Autor Thema: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter  (Gelesen 367 mal)

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Online manbehind

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Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« am: Gestern um 21:39 »
Moin, eine Frage an die Experten:

Im Mittelalter hat es in Deutschland viele Burgbrunnen mit Tiefen zwischen 30 und 197 m gegeben, die zur Versorgung der Besatzung mit Wasser genutzt worden sind.

Weiß jemand, wie die bedient worden sind? Wurde da Wasser eimerweise an Seilen hochgezogen, die Dutzende von Metern lang waren?

Offline flaschengeist

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #1 am: Gestern um 21:51 »
Moin, eine Frage an die Experten:

Im Mittelalter hat es in Deutschland viele Burgbrunnen mit Tiefen zwischen 30 und 197 m gegeben, die zur Versorgung der Besatzung mit Wasser genutzt worden sind.

Weiß jemand, wie die bedient worden sind? Wurde da Wasser eimerweise an Seilen hochgezogen, die Dutzende von Metern lang waren?

Wann ich an den Burgbrunnen in meiner neuen Heimatstadt Altena denke, würde ich sagen ja. Der hat allerdings "nur" 43 m Tiefe.
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittel-crunchiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/download

Online manbehind

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #2 am: Gestern um 21:58 »
Wann ich an den Burgbrunnen in meiner neuen Heimatstadt Altena denke, würde ich sagen ja. Der hat allerdings "nur" 43 m Tiefe.

Wenn ich mir vorstelle, dass ich mit 1 Eimer aus 43 m Tiefe Wasser für 500 Festungsbewohner schöpfen müsste, finde ich das viel ^^ Von daher ist es für mich schwer verständlich, wie das funktioniert hat.

Offline Quaint

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #3 am: Gestern um 22:03 »
Uff, schwierige Frage. Das ist mit der Technologie damals ja gar nicht so einfach.
Ich hab mal geguckt wegen Seilen.

Hanfseil-Hemp Rope aus 100% Naturhanf Durchmesser 10mm - Länge 10 Meter

100% Naturhanf
Durchmesser: 10mm
Max. Bruchlast : ca. 700 daN ( = ca. Kg )
Gewicht g/Meter: ca. 69
Konstruktion: 4 schäftig gedreht , aus vier einzelnen Litzen

Sehr gute Qualität - made in Germany.

Länge: 10 Meter

Sprich so ein Seil hält etwa 700kg und wiegt für z.B. 200m etwa 14kg

Möglich ist es also. Ist zwar nen modernes Seil, aber an Hanfseilen tut sich glaube nicht viel mit moderner Technik.

Was ich mir noch vorstellen könnte ist, dass man da nicht an nem langen Seil nen einzelnen einsamen Eimer hat, sondern quasi so ein Seilkreis wo alle paar Meter nen Eimer dran ist und auf der einen Seite kommen sie hoch während sie auf der anderen Seite runter gehen. Also fast wie ein Förderband quasi. Aber das bewegst du dann auch nicht alleine mit ner Handkurbel. Sondern da würde man ne größere Winde brauchen. Brauch aber dann nicht soviele Drehungen an der Winde bis der nächste Eimer da ist.
Ist aber natürlich ein reiner spekulativer Gedanke - ich weiß nicht wie es historisch war. Kommt mir nur so wahnsinnig ineffizient vor da hundert Kilo Seil hunderte Meter zu bewegen für einen Eimer.

Edit: Rechenfehler bereinigt.
« Letzte Änderung: Heute um 04:18 von Quaint »
Besucht meine Spielkiste - Allerlei buntes RPG Material, eigene Systeme (Q-Sys, FAF) und vieles mehr
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Offline Chaos

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #4 am: Gestern um 22:05 »
Wenn ich mir vorstelle, dass ich mit 1 Eimer aus 43 m Tiefe Wasser für 500 Festungsbewohner schöpfen müsste, finde ich das viel ^^ Von daher ist es für mich schwer verständlich, wie das funktioniert hat.

Je mehr Wasser, desto mehr Gewicht. Selbst ein einzelner Eimer von ein paar Litern ist eine ziemliche Hausnummer, wenn du den 43 Meter hochziehen musst - das ist immerhin das Äquivalent von was... 15 Stockwerken? Also, mehr als ein Eimer auf einmal dürfte schwierig werden.
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Offline Herr Moin

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #5 am: Gestern um 22:06 »
Vielleicht wurden beim Wasserhochziehen Nutztiere (Pferde, Ochsen...) verwendet.

Online manbehind

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #6 am: Gestern um 22:19 »
Danke soweit für die Antworten :) Das Problem, dass das Eigengewicht des Seils o. ä. hinzukommt und das je schwerer wiegt, desto größer die Tiefe, hatte ich gar nicht auf der Reihe. Und 43 m sind noch rel. wenig im Vergleich zu z. B. 150 m.

Offline sma

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #7 am: Gestern um 22:28 »
Ich bin kein Experte, aber ich kann abschätzen.

Mit einem 10L Eimer und einem 100m langen Seil muss man maximal 30kg (10kg Wasser, 5kg Eimer, Tanne, eisenverstärkt, 15kg 100m Hanfseil, 15mm) hochziehen. Die Hubarbeit beträgt maximal 29kJ. Da das Seil kürzer wird, sind es ganz oben nur noch 15kg bzw. 14,5kJ, im Schnitt also ~22kJ. Ein Mensch, sagt mir ChatGPT, kann 100W Leistung erbringen, das wären 100J/s, braucht damit etwa 220 Sekunden oder etwas unter 4 Minuten. In der Stunde kann er damit ~160L Wasser hochziehen.

Ein Brunnen, der 2m durchmisst hat einem Umfang von ~6m, daher würde ich sagen, dass da 6 Leute schöpfen können, ohne sich in die Quere zu kommen und ich komme auf knapp 1000L.

Ein Mensch kommt mit 15L pro Tag aus (Trinken, Kochen, Waschen), Ein Pferd braucht 40L, ein Schwein 15L, eine Milchkuh 50L, ein Hund 2L und ein Huhn 0,5L (sagt ChatGPT). Bei 50 Menschen, 20 Pferden, 12 Schweinen, 5 Hunden, 5 Kühen und 20 Hühnern, zusammen brauchen die 2000L Wasser.

Das können 2 Leute am Tag locker schöpfen - oder 6 in 2 Stunden.

Dem Brunnen angeschlossen sollte aber definitiv eine Zisterne sein. Sei es, um morgens und abends das Wasser zu haben, was die Knechte Tom und Fred den ganzen Tag schöpfen, sei es um kostbares Regenwasser aufzufangen, damit die beiden sich dann um das Viehzeug kümmern können.

Mechanische Pumpen sind bei 100m Hubhöhe bis zum 18. Jahrhundert kein Thema. Um 1550 gab es in Augsburg und um 1560 in Nürnberg Holzkolbenpumpen, die Lederdichtungen hatten. Die Saughöhe betrug aber maximal 10m, d.h. für einen Tiefbrunnen von 100m bräuchte man 10 Stück davon. Nutze man zu dieser Zeit aber nur in Bergwerken.

Offline Skeeve

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #8 am: Gestern um 22:50 »
Ich bin sicher dass die Frage bei der Führung durch die Festung Königstein (oberhalb von Königstein / Sachsen an der Elbe) auch angesprochen wurde, ich kann mich nur nicht mehr erinnern ... [ach, schauen wir doch einfach mal nach]  :d
Festung Königstein Brunnenhaus
Zitat
    1563-69 abgeteuft (152,5 m tief)
    Wasserförderung anfangs mittels Pferdegöpel, später Tretrad,
    ab 1871 Dampfmaschine, ab 1911 Elektromotor, 1967 stillgelegt
    seit 1998 Wasserfördertechnik wieder funktionstüchtig
... oft genug sind die Spieler die größten Feinde der Charaktere, da helfen auch keine ausgeglichenen Gegner

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Offline sma

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #9 am: Gestern um 22:55 »
Sprich so ein Seil hält etwa 700kg und wiegt für z.B. 200m etwa 140kg
Ich glaube, du hast dich da verguckt. Um 15kg zu heben, sollte ein 14mm Hanfseil reichen, aber bei Amazon finde ich nur 20mm. Das wiegt 1,2kg pro 10m, also sprechen wir von 12kg. Eben hatte ich's mit 15kg abgeschätzt, weil schönere Zahl.

Wie kommst du auf den 12-fachen Wert?

Zitat
Was ich mir noch vorstellen könnte ist, dass man da nicht an nem langen Seil nen einzelnen einsamen Eimer hat, sondern quasi so ein Seilkreis wo alle paar Meter nen Eimer dran ist
Das kannst du als Mensch dann nicht mehr hochheben. Jeder weitere 10L Eimer schlägt ja mit 15kg zu Buche.

Es gab Tretmühlen, aber auch hier kann man dauerhaft nur 100-150W realisieren. Wenn sie groß genug ist, passen 2 Leute rein, die wenn sie gut aufeinander eingespielt sind wie Fred und Tom, zusammen 300W schaffen.

Nun bräuchten wir aber eine Seilschlaufe von 200m mit sagen wir mal 6 Eimern und müssten im Schnitt jeweils 30kg heben (3 Eimer hoch, drei gehen ja runter und negieren so das Gewicht der Eimer, ebenso muss das nun viel stärke und schwerere Seil nicht gehoben werden, sondern nur die Reibung der Umlenkrolle überwunden werden. Das sind 30kJ für das Wasser. Kurze Recherche sagt, dass wir 60% Wirkungsgrad annehmen können, also 50kJ, also könen die beiden dann 3 Eimer in 3 Minuten heben, oder habe ich mich verrechnet?

Zitat
Ist aber natürlich ein reiner spekulativer Gedanke - ich weiß nicht wie es historisch war. Kommt mir nur so wahnsinnig ineffizient vor da hundert Kilo Seil hunderte Meter zu bewegen für einen Eimer.
Doch, so eine Eimerkette ist historisch belegt, sogar seit der Antike, nur nicht für Tiefbrunnen. Aber so ineffizient ist auch die simpelste Methode nicht, siehe meine zuvorige Rechnung.

Und auch die können wir optimieren, indem wir nicht einfach den Eimer hochziehen, sondern hochkurbeln. Braucht ggf. weniger Kraft, dauert aber länger wegen der Kraftumlenkung, kann ich aber nicht ausrechnen und hat auch wieder Reibung mit im Spiel.

Offline Skeeve

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #10 am: Gestern um 23:15 »
Ob das in Königstein zu Zeit von Pferdegöppel und Tretrad auch schon zwei "Eimer" (wohl eher Fässer) waren wie jetzt auf den Bildern der Wasserfördertechnik von 1911 zu sehen, aber kann ich mir gut vorstellen. Ein leerer Eimer runter, ein voller hoch: muss Mann oder Pferd "nur" noch das Wasser hochziehen. Bei den Eimern auf den Bildern sind das aber vielleicht auch gut 250 Liter im vollen Eimer. Es darf nur das Seil nicht reißen...
« Letzte Änderung: Gestern um 23:17 von Skeeve »
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Offline CK

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« Letzte Änderung: Heute um 02:43 von CK »

Online Orok

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #12 am: Heute um 08:42 »
Waren die Brunnen nicht auch eher als Zusatz zur Regenwasser-Speicherung in Zisternen/Fässern zu verstehen, nicht für den täglichen Grundgebrauch?
E PLURIBUS DUDEINUM
IN DUDENESS WE ABIDE

Online manbehind

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Re: Bedienung tiefer Burgbrunnen im Mittelalter
« Antwort #13 am: Heute um 13:48 »
Danke an alles bis hierhin :)

Nach meinem Verständnis sollten sie vor allem die Wasserversorgung und dadurch die Verteidigungsfähigkeit im Belagerungsfall sicherstellen.