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[Pavillon Noir] Master and Commander 1790-1815

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ghoul:
Mittlerweile bedaure ich es, beim aktuellen Glorantha-Crowdfunding mitgemacht zu haben. Was brauche ich eine detaillierte realitätsnahe Fantasy-Welt, wenn es so viel einfacher ist, ein historisches Setting in der echten Welt zu nehmen?
Geographie, abgefahrene NSCs, Passatwinde, Handelsrouten, Kriegsschiffe mit Namen und exakten Kanonenkaliber - ist ja alles schon ausgearbeitet, muss ich mir gar nicht ausdenken!
 ;D

ghoul:
Windvorteil!
Archibalds Vater, der Lord, ist außer sich vor Wut! Sein Sohn hat kein einziges Linienschiff versenkt, das grenzt ja an Feigheit vor dem Feind! Archie hätte vielleicht lieber Kutscher werden sollen statt Erbe eines Lords! Am nächsten Tag hat er sich jedoch beruhigt und verspricht, über seine Kontakte in der Admiralität ein angemessenes Schiff, irgendetwas mit zwei Masten, zu besorgen, damit Archie Heldentaten im Namen der Familie Thornton begehen kann.

Inzwischen in den Unterdecks und Hafenkneipen: Gerüchte von einem baldigen Schlag gegen die lokalisierte Flotte der Batavischen Republik machen die Runde.

Unterdessen plant die Admiralität bei Abtauen des Eises einen Überraschungsschlag gegen die Batavische Republik, bei welchem Linienschiffe in die Zuidersee eindringen und die gegnerische Flotte vernichten sollen, während Landstreitkräfte mit 10‘000 Mann Den Heldern belagern und den Landweg nach Amsterdam abschneiden sollen.

Archibal Thornton erhält tatsächlich ein neues Kommando: Mit der Hydra soll er einen Konvoi bewachen, der nach der ersten Anlandungswelle die Invasionstruppen versorgen soll. Den ruhmreichen Seekampf am Marsdiep wird Archie also verpassen. Die Hydra ist ein experimentelles Schiff mit Schonertakelung, mit Masten ähnlich wie bei einer Bombarde. Der Rumpf wurde ursprünglich dafür entworfen, den extremen Rückstoß einer experimentellen Raketenwaffe aufnehmen zu können, aber die Vorversuche waren so wenig hoffnungsvoll, dass die Navy das Versuchsbudget strich und die Waffe nie an Bord installiert wurde (Anm.: Idee aus einem Roman von Patrick O’Brian entwendet). 

Die anderen Spielerpersonnagen sind bereits an Bord, als Commander Thornton eintrifft. Das Schiff ist das Gespött aller Seeleute am Spithead, denn das Heck ist symmetrisch zum spitzen Bug gestaltet und das Schiff liegt im Wasser wie eine Gurke! -2 auf Manövrieren!
Auch ist die Mannschaft unterbesetzt, es sind gerade genug Mann zum Segeln und für eine Bordseite Kanonen! Zum Verdruss der Spieler ist jedoch Portsmouth bereits „leergepresst“. Sie können nur noch hoffen, auf See britische Zivilschiffe abzufangen.
Zuerst muss die Hydra von Portsmouth nach Southend, wo sie auf den Konvoi treffen soll. Unterwegs gelingt es tatsächlich einen von London kommenden Kaperfahrer abzufangen, den Schoner Seawolf. Commander Thornton ist so höflich, den Freibeuter nicht auf das absolute Minimum Besatzung herunterzupressen, aber 10 Mann sucht er sich aus.

Vor Southend liegt der Konvoi mit zwei weiteren Kriegsschiffen Geleit. Die Frachtschiffe werden nachlässig geführt, nicht nach Navy-Manier, eine Linie können sie kaum halten und bis in die Niederlande werden sie wohl 3 Tage brauchen.
2. Tag, Morgengrauen, auf der Nordsee: Der Konvoi hat sich über Nacht auf der offenen See verteilt, die Schiffe müssen sich erst sammeln. Die Spieler mustern die Segel aller sichtbaren Schiffe und erkennen: eine unbeflaggte Korvette, die definitiv nicht zum Konvoi gehört, ist auf Abfangkurs zu einer abgeschlagenen Pinke, welche sich der Gefahr offenbar noch gar nicht bewusst ist. Die Korvette dürfte der Hydra an Kanonen leicht und an Mannschaft dreifach überlegen sein, es ist jedoch sonst kein Schiff zur Stelle, um die Pinke zu schützen. Bereitmachen zum Gefecht!

Ich platziere Schiffs-Tokens auf der Roll20-Battlemap und würfle die Windrichtung aus: Die Spieler sind direkt vor dem Wind, die Korvette kann ihnen also nicht direkt entgegenkommen. Ungünstiger könnte es für den Gegner gar nicht sein. Noch ist die Hydra jedoch weit entfernt, ihr Jagdgeschütz keine ernsthafte Bedrohung. Die Korvette lässt die batavische Flagge hochschnellen und feuert ihre Backbord-Breitseite auf die Takelage der Pinke! Diese wird teilweise entmastet und streicht die Flagge. Die Spieler nähern sich vor dem Wind.
Um einen schnelleren Kurs fahren zu können (s.u. anghängte Dateien), lassen die Spieler die Hydra nach steuerbord schwenken, obwohl sie noch nicht so nah am Geschehen sind wie sie wünschen. Ihre Kanonen sind aber inzwischen geladen und sollen möglichst bald feuern!
Die Korvette Rotterdam muss ihre Backbordgeschütze erst noch nachladen, es wäre also sinnvoll, dem Gegner das Steuerbord zu präsentieren. Als Rahsegler kann die Korvette jedoch nicht durch den Wind wenden, ohne riskant einige Minuten hilflos im Wind zu treiben. Die Niederländer entscheiden sich zu halsen, was zwar ihr Heck exponieren wird, aber die Hydra ist etwa 550 m entfernt, das wird die Rotterdam wohl aushalten.
Das Heck! Die Hydra feuert unter Lieutenant Thomson die sechs Steuerbord-9-Pfünder ab: der Schaden an der Rotterdam hält sich noch in Grenzen. Thomson befiehlt jedoch auch den vier kurzläufigen 12-Pfünder-Karronaden auf dem Achterdeck bzw. Vorderkastell zu feuern. Das gibt derbe Abzüge für die Entfernung! Die Würfel (von der Spielerin mit Gloire-Punkten aufgepimpt) lassen sich davon nicht beeindrucken. Mit unwahrscheinlicher Präzision zerschmettern die 12-Pfund-Kugeln des Heck der Rotterdam! Die Pulverkammer explodiert und das Schiff beginnt augenblicklich zu versinken.

Als die Spielerpersonnagen ihr Schiff endlich an den Ort der Vernichtung manövrieren, gibt es nur Leichen zu bergen. In nur wenigen Augenblicken sind hier 150 Mann Fischfutter geworden. Für diesen gräulichen Sieg schütte ich die Hälfte der Reputationspunkte als Infamie aus.


[gelöscht durch Administrator]

ghoul:
Die Tulpe des Generals
Die Holländer waren vorbereitet und haben die britische Invasion abgewehrt. Auch das Marsdiep war durch Linienschiffe so gut geschützt, dass sich die Royal Navy gar nicht erst hineingewagt hat. Man hört, James Edward de Clifford, der Gemahl von Phyllis, sei südlich von Den Helder übel zusammengeschossen worden.

Die Spielerpersonnagen sind noch ein unspektakuläres Jahr auf der Hydra unterwegs, bevor irgendjemand in der Admiralität Mitleid hat und diese olle Gurke aus dem Dienst seiner Majestät verkauft. Die meisten Spieler werden Linienschiffen der Brest-Blockade zugeteilt, nur Lieutenant Thornton muss unter Halbsold an Land bleiben. Hat man sich gegen ihn verschworen, dass man ihm kein geeignetes Kommando anbieten kann?

September 1797: In einem Londoner Club lernt der verzweifelte Thornton Mr. Johnson kennen, einen Zivilisten mit wirrem Haar. Dieser hat ebenfalls ein Problem: Er will ein Paket aus Amsterdam abholen, mutmaßlich mit Papieren von äußerster Wichtigkeit für seine „Freunde im Ministerium“, ein schnelles neutrales Schiff hätte er auch, den Lugger Blomsterängen unter schwedischer Flagge. Ihm fehlt jedoch ein kaltblütiger, aber zuverlässiger Skipper, er kann ja nicht einfach irgendwelche Halunken anheuern, um ein wertvolles Paket aus dem Feindesland abzuholen.
Thornton sagt zu. Auch weiß er, dass einige zuverlässige Leute gerade Urlaub vom Blockadedienst haben. Johnson ist hocherfreut. Er verspricht, dass die erforderlichen schwedischen Papiere „bald fertig“ sind und dass er außerdem einen Freibrief vor dem Pressdienst bereitstellen wird. In Amsterdam, vor dem Gasthaus zur Goldenen Gans soll sein Kontaktmann auftauchen, der das Paket übergibt, wenn er in ein Gespräch über die „Tulpenspekulationssteuer“ verwickelt wird. Es soll ein Mann mittleren Alters sein, der den Namen Aldert van der Bijl benutzen wird.

Den Spielerpersonnagen gelingt es, noch ein paar Seeleute in London aufzutreiben, die etwas schwedisch sprechen, man weiß ja nie. Die Blomsterängen hat schwedische Textilien geladen, hauptsächlich Gardinen. Thornton wird in Amsterdam sich als Sohn des Eigners ausgeben.
Dreimal wird der Lugger bei der Überfahrt angehalten, von Kriegsschiffen, die englische Matrosen pressen hoffen. Dreimal darf sich Thornton an langen Gesichtern freuen, als er seine Papiere zeigt. Vor der niederländischen Küste wirft er den Freibrief ins Meer.

In Amsterdam halten die Spieler die Tarnung aufrecht, meiden schwedische Muttersprachler und verkaufen die Gardinen an einen knausrigen Großhändler. Am Treffpunkt werden sie über die Tulpenspekulationssteuer in ein Gespräch verwickelt, aber von einem 15-jährigen namens Samuel de Haan. Die Franzosen haben Aldert verhaftet und in ihre Garnison verschleppt, wo sie alle seine Informationen über das Kontaktnetzwerk aus ihm herausquetschen werden! Und die Papiere? „Nein, die hatte Aldert noch gar nicht, die sind noch bei der Mätresse!“ Samuel meint die Mätresse von General Barthélemy Louis Joseph Schérer, der die 25‘000 Mann Besatzungstruppen kommandiert, welche von den Niederländern durchgefüttert werden müssen. Der General residiert im Zentrum Amsterdams in dem luxuriösen Gasthaus De koniglige Residens (Humor oder Anmaßung des revolutionären Generals?).

Ritterlich beschließen die Spieler, nicht nur die Papiere, sondern auch die Mätresse vor der drohenden Verhaftung zu retten. Es ist ganz offensichtlich keine Zeit zu verlieren! Man wird am helllichten Tag fliehen müssen, die Dame braucht unauffällige Kleidung und gute Laufschuhe! Die Personnagen erwerben gleich mehrere Größen (meine Spieler sind aber auch gewieft). Mit Hilfe von Samuel kundschaften die Personnagen das Gasthaus und die Wache stehenden Franzosen aus. Der General bewohnt wohl eine Suite des Hauptgebäudes, die Mätresse die andere. Der beste Weg erscheint den Spielern über die Dächer und den hofwärtigen Rückbalkon zu führen. In der Parallelstraße entdecken sie eine Großschneiderei mit Innenhof, wo Thornton und Thomson auf die Dächer gelangen, während Navigator MacDonald und Samuel das Personal ablenken.
Thornton klettert auf den Balkon der Mätresse, während Thomson auf einem Nachbargebäude hinter einer Fassadenmauer Deckung nimmt, um im Notfall Feuerschutz geben zu können. In der Suite der Mätresse stößt der verblüffte Archibald Thornton zunächst auf einen spielenden Zweijährigen. Nanu?
Dann die Mätresse: Er kann ihre Schultern und den graziösen Nacken unter dem hochgesteckten Haar bewundern, denn sie sitzt in der Badewanne. Irgend etwas an ihr kommt Archie bekannt vor, und er räuspert sich erst einmal in möglichst vornehmem Abstand. Die nackte Dame ist niemand anderes als seine alte Bekanntschaft Eris Keppel!

Ein kurzes Gespräch wird durch Stiefellärm auf der Treppe und barsches Klopfen an der Tür unterbrochen! Die Franzosen sind da, um sie zu verhaften! Archie reicht Eris seinen Mantel und weist ihr den Weg zum Balkon. Mit ihrem Sohn Paul auf dem Arm steigt Archie vom Balkon auf das Dach des Nebengebäudes, aber Eris klettert auf dem Sims in Richtung der Suite des Generals, um die Papiere zu holen! Als sie das Gebäude wieder betritt erscheint ein Soldat auf dem Balkon ihrer Suite. Die Lieutenants können sich sowohl ducken als auch Kleinkind bei Laune halten. Der Soldat sieht nichts. Die Spieler warten. Eris klettert wieder zurück, mit einer Tasche voller Papieren! Inzwischen durchsuchen die Soldaten aber auch die Suite ihres Generals und kommen dort auf den Balkon! Thomson feuert seine Pistole, um Eris Flucht zu decken, trifft über die Entfernung aber nicht. Die Personnagen fliehen nun über Dächer und durch die Straßen. Um Suchtrupps zu entgehen, meiden sie jedoch den Hafen und lassen sich von Samuel ein Nachtversteck in einer Scheune am Stadtrand organisieren. Am nächsten Tag ist die Lage ruhig und sie können ohne besondere Maßnahmen mit der Blomsterängen aus dem Hafen auslaufen. Offenbar will General Schérer sein Versagen nicht durch extreme Sicherheitsmaßnahmen offenkundig machen.

Die erbeuteten Papiere enthalten u.a. drängende Befehle aus Paris, dass die batavische Flotte baldmöglichst auszulaufen und nach Brest segeln soll, um die französische Flotte bei der anstehenden Operation zu unterstützen. Das bedeutet offenbar, dass eine Invasion bevorsteht!

Eris erzählt, wie sie Mätresse des Generals wurde: Sie lebte erst recht glücklich bei ihren fernen Verwandten in Delft, denen die uneheliche Herkunft Pauls nicht sonderlich wichtig war. Als jedoch nach der Einnahme der Niederlande durch General Pichegru Schérer das Kommando über die Besatzungstruppen übernahm, erließ er den Befehl, sämtliche Ausländer zu verhaften, um Spionage zu unterbinden. Als Eris verhaftet werden sollte, machte sie eine Szene und bestand darauf, als Tochter des Earls von Albemarle nicht von gemeinen Soldaten abgeführt zu werden, da müsse der General schon persönlich vorbeikommen. Das tat Schérer, der seinen ungewöhnlichen Fang wohl persönlich begutachten wollte. Der Franzose fand Gefallen an der jungen Dame und nahm sie mit nach Amsterdam. Eris, die inzwischen holländisch spricht, nutzte Kontakte unzufriedener Niederländer, um Informationen direkt vom Schreibtisch ihres Liebhabers (diesen Aspekt spielt sie herunter, so gut es geht) nach London zu befördern. Nun sorgt sie sich, bei ihrer Rückkehr nach England Mittelpunkt eines Skandals zu sein.

Archiebald Thornton ist hingerissen! Aus dem etwas schüchternen, gefallenen Mädchen, das er aus der Corona-Abtei befreite, ist eine selbstbewusste Top-Spionin geworden! Er macht ihr einen Antrag, den sie sehr glücklich annimmt.

Auf der Rückfahrt presst der junge Commander einer Sloop mit einem dümmlich triumphierenden Grinsen noch einige englische Seeleute von der Blomsterängen.

torben:
Lieber Ghoul, Deine Berichte zu dieser Kampagne hier faszinieren mich immer wieder aufs Neue, tolle Geschichten und spannend geschrieben.   :headbang:  :d
Bitte viel und mehr davon  :D

ghoul:
Danke für die Rückmeldung!  :)
Fragen und Kommentare sind willkommen. Kapern ist das Gebot!

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