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Ulisses bringt die Traveller 1 Urversion als Remake raus
Nodens Sohn:
Ich habe mal eine Frage zum SciFi-Gefühl dieser 1. Urversion.
Wenn ich mir diese Version zulegen würde (ihr seht ich hadere noch mit mir) würde ich ja gerne ein schönes aktuelles SciFi-Gefühl dabei haben. Kann man dies mit diesen Regeln? Oder muss man dies alles mit der 70/80er Brille betrachten? Es geht mir nicht um die alten Regeln, sondern um das Traveller-Universum und seine Technik.
Vielleicht anders formuliert: Ich würde ungern ein Retro-SciFi spielen wollen, bei dem ich immer das Gefühl der Lächerlichkeit hätte. Zum Beispiel ist das StarWars-Ambiente gut mitgealtert. Raumschiffe aus den Filmen kann man heute immer noch anschauen und Technik aus den alten Filmen fühlt sich immer noch nach SciFi an.
Ist dies bei Traveller ebenso?
Ávila:
Regeltechnisch sollte das problemlos gehen. Was halt in der Classicversion natürlich fehlt, sind Regeln für Cyberpunk oder Transhumanismus, also SF-Genres, die es in Ende der 70er, Anfang der 80er noch nicht gab. Dafür gibt es zwar Regeln in den neuen Versionen, so richtig warm geworden ist Traveller damit aber nie.
Die Inspirationen für Traveller kamen hauptsächlich aus der SF-Literatur: Tubb, Piper, Niven, etc. In 1001 Characters sind z. B. neun aus der Literatur entnommene Figuren enthalten: John Carter, Kimball Kinnison, Jason dinAlt, Earl Dumarest, Beowulf Shaeffer, Anthony Villiers, Dominic Flandry, Kirth Girsen, and Gully Foyle.
Das Artwork, gerade der deutschen Version, ist natürlich klar in den 80ern verortet. Auf Drosi.de kann man sich die ganzen alten Cover anschauen.
Das dritte Imperium ist ganz klar Space Opera der alten Schule, aber wenn Krieg der Sterne in deinen Augen gut gealtert ist, sehe ich da wenig Probleme.
Der Nârr:
Schwierig zu sagen. Du hast z. B. große Batteriepacks an Laserwaffen. Meistens benutzt man gewöhnliche ballistische Waffen (Pistolen, Gewehre und Schrotflinten). Klingenwaffen sind auf Raumschiffen tatsächlich auch verbreitet (z. B. das Entermesser). Laserwaffen, Plasmawaffen und Gaußwaffen sind eher militärisch genutzt, selbst wenn man die hat, sind die auf den meisten Welten verboten.
Vieles wirkt schon ein wenig unhandlich und primitiv, dazu unten noch mehr. Technologie ist in Traveller auch weniger Zauberei als z. B. in Star Trek TNG. Es wirkt alles ein wenig "näher". In dem Sinne hast du auch lange Flugdauer innerhalb von Sternensystemen. Das Spiel basiert auf Hyperraumsprüngen, die dauern immer eine Woche und die üblichen Raumschiffe für Spielercharaktere können in einer Woche eine Distanz von nur 1 oder 2 Parsecs zurücklegen. 1 Parsec ist die kürzestmögliche Distanz zwischen zwei Systemen. Wenn man innerhalb eines Systems dann etwa einen Gasriesen anfliegen muss zum Tanken, kann man da schon mal ein paar Tage hin unterwegs sein - manche Distanzen innerhalb eines Systems sind so groß, dass man evtl. direkt nen Hyperraumsprung macht. Und traditionelle Bewegung im All basiert auch auf dem Beschleunigen über die halbe Strecke und Abbremsen auf der anderen Hälfte. Auf Passagierschiffen gibt es Cryokammern für die billigste Reiseklasse, da stirbt immer ein Prozentsatz noch weg weil die Technologie nicht zu 100% sicher ist. In vielen technologischen Modellen folgt man noch dem Prinzip Hardware = Software, also dass das nicht strikt unterschieden wird wie in neuerer Scifi. Für mich steckt dahinter auch teilweise eine gute Überlegung, wenn z. B. Raumschiffe über Jahrzehnte verwendet werden und dazu monatlich einer Wartung unterzogen werden, ist es ja auch wichtiger, redundante Systeme zu haben, das ganze funktional und zugänglich zu halten so dass auch ein Techniker 100 Parsecs vom Herstellungsort entfernt die Systeme versteht, als die jeweils aktuelle Technologie zu verbauen.
Biotechnologie (Braincopy, genetische Verbesserungen usw.) gibt es kaum, Cybertechnologie sehr wenig (sozial geächtet). Roboter wirken retromäßig. In den Tech-Level-Tabellen gibt es ein paar Elemente, die aus heutiger Sicht seltsam wirken, wie z. B. die Verbreitung von Laserwaffen bereits in den 90er Jahren. Die Raumschiffe selbst finde ich auf ihre Art und Weise aber cool und nachvollziehbar. Da gibt es ja auch alles vom kleinen Fighter á la Tie Fighter bis hin zu riesigen Schlachtschiffen á la Battlestar Galactica. Also ein Raumschiff wie den Falcon könnte ich mir problemlos auch im Traveller-Universum vorstellen und wenn das der Maßstab für "gut gealtert" ist, ist in diesem Punkt das Kriterium m. E. erfüllt.
Traveller deckt allerdings eine weite Spanne an Tech Leveln ab. Viele Welten sind nicht viel weiter entwickelt als die heutige Erde! Die haben dann zwar ihren Raumhafen und imperiale Stützpunkte sind schon auf interstellarem Niveau, aber auf dem Planeten selbst kann es dann ein Stück primitiver sein. Umgekehrt gibt es aber auch fortschrittlichere Welten. Und dann gibt es da noch die Technologien der Ancients, die dann für den gewöhnlichen Traveller-SC wie Sciencefiction wirken können. Ich weiß aber nicht, wie gut diese Technologien in Classic Traveller überhaupt abgedeckt sind, bestimmte Elemente müssten aber zumindest in den Abenteuern auftauchen.
Der Vergleich mit Star Wars fällt mir schwer, weil ich so sehr ich die Filme auch mag, ich das nicht so als kohärent designte Sciencefiction-Welt wahrnehme. Aber wenn ich mit Star Trek vergleichen dürfte, Traveller ist definitiv mehr TOS als TNG. Die aktuelle, gut unterstützte und viel gespielte Edition von Mongoose hätte ja keine "Belebung" notwendig, sondern nur eine Übersetzung, sie ist da etwas moderner, vor allem von Look & Feel. Die haben ja viel Energie auch ins Artwork investiert und das trägt natürlich sehr dazu bei, wie man das auffässt. Wenn ein technologischer Gegenstand von seiner Funktion her beschrieben ist ändert sich da nicht viel, aber wenn das Bild dann einmal einen sperrigen Kasten zeigt und in der anderen Version ein kleines Handheld-Gerät macht das ja schon einen Unterschied in der Wahrnehmung. Die grundsätzlichen Prinzipien ändern sich da natürlich auch nicht - gewöhnliche Schusswaffen sind verbreitet, man benötigt im All sperrige Raumanzüge usw.
Wenn du so ein richtiges Sciencefiction-Gefühl möchtest, wäre ich zu recht sehr skeptisch, ob diese Ur-Version deinen Anspruch erfüllen kann. Ich weiß, dass einige Spieler aus meinem Umfeld da durchaus ein Problem mit einigen Dingen haben und wir hatten noch nicht mal Classic Traveller gespielt...
Nodens Sohn:
Vielen Dank für eure schnellen und sehr ausführlichen Antworten!
Das hat mir ungemein geholfen. Also doch sehr rustikal das Ganze. Das kann aber auch sehr ansprechend sein. Jetzt kann ich also viel informierter mit mir ins Gericht gehen (aaaaarg, ist das verlockend)
Ávila:
Traveller ist an manchen Stellen, wie der Verbreitung von Nahkampfwaffen, absichtlich primitiv. Da wirkt halt das Erbe von Werken wie dem Wüstenplaneten mit. Aber das gibt es bei Star Wars ja auch (Ewoks gegen das Imperium).
Ich möchte noch ergänzen, dass ich Traveller gerade wegen seiner stellenweisen Altertümlichkeit für deutlich spielbarer halte, als so manches Spiel, das sich auf der Höhe der aktuellen Scifi bewegt. Eclipse Phase etwa fand ich als Oneshot ganz interessant, länger spielen wollte ich das aber nicht, da die Settingprämissen jedes Abenteuergefühl schnell konterkarieren. Bei Traveller mit seinen Glücksrittern im Weltraum wird das hingegen klar forciert.
EDIT: Wenn du Traveller mit modernem Setting suchst, könnte Mindjammer etwas für dich sein:
--- Zitat ---Mindjammer is an attempt to produce a science-fiction role-playing setting for the 21st century, filled with our latest and most keenly felt speculations about the nature of the cosmos and our place within it. Virtual worlds, transhu-manism, longevity, genetic engineering; cultural conflicts, global civilisations, utopias versus dystopias, pampered security against dangerous and violent change.
--- Ende Zitat ---
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