Das Tanelorn spielt > [Cthulhu] Spawn of Azathoth

[SoA 2. Akt] Königsallee

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Joran:
"Jawoll, Herr Leutnant!", salutiere ich kurz, bevor der Offizier sich abwendet.

Joran:
Mein Blick folgt noch eine Weile der Reichswehr, bis der Mercedes-Benz aus meiner Sicht verschwindet. Langsam trotte ich die Straße entlang, bis ich vom Haus Königsallee 133a aus nicht mehr zu sehen bin, selbst aber den Bürgersteig vor dem Haus im Auge behalten kann.

Ich muss erst einmal über die jüngsten Ereignisse nachdenken.

"Wird der ominöse Mann die Villa nun verlassen? Handelt es sich wohlmöglich um 'Kajo' Blumberg, den ich auf der Beerdigung und in der Sternwarte gesehen habe? Wird er die Frau mitnehmen? Welche Rolle spielt sie? Warum soll sie sich nicht am Fenster zeigen? Handelt es sich um Professor Phillip Alexander Ferdinand von Eisensteins einstige Geliebte, das Mädchen mit den 'langen Beenen'?"

"Und was ist mit dem Leutnant? Will er mich als möglichen Zeugen von ... was auch immer ... aus dem Weg räumen und hat mich aus diesem Grund zu einem nächtlichen Treffen bestellt? Aber warum sollte er sich für ein solches Treffen gerade das Hauptpostamt auswählen? Es gibt unauffälligere Orte ... Nur wem wird es auffallen, wenn ich nachts in ein Auto steige? Wer sollte sich daran erinnern? ... Ich frage mich, ob der Leutnant Informationen über den Soldaten August Pawerke einholen wird. Warum sollte er? Und was könnte er bei der Reichswehr in der kurzen Zeit herausfinden? Dort gilt er vermutlich bis heute als vermisst. Haben die Bücher in den Archiven überhaupt bis heute überdauert? Und wie hoch ist der Anteil an ungesicherten Informationen in den Listen? Tot oder vermisst, wen schert das noch? Keine Witwe, keine Rente, ... Manchmal sind die Preußen jedoch verdammt genau. Verflucht, vielleicht war es ein Fehler, den falschen Namen zu nennen ... hätte ich den richtigen angegeben, würde ich mich aber jetzt kaum besser fühlen."

"Nehmen wir an, es ist keine Falle, um mich aus dem Weg zu räumen: Wofür könnte der Leutnant mich dann brauchen? Offensichtlich war der Leutnant bemüht, dass seine Leute bei einer oberflächlichen Betrachtung nicht als Angehörige der Reichswehr erkannt würden. Der Wagen unauffällig auf dem Grundstück geparkt, der Mantel ohne Rangabzeichen, die Wächter in Zivil, die Mütze im Auto gelassen, ... Vielleicht handelt es sich nicht um einen offiziellen Auftrag der Reichswehr? Vielleicht kann er nur auf eine begrenzte Anzahl verschwiegener Personen aus den eigenen Reihen zurückgreifen. Soldaten haben viel Zeit zum Reden. Da bleibt nicht viel geheim. Und die Kluft zwischen Offizieren und einfachen Soldaten kann recht breit sein. Da gibt es auch schon mal so manche Rechnungen zu begleichen. Wenn das, was der Leutnant vor hat ... ein nächtlicher Einbruch ins Hauptpostamt wird's wohl nicht sein ... nicht ganz legal ist, mag ihm ein Veteran lieber sein als ein aktiver Soldat. ... ... ... Vielleicht ein Veteran, dessen Verbleib nach getaner Arbeit niemandem erklärt werden muss und dessen 'Fernbleiben von der Truppe' keine Untersuchungen nach sich zieht?"

Ich beschließe, vorsichtig zu sein. "Vielleicht wäre es sinnvoll, die Lohensteins einzubeziehen: zwei glaubwürdige Zeugen ... falls mir etwas zustoßen sollte. Eine kleine ... SEHR kleine Rückversicherung, denn wenn mir der Leutnant an den Kragen will, wird er vorher vermutlich kein Pläuschchen mehr mit mir halten."

Joran:
Meine Gedanken kehren zu den verbliebenen Personen im Haus zurück.

"Mindestens eine Frau und ein Mann ... Vermutlich hat der Mann die Frau vom Fenster weggezogen ... Sorgt er sich um sie?"

"Der Mann war offensichtlich mit dem Leutnant nicht einig. Wenn es Blumberg sein sollte, würde er mich erkennen. Ich könnte dann die Ereignisse in der Sternwarte zum Aufhänger für ein Gespräch nehmen. ... Hat er beobachtet, wie ich mit dem Leutnant gesprochen habe? Konnte er hören, was der Leutnant zu mir sagte?"

Ich bin unentschlossen, was meinen nächsten Schritt angeht.

"Könnte ich im Haus Informationen erlangen, die mir möglicherweise heute Nacht das Leben retten? Oder lege ich meinen Kopf in den weitaufgerissenen Schlund des Löwen, wenn ich jetzt dort klingle?"

Ich beschließe, das Schicksal entscheiden zu lassen und auf mein Glück zu vertrauen. Aus der Hosentasche ziehe ich einen Sechser.

"Kopf und ich klingle an ... Zahl und ich verschwinde hier", murmle ich und lasse dann die Münze in der Luft rotieren, fange sie mit der Rechten wieder auf und befördere sie auf den Handrücken der Linken. Nach kurzen Zögern hebe ich langsam meine rechte Hand und schaue nach dem Ergebnis.

Joran:
Die blanke 5 Reichspfennig Münze blinkt in der Sonne, als ich meine Hand wegnehme. Ich blicke auf die Kornähren, die der allgemeinen Bezeichnung "Sechser" für den halben Groschen auf ihre Weise noch eine Berechtigung geben.

"So soll es sein. Also voran, Kamerad!"

Einen Augenblick betrachte ich die Münze noch, als wäre es mehr als nur ein Stück Metall. Dann lasse ich den kleinen Schicksalsboten zurück in meine Hosentasche gleiten.

Langsam trotte ich zurück zur Haustür der vornehmen Villa. An der Tür angekommen betätige ich den polierten Messingklopfer, dessen Glanz dem der Münze gleicht. Die dumpfen, harten Schläge finden hinter der Tür eine laut hallende Resonanz. Meine Hand zuckt nach drei, vier Schlägen zurück, als hätte ich mich verbrannt. Bei diesem Haus war kaum etwas anders als eine große Eingangshalle zu erwarten. Dennoch erwecken die Tiefe des Klangs und die Verzögerung des Widerhalls bei mir die Erwartung eines Raumes, der schwerlich in dieses Gebäude passen dürfte. "Oder ist es erneut die Zeit, die aus den Fugen gerät?" Die Erinnerungen an die Erlebnisse in der Sternwarte sind noch sehr präsent. "Fließt die Zeit zwischen Klopfen und Resonanz wie ... Sirup und erscheint länger als sie es tatsächlich ist? Und wenn ja, geht dieses Phänomen von Krassimir aus? Bedeutet es, dass er sich in der Nähe aufhält? ... Oder liegt es ... vielleicht ... an MIR? Stimmt mit mir etwas nicht? ... Sind das erste Symptome einer Krankheit ... einer Krankheit, die vielleicht auch Agathe Lohenstein befallen hat? ... Hängt es mit dem Besuch im Haus der von Eisensteins zusammen? Ein Virus? Irgendeine Tropenkrankheit wie Malaria, die in dem Päckchen von Lydia ihren Weg nach Berlin gefunden hat?"

Mein Mund fühlt sich trocken an und ich fahre mir mit der Zunge über die Lippen. Ich wünschte, der Leutnant hätte mir bereits eine Waffe ausgehändigt. "Gegen 'normale' Menschen weiß ich mich zur Wehr zu setzen, aber dieser Krassimir ... diese Augen ... diese leuchtende grenzenlose Leere, die sich dahinter öffnete ... Was können meine Fäuste dagegen schon ausrichten", wäge ich verunsichert bereits meine Chancen ab. Eine leise Stimme rät mir, auf dem Absatz kehrt zu machen und schnellstmöglich das Weite zu suchen. "Das ist manchmal das beste, was man tun kann", bestätige ich aufgrund meiner reiflichen Erfahrung aus dem Großen Krieg. "Manchmal muss man auch einfach akzeptieren, dass man nicht gewinnen kann. Aber ist diese innere Stimme gerade verlässlicher als mein Sechser? Ich kann nicht wissen, was mich hinter dieser Tür erwartet. Eine schöne Frau oder ein mordlüsterner Irrer mit strahlenden Augen ... oder beides ... ich werde es nicht herausfinden, wenn ich nicht warte. ... ... ... Schließlich: Was soll mir auf offener Straße schon passieren?"

Ich ignoriere den Gedanken, wie schwach dieses letzte Argument angesichts der Ereignisse in der Sternwarte während der öffentlichen Führung und auf dem Kaiserdamm in Wahrheit ist. Trotz aller Zweifel greife ich unschlüssig noch einmal zum Klopfer, lasse den Schlägel aber weniger beherzt und weniger oft auf den Messingknopf schlagen als zuvor.

Joran:
Eine Mischung aus Erleichterung und Entäuschung bemächtigt sich meiner, als auch auf mein zweites Klopfen die Tür verschlossen bleibt und keine sich nähernden Schritte zu hören sind. "Wie weit kann der Weg zur Tür schon sein?", überlege ich und bin mir im gleichen Moment nicht so sicher, wie weit der Weg angesichts der Absonderlichkeiten der letzten Tage vielleicht tatsächlich sein könnte ...

Ich trete zwei Schritte zurück und blicke zu den Fenstern über und neben mir, beginnend mit dem Fenster, hinter dem ich kurz die Frau gesehen habe. "Werde ich beobachtet?"

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