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Was ist mein Science Fiction System?

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Space Pirate Hondo:

--- Zitat von: Chiarina am 16.03.2020 | 22:26 ---
1. Charaktererschaffung: Mit den Distinctions und den Extras gibt es Bereiche, die ähnlich funktionieren wie die Charakteraspekte und die Stunts bei Fate. Immerhin hat Firefly aber ausführliche und sorgfältig gearbeitete Listen, die Hunderte von Beispielen enthalten. Wer kreativ sein will, bekommt Regeln zur Erschaffung eigener Distinctions und Extras, wer aber ohne großes Einarbeiten erstmal losspielen will, kann sich bequem einfach irgendetwas aus einer Liste aussuchen und fährt damit genauso gut.

Ich habe noch mehr Firefly Sachen zum lesen. Auch sie machen einen soliden Eindruck. Insgesamt überschlage ich mich hier nicht unbedingt vor Begeisterung, glaube aber, dass das eine Sache ist, die mit mir funktionieren könnte. Letztlich will ich ja auch nicht unbedingt Firefly spielen... aber die Option auf ein universell angelegtes, einigermaßen narratives Regelwerk im Science Fiction Ambiente, das sich flott eigenen Bedürfnissen anpasst, hat doch einen gewissen Reiz. Und um da irgendwie ´reinzukommen, ist ein Start mit Firefly vielleicht gar keine schlechte Idee.


--- Ende Zitat ---

Die Distinctions sind schon größtenteils allgemein gehalten und es gibt nur wenige, die nur für das Setting von Firefly gedacht sind. Wie auch immer dein eigenes Wunschsetting im Moment in deiner Vorstellung aussehen mag, 90% der Distincions passen in fast alle modernen/Sci-Fi Settings.

Ich hatte auch schon vor Jahren mit dem Gedanken gespielt, mit dem Regelwerk ein Setting zu bespielen, wo auch Alien-Spielerspezies vorkommen. Da kam ich zum Schluß, dass ich dafür eine vierte Kategorie von Distinctions brauche und dann der Charakter auch 4 Distinctions insgesamt hat (statt 3).

Für einen weiteren Punkt und zwar Space Magic, müsste man noch die Signature Assets anpassen, ohne dass die anderen schwächer oder wertloser werden.

Chiarina:
Rumpels Ideen über ein SF-Setting für QuestWorlds haben meine Gedanken neu ins Rollen gebracht. Insbesondere die soziale Frage hnsichtlich des Status der KI fand ich spannend.

Meine knapp bemessene Zeit erlaubt es mir im Moment, mich langsam durch den Stapel von Firefly Quellenbüchern zu ackern. Das Cortex System finde ich auch immer noch interessant. Einzelne Setting Ideen gefallen mir auch. Im Großen und Ganzen sinkt mein Interesse aber. Insbesondere die veröffentlichten Abenteuer halte ich für nicht allzu reizvoll (ich bin aber noch nicht bei "Ghosts in the Black" angekommen).

Mich reizt immer noch eine geduldige Gruppe, mit der sich in aller Ruhe Emily Care Boss´ "Sign in Stranger" ausprobieren lässt, ich scheine aber der einzige zu sein.

Ansonsten war ich irgendwann soweit, dass ich probehalber mal grundsätzlich die "Reise zu den Sternen" in Frage gestellt habe. Ich habe ein bisschen recherchiert und bin auf etwas gestoßen, das sich Mundane Science Fiction nennt. Aus dem Bereich habe ich kürzlich erstmal ein paar Romane bestellt. Es sind Zukunftsvisionen ohne interstellare Raumfahrt und sie handeln zwar irgendwie von Technologien und mächtigen Konzernen, noch wichtiger scheinen mir aber die damit verbundenen individuellen Schicksale der Menschen zu sein. Es geht darum, dass der Mensch bei der Gestaltung seiner Zukunft im Wesentlichen auf die Erde und sich selbst beschränkt ist.

Ein bisschen Cyberpunk klingt dabei an, aber unter Rollenspielern ist das Thema für mein Gefühl schon schwer deformiert. Eigentlich ist die Frage nach der Technik, die das Menschsein immer mehr in Frage stellt, ja ein Superthema. In den Erzählungen der Rollenspieler, deren Figuren sich in solchen Welten bewegen, höre ich allerdings selten Aspekte, die mich interessieren. Da gibt es ein paar neue Fertigkeiten, ein paar Boni auf Proben und wenn´s hoch kommt nochmal irgendwelche Humanitäts-Prüfwürfe. Das Ganze wird in irgendwelche "Runs" eingebaut, in denen das für mich eigentlich spannende Thema völlig untergeht. Mich interessiert eher das humane Dilemma. Wie nimmt dich dein Partner wahr, wenn du dir ein paar Extrasynapsen einbauen lassen hast? Suchst du nach einer Antwort auf die Frage: "Wer bin ich?" Hast du deinen Job verdient, oder hast du ihn nur deshalb, weil du genug Geld für deine Prothesen ausgeben konntest? Woher kommt das Geld, was ist mit der Chancengleichheit, was ist mit rückständigen Gebieten oder armen Mitgliedern der Gesellschaft, für die der Zugang zu diesen Prothesen erschwert ist? Sind diese Menschen neidisch? Versuchen sie, aus ihrer Not eine Tugend zu machen? Wie wird das Technologiegefälle von den Regierungen verkauft? Vielleicht gibt es quasi-religiöse Gemeinschaften, die ein möglichst natürliches Leben predigen und versuchen, sich Rückzugsorte zu schaffen. Glauben die Menschen in den Städten, was man ihnen erzählt?

Erinnert sich jemand an Bigelows "Strange Days"? Da wird eine Technik eingeführt, mit der man Emotionen aufnehmen kann. Andere Menschen können diese Emotionen abrufen und so selbst erleben. Nur ein kleiner Gedanke - der sofort pervertiert wird und zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führt. Solche Dinge interessieren mich.

Im Zusammenhang mit "Mundane Science Fiction" bin ich auch wieder auf Tarkowskis Stalker-Verfilmung gestoßen. Dieses Alien-Mystery-Thema (ohne Aliens) in einem trostlosen Postapokalypse-Setting gepaart mit so einer spirituellen Sinnsuche macht mich eigentlich ziemlich an. Manchmal denke ich, dass ich so etwas in der Richtung spielen will. Vielleicht mit ein wenig David Lynch gewürzt.

Nun gibt es ja schon ein Rollenspiel zu Stalker, und das hat auch einen hochgelobten Setting-Teil (diese etwas seltsamen Regeln kann man ja weglassen). Ich habe ein paar Rezensionen gelesen, die begeistert davon berichten... aber wenn ich mir auf dieser Basis überlege, wie ein Rollenspielabenteuer in so einem Setting aussehen könnte, dann fallen mir immer nur Dinge ein, die mir langweiliger erscheinen, als das, was Tarkowski da verfilmt hat. Mich interessiert diese Ungewissheit - diese ständige Frage "Steckt mehr dahinter?", die niemals beantwortet werden kann und die Akteure doch in ihrem Handeln bestimmt. Diese Ungewissheit hält auch bei aller Trostlosigkeit die Möglichkeit auf irgendeine vage Hoffnung offen. Bekommt man das irgendwie ins Spiel?

Mit der Science Fiction und mir bleibt es schwierig. Vielleicht sollte ich mal eine Liste mit den Dingen machen, die ich "drin" haben will. Das wäre wohl der nächste Schritt. Zwischendurch lese ich noch ein paar Firefly Quellenbände und irgendwann dann auch Tiny Frontiers...

...aber im Moment scheint mir wesentlich wichtiger zu sein, was ich da überhaupt spielen will, als die Frage, mit welchem System ich das spielen will.

Chiarina:
So. Ich habe alles gelesen, was es zu Firefly gibt (bis auf eine obskure PDF-only Veröffentlichung, an die ich nicht mehr herankomme). Hat ´ne ganze Weile gedauert. Hier mein gegenwärtiger Leseeindruck:

Das System hat Facetten, die mir gefallen:
Ich mag diese relativ offen gehaltenen Assets, die ins Spiel kommen, wenn sie gebraucht werden und nicht sinnlos herumliegen, zu den Spielerfiguren leise "bitte, bitte" sagen und dann doch nicht verwendet werden.
Ich mag den wirklich extrem flotten Kampf. Wenn´s drauf an kommt, sagt der Spielleiter einen "High Stakes Conflict" an, dann entscheidet eine einzige Probe, wer als nächstes aus dem Kampf ausscheidet. Ganz mein Geschmack!
Ich mag es, dass es nicht der Spielleiter ist, der die Spieler in die Bredouille bringt, sondern, dass sie sich quasi selber reizen müssen, wenn sie nicht irgendwann ohne Plot Points dastehen wollen.

Aber!
Was für ein Gewürfel! Fünf verschiedene Sorten von Würfeln, oft werden ca. vier bis sechs Stück geworfen, die Zuordnung scheint mir zumindest manchmal fragwürdig zu sein. Nervig finde ich auch, dass der Spielleiter bei jeder noch so kleinen Probe gegenwürfelt - natürlich auch mit zwei, drei, oft auch noch mehr Würfeln. Das System ist asymmetrisch und spielerzentriert. Nichts dagegen. Aber warum legt der Spielleiter dann nicht einfach eine Schwierigkeit fest? Reicht doch!
Sobald Einsen fallen, geht der Tanz mit Vor- und Nachteilen los. Kann lustig sein, kann aber auch nerven.
Auch das Plot Point Geschachere scheint mir etwas viel des Guten zu sein. Um die vernünftig zu nutzen müssen doch eine ganze Menge Sonderfertigkeiten im Auge behalten werden. Vielleicht kann das sogar für die eigene Seite gelingen - wenn der Gegner genauso fit ist ergibt das aber wahrscheinlich erstmal ein ziemliches Pokerspielchen.
Dieses Probensystem ist in meinen Augen dafür designed, dass es häufig zu irgendwelchen spektakulären Ergebnissen kommt. Die müssen dann allerdings auch in Erzählung umgesetzt werden. Sympathischer ist mir eigentlich, wenn mich ein System inspiriert statt mir ständig in den Hintern zu treten.

Wie ist das Setting? Hm. Ich fand die Serie witzig und locker flockig. Je mehr Firefly Rollenspiel ich gelesen habe, desto mehr kamen mir die Browncoats wie Südstaatler vor. Und dann gibt es da überall diese Minenarbeiter, Priester und Schrottplatzwärter! Mit ist schon klar, dass das ´Vers im Prinzip die Prairie darstellt und diese Rim-Welten voller Rednecks sind... aber seufz... so´n kleiner Bruch der Klischees kann doch auch mal ganz nett sein, oder?

Wie sind die Abenteuer? Zum größten Teil nicht wirklich gut. Sie sind konstruiert und stecken voller kleiner Widersprüche. Die meisten lassen sich glattbügeln, aber einige sind auch etwas größere Patzer. Da findet ein Motorbootrennen auf dem Fluss statt, ein hartes Rennen, o.k.... aber so hart, dass die Zuschauer aus lauter Jux und Dollerei von ihrer Aussichtsplattform Granaten in die offenen Boote werfen? Und unter solchen Umständen stellen irgendwelche Bars dann auch noch Kneipenteams für das Rennen auf, die sich eine lustige Gaudi versprechen und mehr oder weniger volltrunken an den Start gehen? Ich muss ziemlich rütteln, bis ich so etwas plausibel zurechterzählt habe. Im Übrigen bestehen die Abenteuer zu etwa 70% aus ausgeschriebenen Proben mit Beispielergebnissen. Das ist hilfreich für den frischgebackenen Spielleiter, aber irgendwie verstärkt es meinen Eindruck, dass es bei Firefly weniger ums Erzählen, sondern mehr ums Würfeln an sich geht - man würfelt sich eben so durch.

"Ghosts of the Black", die große Firefly Kampagne von Robin D. Laws, lasse ich gelten. An einigen Stellen sehe ich zwar auch bei ihr die oben beschriebenen Probleme, die Handlung startet auch recht episodenhaft und steigert sich nur langsam, aber immerhin lohnt es sich: das fünfte und letzte Abenteuer, das eigentlich ein einziger großer Showdown ist, hat mich ziemlich beeindruckt.

Man kann sicherlich Spaß mit dem System haben. Es sind auch nicht alle Abenteuer Mist. Einige sind sogar relativ gut ("Wedding Planners" aus Echoes of War hat mir beispielsweise gefallen - trotz der Rinderbarone). Aber es ist auch nicht gerade das System, das ich unbedingt erleben muss.

Nächster Stop: Tiny Frontiers.

Alexandro:
Ich habe es auch eine Weile gespielt, finde das Gewürfel eigentlich OK (da die Würfe größere Zeiträume abdecken und man nicht für jeden Kleinscheiß würfeln muss).

Ich fand die Plot Point Ökonomie etwas verbuggt (zuviele Sachen wofür man PPs braucht vs. zu wenige Möglichkeiten sie zu bekommen), wenn man seine Assets reizt um die zu bekommen, man sie praktisch fast sofort wieder braucht um (wegen der größeren Würfelpools der Gegner) noch zu gewinnen oder halt seine Complications loszuwerden. Für Assets wurden die Plot Points in meinen Testspielen kaum ausgegeben. Ein weiteres Problem ist, dass man ziemlich viele Big Damn Hero Dice bekommt, aber zu wenige Plot Points hat um diese einzusetzen, so dass die nur nutzlos auf dem Charakterbogen rumhängen.

Meine Hausregel, um das zu fixen: Assets werden mit BDHD erschaffen (und haben dann den Wert des eingesetzten BDHD), nicht mit PPs.

An Abenteuern habe ich "What's yours is mine" (aus dem GRW) und "Wedding Planners" geleitet und die sind beide gut. Bei "Wedding Planners" habe ich allerdings einige Charaktere einem "gender flip" unterzogen, weil das Trope einer jungen Frau, die gegen ihren Willen mit einem geilen alten Sack verheiratet werden soll, einfach nicht sein muss (und meine Spieler*innen einen solchen Auftrag wahrscheinlich niemals angenommen hätten, egal welche Konsequenzen das Abenteuer dafür vorsieht).

Chiarina:
Interessant. Danke für den Kommentar aus der Praxis.

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