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Fate-Charaktere: "Von der Unfähigkeit mal keine Elitetruppe sein zu können"
Ucalegon:
--- Zitat von: nobody@home am 11.10.2017 | 16:12 ---Und das macht Fate jetzt zur gaaanz großen Ausnahme unter...welchen Systemen mit mehr als einem "offiziellen" Setting noch mal? ;)
--- Ende Zitat ---
Ich habe nicht über andere Systeme gesprochen, sondern über Fate. Schon gar nicht habe ich Fate zur Ausnahme erklärt.
--- Zitat von: nobody@home am 11.10.2017 | 16:12 ---Ich denke, wenn's wirklich einen "systemimmanenten" Grund dafür gibt, daß für Fate in erster Linie "bunter Pulp" herauskommt [...]
--- Ende Zitat ---
Der systemimmanente Grund ist, dass Fate genau eine Sache besonders gut macht: Mich zeigen lässt, wie cool und interessant meine Figur ist. Sie und diese Rolle in Frage stellen oder brechen will und kann Fate nicht. Mehr dazu kannst du Eero Tuovinens Ausführungen hier entnehmen.
Chruschtschow:
Fate-Settings aus der "Worlds of Adventure"-Reihe, in denen man keine fein aufeinander abgestimmte Maschine spielen muss, sondern tatsächlich deutlich davon profitieren können, dass sie zueinander inkompatibel1 sind (chronologisch nach Erscheinungsdatum):
The Aether Sea: Fantasy-Firefly profitiert massiv von Streitigkeiten in der Gruppe. Die Crew muss sich außerdem schon so oft mit Papierkram und Zollproblemen der Hegemonie rum ärgern, dass die gar keine Supermänner und -frauen sein können.
Romance in the Air: Ok, meistens Upper Class, aber kannst auch einen blinden Passagier an Bord schmuggeln. Aber selbst das sind dann schlimmstenfalls Supermenschen wie Leo und Cate auf einer fliegenden Titanic ... Der Spionage- und Intrigenaspekt verbietet dabei eine allzu harmonische Gruppe.
Eagle Eyes: Zugegebenermaßen haben wir da nur mal Figuren gebaut, ohne damit später auch zu spielen, aber die waren weder super, noch hätten die mit ihren großen Differenzen in der Anlage sonderlich harmoniert. Der raubeinige Ex-Zenturio und der Patriarchensohn aus nicht mehr ganz so reichem Haus hätten sicher einige Male aneinander geraten können, wenn der eine Kniescheibenbrechen als Lösung ansieht, der andere weniger. Das waren bei uns eher Söldner als ein trainiertes Team.
Behind the Walls: Ein Film sagt mehr als tausend Worte.
Sails full of Stars: Siehe Romance und Aether Sea.
Frontier Spirit: Was im klassischen Western klappt, dazu hier mit Naturgeistern als Würze. Beispiel: Hure mit einem Herz aus Gold vs. fanatischer Prediger.
House of Bards: Ist ein PvP-Spiel.
Deep Dark Blue: Hier gilt, was für Aether Sea gilt, aber ohne Fantasy und unter Wasser.
Morts: Angesichts dessen, dass Gruppen von Morticians zusammengewürfelte Gruppen sind, kannst du da alles vom überambitionierten Teenager, der langsam Pickel gegen Flaum tauscht, bis zum versoffenen Veteranen spielen. Hat zugegebenermaßen recht viel Pulp-Potential.
Good Neighbors: Man spielt Normalos ... und zugegebenermaßen Feenwesen.
Loose Threads: Easy mode. Hier ist der Zuckerbäcker tatsächlich mal naheliegend, weil der vielleicht in dem Märchen nichts abbekommen hat und jetzt gemeinsam mit der Stadtwache, die ihn früher drangsaliert hat, sein Glück sucht.
Wenn ein bisschen mehr Pulp oder Überwesentum erlaubt ist, dann kommen noch Gangster-Settings rein wie Under the Table und Nitrate City. Der korrupte Politiker und der letzte gute Cop sind bei letzterem gute Kernkonzepte, ergeben aber nicht unbedingt eine Eliteeinheit. bei Ghost Planet gehören die Figuren alle zu einer Wissenschaftsorganisation und sind von den Forschungsgebieten sicher auch aufeinander abgestimmt, können aber natürlich sehr diverse Charakterköpfe sein, die sich allesamt erzählen können, warum sie die besseren Wissenschaftler sind. ;) Blood on the Trail packt was übernatürliches rein, in so einem Treck können aber die unterschiedlichsten Leute aneinander geraten, die im Wagen vor oder hinter einem fahren.
Also wenn dein Problem ist, dass es zu viele Fate-Welten mit Pulp, Überwesen als SC und homogenen Gruppen gibt, dann schau noch mal in die Liste. Ich habe ungefähr die Hälfte aufgezählt.
1) Inkompatibel in dem Sinn, dass die Figuren nicht zwingend gut miteinander können. Der Paladin und der Schurke. Der osmanische Spion und der französische Offizier.
nobody@home:
Noch etwas zum Punkt "Normalos, die in ein Abenteuer hineinstolpern": Wenn man seine Charaktere ganz formal-klassisch nach Fate Core o.ä. mit Phasentrio und allem erschafft, dann gibt's das eigentlich durchaus. Nur ist das dann ausdrücklich Teil der Charaktervorgeschichte -- das buchstäbliche "erste echte Abenteuer" (um Seite 46 zu zitieren), das der Charakter in Phase Eins schon erlebt und hinter sich hat. Da gibt's dann entsprechend auch kein Losspielen von "Punkt Absolut Null Ahnung" mehr.
Edit -- Ach ja, und noch ein Nachtrag: es wäre schön, zu wissen, über welche Art von "Normalos" wir eigentlich konkret reden wollen. Es kann ja nicht nur der 08/15-Buchhalter sein, der einmal filmreif durch das Abenteuer seines Lebens stolpert und dann wieder in der Versenkung verschwindet; der gibt zwar potentiell ein nettes SC-Konzept für einen One-Shot ab, eignet sich aber weniger gut für länger angesetzte ausgesprochene Kampagnen.
Jiba:
--- Zitat von: Chruschtschow am 11.10.2017 | 11:17 ---Wobei das nicht zwingend "Superhelden" sein müssen. Es gehen auch Feuerwehrleute ("Fight Fire" in "Worlds on Fire"). Das sind dann aber die tollen Heldenfeuerwehrleute aus Film und Fernsehen, die total toll Feuer löschen, Leute raustragen und dabei im Job total selbstlos sind, gleichzeitig auf der privaten Seite aber ein ums andere Mal bei der Ex, der Teen-Tochter, den Eltern oder dem Gangster, bei dem sie Spielschulden haben, völlig versagen. Protagonisten halt. Die Überhöhung ist Teil des Mediums und in diesem Fall auch Teil des Spielsystems.
--- Ende Zitat ---
Richtig.
Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen. These: Sobald du jemanden im Rollenspiel spielst, ganz egal wie normal oder generisch er ist, wird er außergewöhnlich!
Protagonisten können nie Normalos sein, Leute, die einfach nichts können und von allen herumgeschubst werden. Das würde sich nämlich sehr stark mit der Agency (tut mir leid, Denglisch, aber mir fällt grade keine treffende dt. Entsprechung ein) beißen, die Rollenspieler in aller Regel gerne innehaben, wenn sie einen Charakter spielen. Wenn mir nichts gelingen kann, warum dann spielen?
Außerdem erhalten die Protagonisten, also die Spieler, das Spotlight vom SL. Der Input, der den gemeinsamen Vorstellungsraum formt, kommt nun einmal von den Spielern und ist gefiltert durch die Sicht und Agenda ihrer Protagonisten. Das führt dazu, dass jeder Charakter, egal wie "gewöhnlich" er ist, das Spiel prägt und damit irgendwo außergewöhnlich ist. Die Welt hört quasi auf ihn... selbst wenn das Regelwerk hart simuliert und die Spielfigur wegen mangelnder Fähigkeiten ständig abstraft.
Man muss nur auf Filme oder in Bücher schauen. Besonders Protagonisten in Dramen sind die normalsten Typen auf der Welt: Hamlet, Karl von Moor, Woyzeck, Jedermann. Es gibt ein ganzes Genre (meistens unter dem wenig sprechenden Begriff Drama zusammengefasst), das sich nur damit beschäftigt. Aber dadurch, dass wir sie zum Mittelpunkt von Geschichten machen können sie gar nicht mehr 08/15 sein!
Ich sage das als jemand, der besonders gerne Drama spielt, die normalen Leute. Wichtig dabei ist mir aber immer: Die haben trotzdem Bereiche in denen sie glänzen können. Warum? Weil jeder Mensch in etwas gut ist (das ist zumindest meine feste Überzeugung)... wir sagen uns zwar gerne wir können dies, das und jenes nicht und überhaupt gar nichts... und Mensch ist dieses Spiel unrealistisch, weil den Protagonisten ja ständig Dinge gelingen... aber das verkennt, was wir Menschen alles leisten können, ohne uns groß anzustrengen.
Bei Fate ist es tatsächlich eine Frage der Perspektive. Wenn ich z.B. das erwähnte Fight Fire spiele wäre es im Dienste des Genres und Settings womöglich eine Legendäre Herausforderung den flegelhaften 18-Jährigen Freund meiner minderjährigen Tochter beim gemeinsamen Abendessen nicht anzuschreien. Während eine brennende Tür mit einer Feueraxt einzuschlagen dagegen nur durchschnittlich schwer ist.
Außerdem kann Fate mit Aspekten arbeiten, die auch spezielle Dinge anzeigen. Im Spiel mit Normalos könnte es einfach sowas sein wie "Niemand ist ein Superheld". Den kann ich immer reizen, um das Spiel zu erden, falls es mir in übernatürliche Sphären davonfliegt.
Dass Fate allerdings keinen Mechanismus zum "besser werden" hat, der den Namen verdient, das gebe ich durchaus zu.
Greifenklause:
--- Zitat von: Jiba am 13.10.2017 | 08:06 ---...
Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen. These: Sobald du jemanden im Rollenspiel spielst, ganz egal wie normal oder generisch er ist, wird er außergewöhnlich!
Protagonisten können nie Normalos sein, Leute, die einfach nichts können und von allen herumgeschubst werden.Das würde sich nämlich sehr stark mit der Agency (tut mir leid, Denglisch, aber mir fällt grade keine treffende dt. Entsprechung ein) beißen, die Rollenspieler in aller Regel gerne innehaben, wenn sie einen Charakter spielen. Wenn mir nichts gelingen kann, warum dann spielen?
--- Ende Zitat ---
Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe: "Normalos" und "Deppen" sind unterschiedliche Kategorien.
Normalos können durchaus Dinge. Durchaus Dinge, die andere Normalos nicht können. Oft auch Dinge, die der 08/15-Abenteurer nicht kann.
Ein Depp oder Nichtskönner ist ein Normalo mit wesentlichen Nachteilen.
--- Zitat ---
Außerdem erhalten die Protagonisten, also die Spieler, das Spotlight vom SL. Der Input, der den gemeinsamen Vorstellungsraum formt, kommt nun einmal von den Spielern und ist gefiltert durch die Sicht und Agenda ihrer Protagonisten. Das führt dazu, dass jeder Charakter, egal wie "gewöhnlich" er ist, das Spiel prägt und damit irgendwo außergewöhnlich ist. Die Welt hört quasi auf ihn... selbst wenn das Regelwerk hart simuliert und die Spielfigur wegen mangelnder Fähigkeiten ständig abstraft.
Man muss nur auf Filme oder in Bücher schauen. Besonders Protagonisten in Dramen sind die normalsten Typen auf der Welt: Hamlet, Karl von Moor, Woyzeck, Jedermann. Es gibt ein ganzes Genre (meistens unter dem wenig sprechenden Begriff Drama zusammengefasst), das sich nur damit beschäftigt. Aber dadurch, dass wir sie zum Mittelpunkt von Geschichten machen können sie gar nicht mehr 08/15 sein!
--- Ende Zitat ---
Hier wieder Zustimmung!
--- Zitat ---Ich sage das als jemand, der besonders gerne Drama spielt, die normalen Leute. Wichtig dabei ist mir aber immer: Die haben trotzdem Bereiche in denen sie glänzen können. Warum? Weil jeder Mensch in etwas gut ist (das ist zumindest meine feste Überzeugung)... wir sagen uns zwar gerne wir können dies, das und jenes nicht und überhaupt gar nichts... und Mensch ist dieses Spiel unrealistisch, weil den Protagonisten ja ständig Dinge gelingen... aber das verkennt, was wir Menschen alles leisten können, ohne uns groß anzustrengen.
--- Ende Zitat ---
My words!
--- Zitat ---Bei Fate ist es tatsächlich eine Frage der Perspektive. Wenn ich z.B. das erwähnte Fight Fire spiele wäre es im Dienste des Genres und Settings womöglich eine Legendäre Herausforderung den flegelhaften 18-Jährigen Freund meiner minderjährigen Tochter beim gemeinsamen Abendessen nicht anzuschreien. Während eine brennende Tür mit einer Feueraxt einzuschlagen dagegen nur durchschnittlich schwer ist.
Außerdem kann Fate mit Aspekten arbeiten, die auch spezielle Dinge anzeigen. Im Spiel mit Normalos könnte es einfach sowas sein wie "Niemand ist ein Superheld". Den kann ich immer reizen, um das Spiel zu erden, falls es mir in übernatürliche Sphären davonfliegt.
Dass Fate allerdings keinen Mechanismus zum "besser werden" hat, der den Namen verdient, das gebe ich durchaus zu.
--- Ende Zitat ---
Sehr interessante Sichtweise.
Bleiben wir dabei: Vermeintlich "normale" "Klassen" wie "Bauer", "Feuerwehrmann" und Konsorten werden oft unterschätzt.
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