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Old-School-Rollenspiel-Fibel
Greifenklaue:
--- Zitat von: alexandro am 12.04.2017 | 20:13 ---Ein generelles "Ich taste die Wände ab" wäre mir definitiv zu wenig für einen sicheren Ausgang der Handlung. Bei solchen generalisierten Standardsätzen kann man auch gleich mit Chat-Bots spielen, ist in etwa das gleiche.
Für eine solche Aktion würde ich einen Bonus auf den Wahrnehmungswurf geben und gut ist.
--- Ende Zitat ---
Ja, seh ich auch so.
Vor allem: Wenn man nix findet, zieht es sich ... Da ist eine Mischung aus beiden schon ganz gemütlich.
Sashael:
Weil ich explizit darum gebeten wurde. ;)
--- Zitat von: Sashael am 12.04.2017 | 07:42 ---Ich fand die ziemlich Kacke. ;D
--- Ende Zitat ---
--- Zitat von: Der Narr am 12.04.2017 | 10:17 ---Hast du Lust zu erklären, wieso?
--- Ende Zitat ---
Auch wenn ich jetzt mal ordentlich auf diverse Füsse trete. ;)
Ich habe Die Old-School Rollenspiel-Fibel auf dem GRT mitgenommen und sie mir auf der Heimfahrt gleich zu Gemüte geführt. Danach wusste ich, dass ich a) kein Oldschooler bin und b) den grundlegenden Gedanken hinter dieser Art zu spielen auch nahezu komplett ablehne. Warum? Nunja ...
Zunächst konnte ich einige Gedankengänge beim Lesen durchaus nachvollziehen und nickte zustimmend mit dem Kopf. Dann kam der erste Satz, bei dem ich die Augenbrauen hochzog und mental in Verteidigungshaltung ging: "Wenn du dies und das beim Rollenspiel nicht tust, dann sagt das etwas über dein Können als Spieler aus." (Nur zweiter Teil des Satzes ist ein direktes Zitat)
Okaaaay, dachte ich, was ist das für eine Aussage? Eine abwertende auf jeden Fall, was ich bereits allein als NoGo ansehe. Wer mir irgendwas näher bringen möchte, sollte tunlichst vermeiden, mir "schlechtes Spiel" zu unterstellen. Vor allem, weil "Können als Spieler" eine extrem schwammige Formulierung ist. Ich sehe das "Können" eines Spieler beim Rollenspiel zum Beispiel eher darin, seine Rolle zu verkörpern. Darum spiele ich ja Rollenspiel und nicht Descent: Reise ins Dunkel in Dauerschleife.
Später kamen noch einige andere Aussagen, die einen gewissen Besserspielerton nicht vermeiden konnten, auch wenn der Autor durch Formulierungen wie "daran (Anm. an einer anderen Art zu spielen) ist ja nichts falsch, aber ..." versucht, diesen Eindruck abzuschwächen. Leider gelingt ihm das bei mir so gar nicht.
Zudem gibt er auf der einen Seite zu, dass er sich mit der 4ten Edition von D&D nicht auskennt, macht aber kurz danach eine recht heftige und zudem in meinen Augen sogar faktisch falsche Aussage zu dieser Edition. Es ging dabei konkret um das Ressourcenmanagement, welches in seiner Wahrnehmung eigentlich nur in Oldschool wirklich existiert und in späteren Edition immer weiter abgeschwächt wurde, besonders in der 4th Ed.
Er führt an, Fackeln und Rationen abstreichen wäre spannendes Ressourcenmanagement. In meinen Augen ist das wirklich sinnlose spießige Kleinteiligkeit, die zudem keinerlei Mehrwert bringt. Auch Trefferpunkte und Zauber gelten als zu berechnende Ressourcen, wobei ich mich in dem Moment frage, wann diese Ressourcen NICHT in einem D&D Spiel relevant sind. Es bleiben also als Merkmal der 0E: Fackeln und Rationen.
Ich lach mich scheckig. Man kann zum System der 4th Ed stehen wie man will, man muss es nicht mögen oder spielen, aber die für jede Klasse wichtigen Daily-Powers und vor allem die Healingsurges der 4th Ed haben einen echten Spielwert und sind tatsächlich relevante Ressourcen, die es zu managen gilt. Durch Rituale und Fähigkeiten können HS umgeschichtet und umverteilt werden, denn ohne HS kann die Party wirklich einpacken. Während in 0E der Fund eines Heiltranks oder einer Schriftrolle das Vorhandensein von Ressourcen massiv beeinflusst und somit dem SL auch ein Werkzeug in die Hand gibt, die SC zu steuern, sind HS das A und O eines Charakters. Ohne HS funktioniert kaum eine Heilung. Ohne HS kann man gerne einen vollbestückten Heiltrankladen finden, es nutzt nichts.
Auch der Einsatz einer Daily-Power will gut überlegt sein. Soll man den jetzigen Kampf massiv erleichtern, damit z.B. weniger HS verbraucht werden oder spart man sich den Einsatz für den Endboss auf, damit der möglichst schnell ins Gras beißt? Ohne eine Lanze für D&D 4th Ed brechen zu wollen, sehe ich in diesen Überlegungen mehr "Management" als im Abstreichen von Fackeln und Rationen. Damit ist die Aussage"Auch dies ist ein Spielelement (Anm. Ressourcenmanagement), das in späteren Editionen (besonders in der 4.) auf ein Minimum reduziert wurde." schlicht und ergreifend faktisch falsch. Der besondere Bezug zur 4th Ed ist in meinen Augen dann nur noch schlecht verhülltes Systembashing, welches 2017 einfach nur noch peinlich wirkt.
Aber kommen wir zurück zum "Können als Spieler".
Dies ist offensichtlich ein Kernpfeiler der Oldschool-Spielweise, denn es wird im Heft immer wieder darauf eingegangen. Da wird das Abklopfen eines Fussbodens mit der berüchtigten 10-ft-pole als wichtiges Spielelement beschrieben und im nächsten Absatz darauf eingegangen, dass die Kämpfe ja so superschnell seien, dass man dann viel mehr Zeit für solche Aktionen habe als in späteren Editionen, wo Kämpfe sehr lange dauern. Weniger langweilige Kämpfe und mehr spannendes Fussboden abklopfen! Jawollja! Und wer das richtig macht und sich möglichst viel Zeit dafür nimmt, der hat es als Spieler richtig drauf.
Auch soziales wird ordentlich ausgespielt. Keine Würfe auf Diplomatie, Lügen erkennen oder Bluff ... sowas muss vom Spieler selbst kommen.
Und genau das ist es, was mir die Lektüre dann irgendwie doch massiv verleidet hat. Ich habe nicht eine Spielrunde kennengelernt, wo das wirklich funktioniert hätte. Denn es gab immer Spieler, deren "Können" im 0E-Sinne de facto nicht vorhanden war. Also sollen die jetzt nicht mehr mitspielen dürfen? Oder die schüchternen Spieler sollen erstmal ins Rollenspiel-Bootcamp, um den wahren Geist von Rollenspiel mit der 10-ft-pole eingebleut zu bekommen?
Nein, nein. Ich spiele Rollenspiel, um das zu machen, was ich nicht kann. Und als solches sehe ich das Hobby auch generell. Das muss nicht jedem schmecken und so mancher Würfelfetischist wäre bei mir auch an der falschen Adresse, aber wenn ich potentielle Mitspieler nur noch danach aussuchen würde, ob sie "fähige" Spieler im Sinne des Autors sind, würde ich mein Hobby doch sehr beschneiden. Dieses ständige Beharren auf "Spielerskills" macht mir das Heft dann doch sehr unsympathisch. Ich spiele Rollenspiel lieber mit "Charakterskills", sodass auch ein durchschnittlicher Spieler einen brillianten Detektiv oder einen goldzüngigen Barden oder einen scharfäugigen Schurken spielen kann, indem er dann einfach auf den entsprechenden Skill würfelt. Das ist es, was mir Rollenspiel sympathisch macht. Der vom Autor bevorzugte Ansatz, der ja dann wohl beim OSR-Spiel im Vordergrund steht, führt meiner Erfahrung nach nur und ausschließlich zu einem frustrierenden Ratespielchen, wo der SL jetzt die Leckerli versteckt hat.
Inklusive:
"Da?"
"Nein."
"Dort?"
"Nein."
"Hier?"
"Nein."
"Und hier?"
"Nein."
"Da?"
"Nein."
Boah, GÄÄÄÄÄÄÄÄHN!
Bei der Lektüre der OSRF hatte ich den Eindruck, dass der Autor sich selbst und der Spielweise der hyperaktiven Extro-Spieler viel zu sehr mit stolzgeschwellter Brust auf die Schulter klopft und deswegen kam bei mir letzten Endes die Erkenntnis
--- Zitat von: Sashael am 12.04.2017 | 07:42 ---Ich fand die ziemlich Kacke. ;D
--- Ende Zitat ---
Wellentänzer:
Hey Sashael, kann total nachvollziehen, was Dich stört. Diesen beständigen Besserspielersound, der bei der OSR sehr häufig laut oder im Hintergrund dröhnt, der nervt mich auch kolossal. Insofern bin ich da ganz bei Dir. Nun fand ich das aber gerade beim Oldschoolprimer, den ich nur im Original kenne, noch einigermaßen in Ordnung. Da schreibt halt ein Enthusiast. Außerdem sind mir auch die Übersetzer bzw. der Verlag System Matters durch das angenehme Gegenteil dessen, was mir sonst an OSR-Fans aufstößt, positiv aufgefallen: erstens eine große Offenheit für das ganze Rollenspielspektrum samt visionärem Blick für coole Spiele sowie zweitens persönlich ein sehr entspannt-zugewandt-freundlicher Diskursstil. Nun kenne ich die deutsche Version nicht. Deine aus meiner Sicht generell durchaus berechtigte Kritik trifft aber in diesem Fall schlicht die falschen Leute. Und selbst wenn die deutsche Übersetzung tonal bisweilen die falsche Schublade träfe, hätten System Matters bei mir noch viel Kredit.
D. M_Athair:
--- Zitat von: Wellentänzer am 13.04.2017 | 00:12 ---Diesen beständigen Besserspielersound [...]
--- Ende Zitat ---
Der nervt eigentlich v.a. dann, wenn das, was als "besser" verkauft wird, nicht dem entspricht, was man selbst mag. Ich hätte mir fast 7te See am GRT gekauft. Erst für nen schriftlichen Verriss und dann für einen physisch Dokumentierten. War mir dann die 20 EUR doch nicht wert.
... aber ja: Mich stört der Besserspielersound an der Fibel auch ... und ich bin der festen Überzeugung, dass Finchs Text nicht zur Exegese taugt oder gemacht ist, sondern nur zum schnellen Drüberlesen. Sie bietet einen ersten Eindruck. Mehr nicht. Wer da mehr rein liest wird mMn weniger Nutzen draus ziehen.
Das Fertigkeitenbeispiel ist mMn auch nicht so gelungen. Eigentlich ist OSR v.a.: "Beschreib, was du tust. Entweder es gelingt dann gleich oder ich als SL geb dir ne X/6 oder ne %-Chance". New School ist: Du sagst irgendwie, welche Fertigkeit du benutzen willst (das kannst du auch vorwiegend über Erzählung tun). Dann verrechnest du Talente oder Sonderfähigkeiten, ...".
Auf der systemischen Ebene ist der Unterschied: In der OSR tut dein SC was, weil der Spieler es beschreibt. In der NewSchool tut dein SC was, weil ers spielwertemäßig kann. Die wesentliche Differenz ist die Denkrichtung: Einmal passieren SC-Aktionen mehr aus dem Spiel (und das wird v.a. im Spielprozess in Regeln gekleidet oder durch Rulings gelöst) und das andere Mal gibt es Spielwerte, die man an passenden Situationen einbringen will.
Oder: Ein Fertighaus wird anders gebaut als ein Haus in alten Zeiten. Wenn man es dabei belässt, dann ist das "Wohngefühl" sehr unterschiedlich. Über den Innenausbau können die Unterschiede aber weitestgehend nivelliert werden.
Und das ist meine Kritik an der Fibel: Wenn man den Text genau liest und nicht hinter den Text schaut, verfehlt man die Botschaft.
Das liegt natürlich zuerst am Autoren. Ein Stück weit aber auch am Leser, wenn er nicht nach der Bedeutung des Ganzen fragt.
KhornedBeef:
Kurz : ein guter Text, weil er sowohl die Spielweise als auch die zu erwartenden Allüren gut wiedergibt? ;)
Ich kann ja damit leben wenn jemand sagt "Fackeln tracken ist heiß! " , aber die erste Reaktion ist auch "boah, langweilig ". Dabei bleibts dann auch, ich muss nicht breitwalzen was der andere dann mMn nicht kann. Jetzt muss ich doch mal in diese Fibel schauen.
Die Debatte "errollenspielen statt erwürfeln" hat ja ihren eigenen Thread. Den Gedanken, dass die Motivation für eine Handlung nicht vom Spielbogen, sondern vom Charakter kommen soll, finde ich ja schön. Ist das der Grund warum es Systeme mit 100 Fertigkeiten gibt, um beides zu Deckung zu bringen?
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