würfel fallen, wird jemand verletzt, in schlechterer Position als vorher feststecken oder es bleibt "unentschieden". Oder der Kämpfer wird auf brutale Art und Weise gestoppt.
Geht die "Initiative" dann auf jemand anderes über (oder auf den SL) oder wie funktioniert das? Und gibt es so eine Art "Stakes", also wenn ich mir viel vornehme, geht auch ggf. viel schief?

Zitat
Ein Teil von Erzählspiel findet sich zwar dort wieder, aber für Erzählspiel regelt es zu viel über die Fähigkeiten und die Attribute der Charas, meiner Meinung nach.
Wie gesagt, es klingt faszinierend. Ich wünschte, ich könnte Tschechisch.  :)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 3.07.2013 | 16:11
Wenn ich keine Definition habe was genau ich innerhalb einer "Runde" anstellen kann, dann habe ich effektiv kein Rundensystem. Dann brauche ich kein Rundensystem. Dann reicht auch ein reines Erzählsystem/Freiform.

Jo, das trifft es wohl ziemlich genau  :d
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: gunware am 3.07.2013 | 16:16
Geht die "Initiative" dann auf jemand anderes über (oder auf den SL) oder wie funktioniert das? Und gibt es so eine Art "Stakes", also wenn ich mir viel vornehme, geht auch ggf. viel schief?
Das verlangt nach einer bisschen ausführlicheren Antwort (nicht weil Du es willst, sondern weil ich es nicht einfach erklären kann.  :o ) Das würde hier aber ein bisschen den Thread sprengen, deshalb antworte ich einfach dort: http://tanelorn.net/index.php/topic,70676.0.html (Ich weiß aber nicht, wie schnell, weil ich jetzt weg muss, sorry.)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 3.07.2013 | 17:03
Das ist halt BattleTech und einer der Gründe, warum ich das offline nicht mehr spiele.
Wobei es natürlich nicht ganz so abläuft, wie Galatea sagt, da man sich mit dem Ziehen und Feuer deklarieren abwechselt, ergo auf erfolgte Aktionen der Gegenseite reagiert - und dadurch wird die Planungs- und Überlegenszeit eher auf die ganze Phase verteilt.
Es sei denn, er meinte, dass für jeden Mech 15 Minuten pro Phase fällig waren, dann verbuche ich das unter meiner "mangelndes Zeitgefühl"-Theorie.  ;)
Ich weiß wie der Rundenablauf bei Battletech funktioniert, danke. Da wird zuerst abwechselnd bewegt und danach abwechselnd geschossen. Und ja, es hat sich auch über die komplette Runde verteilt (es waren auch nicht immer exakt 15 Minuten, aber im groben Durchschnitt sind wir pro 1-1,5 Stunden etwa eine Runde vorangekommen - zumindest bis sich das Feld grob gelichtet hatte). Ich hätte auch einfach schreiben können, dass pro Runde etwa eine Stunde diskutiert wurde. Das wäre dann aber vermutlich auch mit mangelndem Zeitgefühl kommentiert worden.

Ähm... das besondere an dem Kelchbeispiel ist eben gerade, dass die Zeit, die das Duell braucht, sehr wohl wichtig ist.
Genau. Die Zeitdauer des Duells ist wichtig und eben NICHT der genaue Ablauf. Es ist auch völlig uninteressant ob der Wesirs im Kampf wildes Gefuchtel, Shingdingdongkungfu, Whum-uä oder Kamehameha einsetzt (okay letzteres könnte vll. interessant sein, wenn er damit zusätzliche Ausgänge für den Dieb in den Palast sprengt ;D). Oder ob er in Runde drei während des Kampfs durch einen Patzer seinen Hausschuh verliert und dennoch dem Angreifer einen Streiftreffer zufügt, welcher diesem dank dem aggressiven Putzmittel mit der Wesir seine Waffe reinigt eine zwei Wochen lang anhaltende juckende Hautrötung beschert.
Das sind schöne Beschreibungen, deren regeltechnische Bearbeitung für die Szene aber einfach Overkill wäre, denn letztlich geht es in der Szene nicht darum wie genau der Spieler mit dem Wesir kämpft, sondern ob er es schafft ihn irgendwie lange genug beschäftigt zu halten, damit der Dieb seinen Auftrag erfüllen kann.

Das war der Punkt bei dem Beispiel: Es ist wichtig, ob das Duell lange genug dauert, um dem anderen SC Zeit für seine Aktion zu verschaffen. Aber als ich das Beispiel ursprünglich gebracht habe, war das Thema noch ein ganz anderes, nämlich dass bei üblichen Fantasy-Rollenspielen ein Kampf so kurz ist, dass man zeitgleich überhaupt keine nennenswerten anderen Dinge tun kann.
Dann liegt das Problem an einer ganz anderen Stelle, nämlich dass es in dem betreffenden System nicht möglich ist überhaupt längere Kämpfe zu führen.
Das hat ganz grundsätzlich mit den Themen "Rundensystem" und "feinkörnig/grobkörnig" aber ÜBERHAUPT NICHTS zu tun, sondern liegt am SCHADENSMODELL der entsprechenden Systeme. Dann müsst der Thread heißen "warum dauern in Rollenspielen Kämpfe immer nur wenige Sekunden".
Auch in einem System mit kurzen Kampfrunden ist es nämlich durchaus möglich längere (Nah)kämpfe zwischen ebenbürtigen Gegnern darzustellen - oder gar einen Patt bei dem am Ende beide Parteien einsehen müssen, dass sie einander im Duell nicht besiegen können ohne Stunden mit kämpfen zu verbringen.

EDIT: Um darauf noch etwas einzusteigen - BattleTech, wenn auch kein Rollenspiel an sich, ist ein Paradebeispiel für das, was bei kleinteiligen Runden und mangelnder Abstraktion so schief laufen kann, wenn es an die Umsetzung in die Vorstellung geht. BattleTech hat 10-Sekunden-Runden. Darauf aufbauend 30-Meter Felder. Wir haben also futuristische Riesenroboter, deren Geschütze sich auf Entfernungen beharken, über die man sich schon 1870/71 totgelacht hätte. Wir haben moderne Infanterieeinheiten, die in dichtgedrängten Formationen über das Schlachtfeld wandern und deren Maschinengewehre eine effektive Reichweite von weniger als 200 Metern haben. Und wir haben ausgefeilte taktische Kommandosysteme, die im Sekundentakt funktionieren.
Für mich war NIE relevant wie lange eine Runde bei Battletech überhaupt dauert, ebenso wie es für mich NIE relevant war wieviele Meter so ein Feld jetzt durchmisst. Dass die Runden 10 Sekunden dauern und die Felder 30 Meter durchmessen sollen ist mir völlig neu.
Für mich sind die Figuren (die btw häufig vom Maßstab überhaupt nicht zusammenpassen, stelle mal einen 25t Kommando neben einen 100t Atlas) abstrakte Marker für einen Mech, der sich irgendwo in dem Feld befindet.
Ich spiele neben Rollenspiel einige Tabletops und da käme auch niemand auf die Idee anzunehmen, dass die Gefechte zwischen Raumschiffen bei Full Thrust oder Raumflotte Gothic maßstabsgetreu seien.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Wulfhelm am 3.07.2013 | 17:37
Dann müsst der Thread heißen "warum dauern in Rollenspielen Kämpfe immer nur wenige Sekunden".
Die Antwort lautet aber nun mal: Weil a) Kampfrunden nur wenige Sekunden dauern und b) in jeder Kampfrunde substanzielle Fortschritte zum Sieg der einen oder anderen Seite erzielt werden können. Ein Kampfsystem ohne b) ist natürlich vorstellbar, wäre aber öde. Früheren DSA-Editionen mit ihren "attackiert! pariert! attackiert! pariert! attackiert! pariert! attackiert! pariert! attackiert! pariert! attackiert! nicht pariert! 1W+5-Rüstungsschutz *würfel* 4 LP verloren. attackiert! pariert! attackiert! pariert..." - Sequenzen wird das gerne und nicht zu Unrecht vorgeworfen. Und ja, in solch einem System könnte ein Duell regelkonform und trotz 3-Sekunden-Runde (ich krame jetzt nicht nochmal mein Abenteuer-Basis-Spiel hervor, aber ich glaube es waren 2 oder 3 Sekunden) mehrere Minuten dauern. Aber das System ist halt auch todlangweilig.

Ich rufe hier übrigens gerne nochmal den OP mit ein paar Hervorhebungen meinerseits ins Gedächtnis:
Zitat von: Beral
Das Kampfgeschehen wird aufgebrochen in kleinste Zeiteinheiten. Um eine Sekunde des Kampfes abzuhandeln, werden minutenlang Regeln angewendet. Wie soll es bei solchen Regeln möglich sein, sich in der Fantasie eine flüssige Kampfszene auszumalen?

Ich behaupte, dass die feine Skalierung im Sekundentakts bzw. der einzelnen Aktion (Schlag, Parade) die bildliche Vorstellung des Kampfes be- oder gar verhindert. Wir überfrachten uns mit Zahlenverwaltung und stellen der Phantasie nur winzige Bröckchen zur Verfügung, die nicht im Einklang mit der Wirkungsweise unseres Wahrnehmungsapparates stehen.

Warum tun wir das eigentlich? Und gibt es Systeme, die das nicht tun? Gibt es Systeme, die einen Kampf so regeln, dass man sich längere Kampfsequenzen bildlich vor Augen führen kann?
Also erzähl mir hier nichts von "Schadensmodell".

Teil, der sich um Offtopische Rants dreht:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 3.07.2013 | 18:09
Der Unterschied zwischen Freiform und flexiblen Zeiteinheiten liegt darin, dass auch bei zeitlich flexiblen Runden die Spieler (inkl. SL) feste, vorgegebene Regelmechaniken anwenden, während bei Freiform je nach Ausprägung Erfolg und Effekt einer Handlung der willkürlichen Entscheidung (des Spielleiters/des Anwenders/der gesamten Spielgruppe) unterworfen ist.
Wie kann man feste Regelmechaniken für Handlungen innerhalb einer Runde entwerfen, wenn man nicht weiß ob eine Runde grob 10-30 Sekunden oder fünf bis zehn Minuten dauert?
Eine solche Runde ist eigentlich nur in der Lage ein Ergebnis, eine Lösung der Gesamtsituation, darzustellen, nicht die Handlungen innerhalb dieser Runde. Denn auf die Handlungen innerhalb der Runde hat die Mechanik ja schon grundlegend keinen Zugriff, da diese (bzw. der Inhalt der Einheit "Runde") beliebig variieren können.

Freiform ist sicherlich nicht gänzlich regellos, aber die Regeln sind in vielen Punkten derart abhängig vom Konsens der Gruppe, dass bestimmte überraschende Wendungen, die unkonventionelle Entscheidungen oder unvorhersehbare Würfelergebnisse gelegentlich hervorbringen, tendenziell seltener werden, wenn nicht gar verschwinden. Gerade in Kämpfen (oder anderen Actionszenen) geht dabei viel Spannung verloren.
Hab ich überhaupt nicht so erlebt (Paradebeispiel war unserer Freiform Scheibenweltrunde, bei der ich sogar einen Sumpfdrachen spielen konnte). Gerade bei Freiform ist man überhaupt nicht eingeschränkt, weil es einfach keine Regeln gibt die einen einschränken könnten. Wichtig ist nur, dass die Ereignisse vor dem Hintergrund der bespielten Welt irgendwo logisch und konsistent sind.

Zitat
Ein weniger feinkörniges (Kampf-)System, das nicht jede einzelne Teilaktion, jeden Meter Bewegung und jede Sekunde genau verregelt, bleibt trotzdem noch ein in weiten Fällen von spontaner Entscheidung unabhängiges System.
Das trifft auf jedes Rollenspielsystem zu, auf die total verregelten Exemplare, denn kein System kann für alles eine Regel aufbieten (zumindest nicht ohne ein ganze Staatsbibliothek zu füllen). Genauso wie beim erzählen der Geschichte und dem lösen des Abenteuers die Kreativität der Spieler gefragt ist, ist auch bei der Anwendung des Regelsystems und seine Mechaniken gelegentlich Kreativität gefragt. Ich kenn kein System, dass mir sagt wie lange ich Forellen braten muss um sie genießbar zu machen (okay, DSA könnte so eine Regelung haben). Trotzdem kann ich in Starhip Troopers oder Pikun oder D&D eine Forelle braten ohne dass die gesamte Regelmechanik zusammenbricht.

Zitat
Ich würde sogar behaupten, es ist nicht weniger unabhängig als ein starr verregeltes System. Wie oft erlebt man am Tisch Diskussionen, was man alles in den 6 oder 10 Sekunden einer Kampfrunde tun kann und muss einen spontanen Konsens finden (oder eine SL-Bauch-Entscheidung akzeptieren)? Egal wie exakt alles mögliche festgelegt ist, es gibt immer wieder Schlupflöcher, die trotzdem Entscheidungen am Tisch notwendig machen.
Hm, ich eigentlich... nie. Wir hatten nur mal eine Diskussion als wir ein Gebäude mit Gas geflutet haben, da mussten wir Taschenrechner zücken und Wikipedia bemühen, aber das hatte nichts mit dem Rundensystem zu tun.

*sigh*
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Ein gutes Regelsystem ist immer eine Gratwanderung zwischen Imagination und Verregelung, zwischen zu vielen und zu wenigen Regeln. Es gibt das schöne Motto "so viele Regeln wie nötig, so wenig wie möglich". Was das für ein spezielles System bedeutet hängt davon ab was dieses System darstellen möchte, worauf es seinen Fokus legt (also was es besonders beleuchten möchte) und wie detailliert es bestimmte Situationen darstellen möchte.
Es ist aber definitiv nicht einfach und auch nichts was man in 5 Minuten kurz zusammenschraubt, geschweige denn etwas das bereits in der ersten Inkarnation perfekt ist.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 3.07.2013 | 18:45
Die Antwort lautet aber nun mal: Weil a) Kampfrunden nur wenige Sekunden dauern und b) in jeder Kampfrunde substanzielle Fortschritte zum Sieg der einen oder anderen Seite erzielt werden können. Ein Kampfsystem ohne b) ist natürlich vorstellbar, wäre aber öde. Früheren DSA-Editionen mit ihren "attackiert! pariert! attackiert! pariert! attackiert! pariert! attackiert! pariert! attackiert! pariert! attackiert! nicht pariert! 1W+5-Rüstungsschutz *würfel* 4 LP verloren. attackiert! pariert! attackiert! pariert..." - Sequenzen wird das gerne und nicht zu Unrecht vorgeworfen. Und ja, in solch einem System könnte ein Duell regelkonform und trotz 3-Sekunden-Runde (ich krame jetzt nicht nochmal mein Abenteuer-Basis-Spiel hervor, aber ich glaube es waren 2 oder 3 Sekunden) mehrere Minuten dauern. Aber das System ist halt auch todlangweilig.
Ich habe auch nicht gesagt, dass das nicht langweilig wird (wobei man da vll. mit guten Bewegungsregeln gegensteuern könnte).
Ich finde ja Battletech schon oft ziemlich dröge - wenn man mit 2W6 meist gerade mal auf 9 oder 10 trifft werden soviele Löcher in die Luft geballert, dass man den Eindruck hat Mechpiloten wagen sich nicht unter 1,5 Promille ins Cockpit.

Und ich bin auch absolut der Meinung dass ein System eine hohe Tödlichkeit erhalten sollte, weil es sonst langweilig und monoton wird. Und ja, ich halte Ticksysteme im Sekundentakt für ziemlich übertrieben (besonders wegen dem Verwaltungsaufwand den sie mit sich bringen). Kampfrunden von 10-30 Sekunden machen dann Sinn wenn der Maßstab passt - bei der Stürmung eines Hauses oder Kämpfen in engen Fluren passt das. Wenn das System schnell genug ist.

Bei den klassischen Mantel&Degen-Filmen, bei denen sich die Kontrahenten oft minutenlang duellieren (und dabei auch ganz ordentliche Strecken zurücklegen) passt das eben nicht. Lustigerweise gibt es übrigens kaum Systeme, die den Bewegungsaspekt solcher Kämpfe aufgreifen, oft stehen die Kämpfer voreinander und prügeln solange aufeinander ein bis nur noch einer steht. In den meisten Systemen erleidet man sogar Nachteile (dank dieser bescheuerten Attack of Opportunity-Seuche) wenn man sich bewegt. Bessere Bewegungsregeln könnten da helfen (im Film verliert einer der Kontrahenten oft weil er sich nicht mehr bewegen bzw. nicht mehr zurückweichen kann).
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Oberkampf am 3.07.2013 | 20:28
@Galetta:

Beispiel für weniger feinkörnig verregeltes System:

Das ist ein Beispiel, wie das funktionieren könnte, und das ist mehr oder weniger aus dem Bauch heraus (mit Anleihen an Cortex+ und FATE entworfen). Es ist sogar noch relativ nah am feinkörnigeren Mainstream dran. Aber auf jeden Fall ist es nicht ausgearbeitet, sondern grob skizziert.

Ich konzentriere mich mal auf Deine Kritik an dem losen Umgang mit Nebenaktionen. Im vorgeschlagenen Regelwerk ist es genau Sinn der Sache, nicht jede einzelne Unteraktion detailliert in Regeln zu erfassen. Wer einen Heiltrank trinken will, trinkt einen Heiltrank - ob der im Gürtel war, oder in der Seitentasche des Rucksacks, oder im Rucksack, und wieviel Flüssigkeit getrunken wird, ist völlig unerheblich. Wichtig ist der Wurf auf Erfolg und Effekt Heilung.

Dein Grundeinwand ist, dass solche Systeme Detailfragen kaum behandeln, und wenn, dann nicht besonders differenziert. Genau das ist auch der Sinn davon: Je mehr Details Du abhandeln willst, am besten noch mit hohem Anspruch auf Realismus und Taktik, desto umfangreicher, feinkörniger und damit gegebenenfalls schwerfälliger wird das System. Das kann man wünschen - aber man muss es nicht. Wenn man es nicht will, aber ebensowenig komplett in Freiform abdriften will, abstrahiert man stärker, schneidet Details weg und konzentriert sich auf das wesentliche.

Wie ich bereits gesagt habe, ist der Trick dabei, sich nicht vorzustellen, man simuliere irgendwelche physikalischen Realitäten. Stattdessen verteilt man nach Regeln Spotlight-Momente, und die Mechaniken sorgen (im Gegensatz zum Freiformen) dafür, dass deren Ergebnisse von den Spielern (inkl. SL) unabhängig ermittelt werden. Im Freiform unterliegt jedes Ergebnis irgendeiner Willensentscheidung - das muss kein Spielleiter-Railroading sein! - in grobkörnigen Kampfsystemen werden dagegen Entscheidungen aufgrund von Würfelwürfen oder Wertvergleichen ausdrücklich gewünscht. In erster Linie werden die Ansprüche auf Detailgenauigkeit und Allgemeingültigkeit reduziert und dafür eher die besonderen Umstände einer Situation berücksichtigt.

Am Beispiel Schusswaffen:
Entfernungsmodifikatoren, Größenmodifikatoren, Deckung, Sichtbarkeit und Lichtverhältnisse, Bewegung und Tempo des Ziels, Verbündete im Nahkampf mit dem Ziel, Waffenart und -qualität, Gegner im Nahkampf mit dem Schützen, unsicherer Boden, Windrichtung und -geschwindigkeit usw. - wieviele Aspekte will man berücksichtigen, wie genau und nach welchen Kriterien will man sie gewichten und ab wann sagt man, dass sie unerheblich ist?

Ein feinkörniges System hätte dafür Tabellen, die stets bei jedem Schuss zur Anwendung kommen (und die üblicherweise auch schon sehr viel abstrahieren oder ignorieren). Ein grobkörniges System käme mit "günstige, durchschnittliche und schlechte Schussbedingungen" aus (vielleicht noch sehr günstige und sehr schlechte). Wie diese Bedingungen dann in der Erzählung beschrieben und begründet werden, hängt von der Situation ab.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 3.07.2013 | 21:26
Ich konzentriere mich mal auf Deine Kritik an dem losen Umgang mit Nebenaktionen. Im vorgeschlagenen Regelwerk ist es genau Sinn der Sache, nicht jede einzelne Unteraktion detailliert in Regeln zu erfassen. Wer einen Heiltrank trinken will, trinkt einen Heiltrank - ob der im Gürtel war, oder in der Seitentasche des Rucksacks, oder im Rucksack, und wieviel Flüssigkeit getrunken wird, ist völlig unerheblich. Wichtig ist der Wurf auf Erfolg und Effekt Heilung.
Okay, aber die Frage die ich mir da stelle ist, warum im Kampf überhaupt Nebenaktionen zulassen? Der Wegfall würde das ganze deutlich einfacher machen. Und mal ganz ehrlich, wer gerade kämpft, der trinkt keinen Heiltrank - egal ob aus dem Rucksack oder vom Gürtel. Das klappt nichtmal im Larp und da geht es im Gegensatz zu einem echten Kampf noch echt gesittet zu.

Dein Grundeinwand ist, dass solche Systeme Detailfragen kaum behandeln, und wenn, dann nicht besonders differenziert. Genau das ist auch der Sinn davon: Je mehr Details Du abhandeln willst, am besten noch mit hohem Anspruch auf Realismus und Taktik, desto umfangreicher, feinkörniger und damit gegebenenfalls schwerfälliger wird das System. Das kann man wünschen - aber man muss es nicht. Wenn man es nicht will, aber ebensowenig komplett in Freiform abdriften will, abstrahiert man stärker, schneidet Details weg und konzentriert sich auf das wesentliche.
Das stimmt so prinzipiell, aber nicht exakt. Natürlich wird ein Rollenspiel umso schwerfälliger je mehr Dinge ich berücksichtige.

Viele Rollenspiele machen hier aber auch den Fehler statt flexible variable Mechanismen zu verwenden in ein Dickicht aus unzähligen Spezialmanöver und Sonderregeln auszuwuchern. Das fängt schon bei Kampfmanövern an: kann ich meinen Kampfwerte nach meinem Willen verteilen brauche ich keine Manöver wie offensiven oder defensiven Kampfstil mehr. Wenn ich einen Teil meines Kampfwertes (also die Chance dass ich treffe) gegen Schaden eintauschen kann, dann brauche ich keine Manöver wie Finte mehr und Trefferzonen werden auch ziemlich obsolet.
Feats die nichts anderes tun als Fertigkeiten zu boosten (wie man sie in D20 tonnenweise findet) sind ebenfalls sinnlose Regelüberfrachtung, denn sie bringen dem System nichts was es nicht eh schon kann. Weiter geht es bei der Ausrüstung: statt beispielsweise Munitionstypen zu standardisieren (jede Waffe hat Basiswerte und Spezialmunition modifiziert diese Basiswerte) ufern die meisten Ausrüstungskapitel in seitenlange Tabellen von Spezialmunition für jeden Waffentyp aus. Mit Zaubern ist es nicht selten dasselbe in Grün (v.a. D&D ist mir da bei den Beschwörungszaubern ganz übel in Erinnerung geblieben).
Es ist durchaus möglich ein relativ detailiertes System zu bauen, ohne dass die Regeln gleich den zweistelligen Bereich sprengen oder die Runden eine Stunde Realzeit brauchen.

Und ob ein System grob- oder feinkörnig ist hängt ja auch nicht direkt von der Rundendauer ab. Auch Systeme die ziemlich lange Runden haben können recht feinkörnig sein, so wie Systeme die Runden von wenigen Sekunden haben ziemlich grob sein können. "Ork!" hat auch Kampfrunden die im Sekundenbereich rangieren und ist dennoch ein extrem grobes System.

Prinzipiell bin ich aber der Meinung dass man, wenn man sich die Mühe macht ein Regelsystem zu bauen, möglichst alle Situationen irgendwie berücksichtigen sollte die für die im Regelwerk befindlichen Objekte relevant sind. In einem Kampfsystem wären das auch so Grundlagen wie "was passiert wenn ich von 2 Gegnern angegriffen werde?". Wenn das Regelwerk das mit "schlechte Kampfbedingungen" (unter die z.B. auch rutschiger Boden oder Dunkelheit fällt) grob darstellen kann, dann hab ich damit überhaupt kein Problem. Wenn das System aber nur halbgar ausgearbeitet ist (beispielsweise grobe Regeln für Fahrzeuge hat, aber überhaupt nichts darüber aussagt was passiert wenn das Fahrzeug etwas/jemanden rammt) bevorzuge ich Freiform oder "wirf einen W10 und wir schauen was wir draus machen können". Denn mit einem Regelsystem das mich ständig in "nicht definierte Bereiche" entführt möchte ich mich auf Dauer nicht rumschlagen müssen.
Ein halbes Regelsystem ist schlechter als gar kein Regelsystem.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Eulenspiegel am 3.07.2013 | 23:53
Wieso hat man beliebig viele Abwehraktionen? Sollte es nicht irgendwas bewirken, wenn man sich zu dritt auf jemanden stürzt?
Das kann man auch dadurch darstellen, dass die Abwehrreaktionen erschwert sind um die Anzahl der Gegner, die dich angreifen.

Zitat
Ich kann also mitten in einem Schwertduell einen Heiltrank aus meinem Rucksack ziehen?
Ich kenne sehr viele cineastische oder gamistische Systeme, bei denen das möglich ist.

So ad hoc fallen mir nur Realismus-Systeme ein, bei denen das nicht möglich ist.

Zustimmung zu deiner Aussage, dass es immer Arbeit kostet, ein gutes System zu schreiben und dass niemand ein gutes System in 5 Minuten schreiben kann.

Okay, aber die Frage die ich mir da stelle ist, warum im Kampf überhaupt Nebenaktionen zulassen? Der Wegfall würde das ganze deutlich einfacher machen. Und mal ganz ehrlich, wer gerade kämpft, der trinkt keinen Heiltrank - egal ob aus dem Rucksack oder vom Gürtel.
Für gamistische und cineastische und narrative Rollenspiele ist es vollkommen egal, ob etwas realistisch ist oder nicht. Da gilt die "rule of cool".

Und klar, Verbot von Nebenaktionen würde das ganze einfacher machen, aber evtl. auch langweiliger. Gerade dadurch, dass man eine wichtige Aktion und eine halbwichtige Aktion hat, muss man sich halt überlegen, welche Nebenaktion jetzt optimal ist. Das kann taktisch ganz interessant sein.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 4.07.2013 | 03:03
Für gamistische und cineastische und narrative Rollenspiele ist es vollkommen egal, ob etwas realistisch ist oder nicht. Da gilt die "rule of cool".
Naja, um ehrlich zu sein ist meine Sorge nicht nur eine reine "ist das möglich"-Frage. Ich hab da schon einen Schritt weiter gedacht - ich frage mich nämlich vielmehr was passiert wenn zwei Kämpfer voreinander stehen, die bis unter die Zehenspitzen mit Heiltränken vollgestopft sind und jede Runde einen davon trinken können. Das wird ein laaaaaaanger Kampf.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 4.07.2013 | 19:48
Naja, um ehrlich zu sein ist meine Sorge nicht nur eine reine "ist das möglich"-Frage. Ich hab da schon einen Schritt weiter gedacht - ich frage mich nämlich vielmehr was passiert wenn zwei Kämpfer voreinander stehen, die bis unter die Zehenspitzen mit Heiltränken vollgestopft sind und jede Runde einen davon trinken können. Das wird ein laaaaaaanger Kampf.
Sie machen gezielte Angriffe auf die Heiltränke des Gegners? ;D
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Oberkampf am 5.07.2013 | 14:34
Das kommt wiederum darauf an, wie der Rest des Systems ausgearbeitet ist. Beispielsweise kennen D&D4 (und Earthdawn?) sowas wie Heilschübe, die die Anzahl der Heilungen pro Tag beschränken. Man kann aber auch Heilung im Kampf mit Gummipunkten (Fatepoints, Bennies) bezahlen müssen, gerade bei eher cinematischen Systemen, wo nicht jeder Mook mit einem Beutel Heiltränke ewig stehen soll. Die Frage ist dann im Einzelfall, inwieweit diese Regeln das Kampfsystem komplizierter machen, oder im praktischen Spiel vereinfachen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 5.07.2013 | 14:47
Was ich damit eigentlich sagen wollte ist, dass man auch bei eher groben Systemen immer aufpassen muss, dass genau solche Fälle nicht eintreten. Oft benötigt man deshalb weitere Regeln, die die Anwendung der einfachen Regeln einschränken (z.B. nur dreimal heilen pro Tag oder man braucht eine zusätzliche Währung wie Gummipunkte) und dann wird das ganze eben schnell doch nicht mehr so einfach.
Da ist es oft einfacher viele Sachen überhaupt garnicht erst zu ermöglichen.



Sie machen gezielte Angriffe auf die Heiltränke des Gegners? ;D
Die Idee ist gut, nur dass dabei eben kein/kaum Schaden am Gegner entsteht. Dann wären die Heiltränke effektiv Zusatzpanzerung.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Beral am 5.07.2013 | 19:45
Dann wären die Heiltränke effektiv Zusatzpanzerung.
Das sind sie doch so oder so. ;)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Slayn am 6.07.2013 | 17:25
Hallo.


Um auch mal meinen Senf dazu zu geben:

Meist ist doch der Kampf das einzig wirklich Binäre Subsystem an einem Rollenspiel. Entweder man gewinnt (und kommt weiter) oder man verliert (und die Story endet).
Die "Feinkörnigkeit" eines Kampfsystems erlaubt es den Spielern mehr Einfluss auf das geschehen zu nehmen, was auch dringend notwendig ist so lange ein Fortschritt hier binär geregelt ist.

Würde sich das Spieldesign und somit die Denkweise hier etwas wegbewegen, könnte man auch viel freier agieren. Wer kennt das nicht, in einer sozialen Interaktion kann man mehrmals scheitern, mehrere Ansatzpunkte versuchen, hat Optionen, diese fallen in einem physischen Konflikt aber flach.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Skeeve am 6.07.2013 | 20:01
"Binär" aber nur, wenn es ein Kampf um Leben oder Tot ist und keine Gefsngenen gemacht werden.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Slayn am 6.07.2013 | 20:28
"Binär" aber nur, wenn es ein Kampf um Leben oder Tot ist und keine Gefsngenen gemacht werden.

Das hat, realistisch gesehen, den gleichen Stellenwert wie "Wir können doch Freunde bleiben!" nach einer Trennung. Es ist eine peinliche Notlösung.
Ich nehme jetzt mal an dass ich keine Ausnahmeerscheinung bin, wenn ich Kaufabenteuer meister, von daher stehe ich den Situationen im Wald und das AB ist erst mal zu Ende bis ich ggf. daran weiter gebaut habe. Es ist für mich selten ein AB zu erleben dass beide Situationen abdeckt, Gewinn und Verlust (in dem Sinne Gefangennahme) ohne den Verlust direkt im Plot zu integrieren. An dieser Stelle ist der "flotte" Spielabend dann erst mal um, denn ich muss extra Karten raussuchen und auf die schnelle eine Ausbruchssituation erstellen.
Fazit: Auch wenns weitergeht, jetzt ists erst mal holprig. Da wäre es besser gewesen wenn sie gleiche Allesamt gestorben wären.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Eulenspiegel am 6.07.2013 | 22:17
Nur weil du TPK als besser als "alle Gefangen" betrachtest, ändert das doch nichts daran, dass es nicht binär ist.

Es gibt halt die drei Optionen:
Optimal: SCs gewinnen.
Suboptimal: TPK
schlechtestes Möglichkeit: SCs werden gefangen genommen.

Also nicht binär. (Und abgesehen von diesen drei Entscheidungen, gibt es noch zig weitere Unterteilungen des Kampfausganges.)
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Slayn am 6.07.2013 | 22:35
Nur weil du TPK als besser als "alle Gefangen" betrachtest, ändert das doch nichts daran, dass es nicht binär ist.

Es gibt halt die drei Optionen:
Optimal: SCs gewinnen.
Suboptimal: TPK
schlechtestes Möglichkeit: SCs werden gefangen genommen.

Also nicht binär. (Und abgesehen von diesen drei Entscheidungen, gibt es noch zig weitere Unterteilungen des Kampfausganges.)

Ich betrachte einen TPK nicht als besser als Gefangennahme.

Ich gehe nur schlicht von dem Gedanken aus dass ein Otto-Normal-Meister ein DSA-Kauf-AB auf den Tisch packt und bei einem nicht Plot-gewollten Verlust in einem Kampf genau das passiert was eben jener Meiser vermeiden will, er muss selbst Hand anlegen. An der Stelle gibt es dann Würfeldrehen.

Und damit wären wir wieder binär.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 6.07.2013 | 23:01
Binär ist der Kampf nur, wenn beide Seiten bis zu völligen Auslöschung kämpfen. Das ist bei einem Schusswechsel eigentlich eher selten der Fall, normalerweise endet ein Gefecht mit dem Rückzug der unterlegenen Seite, gerade in Angriffsszenarien werden die Gegner da auch oft nicht nachsetzen. Im Nahkampf ist die Sache etwas komplizierter, aber normalerweise wird da auch meist nicht bis zum letzten Mann gekämpft.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: xergazz am 6.07.2013 | 23:04
Ich möchte nur nochmal daran erinnern, dass es hier um das Kampfsystem geht und da ist es nunmal so, dass in den meisten Rollenspielsystemen sowas wie Aufgabe oder Gefangennahme wenn überhaupt nur stiefmütterlich behandelt wird. Schonmal versucht bei DSA oder D&D eine Figur zum Aufgeben zu zwingen? Wenn der Spieler sich nicht freiwillig darauf einlässt passiert da gar nichts. Insofern bleibt im Kampf eigentlich nur die Option, die gegnerischen Ressourcen runterzukloppen (das wird bei mehreren Beteiligten etwas verunklärt aber regelseitig bleibts die selbe Situation).

Wo ich Slayn widerspreche ist, dass das automatisch zu einem feinkörnigen Kampfsystem führt. Ich kann den Kampf auch in einem einzigen Wurf abhandeln und dem Verlierer die Möglichkeit geben statt seinem Leben etwas anderes zu opfern (seine Freiheit oder seine Ausrüstung zum Beispiel) und schon hat sich das mit "binär" erledigt.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Slayn am 6.07.2013 | 23:13
Wo ich Slayn widerspreche ist, dass das automatisch zu einem feinkörnigen Kampfsystem führt. Ich kann den Kampf auch in einem einzigen Wurf abhandeln indem ich dem Verlierer die Möglichkeit gebe statt seinem Leben etwas anderes zu opfern (seine Freiheit oder seine Ausrüstung zum Beispiel) und schon hat sich das mit "binär" erledigt.

Beantworte ich jetzt mal mit einem klaren Jein. Ich habe schon schöne Kriegsregeln gesehen, etwa L5R, Pendragon, Reign, aber auch diese brechen den direkten, persönlichen Kampf runter. Ich bin aber gespannt auf systeminherente Vorschläge die nicht binär oder feinkörnig sind. (Und komm mir jetzt nicht mit Fighting Fantasy).
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Eulenspiegel am 6.07.2013 | 23:17
Nehme zum Beispiel D&D4.

Dort gewinnen die SCs zwar meistens die Kämpfe, aber die große Frage ist, wieviel Ressourcen sie verbraucht haben. Die Frage ist also nicht: Habe ich den Kampf gewonnen oder verloren? Die interessante Frage ist: Wieviele Ressourcen musste ich verbrauchen, um den Kampf zu gewinnen?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: xergazz am 6.07.2013 | 23:27
Ich bin aber gespannt auf systeminherente Vorschläge die nicht binär oder feinkörnig sind. (Und komm mir jetzt nicht mit Fighting Fantasy).

Ich kann den Kampf auch in einem einzigen Wurf abhandeln und dem Verlierer die Möglichkeit geben statt seinem Leben etwas anderes zu opfern (seine Freiheit oder seine Ausrüstung zum Beispiel)

Das war doch bereits ein Vorschlag. Ansonsten: Jedes Kampfsystem mit Conflict Resolution.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Slayn am 6.07.2013 | 23:34
Das war doch bereits ein Vorschlag. Ansonsten: Jedes Kampfsystem mit Conflict Resolution.

Und das war eine ernst gemeinte Frage. Ein paar meiner Mitspieler hatten letzten Sommer eine starke "Indie"-Phase, aber da war Nichts dabei, wo ich sagen würde "halbwegs klassisches Rollenspiel". Daher, in welchem "klassischen" Rollenspiel gibt es ein Kampfsystem mit dieser Conflict Resolution?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: blut_und_glas am 7.07.2013 | 00:02
Ich bin aber gespannt auf systeminherente Vorschläge die nicht binär oder feinkörnig sind.

Die binäre Ausprägung wird in "klassischen" Systemen schon einmal recht gut bei abgestufteren Schadenseffekten/Verletzungsregeln (kampfunfähig nicht automatisch/mit hoher Wahrscheinlichkeit gleichbedeutend mit tot) und/oder durch Kampfmoral- beziehungsweise Furcht-/Stress-/Wahnsinnsregeln (Regeln diktieren Flucht/einen Rückzug/Aufgabe) ausgehebelt.

mfG
jdw
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: xergazz am 7.07.2013 | 00:11
Und das war eine ernst gemeinte Frage. Ein paar meiner Mitspieler hatten letzten Sommer eine starke "Indie"-Phase, aber da war Nichts dabei, wo ich sagen würde "halbwegs klassisches Rollenspiel". Daher, in welchem "klassischen" Rollenspiel gibt es ein Kampfsystem mit dieser Conflict Resolution?

Das ist jetzt schwer dir etwas zu raten, weil ich nicht weiß wo bei dir die Grenze zwischen "Indie" und "klassisch" liegt. Wenn ich was sagen müsste: Schau dir mal "The One Ring" an wenn du das noch nicht kennst.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Slayn am 7.07.2013 | 00:22
Das ist jetzt schwer dir etwas zu raten, weil ich nicht weiß wo bei dir die Grenze zwischen "Indie" und "klassisch" liegt. Wenn ich was sagen müsste: Schau dir mal "The One Ring" an wenn du das noch nicht kennst.

Lass mich die Frage doch mal anders stellen, auf die Art kommen wir auch wieder zurück zum Ursprungsthema.

"Klassisch" ist eine Kampfbegegnung als "Make it or Break It"-Situation. Ein Roadblock, sozusagen. Wenn ich von "binär" rede, dann meine ich, dass es hier etwas auf einen Anlauf zu bewältigen gibt.

Ich finde es in dieser Konstellation sehr interessant, dass es in sozialen Begegnungen, wissens begegnungen, etc. meist eben nicht dieses "Make It or Break It" gibt, sondern man hier re-tries, andere Ansätze, etc. hat, meist ohne "Konsequenzen". Nur beim "Kampf" ist das meist anders.
Mir persönlich ist daher vollkommen klar warum dieser Teil so feinkörnig ist, denn er bedeutet "Game Over". Nur kenne ich z.B. kein System bei dem ein verlorener Sozialer Kampf das selbe Ergebnis erbringt.

Von daher die Frage, in welchem System hat ein Kampf genau so viel Gewicht wie eine x-beliebige andere Interaktion und kann genau so gut zum "Game Over" führen?
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Praion am 7.07.2013 | 13:02
Und das war eine ernst gemeinte Frage. Ein paar meiner Mitspieler hatten letzten Sommer eine starke "Indie"-Phase, aber da war Nichts dabei, wo ich sagen würde "halbwegs klassisches Rollenspiel". Daher, in welchem "klassischen" Rollenspiel gibt es ein Kampfsystem mit dieser Conflict Resolution?

Burning Wheel. Beide sagen was sie von diesem Kampf wollen, würfeln ihren Kampfskill und wer gewinnt bekommt das was er will. Man kann in differenzierere Subsysteme gehen aber man MUSS nicht.
Und wer sagt Burning Wheel ist kein klassisches System soll mir das erstmal beweisen.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: scrandy am 7.07.2013 | 13:44
Im Grunde ist dieses "Game Over Denken" ein Erbe der abstrakten Lebenspunkte und der abstrakten Behandlung von Gegnern als Erfolgs/Misserfolgs-Idee.

Stellt man stattdessen als SL und als Spielgruppe vor einem Kampf explizit Kampfziele auf, so haben die meisten Kämpfe kein tödliches Ende. Kampfziele wären sowas wie:
- Bewache XY
- Halte Gegner auf, an Stelle X zu kommen
- Schnappe den Dieb
- Verteidige die Schutzbefohlenen

Bei jedem dieser Kampfziele gibt es eine klare Abbruchbedingung: Sobald ein Wachmann nicht mehr den Dieb verfolgen kann, weil er verletzt ist oder massiv eingeschüchtert, macht es keinen Sinn für den Dieb den Wachmann zu töten. Zeitvorsprung zur Flucht ist in diesem Fall sogar viel kostbarer als den Kampf fortzusetzen. Wenn die Räuberbande sieht, dass etwa die Hälfte der Gruppe verletzt ist und die Prinzessin immer noch nicht geraubt werden konnte, dann werden sie sich mit Sicherheit auch zurückziehen  anstatt mitanzusehen, wie jeder einzelne von den Rittern niedergemetzelt wird. usw.

Es hilft auch für jeden Gegner eine Loyalitätsgrenze und eine Bedeutungsgrenze festzulegen: Wie wichtig ist mir der Kampf? Einem angeheuerten Wachmann ist sein eigenes Leben sicherlich wichtiger als das was er bewachen will. Ein Kultist wird aber bereit sein, sich für die Sache in den Tod zu stürzen. Ein Tier wird sicherlich bei Verwundung nicht weiterkämpfen solange es nicht in blinde Rage verfällt.

Diese zwei Maßnahmen machen Kämpfe grundsätzlich nicht zum "Game Over"-Moment sondern erzeugen schlicht neue Spielsituationen. Generell ist es eigentlich die Pflicht jedes SLs sich vor jeder Herausforderung zu überlegen was für Konsequenzen/Spielsituationen aus Niederlageen oder Komplikationen entstehen können. Das hat auch mit Kampf nichts zu tun. Wenn eine normale Probe nicht schiefgehen darf, dann brauche ich sie nicht würfeln. Wenn ich einen Kampf nicht verlieren kann (bzw. mein Kampfziel nicht erreichen kann), dann brauch ich ihn auch nicht auszuwürfeln.

Mir ist es auf einer CON zum Beispiel mal passiert, dass wir 2 Stunden an einem DSA4 Kampf rumgesessen haben, nur um zu erfahren, dass das Abenteuer nicht vorsieht, dass wir gewinnen und deswegen irgendwann automatisch verloren hatten. Wenn das so ist, dann kann man sich den Kampf auch sparen und der SL erzählt einfach die Situation runter.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 8.07.2013 | 01:49
Das hat, realistisch gesehen, den gleichen Stellenwert wie "Wir können doch Freunde bleiben!" nach einer Trennung. Es ist eine peinliche Notlösung.

Interessante Analogie zur Gefangennahme... Würde ich aber differenzierter betrachten.
Ich stimme zu, dass das als Spieler meistens nich so schmeckt, klar, man ist lieber einfach bequem der Held... Aber gibt es nicht sehr viele gute Romane und Filme, wo die Helden solche Situationen durchstehen müssen und dadurch eigentlich erst richtig zum Held werden? Ist nicht gerade das Überwinden von Widrigkeiten letztlich das was die Leistungen erst richtig gut macht, statt gradlinige Siege?
Übrigens die heute sehr verbreitete Abwertung der anderen Person bei Beziehungstrennungen sehe ich in der Hinsicht auch ähnlich, was sagt denn diese "Alles oder Nichts"-Haltung über unsere Gesellschaft aus? Ist das "brüderlich" bzw. achtet man so den Wert des Menschen? Es gibt nur a) Traumpaar oder b) man kennt sich nicht mehr, dass bleibt somit alles auf einer sehr einseitigen und oberflächlichen Betrachtungsebene, die nicht die Vielschichtigkeit von Personen u. verschiedenen Bedürfnissen berücksichtigt. (Klar ist aber natürlich, dass die genannte Floskel peinlich und meist wenig aufrichtig ist, das war wahrscheinlich auch primär gemeint und da stimme ich völlig zu). Das sehe ich hier jedenfalls auch für die RPG-Situation so, dass unangenehmere Situationen wie eine Gefangennahme gelegentlich eine Bereicherung für das Spiel sein können, wenn die Spieler auch bereit sind etwas Herausforderung anzunehmen und <Charakterentwicklung" zu spielen und nicht nur "all or nothing" mit Figuren, die lediglich wertetechnisch voranschreiten, aber niemals "in sich" Schwierigkeiten überwinden müssen. - Ich selbst z.B. spiele ja auch sehr gerne Beer&Bretzel, aber für richtiges Charakterspiel sollten gelegentliche Härten bzw. kleinere tragische Vorkommnisse IMHO auch hin und wieder dazu gehören... ;)

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Slayn am 8.07.2013 | 10:13
Guten Morgen.

@scrandy:

Dein letzter Satz ist der wohl wichtigste in deinem Beitrag. Wenn man sich auf eine Spielwelt und Abenteuer einlässt, übergibt man die Kontrolle darüber, wie gut und fair das alles wird an den Meister. Wenn dieser das gegebene Vertrauen und die Kontrolle nun schlecht einsetzt oder sein Handwerk nicht beherrscht, bleibt nur noch der Kampf als Spielgeschehen bei dem die Kontrolle bei den Spielern selbst liegt.
Ich finde den Ansatz gruselig die ganzen Mängel die das normale Spiel so mit sich bringt nun auch noch in den Kampf zu integrieren.

@OldSam:

Illusionen und Kontrolle. Charakterentwicklung ist ein ehrenwertes Ziel und kann ein legitimer Inhalt einer Spielrunde sein. Problematisch wird es nur, wenn wie Oben erwähnt, Sachen wie die Gefangennahme gar nicht funktionieren würden oder, noch wahrscheinlicher, die Spieler ihre Charaktere bis zum bitten Ende kämpfen lassen würden, denn wir befinden uns gerade in dem einzigen Spielsegment in dem sie volle Kontrolle haben. Da sehe ich es als fast schon wesentlich weniger problematisch an zu sagen "Ihr geht um die Ecke, werdet überrumpelt und sie nehmen euch Gefangen".

Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: pharyon am 8.07.2013 | 13:00
Hallo slayn,

ich würde nicht sagen, dass die Spieler im Kampf volle Kontrolle besitzen. Immerhin spielen Glück (im Sinne der einsetzbaren Würfel) und Regewerk (welches mehr oder weniger kontrolliert, wer wie einwirken darf) hier immer noch eine bedeutende Rolle.

@ Beral:
Ich habe mir Gedanken zur Fragestellung gemacht und komme (für mich) zu dem Schluss, dass Spieler auf jeden Fall eine Sinn-Einheit möchten, an der sie in das Spielgeschehen eingreifen können. Aus der Welt kennen wir, was Bewegung/Handlung betrifft die Einheiten der Zeit und des Raumes. Falls du also von der Zeit als sinnstiftendem Element weggehen wollen würdest, bliebe höchstens noch der Raum um für Mitspieler einigermaßen nachvollziehbar zu sein. Beispielsweise könnte man sagen, dass eine Figur jede Runde 5 Würfel hat und pro Würfel ein Feld ziehen oder eine andere Aktion durchführen kann (willkürliches spontanes Beispiel).
Ein anderer Aspekt ist die Frage, wie fest ich die Zeiteinheit binden möchte: Denke ich szenisch, brauche ich weniger fixen Rahmen, muss allerdings irgendwie alle für die Runde angedachten Handlungen möglichst gradlinig einbeziehen, kann mich aber abseits genauer "Dokumentation" mehr um meine Vorstellung kümmern. Denke ich simulativ, breche ich Elemente auseinander und kann diese nacheinander abhandeln, habe aber zum Teil einen größeren Aufwand, der mich von der Darstellung ablenken kann.

Ich habe mich bei meinem aktuellen Eigenwerk dazu entschieden je nach Situation eines von zwei unterschiedlichen Kamfsystemen zu verwenden: eines "arbeitet" eher szenisch, das andere eher "feinkörnig". Damit kann ich je nach Bedarf das Kampfgefühl enorm beeinflussen bzw. je nach Bedarf unterschiedlich spielen.

p^^

PS: Mir persönlich hilft ein feinkörniges System auch bei der Vorstellung des Kampfes.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: OldSam am 8.07.2013 | 20:44
@Slayn:
Wie kommst Du auf die Idee der vollen Spielerkontrolle des Kampfes? Was sie an Kontrolle haben ist das dieser Bereich (bei feinkörnigen Systemen) relativ klar geregelt ist, das stimmt, aber auch hier hat letztlich der GM immer sehr viel Einfluss, wenn man das nutzen will - bspw. könnten die Gegner Effekte im Repertoire haben, die die Chars in dem Moment ohne spezielle Vorbereitung kaum oder nur sehr schlecht abwehren können (Gedankenkontrollzauber, Gasgranaten o.ä.)
Zudem geben es doch sehr viele Systeme sowieso ganz konventionell her, dass die Spieler nach und nach bewusstlos/kampfunfähig werden und die Gefangennahme somit normale und absehbare Folge des Geschehens ist. Was in meinen GURPS- und Shadowrun-Runden dann auch z.B. in der Vergangenheit schon ein paar Mal passierte, war, dass die letzten verbliebenen SCs dann getürmt sind, um später zu versuchen ihre Kameraden zu befreien - wie ich finde ein schöner Aufhänger, der sich ganz natürlich ergibt.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Slayn am 8.07.2013 | 22:22
Hallo.

Die Auswahl eines Regelwerks, Hausregeln, Setting und Spielstil sind Dinge, die vor dem eigentlichen Spiel geschehen und somit die Rahmenbedingungen festlegen. Das legt schließlich fest was ich im eigentlichen Spiel machen kann und definiert auch worüber ich Kontrolle habe und wo sich meine Freiheiten befinden.
Von daher habe ich im Spiel, konkret im Kampf, Kontrolle über meinen Charakter und meine Handlungen.

OldSam, ich denke das sind Äpfel und Birnen. Nur weil bei einem gewählten System und/oder Spielstil ein Kontrollverlust über die Spielfigur drin ist, beraubt man mich als Spieler nicht um meinen Teil der Freiheit. Spielfigur und Spieler in dem Zusammenhang nicht vermischen.

@Faden:

Mir ist aufgefallen, das es Spielsysteme mit Massenkampfregeln gibt. Diese sind meist wesentlich grobkörniger gestaltet als der Einzelkampf, haben aber im Endeffekt den gleichen (tödlichen) Ausgang. Mich würde dabei interessieren warum bei den Spielern die Akzeptanz dieser Grobkörnigkeit bei einem Massenkampf vorhanden zu sein scheint, bei einem kleinen Scharmützel aber nicht.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 8.07.2013 | 22:54
Mir ist aufgefallen, das es Spielsysteme mit Massenkampfregeln gibt. Diese sind meist wesentlich grobkörniger gestaltet als der Einzelkampf, haben aber im Endeffekt den gleichen (tödlichen) Ausgang. Mich würde dabei interessieren warum bei den Spielern die Akzeptanz dieser Grobkörnigkeit bei einem Massenkampf vorhanden zu sein scheint, bei einem kleinen Scharmützel aber nicht.
Was heißt Akzeptanz. Ich würde eher sagen man nimmt das in Kauf, weil Gefechte ab einer gewissen Größenordnung sonst aus Zeitgründen schlicht nicht durchführbar wären.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: YY am 8.07.2013 | 23:55
Mir ist aufgefallen, das es Spielsysteme mit Massenkampfregeln gibt. Diese sind meist wesentlich grobkörniger gestaltet als der Einzelkampf, haben aber im Endeffekt den gleichen (tödlichen) Ausgang. Mich würde dabei interessieren warum bei den Spielern die Akzeptanz dieser Grobkörnigkeit bei einem Massenkampf vorhanden zu sein scheint, bei einem kleinen Scharmützel aber nicht.

Zum Einen treffen viele Massenkampfsysteme keine so konkrete oder endgültige Aussage über das Schicksal einzelner Beteiligter, schon gar nicht der SCs.

Zum Anderen ist es meiner Erfahrung nach in den meisten Systemen immer noch (simulationistisch unbefriedigend, aber cinematisch sinnvoll) Standard, dass man in großen Schlachten auf die SCs fokussiert und der Gesamtverlauf den Ergebnissen dieser Kämpfe folgt.
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: pharyon am 9.07.2013 | 11:42
@Faden:

Mir ist aufgefallen, das es Spielsysteme mit Massenkampfregeln gibt. Diese sind meist wesentlich grobkörniger gestaltet als der Einzelkampf, haben aber im Endeffekt den gleichen (tödlichen) Ausgang. Mich würde dabei interessieren warum bei den Spielern die Akzeptanz dieser Grobkörnigkeit bei einem Massenkampf vorhanden zu sein scheint, bei einem kleinen Scharmützel aber nicht.
Vielleicht liegt das daran, dass die Spieler bei Schlachten auch deutlich geringere Einflussmöglichkeiten erwarten als bei Scharmützeln. Zusammen mit dem Handhabungs-/Zeitargument könnte das die Akzeptanz hierbei erklären.

p^^
Titel: Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
Beitrag von: Galatea am 9.07.2013 | 23:53
Ich würde eher sagen deutlich andere Einflussmöglichkeiten.
Im Gruppenkampf (4-5 SCs gegen 4-5 NSCs) erwarte ich schon dass die einzelnen Charaktere mit ihren individuellen Stärken punkten können. In einer Schlacht 1000 gegen 1000 sind die zwar auch noch interessant weil sie effektiv die Kampfkraft der Gruppe steigern, aber über den Ausgang der Schlacht werden sie nicht bestimmen.