Autor Thema: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?  (Gelesen 4093 mal)

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Achamanian

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Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« am: 7.03.2016 | 10:54 »
Ein komischer Rollenspiel-Historien-Gedanke, der mir beim Lesen des Conan-Quickstarters und einer Turbo-Fate-Runde kam:
Ende der 80er/Anfang der 90er (gefühlt) verbreitete sich der komplexe und kleinteilige Ausbau von Rollenspielsystemen, mal unter simulationistischen, mal unter gamistischen Aspekten. Ich denke da an Sachen wie Shadowru (2. Edition aufwärts), DSA4, spätere D&D-Versionen, Rolemaster (okay die waren wohl früher und in dieser Beziehung einfach ihrer Zeit voraus). Ich glaube, der Impuls dabei war gar nicht unbedingt die Vorstellung, dass man alles in Regeln abbilden können muss (okay, sicher auch), sondern vor allem, die Aspekte, mit denen man regelseitig herumspielen, System Mastery entwickeln oder über die man einfach fachsimpeln und sich Gedanken machen konnte, auszubauen und zu unterfüttern.
Dieser Ausbau stößt natürlich da an seine Grenzen, wo das System, egal, wie durchdacht es sein mag und wie rund es bei vollumfänglicher richtiger Anwendung laufen mag, von Menschen gespielt wird, die (je nach persönlichem Einsatz) nur ein gewisses Maß dieser Komplexität auch wirklich umsetzen können. Folgerichtig war dann auch die Forderung nach echter Modularität einerseits, andererseits die Verschiebung des Blicks auf die allgemeineren Regeln, nach denen Geschichten funktionieren (die die Abbildung kleinteiliger Prozesse tendenziell überflüssig macht), und noch etwas später dann die Rückbesinnung auf einfache Regeln+Rulings (OSR+ Co.).

Nun habe ich das Gefühl, dass die durch die Indies angestoßene Konzentration auf "die Regeln der Geschichte" gerade teilweise eine ähnliche Entwicklung nimmt wie Anfang der 90er die klassischen Systeme, die immer komplexer wurden. Für mich fängt das schon bei Fate an - mit den Aspekte-Schlachten, der durchaus komplexen Punkteökonomie, den Boosts und Fate-Punkten als getrennte Ressourcen. Deutlicher noch zeigt es sich bei einem Hybrid wie dem 2d20-System, da kenne ich jetzt die Quickstarter von Conan und Infinity, die mir mit ihren diversen Spieler- und SL-Pools und noch dazu mit speziellen Kampfwürfeln, die Stunts auslösen können, den Kopf zum Schwirren bringen. Burning Wheel muss man wohl auch nennen, wobei da auf beiden Schienen (klassisch und Indie-mäßig) ziemlich ausdifferenziert wird.

Ich will das jetzt gar nicht unbedingt schlecht machen - abstrakt sind solche Systeme für mich sehr reizvoll, beim Spielen merke ich allerdings, dass mir bereits Turbo-Fate am Tisch eigentlich zu komplex (nicht unbedingt kompliziert) ist, weil es seine so ausdifferenzierte Punkteökonomie hat, die als Mechanismus ganz toll sein mag, die aber auch von Spielern umgesetzt werden muss.

Ist was dran an dieser These? Werden die Erzählspielmechanismen, die ja inzwischen vor allen Dingen verquickt mit klassischen Mechanismen auftauchen, tendenziell immer komplexer, dabei vielleicht auch ausgefeilter und mechanisch interessanter, aber schwerer umzusetzen?

eldaen

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #1 am: 7.03.2016 | 11:16 »
Ja, ich habe denselben Eindruck. Insbesondere wurde mir das bei Fate (nicht Turbo) und bei dem neuen Star Wars und den 2d20 Regeln bewusst. Mir ist als SL letztlich egal, ob ich detaillierte Regeln über Mindestwürfe und (Zahlenwert-) Modifikatoren sowie Tabellen dazu habe, oder ob es sich um detaillierte, abstrakte, komplexe Regeln zur Gummipunktmechanik habe oder sich das ganze als "narratives" Würfelpool Gehampel tarnt. Letzlich verlieren all diese Methoden nach und nach wieder genau das aus dem Blick, was du beschreibst: Die Managebarkeit durch Menschen am Spieltisch während des Spiels. Also eigentlich alter Wein in neuen Schläuchen. Deswegen bevorzuge ich mittlere Komplexität mit intuitiven, gut handwedelbaren Regeln.

Offline LushWoods

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #2 am: 7.03.2016 | 11:32 »
Normalerweise beteilige ich mich aus diversen Gründen nicht an Rollenspieltheorie-Diskussionen und ich kann Rumpel auch nur selten zustimmen.
Hier trifft's allerdings absolut den Nagel auf den Kopf (auch dein Post HEXer).
Aber ich schreib mal was, weil mich das aktuell auch beschäftigt.

Ich kann kaum etwas anfügen, weil ich der absolut gleichen Meinung bin.
Wir haben's probiert, es hat nicht funktioniert.
Star Wars, FATE, FATE Accelerated, ...
Nicht das die Spiele nicht spielbar wären, aber es gestaltet sich in der Praxis alles irgendwie komplexer als es anfangs den Anschein hat.
Ich kann auch mit den Storytellersachen von White Wolf nur noch bedingt was anfangen. Ein ähnliches Problem hier.
Ein schöner Kern und dann wird draufgepackt ...
Selbst in der nWoD ist/war dieser Trend bei bestimmten Linien zu beobachten.
Für mich ein Graus.

Ich, oder besser wir können mit Bestimmtheit sagen das uns "traditionellere" System mit wenig bis mittelmäßig viel Crunch am meisten liegen.
Ist eine moderne Gummipunkt Mechanik dabei ... umso besser.
Ubiquity, Savage Worlds, Rapidfire, Unisystem, etc. so was läuft bei uns immer noch am besten.

Fazit: Ja, ich sehe diesen Trend. Mag ich ihn persönlich? Nein, nicht unbedingt, weil ich mit ansehen muss wie Spiele die mich eigentlich interessieren (Star Wars, Mutant Chronicles, Conan, Infinity, Fragged Empire, John Carter?, 7th Sea?, etc.), durch das System auf einmal uninteressant werden. Und das ist schade.
Und den tollen Tipp: Na dann spiel's halt mit XYZ nehm ich nicht an. Wenn ich gutes Geld für Rollenspielbücher ausgebe, dann will ich auch was für mein Geld und nicht die Hälfte des Buches in die Tonne kicken.

Offline nobody@home

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #3 am: 7.03.2016 | 11:45 »
Fazit: Ja, ich sehe diesen Trend. Mag ich ihn persönlich? Nein, nicht unbedingt, weil ich mit ansehen muss wie Spiele die mich eigentlich interessieren (Star Wars, Mutant Chronicles, Conan, Infinity, Fragged Empire, John Carter?, 7th Sea?, etc.), durch das System auf einmal uninteressant werden. Und das ist schade.
Und den tollen Tipp: Na dann spiel's halt mit XYZ nehm ich nicht an. Wenn ich gutes Geld für Rollenspielbücher ausgebe, dann will ich auch was für mein Geld und nicht die Hälfte des Buches in die Tonne kicken.

Wobei ich letzteres zum Teil durchaus für den Trend mitverantwortlich machen würde. Denn zumindest ein Teil der Komplexität kommt ja wohl auch dadurch zustande, daß sich Rollenspielverfasser (ob jetzt objektiv völlig korrekt oder nicht, sei einmal dahingestellt) irgendwo in der Pflicht sehen, ihren Kunden etwas angemessen "Solides" zu bieten -- und da packt man dann im Zweifelsfall vielleicht lieber etwas mehr drauf, oder erweitert sein System im Laufe der Zeit halt um diverse Regelzusätze, als daß man sich hinterher anhört, das eigene Regelwerk sei dann doch ein bißchen zu anspruchslos, um auch noch Geld dafür zu verlangen...

Offline Lord Verminaard

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #4 am: 7.03.2016 | 11:46 »
Ob du diese Entwicklung jetzt in den frühen 90ern richtig verortest, das sollen mal unsere wandelnden Almanache untereinander ausmachen (für mich ist frühe 90er vor allem Vampire). Da ich die ganzen angesprochenen Systeme mit Ausnahme von FATE nicht kenne, kann ich nicht viel Fundiertes sagen, möchte aber mal folgendes in den Raum werfen:

Es besteht ein Unterschied zwischen Komplexität und bloßer Kompliziertheit.

Es besteht ein Unterschied zwischen detailliertem Crunch (hier liefert das System bereits die Kleinteiligkeit), und abstrakt gesehen recht einfachen Regeln, die dann im Spiel aber zu Kleinteiligkeit führen (wie die erwähnten Aspekt-Schlachten). Es ist eine sehr unterschiedliche Art von System Mastery und letztendlich auch eine unterschiedliche Intention. So Sachen wie wirtschaftliche Interessen der Verlage spielen da rein, und auch der immer wieder vorkommenede untaugliche Versuch, Konflikte am Spieltisch über ausdifferenziertere Spielregeln lösen zu wollen.
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Offline LushWoods

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #5 am: 7.03.2016 | 11:56 »
Was ich noch dazu sagen muss:
Ich sehe das als mein persönliches Problem an und lege das nicht den Spielen zu lasten.
Ist ja absolut legitim das solche Spiele jetzt gerade IN sind und ihre Käufer und Liebhaber finden.
Meins ist es aber halt nicht und ich hab's wirklich probiert.

Achamanian

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #6 am: 7.03.2016 | 12:05 »

Es besteht ein Unterschied zwischen Komplexität und bloßer Kompliziertheit.

Es besteht ein Unterschied zwischen detailliertem Crunch (hier liefert das System bereits die Kleinteiligkeit), und abstrakt gesehen recht einfachen Regeln, die dann im Spiel aber zu Kleinteiligkeit führen (wie die erwähnten Aspekt-Schlachten). Es ist eine sehr unterschiedliche Art von System Mastery und letztendlich auch eine unterschiedliche Intention. So Sachen wie wirtschaftliche Interessen der Verlage spielen da rein, und auch der immer wieder vorkommenede untaugliche Versuch, Konflikte am Spieltisch über ausdifferenziertere Spielregeln lösen zu wollen.

Das stimmt, nur stimmt eben nicht unbedingt die oft aufgemachte Gleichung: "Komplex=funktional" vs. "Kompliziert=dysfunktional". Klar, kompliziert nervt schon meistens. Komplex kann aber auch nerven. Und Komplexe Spiele können durchaus sehr einfache Regeln haben - siehe Fate, das einfach aussieht, aber m.E. rein regelseitig schwer zu spielen ist (ich weiß, dass mir viele da wiedersprechen werden, aber ich habe die Erfahrung jetzt schon oft gemacht).
Bei Systemen wie 2d20 mag die Erzählpunkte-Kompenente auch hervorragend durchdacht und eher komplex als kompliziert sein (ich weiß es nicht); aber trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass das ganze am Tisch großer Konzentration und Einarbeitung bedarf.

Um weiter zu verallgemeinern: Ich habe den Eindruck, dass das Rollenspiel gerade mal wieder in einer Phase ist, wo Etabliertes (in diesem Fall explizite Erzählmechanismen) vertieft und ausgearbeitet wird; damit geht in vielen Fällen aber auch die Zugänglichkeit verloren.

Ucalegon

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #7 am: 7.03.2016 | 12:06 »
Ich hätte gerne noch mehr Beispiele für diese komplexen Systeme/"solche Spiele", die "gerade IN" sind.  ;)

Ich finde es erstmal komisch, FATE und Burning Wheel in einen Topf zu werfen mit FFGs Star Wars. Das 2d20 System kenne ich nicht, ist aber wie FFG SW von Jay Little, oder?




eldaen

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #8 am: 7.03.2016 | 12:09 »
Naja, wenn du aber z. B. Starblazer Adventures mit FFGs Star Wars vergleichst, dann wird glaube ich klar, was gemeint ist.

Ansonsten: Rumpel, kann ich dich anheuern um in Zukunft alle meine Posts zu schreiben? Du formulierst das viel besser als ich und wir sind eh anscheinend immer einer Meinung... :)

Offline Korig

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #9 am: 7.03.2016 | 12:17 »
Ich hätte gerne noch mehr Beispiele für diese komplexen Systeme/"solche Spiele", die "gerade IN" sind.  ;)

Ich finde es erstmal komisch, FATE und Burning Wheel in einen Topf zu werfen mit FFGs Star Wars. Das 2d20 System kenne ich nicht, ist aber wie FFG SW von Jay Little, oder?


Ja ist auch von Jay Little.

Achamanian

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #10 am: 7.03.2016 | 12:17 »

Ansonsten: Rumpel, kann ich dich anheuern um in Zukunft alle meine Posts zu schreiben? Du formulierst das viel besser als ich und wir sind eh anscheinend immer einer Meinung... :)

In dem Moment, wo du das tust, würde ich sicher sofort was schreiben, was deiner Meinung total widerspricht! >;D

Ucalegon

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #11 am: 7.03.2016 | 12:24 »
Naja, wenn du aber z. B. Starblazer Adventures mit FFGs Star Wars vergleichst, dann wird glaube ich klar, was gemeint ist.

Ich nehme Mindjammer, das kenne ich und es ist wahrscheinlich eine ähnlich komplexe FATE-Umsetzung.

Wo die Gemeinsamkeiten mit FFGs SW liegen sollen sehe ich nicht. Erklär mal.  ;)
« Letzte Änderung: 7.03.2016 | 12:26 von Ucalegon »

Offline LushWoods

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #12 am: 7.03.2016 | 12:25 »
Ich hätte gerne noch mehr Beispiele für diese komplexen Systeme/"solche Spiele", die "gerade IN" sind.  ;)

Für mich zählen da auch die *world Sachen und Cortex+ dazu.
Hier liegt es nicht unbedingt an der Aufgeblähtheit der Regelmenge, sondern einfach daran das sich mir nicht erschließt warum ich Rollenspiele SO spielen sollte.

Oder was ist mit dem Kartensystem von Engel? Gut, ist nicht IN, aber trotzdem ...
Ein einfacher Grundgedanke, aber wahnsinnig komplex in der Ausführung. Wir haben es lange genug versucht, glaubt mir.

Oder um noch mal auf Storyteller zurück zu kommen:
Hier zeigen sich in der nWoD beide Extreme sehr schön, wie ich finde.
Changeling the Lost: Abartig gutes Setting, einfache Kernmechanik, aber hat schon mal jemand versucht alles was das Spiel bietet getreu, regelseitig umzusetzen bzw. zu integrieren? Eine Krankheit.
Das absolute Gegenbeispiel ist Hunter the Vigil: Hier wird die schlanke, elegante Grundmechanik weitestgehend beibehalten und es funktioniert, ohne einen wichtigen Bestandteil des Settings wegzulassen.

Offline Thandbar

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #13 am: 7.03.2016 | 12:56 »
Ist was dran an dieser These?

Ich bin mir nicht sicher, ob Du diesen Trend nicht eher konstruierst als wirklich auffindest. Komplexere Systeme gibt es ja schon die ganze Zeit über (Exalted, Legends of the Wulin), die sozusagen neben dem Mainstream herlaufen. Was in den großem Franchises stattfindet, ist meiner Meinung nach dieses Rapunzel-Syndrom: Da werden alte Zöpfe abgeschnitten, nur um gleich wieder neue nachwachsen zu lassen.

Vielleicht wird FATE auch immer komplexer, weil man zusätzliche Bücher verkaufen will. Und dann verkauft man wieder eine Edition, in der nun alles wieder so schön klassisch einfach ist - retro ist wieder in! 
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Offline Chiarina

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #14 am: 7.03.2016 | 13:01 »
Also Moment mal... soweit ich das beurteilen kann, wird Fate nicht komplizierter (oder komplexer - whatever...).
Man kann ein paar Eigenheiten von Fate schwierig zu spielen finden. Das unterschreibe ich sofort.
Man kann aber wohl nicht sagen, dass das von Edition zu Edition schlimmer geworden sei. Eher im Gegenteil, oder? Die Zahl der Aspekte beispielsweise wurde doch im Laufe der Editionen kontinuierlich veringert, oder liege ich da falsch?
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Offline Haukrinn

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #15 am: 7.03.2016 | 13:05 »
Bei Fate sehe ich das auch nicht. Das startet auf einem zugegebenermaßen relativ hohen Plateau, da bleibt es dann aber auch.

So typische Systeme wo ich das mit der Komplexität vor allem sehe sind für mich D&D3.5/Pathfinder und Shadowrun. Hier werden die Spiele mit jedem Quellenbuch ja auch regelseitig deutlich komplexer. Und wenn es dann endgültig zu viel wird (Shadowrun) kommt halt eine neue Edition und der Spaß geht von vorne los, meist aber schon mit signifikant erhöhter Startkomplexität (das war insb. am Übergang SR1 nach SR2 und SR4 nach SR5 gut zu erkennen).
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Offline Thandbar

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #16 am: 7.03.2016 | 13:06 »
Also Legends of Angelerre / Starblazer war, soweit ich weiß, viel komplexer als das, was danach so kam.  :D
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Achamanian

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #17 am: 7.03.2016 | 13:08 »
Fate ist auch nicht unbedingt ein gutes Beispiel, für ein System das immer komplexer wird; aber vielleicht schon ein Beispiel für ein System, das Indie-Ideen aufnimmt und dann in deutlich komplexerer Weise zur Ausarbeitung bringt. Da bin ich aber mit den Systemhistorien nicht vertraut genug, um das zu beurteilen ...

eldaen

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #18 am: 7.03.2016 | 13:15 »
Das ist im Grunde richtig.
Ich nehme Mindjammer, das kenne ich und es ist wahrscheinlich eine ähnlich komplexe FATE-Umsetzung.

Wo die Gemeinsamkeiten mit FFGs SW liegen sollen sehe ich nicht. Erklär mal.  ;)

Darin, dass (auch wenn sie sich regeltechnisch nicht unterscheiden) es einzelne Subsysteme für eine Vielzahl von Bereichen gibt. Das Grundsystem ist sehr einfach und überschaubar, unterschiedet sich dann aber in verschiedenen Anwendungsgebieten leicht in Auswirkungen und anderen Details. Mehr Zeug, dass man im Kopf haben muss. Mir ist von Starblazer Adventures wenig im Kopf geblieben, aber als Beispiel wäre da die Anwendung von Aspekten etc. auf Organisationen, aber auch auf aufeinander aufbauende Szenen. Natürlich hat der Ausgang einer Szene meist auch eine Bedeutung für den Verlauf der nächsten, oder verschiedene Ereignisse Auswirkungen auf den Ablauf beispielsweise einer Schlacht. Aber in frühen Systemversionen ist tendenziell weniger davon bereits verregelt. Es ist freier in der Anwendung und nicht noch ein weiterer Baustein (sei er noch so "optional"), den Spieler bzw. SL im Kopf haben müssen. Sicher haben sie die Auswirkungen und Konsequenzen ihrer Handlung im Kopf, aber nicht noch die zusätzliche Regelebene. Naja, und je weiter man das halt auseinanderfächert, desto "Regellastiger" wird es dann eben. Ich finde diese "Aufdröselung ins Detail" gibt es eben auch bei Star Wars. Naja, und dass sowas bei Fate anders aussieht, als bei "konventionelleren" Systemen mag schon klar sein. Aber generell sehe ich auch da den Trend zu zunehmender Verregelung, wo anfangs mehr flexibel Gehandhabt wurde. Dass es dabei mit Starblazer einen (Mount Everest-mäßigen) Höhepunkt erreicht hat, nach dem es erst mal wieder vereinfacht wurde, ist sicher richtig. Aber die vielen Fate Worlds of Adventure (oder auch nur der Fate Core Zusatzband zeigen eben wieder eine Tendenz dazu, einzelne Bereiche zu verregeln, die man ansonsten gehandwedelt hätte. Auch wenn man nur "Vorschläge macht", und nicht alle Systeme auf einmal angewendet werden. Ausgearbeitet und veröffentlicht werden sie dennoch.

 "Slip" bei den Worlds of Adventure hat beispielsweise einen Mechanismus, in dem die einzelnen Phasen einer Invasion abgebildet werden. Das ist für das System an sich schön und gut. Aber: Es erweitert den bestehenden Stamm an "Mechanik-Blöcken", wenn ich zum Beispiel nachsehen kann, was eine Mittlere Konsequenz jetzt für eine solche Invaion bedeutet. Ähnlich handhabt es Star Wars, wo der Grundmechanismus (außer beim Raumkampf!) eigentlich simpel und flexibel ist, aber durch spezifische Anwendungsbereiche immer weiter aufgefasert wird: Eine Kobination von zwei Erfolgen und drei Nachteilen bedeutet bei Fertigkeit X in Situation Y folgendes....

Ist klar, was ich meine? Sonst frag Rumpel! ;)
« Letzte Änderung: 7.03.2016 | 13:19 von HEXer »

Offline rillenmanni

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #19 am: 7.03.2016 | 13:25 »
Wenn ich das vielleicht nur kurz anmerken darf: Im Eingangsbeitrag ist ein Fehler. DSA4 gibt es seit 2000, nicht seit Anfang der 90er. (DSA3 seit 1992.)
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Offline Chiarina

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #20 am: 7.03.2016 | 13:31 »
Zitat von: HEXer
die vielen Fate Worlds of Adventure (oder auch nur der Fate Core Zusatzband zeigen eben wieder eine Tendenz dazu, einzelne Bereiche zu verregeln, die man ansonsten gehandwedelt hätte

Ich sehe aber einen Unterschied darin, dass das Zusatzregeln sind, die helfen sollen, ein bestimmtes Setting zu unterstützen. Wenn du ein anderes Setting spielst, brauchst du sie nicht. Und du brauchst sie selbst dann nicht, wenn du das Setting spielst. Das ist schon ein Unterschied zu Systemen mit 40 crunchigen Quellenbüchern (von denen ich auch eines spiele).

Ich besitze nur die Fate Core Regeln, die Toolbox und die beiden Fate Worlds Sammelbände. Toolbox und Fate Worlds Sammelbände schaue ich mir manchmal an, um mir ein paar Anregungen zu holen. Beim Spiel allerdings ignorieren wir sie fast komplett. Letztlich ist es tatsächlich so: Was über Fate Core hinausgeht handwedeln wir. Und ich sehe nicht, dass Fate irgendwo sagt: "Böseböse, dann bist du jetzt leider nicht mehr im Club!"
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Offline knörzbot

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #21 am: 7.03.2016 | 13:54 »
Ich hatte beim Lesen der 2D20 Regeln für Mutant Chronicles ebenfalls Bedenken bezüglich der verschiedenen "Gummipunktepools". Bei der Testrunde auf dem Großen stellte sich aber heraus, dass sich das Ganze komplizierter liest als es sich spielt. Es gab da keinerlei Probleme oder Verzögerungen.

Achamanian

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #22 am: 7.03.2016 | 14:08 »
Wenn ich das vielleicht nur kurz anmerken darf: Im Eingangsbeitrag ist ein Fehler. DSA4 gibt es seit 2000, nicht seit Anfang der 90er. (DSA3 seit 1992.)

Danke für den Hinweis. Da hat mit tatsächlich meine Biographie einen Wahrnehmungsstreich gespielt ...

Offline D. Athair

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #23 am: 7.03.2016 | 14:11 »
Hmmm ...
Ich finde die Ausgangsfrage schwer zu beurteilen.
Die Tendenz für bestimmte tolle neue Ideen und entsprechende Regeleffekte 2-3 überflüssige Schritte zu gehen, wie das in den 90ern (??) gern gemacht wurde, sehe ich auch.
FFG Star Wars und 2d20 sind für mich da die "klassischen" Beispiele. Andererseits beziehen die ihre Ideen aus Spät-2000er-Experimenten (WFRP3, D&D4, etc.).

Vielleicht ist das eher der "Mainstream-Effekt" der da zuschlägt.
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan

Ucalegon

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Re: Early 90s all over Again - mit Gummipunkten?
« Antwort #24 am: 7.03.2016 | 14:31 »
Was FATE angeht, sehe ich das so wie Chiarina. In Deep Dark Blue geht es hauptsächlich um Uboote, d.h. eine ausformulierte FATE-Mechanik dafür macht Sinn. Subsysteme im klassischen Sinn hatte bei FATE auch Diaspora, würde ich sagen. Für "platoon combat" zum Beispiel.

Star Wars hat echte Subsysteme nur in den Erweiterungsbänden: Basenbau oder Handelsregeln - ein Klassiker seit Traveller - und so.

Man pickt sich das raus, was man braucht.

Ähnlich handhabt es Star Wars, wo der Grundmechanismus (außer beim Raumkampf!) eigentlich simpel und flexibel ist, aber durch spezifische Anwendungsbereiche immer weiter aufgefasert wird: Eine Kobination von zwei Erfolgen und drei Nachteilen bedeutet bei Fertigkeit X in Situation Y folgendes....

Das wiederum sind für mich keine Subsysteme, sondern Beispiele für mechanische, z.T. auch narrative Effekte der Interpretation der Würfelpools. Sie gehören also essentiel zur Grundmechanik dazu. Und da hat Star Wars zugegebenermaßen ein Problem, weil bewusst offen gelassen wird, wie verbindlich und abschließend diese Beispiele zu handhaben sind. Kann/Muss ich meine Ressourcen (Triumph, Erfolge, Threat etc.) nur für die genannten x Effekte ausgeben oder müssen sich mechanische Effekte im Zweifelsfall der narrativen Interpretation der Würfelergebnisse anpassen bzw. sind alle möglichen narrativen Folgen denkbar. In unserer Runde klappt Letzteres wunderbar.

Bei FATE wiederum fand ich selbst Mindjammer ziemlich klar, was die Mechanik angeht. Und auch wenn man seinen SC mit Extras und Aspekten vollstopft letztlich recht übersichtlich im Vergleich z.B. zu SR 3E.
« Letzte Änderung: 7.03.2016 | 14:33 von Ucalegon »