Autor Thema: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?  (Gelesen 34108 mal)

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Offline 1of3

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #50 am: 30.06.2013 | 13:09 »
Das Hauptproblem ist: Nichtkampfsituationen sind ungemein komplex und vielschichtig.

Ulkig. Ist doch für Kämpfe das gleiche.

Ist aber auch egal: Wir kodieren ja nicht Elemente, die wir vorfinden. Wir finden Elemente, weil wir sie kodieren wollen.

Offline Praion

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #51 am: 30.06.2013 | 13:13 »
Das Hauptproblem ist: Nichtkampfsituationen sind ungemein komplex und vielschichtig. Das macht es so schwierig ein System zu bauen das sie einerseits feinkörnig abdeckt, andererseits aber auch möglichst alle abdeckt. Außerhalb des Kampf gibt es zwar immer noch viel Variabilität, aber zumeist doch ähnliche Zielsetzungen und Situationen die man umsetzen kann.

Funktioniert so genauso.

Hinzu kommt, dass taktische Kämpfe aus der Vogelperspektive dieses chaotische in Kämpfen gar nicht abdecken. Von oben als Spieler kannst ud ganz in Ruhe deine Entscheidungen treffen und ggf. wieder ändern. In richtigen Stresssituationen verlässt man sich dann doch wesentlich mehr auf instinkt und antrainierte Verhaltensmuster. Wenn ich jede Sekunde neu entscheiden kann was ich mache fühlt sich das wesentlich anders an als wenn ich meine Handlung für die nächsten 5 Sekunden festlegen muss, egal ob die funktionieren oder nicht. Wenn ich mich entscheide jetzt sofort zuzuschlagen und dann nach hinten wegzuspringen dann führt man meistens diese Handlungsabfolge so aus. Wenn man merkt, dass man mit der Planung falsch liegt ist es meistens schon zu spät weil der Körper noch den vorherigen Anweisungen führt.
Diese Idee fehlt in den meisten Kampfsystemen irgendwie.
« Letzte Änderung: 30.06.2013 | 13:16 von Praion »
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Online Arldwulf

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #52 am: 30.06.2013 | 13:22 »
Funktioniert so genauso.

Nein, Kämpfe sind vergleichsweise simpel (nicht falsch verstehe - es ist immer noch eine komplexe Situation die nur teilweise von den Systemen abgedeckt werden kann. Es ist komplex - nur auf niedrigerem Level)

Beispielsweise sind die Ziele in einem Kampf zumeist ähnlich. Überleben, an irgendwem vorbeikommen, jemand retten/schützen, jemanden an der Flucht hindern. Viel mehr Ziele sind es dort schon gar nicht. Vergleiche ich dies mit Nichtkampfsituationen so ist die Anzahl möglicher Ziele viel komplexer und letztlich unübersehbar.

Offline 1of3

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #53 am: 30.06.2013 | 13:27 »
Das ist doch jetzt nur so, weil du quasi alles andere in eine Schublade ablädst.

Was kann man auf einer Party wollen? Sich vollaufen lassen, tanzen, interessante Gespräche führen, neue Leute kennen lernen, flirten, was abschleppen.

Was kann man im Straßenverkehr wollen? Ankommen, Sprit sparen, angeben, die Landschaft genießen.

Was kann man im Unterricht wollen: Den Stoff lernen, mit den MitschülerInnen fraternisieren, über Gott, die Welt und den Arsch des Lehrkörpers nachdenken.

Offline OldSam

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #54 am: 30.06.2013 | 13:35 »
Naja, es ist schon richtig, dass in Bezug auf die Zielsetzung die Komplexität von Kämpfen sehr überschaubar ist (Angreifen/Fliehen/Jemand retten/...),  in Bezug auf die tatsächliche Ausführung/Praxis ist es dann aber wieder enorm komplex...
Und zwar in der Aktionsumsetzung IMHO meist deutlich komplexer - in Bezug auf die spezifischen Auswirkungen auf den Charakter viel weniger vorhersagbar - als typische Alltagssituationen wie mit dem Auto zur Arbeit fahren, sich dort Kaffee machen, mit Kollegen zu reden, seine Büroarbeit zu erledigen, was essen, einkaufen fahren etc. Ich denke das ist auch einer der wesentlichen Unterschiede: Diese ganzen Alltagstätigkeiten <machen wenig mit uns>. Wir kriegen die ein oder andere neue Information, machen vielleicht einen kleinen Fehler für den man sich entschuldigen muss, bezahlen mal etwas zu viel beim Einkaufen oder finden ein Sonderangebot etc. - kaum etwas das uns wirklich verändert.


« Letzte Änderung: 30.06.2013 | 13:39 von OldSam »

alexandro

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #55 am: 30.06.2013 | 13:39 »
Lies dich mal in die Dialogtheorie ein. Dann wirst du sehen, dass "mit jemanden reden" ebenso komplex ist (wenn nicht sogar mehr) wie jeder Kampf.

Und wenn die tatsächliche Ausführung von Autofahren so einfach wäre, warum haben wir dann so komplexe Fahrprüfungen?

Eulenspiegel

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #56 am: 30.06.2013 | 13:43 »
Oder interessieren sich die Leute dafür am meisten, weil es so ausführlich ist?
Der Hobby-Psychologe in mir sagt: Kampf ist eine Sache, die tief in unseren Genen verankert sind, aber kein Bestandteil der heutigen modernen Gesellschaft mehr ist. Daher erweckt der Kampf eine Faszination in uns, den andere Handlungen niemals wecken könnten.

Es gibt auch bei Brettspielen eine wachsende Zahl an Spielen, die sich mit "Handel und Wirtschaft" beschäftigen (vor allem German Board Games). Aber unangefochtener Platz Nr. 1 ist auch bei Brettspielen nach wie vor diejenigen, die den Kampf behandeln.

Oder man schaue sich nur mal die Blockbuster an: Diese sind zu einem Großteil ebenfalls Filme, in denen Kampf eine bedeutende Rolle einnimmt. (Es gibt zwar auch viele Krimis, Liebesfilme, kampflose Komödien etc., aber diese schaffen es selten bis zum Blockbuster.)

Die Faszination für Kampf ist also kein RPG-spezifisches Phänomen sondern zieht sich über große Teile der Unterhaltungsbranche.

Offline OldSam

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #57 am: 30.06.2013 | 13:43 »
Lies dich mal in die Dialogtheorie ein. Dann wirst du sehen, dass "mit jemanden reden" ebenso komplex ist (wenn nicht sogar mehr) wie jeder Kampf.

Das ist schon klar, aber da kommt es sehr auf das Gespräch an.
Ein heftiges Konfliktgespräch ist natürlich übelst krass und unheimlich differenziert, ein typisches Verkaufsgespräch im Laden dagegen meist völlig banal.
« Letzte Änderung: 30.06.2013 | 13:59 von OldSam »

Offline YY

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #58 am: 30.06.2013 | 13:47 »
Dann wirst du sehen, dass "mit jemanden reden" ebenso komplex ist (wenn nicht sogar mehr) wie jeder Kampf.

Die Frage ist, wie weit man es vereinfachen kann, ohne im Hinblick auf den Gesamtverlauf und das Ergebnis zu viel zu verlieren.

Wenn ich weit genug reinzoome, wird alles komplex - spätestens, wenn ich auf neurologischer Ebene angekommen bin.
Aber für die groben Verläufe brauche ich davon nur stark vereinfachte Darstellungen.

Und wenn die tatsächliche Ausführung von Autofahren so einfach wäre, warum haben wir dann so komplexe Fahrprüfungen?

Im Vergleich zu was?
Wie viele Stunden muss man Autofahren lernen, bis man halbwegs brauchbar von A nach B (und durch die Fahrprüfung) kommt?

Da gibt es doch Vieles, was wesentlich schwerer ist.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline OldSam

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #59 am: 30.06.2013 | 13:55 »
Und wenn die tatsächliche Ausführung von Autofahren so einfach wäre, warum haben wir dann so komplexe Fahrprüfungen?

Ob die komplex ist, finde ich schwer zu beurteilen, durch den Stress aus Sicht des Anfängers sicherlich, aber ich meinte jedenfalls die Alltags-Fahrsituation und die ist trivial. Du fährst eine Strecke, die Du kennst mit einem Wagen, der Dir vertraut ist. Meist heutzutage Stadtverkehr mit genug langweiligen Stop&go-Situationen, hältst an Ampeln, musst ab und an mal Vorfahrt beachten etc., alles ziemlich simpel.
Eine längere oder ungewohnte Autofahrt dagegen ist sicherlich nicht trivial, sowas meinte ich auch nicht. Das merkt man ja allein daran, dass z.B. mehrstündige Fahrten relativ anstrengend sind wegen der Konzentrationsanforderungen.

Eulenspiegel

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #60 am: 30.06.2013 | 13:58 »
@YY
Ich denke, in diesem Punkt unterscheiden sich Kämpfe nicht großartig von Dialogen oder Autofahrten:
Wenn ich nur am Resultat interessiert bin, kann ich alles mit einem einzigen Würfelwurf abhandeln: Ein Würfelwurf auf "Kampf" ist nicht plausibler oder unplausibler als ein Würfelwurf auf "Fahren" oder "Rhetorik".

Das Hereinzoomen ist immer dann gewünscht, wenn man aus der Sache Spannung ziehen will.

Und sobald man hineinzoomt, können auch einzelne Handlungen innerhalb der Gesamtsequenz relevant sein. Beim Kampf ist es die Frage, ob ich offensiv oder defensiv kämpfe, welchen Gegner ich angreife etc.

Beim Fahren ist es die Frage, wie schnell ich durchschnittlich fahre, ob ich einen offensiven oder defensiven Fahrstil habe, ob ich über die Autobahn oder die Nebenstraße fahre, ob ich bei gelber Ampel beschleunige, um noch über die Kreuzung zu gelangen, der aktuelle Gang etc.

Bei Gesprächen ist es relevant, ob man ergebnisoffen oder mit vorgefasster Meinung diskutiert, ob man höflich oder unhöflich ist. Ob man die wahren Argumente bringt oder eine vorgeschobenes Argument, ob man auf persönlicher oder Sachebene redet etc.

Und falls man sich dafür interessiert, kann man das auch gut in Regeln abbilden. (Für Dialoge finde ich z.B. das System von 'Dogs in the Vineyard' extrem gut geeignet.)

Offline Thandbar

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #61 am: 30.06.2013 | 14:00 »
Der Hobby-Psychologe in mir sagt: Kampf ist eine Sache, die tief in unseren Genen verankert sind, aber kein Bestandteil der heutigen modernen Gesellschaft mehr ist. Daher erweckt der Kampf eine Faszination in uns, den andere Handlungen niemals wecken könnten.

Bücher und Filme funktionieren ja schon oft so: Wenn die Handlung stockt - Action-Sequenz! Raffinierte, fesselnde und spannende Dialoge verfertigen ist schwer. Ein Gefecht ist da immer eine willkommene Auflockerung.
Allerdings begründet diese Feststellung alleine nicht unbedingt die Feinkörnigkeit von Kampf-Systemen, oder?

Ich habe früher immer gedacht, dass der Kampf in Rollenspielen deshalb so wichtig ist, weil man da wirklich sterben kann, und weil gescheiterte "sonstige Sachen" (Verhandlungen, Einbruch, Bluffen und Verkleiden) meistens auch wieder auf Kampf hinauslaufen, so dass man gut beraten ist, darin auch gut zu sein und das dann möglichst auch fein ausgeregelt haben möchte.

Mittlerweile glaube ich, dass ein Großteil dieser kampffixierten Logik Tradition ist - immerhin entstanden Rollenspiele ja aus Kriegssimulationen. Wenn es aber rein um die Wichtigkeit des Überlebens geht, müsste man zb auch Stoffwechselvorgänge regeltechnisch sehr gründlich darstellen (Bin ich infiziert? Tödlich Vergiftet? Kann ich meine Antikörper rechtzeitig mobilisieren?).

Wenn ich ehrlich bin, finde ich zusätzliche Detailgrade in vielen Dingen außerhalb des Kampfes auch nicht so aufregend. Zusätzliche Würfe, ob ich die Petrischale richtig halte? Eine klein-kleine Verregelung über jedes gesprochene Wort, während ich am Tisch die Rede doch selber halten kann? Ein Extrawurf, um die Beine beim Absprung auch richtig anzuziehen? Das scheint mir nicht sonderlich spannend zu sein. Bei der feinkörnigen Aufgliederung des Kampfes habe ich zumindest, wenn das System stimmt, ein dramaturgisch interessanteres Bild vor Augen.  
"Du wirst direkt in diesem Moment von einer Zilliarde grünkarierter Kakerlakeneinhörner in Tweedanzügen umzingelt, die mit Fallschirmen aus gebeiztem Vanillepudding aus der nächstgelegenen Dattelpalme springen und dich zu ihrer Avonberaterin krönen - und die Krone ist aus Dr. Frankensteins bösartig mutiertem Killernougat! Streich dir 78000 Hirnschadenspunkte ab und mach sofort eine Jodelimprovisation!"

Offline 1of3

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #62 am: 30.06.2013 | 14:01 »
Zitat
Oder man schaue sich nur mal die Blockbuster an: Diese sind zu einem Großteil ebenfalls Filme, in denen Kampf eine bedeutende Rolle einnimmt. (Es gibt zwar auch viele Krimis, Liebesfilme, kampflose Komödien etc., aber diese schaffen es selten bis zum Blockbuster.)

Wie ist es denn, was hat höhere Einschaltquoten? Der Blockbuster auf Pro7 oder der Tatort auf dem Ersten? Oder gar Rosamunde Pilcher auf dem Zweiten?

Eulenspiegel

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #63 am: 30.06.2013 | 14:11 »
Bücher und Filme funktionieren ja schon oft so: Wenn die Handlung stockt - Action-Sequenz! Raffinierte, fesselnde und spannende Dialoge verfertigen ist schwer. Ein Gefecht ist da immer eine willkommene Auflockerung.
Allerdings begründet diese Feststellung alleine nicht unbedingt die Feinkörnigkeit von Kampf-Systemen, oder?
Ich denke: Doch, das ist der einzige Grund für die Feinkörnigkeit.

Zitat
Mittlerweile glaube ich, dass ein Großteil dieser kampffixierten Logik Tradition ist - immerhin entstanden Rollenspiele ja aus Kriegssimulationen. Wenn es aber rein um die Wichtigkeit des Überlebens geht, müsste man zb auch Stoffwechselvorgänge regeltechnisch sehr gründlich darstellen (Bin ich infiziert? Tödlich Vergiftet? Kann ich meine Antikörper rechtzeitig mobilisieren?).
Richtig, das sind Sachen, die extrem wichtig sind, den Durchschnittsbürger aber nicht interessieren. Deswegen gibt es dafür keine Regeln.
Falls man aber mal ein Krankenhaus-RPG schreibt, würde ich diese Sachen alle verregeln, da sie dann im Fokus des Interesses liegen.

Wie ist es denn, was hat höhere Einschaltquoten? Der Blockbuster auf Pro7 oder der Tatort auf dem Ersten? Oder gar Rosamunde Pilcher auf dem Zweiten?
Warum glaubst du, heißt ein Blockbuster "Blockbuster"?
Und wer hatte im Kino Millionen eingenommen: Der Blockbuster, Tatort oder gar Rosamunde Pilcher? (Bzw. Warum lief der Blockbuster vorher im Kino und Tatort kam nie im Kino?)

Btw, den Öffentlich-Rechtlichen kann die Einschaltquote recht egal sein.
Bei den Privaten gilt jedoch, dass eine höhere Einschaltquote auch zu höheren Werbeeinnahmen führt.

Offline OldSam

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #64 am: 30.06.2013 | 14:12 »
Was das große US-Kino angeht, habe ich mal eine schöne Statistik gesehen, die zeigte, dass es - abseits jeglicher inhaltlicher Ausgefeiltheit etc. - leider tatsächlich im Vergleich diverser Kassenschlager einen direkten Zusammenhang zwischen den Einspielergebnissen und der Anzahl an Explosionen pro Film gab  - je mehr Boom!, desto mehr Cash, war wirklich so! ;D

Offline OldSam

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #65 am: 30.06.2013 | 14:18 »
Aber wirklich gute Regeln für den Fall dramatischer bzw. brisanter Dialogsequenzen - die das Ausspielen durch spezielle Konsequenzen erweitern etc. - scheinen leider wirklich eine Seltenheit zu sein, da würde ich mir auch mehr Details wünschen... (Was gibt es denn noch so an Empfehlungen?)

Offline Beral

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #66 am: 30.06.2013 | 14:50 »
Gröber als was?
Gröber als ein Schlag.

Übrigens habe ich ad&d gespielt und die eine Minute als Kampfrunde fand ich fürchterlich. Ich selbst habe die Regelbücher nicht gewälzt, aber meine Mitspieler haben mir keine bildliche Darstellung liefern können, was in dieser Minute passieren soll. Halt irgendwie eine Reihe von Angriffen und Paraden. Größere Zeiteinheiten machen es nicht automatisch besser (aber das war auch nicht meine Hypothese!). Da wir uns nicht vorstellen konnten, was in dieser Minute genau geschehen sollte, haben wir ingame nur einen Schlag ausgespielt. Aber wir haben generell sehr viele Regeln ignoriert, so dass ich die Schuld für komisches Systemverhalten nicht gleich dem System zuschreiben würde.

Ab wann ist es taktisch? Wieviele Würfe sind genug? Wieviele Konsequenzen sind denkbar und wie genau sollen sie geregelt sein? Zufallselemente wofür: für's Treffen, den Schaden, die Konsequenzen, die Abwehr, ...?
Ja, gute Fragen. Aber von der Skalierung völlig losgelöst. Warum drängt sich der einzelne Schlag so sehr als kleinste Einheit auf? Vielleicht weil die Regelautoren vom Kampf keine Ahnung haben und dem Laien der einzelne Schlag als sinnvolle Einheit erscheint? Weil er so ins Auge springt?

Nehmen wir doch mal einen Boxkampf. 12 Runden Kampf, 36 Minuten Kampfzeit, hunderte von Treffern auf beiden Seiten. Worin besteht denn die Taktik? Ist die Aufteilung in einzelne Schläge denn die beste Möglichkeit zur Darstellung eines Boxkampfes?

Taktik, mehrere Proben und Zufallselement gingen auch anders. Für die erste Runde beschließt mein Kämpfer defensives Verhalten und die Wahrung von Distanz. Die Runde will er nutzen, um die Vorgehensweise des Gegners zu analysieren. Würfeln wir, wie gut das gelingt. Gern separat für die Defensive und die Analyse. In der zweiten Runde will der Kämpfer weiter defensiv bleiben und den Gegner auspowern lassen. Derweil sucht er weiter nach Schwachstellen. In der dritten Runde will mein Kämpfer den Gegner moralisch destabilisieren, indem er eine kleine, aber wilde Offensive startet und so andeutet: "Ich bin da und hellwach und kann dich plätten, wenn ich es nur will". Würfeln wir darauf und schauen, wie gut das gelingt.

In diesem Beispiel umfasst jede Kampfrunde gleich drei Minuten im Ring. Das ist eine sehr grobe Auflösung im Vergleich zum einzelnen Schlag. Ich persönlich kann mir darunter sehr intensiv etwas vorstellen, kann dem Kampfverlauf sehr gut folgen. Wie ist es bei euch?

Diese Vorgehensweise ermöglicht übrigens weiterhin gedankliche Zeitlupen. Beim vergleichenden Wurf von meiner Dedensive und des Gegners Offensive gelingt dem Gegner ein kritischer Treffer. In der Mitte von Runde drei hat mein Kämpfer eine kurze Unkonzentriertheit, der Gegner zieht mit einem Körpertreffer die Deckung runter und gleich darauf landet ein seitlicher Schwinger an der Schläfe meines Kämpfers. Schweiß, Speichel und Mundschutz fliegen seitlich davon, die Augen werden schlagartig glasig, der Körper rotiert um seine Längsachse, während die Knie weich werden und der Kämpfer unkontrolliert zu Boden sackt. Verschwommen sieht er den Boden, die leichtfüßig trippelnden Füße des Gegners und wie einen Blinker die Finger des Ringrichters, die im Gesichtsfeld auftauchen und gleich wieder verschwinden. Machen wir mal eine Konstitutionsprobe.

Die Argumente, die hier ins Feld geführt werden, sind allesamt ok. Kampf ist zentral, er ist wichtig, wir wollen ihn, wir wollen ihn detailliert, es soll spannend und offen sein. Alles prima. Nur braucht man für all das nicht den Schlag oder die Sekunde als Grundeinheit.

Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.

Offline OldSam

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #67 am: 30.06.2013 | 15:14 »
In diesem Beispiel umfasst jede Kampfrunde gleich drei Minuten im Ring. Das ist eine sehr grobe Auflösung im Vergleich zum einzelnen Schlag. Ich persönlich kann mir darunter sehr intensiv etwas vorstellen, kann dem Kampfverlauf sehr gut folgen. Wie ist es bei euch?

Finde ich für das Beispiel des Boxkampfs sehr gelungen. Die Frage ist aber was man daraus allgemein übertragen könnte, denn z.B. die meisten Selbstverteidigungssituationen in der Realität (also richtige Kämpfe abseits des Sports) dauern nur wenige Sekunden... (in Bezug auf die physischen Aktionen, Vorgeplänkel etc. könnte je nach Situation natürlich noch dazu zählen)

Offline 1of3

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #68 am: 30.06.2013 | 15:18 »
Ja, gute Fragen. Aber von der Skalierung völlig losgelöst. Warum drängt sich der einzelne Schlag so sehr als kleinste Einheit auf? Vielleicht weil die Regelautoren vom Kampf keine Ahnung haben und dem Laien der einzelne Schlag als sinnvolle Einheit erscheint? Weil er so ins Auge springt?

Die Analyse ist zweifelsfrei richtig. Aber warum sollten sie Ahnung haben müssen?

Offline YY

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #69 am: 30.06.2013 | 15:19 »
Nehmen wir doch mal einen Boxkampf. 12 Runden Kampf, 36 Minuten Kampfzeit, hunderte von Treffern auf beiden Seiten. Worin besteht denn die Taktik? Ist die Aufteilung in einzelne Schläge denn die beste Möglichkeit zur Darstellung eines Boxkampfes?

(Parallelpost zu OldSam)

Zwei Punkte:
Zum Einen hat ein Boxkampf eine ganz andere Struktur als ein "echter" Kampf, basierend sowohl auf den Zielen der Beteiligten als auch auf den Regeln und der verwendeten Ausrüstung.
Zum Anderen hat er im Vergleich wahrscheinlich deutlich weniger ernste Konsequenzen.

Ich hätte auch in sonst sehr feinkörnigen Systemen kein Problem damit, einen Boxkampf als einzelnen vergleichenden Wurf abzuhandeln, solange er kein zentrales Plotelement ist.


Betrachtet man aber Kämpfe (ggf. mit Waffen) in freier Wildbahn und deutlich anderen Zielsetzungen und Konsequenzen, ergibt z.B. eine minutenweise Abhandlung oder ein einziger Wurf nach jedem Taktikwechsel o.Ä. mMn keinen Sinn.
Diese Kämpfe spielen sich i.d.R. in so kurzen Zeiträumen ab, dass zumindest einzelne Kombinationen/Angriffskomplexe als kleinste Einheit durchaus geeignet sind.
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Online Arldwulf

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #70 am: 30.06.2013 | 15:31 »
Das ist doch jetzt nur so, weil du quasi alles andere in eine Schublade ablädst.

Was kann man auf einer Party wollen? Sich vollaufen lassen, tanzen, interessante Gespräche führen, neue Leute kennen lernen, flirten, was abschleppen.

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Ganz genau. Das ist es ja was ich oben anspreche. Schon eine solche Einzelsituation ist vergleichbar in ihrer Komplexität mit Kämpfen. Würde ich für jedes solches Szenario ein System bauen hatte ich sehr viel Aufwand damit zu betreiben.

Offline Mutifu

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #71 am: 30.06.2013 | 15:43 »
Anders als in dem Boxkampf sind in vielen Kämpfen auch mehr Personen beteiligt. Wenn ich mir einen Kampf in einem fantasy Szenario vorstelle, dann gibt es dort ganz unterschiedliche Kämpfertypen. Wenn der Fechter in der Zeit, in der der Elf gerade einen Pfeil eingelegt und abgefeuert hat, schon mehrere Attacken und Paraden ausgeführt hat könnte sich der Elfenspieler benachteiligt fühlen. Daher ist es naheliegend einen Bogenschuss und eine Fechtattacke jeweils als eine Aktion zu definieren und jedem Charakter pro Runde genau eine solche Aktion zu geben. 
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killedcat

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #72 am: 30.06.2013 | 15:58 »
Ich sag es mal ganz subjektiv:

Für mich hat noch keiner einen besseren Kompromiss aus inuitiv verständlich, ausreichend spannend, spielerisch funktionierend und dabei minimalem Lernaufwand gefunden. Ich hab schon einiges ausprobiert, kehre aber immer wieder zur klassischen Kampfrunde mit einzeln zu würfelnden Aktionen zurück. Ob es realistisch, originell oder artsy ist, interessiert mich dabei nicht.

Wie es anderen geht, weiß ich nicht.

Offline YY

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #73 am: 30.06.2013 | 16:02 »
Wenn der Fechter in der Zeit, in der der Elf gerade einen Pfeil eingelegt und abgefeuert hat, schon mehrere Attacken und Paraden ausgeführt hat könnte sich der Elfenspieler benachteiligt fühlen. Daher ist es naheliegend einen Bogenschuss und eine Fechtattacke jeweils als eine Aktion zu definieren und jedem Charakter pro Runde genau eine solche Aktion zu geben.  

Das wäre für meine Maßstäbe schon wieder ein relativ grober Ansatz.
Mir fallen einige Systeme ein, die genau so was nicht machen - größtenteils aus simulatorischen Gründen.

SC- bzw. Waffenbalancing scheint mir nicht der Grund für einzelne Angriffe als kleinste Einheit zu sein.
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Offline Mutifu

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #74 am: 30.06.2013 | 16:34 »
Es ist vielleicht nicht "der Grund" aber mir fallen spontan nur drei Möglichkeiten ein mit der Problematik umzugehen:

1. Man akzeptiert den Unterschied und verregelt diesen, was zu einem sehr kleinteiligen Kampfsystem wie z.B. einem Ticksystem Führt.

2. Man passt die Aktionen auf eine Aktion pro Runde an.

3. Man entkoppelt Fiktion und Regeln. Der Elf schiesst einen Pfeil ab, der Fechter setzt mehrere Attacken, Regelmechanisch wirkt sich beides gleich aus

Das Ganze ist natürlich ein Kontinuum.
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