Pen & Paper - Spielsysteme > Systemübergreifende Themen

The Mystery of "The Dedicated Healer"

(1/4) > >>

Rhylthar:
Angeregt von einem Artikel auf EnWorld zum D&D 3E Cleric sind bei mir ein paar Gedanken aufgekommen.
Jonathan Tweet sagt in diesem Artikel (sinngemäß), dass man Spielern etwas "mehr" geben muss, wenn man sie dazu bringen will, einen altruistischen Charakter wie einen Heiler zu spielen (und deshalb wurde der 3E Cleric zu stark).

Ich halte diese Prämisse zumindest für...fragwürdig. 7 Jahre intensivstes World of Warcraft auf nicht ganz niedrigem Niveau als reiner Heiler und vielen Mitspieler/-innen, die diese Aufgabe liebend gern übernommen haben, sehe ich das Problem an einer anderen Stelle:
Ein Heiler will "gebraucht" werden.

Aber genau dies ist in den vielen Runden, die ich gespielt habe, nie der Fall gewesen. Insbesondere geht es hierbei um "In-Combat-Healing". Nehmen wir D&D 3.X: Es war wesentlich sinnvoller, den Kampf so zu gestalten, dass man möglichst hoch gebufft mit genug Crowd Control den Gegner schnell besiegte und so wenig Schaden wie möglich nahm. Anschließend wurde dann mit einer "Wand of Cure Light Wounds" alle wieder hochgeheilt. In D&D 5E ist es wahrscheinlich sinnvoller, einen Mit-Charakter maximal zu stabilisieren und dann den Kampf schnell zu beenden, denn die nächste "Long Rest" heilt ihn eh wieder voll. In Shadowrun hatten wir einen Adler-Schamanen, aber seine Heilzauber wären wohl auch Verschwendung gewesen, denn a) hätte der Entzug ihm mehr Abzüge eingebracht als der Verwundete in dem Moment Mali hatte und b) war es auch hier öfter sinnvoller, erstmal den Gegner auszuschalten. Als Beispiele.

Natürlich ist dies verschiedenen Tatsachen geschuldet. Ein rundenbasiertes System macht es schwierig, bei viel Schaden auf verschiedenen Charakteren diesen wegzuheilen. Gruppenheilung ist häufig sehr teuer/erst spät verfügbar. Und die eigene Handlung geht auch verloren.

Wie kann ich dieses Dilemma beheben? Klar, man könnte natürlich mal auf "HoTs" (Healing over time) setzen, weil man damit sich nicht um jeden gleichzeitig kümmern muss. Allerdings ist das natürlich auch ein buchhalterischer Aufwand. Man könnte auch den Monsterschaden höher setzen, so dass gegengeheilt werden muss, aber da besteht eben jenes Problem der Versorgung mehrerer. Und: Jemand müsste einen "Dedicated Healer" spielen; Gruppen ohne einen hätten sonst evtl. keine Chance.

Hier geht es natürlich in erster Linie um magische Heilung; in anderen Rollenspielen ohne Magie ist ja die Heilung im Kampf eher auf "Stabilisierung"/Erste Hilfe ausgelegt.

Oder habe ich etwas übersehen und es gibt Spiele, bei denen es funktioniert? Andere Meinungen?

Tudor the Traveller:
In unserer aktuellen D&D4 Runde sähe die Gruppe ohne die Klerikerin ziemlich alt aus. So oft wie die einen Charakter (inklusive sie selbst) von fast tot auf wieder kampffähig zurück heilt... Klar, ohne sie würde ich die Encounter etwas schwächer skalieren, aber dann wäre es vielleicht langweilig.

Rhylthar:

--- Zitat von: Tudor the Traveller am 30.01.2020 | 19:33 ---In unserer aktuellen D&D4 Runde sähe die Gruppe ohne die Klerikerin ziemlich alt aus. So oft wie die einen Charakter (inklusive sie selbst) von fast tot auf wieder kampffähig zurück heilt... Klar, ohne sie würde ich die Encounter etwas schwächer skalieren, aber dann wäre es vielleicht langweilig.

--- Ende Zitat ---
Ich kann zur 4E nicht viel sagen, aber hatten dort die Klassen nicht Healing Surges für sich selbst?
Und: Wie sind denn die Encounter skaliert? Für eine Standard 08/15-Gruppe oder schon etwas höher, eben weil ein Heiler dabei ist?

nobody@home:
Ich seh's so: ein System, das auch mal ganz gut komplett ohne "Heiler"-SC auskommt, schlägt eins, in dem so jemand fast schon zwangsläufig gebraucht wird, um Längen. Klassische Actionhelden versorgen sich, wenn sie denn mal tatsächlich ernsthafter verletzt werden sollten, zumindest provisorisch eh selbst und sind auch ansonsten selten wirklich länger weg vom Fenster, und wenn dann ausnahmsweise doch mal wie auf dem Raumschiff Entensteiß ein Arzt mit quasi-magischen Fähigkeiten ausdrücklich zu den Hauptpersonen, vulgo SC, gehört, dann sollte man dem Rechnung tragen und ihn nicht nur als Flickschuster der eigenen Gruppe betrachten, sondern ihm als Fachmann auch mal ungewöhnlichere medizinische Probleme (gerne und insbesondere auch solche, die zur Abwechslung mal Nichtspielercharaktere betreffen) zum Lösen vorsetzen.

Der "Heiler, den unbedingt einer spielen muß" ist aus dieser Perspektive eigentlich nichts anderes as Schlangenöl -- ein Klotz am Bein, den man vom Spieldesigner genaugenommen nur deswegen vorgesetzt und angepriesen bekommt, weil der es seinerseits nicht fertiggebracht hat, fürs beabsichtigte Genre auch tatsächlich brauchbare Verletzungs- und Heilregeln überhaupt erst mal zu formulieren.

YY:
D&D4 hätte ich auch als guten Kandidaten vermutet.
Da hat man sich ja an vielen Stellen an MMORPGs orientiert, von daher wundert es mich nicht, wenn es dort tatsächlich sehr ähnlich stattfindet.


Grundsätzlich störe ich mich aber schon an dem Gedankengang, dass man einen "altruistischen" Charakter irgendwie schmackhaft machen muss.
Sobald es sinnvolle Rollen gibt, müssen diese gefüllt werden und tragen dann ihren Teil zum Erfolg bei.
Wenn man das zu Ende denkt, wäre doch jede Rolle außer dem Damage Dealer "altruistisch" wtf?



--- Zitat von: Rhylthar am 30.01.2020 | 19:26 ---Und die eigene Handlung geht auch verloren.

--- Ende Zitat ---

wtf?
Die eigene Handlung wird zum Heilen genutzt.
Wenn Heilung dergestalt nicht lohnend erscheint, dass man noch was anderes machen will, dann muss man genau das ändern.
Da kommt der Spagat her, dass der Heiler unbedingt noch was anderes können "muss", ggf. sogar gleichzeitig. Wenn die Heilung notwendig und nützlich ist, ärgert sich doch der Heiler-Spieler nicht über seine "verschwendete" Handlung.


--- Zitat von: Rhylthar am 30.01.2020 | 19:26 ---Wie kann ich dieses Dilemma beheben? Klar, man könnte natürlich mal auf "HoTs" (Healing over time) setzen, weil man damit sich nicht um jeden gleichzeitig kümmern muss. Allerdings ist das natürlich auch ein buchhalterischer Aufwand. Man könnte auch den Monsterschaden höher setzen, so dass gegengeheilt werden muss, aber da besteht eben jenes Problem der Versorgung mehrerer.

--- Ende Zitat ---

Das kann man alles auf die Verteilungsmöglichkeiten runterbrechen.
Der Heiler ist im Pen&Paper i.d.R. einmal dran, nachdem X Gegner dran waren und ggf. Schaden gemacht haben, wo man das im MMORPG viel feiner mit Cooldowns, Flächeneffekten usw. auswalzen kann. Das heißt, dass er mit einer Heil-Aktion den Schaden mehrerer Monster ausgleichen können sollte.
Es geht ja nicht alles auf den selben SC und irgendwann ist natürlich je nach Gegnerzahl und -stärke eine Größenordnung erreicht, wo der Heiler nur noch den Verfall verlangsamen, aber nicht mehr ausgleichen kann (was trotzdem noch sinnvoll sein kann).

Für brauchbares In-Combat-Healing müssen die zu heilenden SCs ausreichend HP haben, dass man sich über einen relevanten Zeitraum* entscheiden muss, wer jetzt Heilpriorität hat. Wenn SCs in einer Runde umgehauen werden, muss Heilung auch so gestaltet sein, dass man die direkt wieder kampffähig aufstellen kann - aber so binär ist das nicht so interessant wie die Frage, wen man wann wie viel heilt (d.h. mit welchem Zauber). Außerdem wäre mir das dann endgültig zu abstrakt; ich mag ja In-Combat-Healing grundsätzlich nicht so, weil es Verletzungen trivialisiert. Das ist mit wiederbelebungsähnlichen Zaubern im Rundentakt dann noch mal ausgeprägter.

*Was im MMORPG der stete Blick auf die kleinen grünen Balken der Partymitglieder ist, muss am Tisch über mehrere Runden hinweg stattfinden, weil die Runde nun mal die Taktung der relevanten Vorgänge ist.
Sobald man als Heiler schon bei gleichstarken Gegnern von den Ereignissen überrollt wird, weil man dem ankommenden Schaden nicht ausreichend Heilung entgegenstellen kann, hat sich In-Combat-Healing schon ziemlich erledigt.

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln