Autor Thema: Ein linearer Schlauch-Dungeon ist kein Railroading  (Gelesen 11762 mal)

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Offline Isegrim

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Re: Ein linearer Schlauch-Dungeon ist kein Railroading
« Antwort #150 am: 16.11.2020 | 02:24 »
Aber je mehr das Spiel in die Richtung "Errate den intendierten Lösungsweg" kippt, weil immer mehr spielweltlogische Aktionen wundersamerweise nicht funktionieren,  desto sicherer kann man sein, dass man gerade heftig gerailroaded wird.

Grade der Lösungsweg kann aber, auch bei Sandboxes, schon in der Vorbereitung bzw Weltsetzung angelegt sein, besonders wenn es um Magie geht. Die LARP-Plots, die darauf hinaus laufen "Sucht die Zutaten für ein magisches Ritual, das das Problem (TM) löst", sind Legion. Im RPG (inkl Sandboxes) gibt es ähnlich aufgebaute Problemstellungen. Die Spieler haben alle Freiheiten, können die Zutaten in jeder beliebigen Reihenfolge suchen, oder sich auch nicht damit beschäftigen. Aber wenn zu Vollmond nicht das aus Echsenstahl und Elfenkupfer geschmiedete Schwert auf dem Tisch liegt, mit Einhornblut abgeschreckt und Feenfett poliert, wird sich der böse Geist nicht bannen oder der Drache nicht erschlagen lassen.

Sind solche Aufgabenstellung grundsätzlich Railroading? Muss/sollte die SL auch hier auf alternative Lösungsstrategeien eingehen, und wenn ja, wie soll das nicht beliebig werden? Sollte man auf solche Problemstellungen verzichten?
"Klug hat der Mann gehandelt, der die Menschen lehrte, den Worten auch der Anderen Gehör zu schenken."  Euripides

Offline ArneBab

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Re: Ein linearer Schlauch-Dungeon ist kein Railroading
« Antwort #151 am: 16.11.2020 | 02:40 »
Zitat
Was ist der Sinn dieser Spielwelt-Inhärenten Logik? Warum ist sie wichtig?
Ich persönlich benutze den Begriff spielweltliche Logik, weil "Realismus / realistisch" in einem Spiel der Phantasie oft nicht passt. Wenn man mittels eines Zaubers durch eine Wand gehen kann, dann ist das nicht realistisch, aber spielweltintern immer noch logisch.
Handlungen, die nach Spielweltlogik möglich und machbar sind, aber durch intransparente Eingriffe des SL unmöglich oder irrelevant gemacht werden, sind Hinweise auf Railroading. Indizien, keine Beweise. Aber je mehr das Spiel in die Richtung "Errate den intendierten Lösungsweg" kippt, weil immer mehr spielweltlogische Aktionen wundersamerweise nicht funktionieren,  desto sicherer kann man sein, dass man gerade heftig gerailroaded wird.
Das heißt, die Spielweltliche Logik ist nur notwendig um herauszufinden, ob es Railroading gibt?

Hat sie noch einen anderen Sinn?
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Offline Isegrim

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Re: Ein linearer Schlauch-Dungeon ist kein Railroading
« Antwort #152 am: 16.11.2020 | 02:51 »
Ja, einen gemeinsamen Vorstellungsraum zu schaffen. Daher ist Spielweltlogik, Realismus oder wie man es nennen will, auch immer von Setting & Genre abhängig, und nur selten wirklich objektiv.
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Offline Issi

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Re: Ein linearer Schlauch-Dungeon ist kein Railroading
« Antwort #153 am: 16.11.2020 | 06:31 »
Schwierig wird es, wenn Anglizismen sich nicht sauber trennen lassen bzw. miteinander verschwimmen.

Das erste Beispiel ist eine Box. Aber m.M.n. keine Sandbox sondern eine Closed Box in Free Form.
Deshalb habe ich ja auch nur Box geschrieben.
Aber es ist eine Box, die nach den gleichen Grundprinzipien funktioniert.
Die Bewegungsfreiheit entsteht 1. durch die Begrenzung. Der Fokus ist örtlich begrenzt.
(Ist auch in einer großen Box so) Und 2. dadurch, dass  alles einigermaßen ausgearbeitet ist.
(Ist auch in einer großen Box so- dadurch wird der SL erspart mit etwas konfroniert zu sein, zudem sie keinerlei Informationen hat. Wie in einer großen Box auch kann man darin etwas erforschen und entdecken. Es gibt verschiedene Fraktionen und Konflikte. Wie in groß nur komprimierter)

Ob ich jetzt aus einem Land eine Box mache, aus einer Stadt, aus einem Zug, einer Insel oder einem Schiff, ist ansich egal.
Der Unterschied liegt idR. in der Größe. (Die natürlich je nach Größe und Informationsdichte, mehr oder weniger Auswahlmöglichkeiten bietet, was es so zu erkunden gibt)

Edit. Im Unterschied dazu gibt es die "Zugfahrt". Bei der ich von Ort zu Ort (Szene zu Szene) reisen muss, und mich abseits des Weges gar nicht aufhalten sollte. (Weil die SL dazu keinerlei Informationen hat- Und es da auch nichts zu erforschen gibt, was mit dem Fokus zusammenhängt.)
Auf den  "Bahnhofsstationen" liegt dann idR.  auch der Fokus. ( Der Weg dient idR.  dazu die SC von einer Station zur nächsten zu geleiten)
Wer außerhalb einer Bahnhofstation aussteigen will, wird von der SL meist schnell wieder in den Zug gesetzt. Und das wird von den SPL dann häufig auch als Railroading empfunden.

Wenn es ganz wild kommt, sind auch die einzelnen "Stationen" nur in Szenen ausgearbeitet, denen man beiwohnen darf. Dann geht der Erkundungsfaktor natürlich gegen Null.

(Würde dieser Weg zu den einzelnen Stationen durch ein Dungeon verlaufen. Dann würde die Architektur, sprich das Gestein, verhindern, dass die SC von ihrem Weg abkommen können.)

Box=Fokus liegt auf einem Ort. (Dieser Ort kann frei erkundet werden, auch die Abenteuer befinden sich dort)

Station=Jede Station ist ein eigener kleiner Ort. (Und/oder eine Szene)
Der Fokus liegt darauf, die Stationen einzeln abzuklappern, und schließlich bei der Endstation anzukommen.
« Letzte Änderung: 16.11.2020 | 08:17 von Issi »

Offline Sashael

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Re: Ein linearer Schlauch-Dungeon ist kein Railroading
« Antwort #154 am: 16.11.2020 | 07:54 »
Das heißt, die Spielweltliche Logik ist nur notwendig um herauszufinden, ob es Railroading gibt?

Hat sie noch einen anderen Sinn?
Genau das, was Isegrim sagt.
Wie kommst du auf die Schlussfolgerung, sie sei "nur" als RR-Detektor da?

Sie ist dazu da, dass man weiß, welche Handlungen welche Folgen haben. Und dass man sich darauf verlassen kann, dass bestimmte Dinge, die "unrealistisch" sind, trotzdem funktionieren, weil sie in der Spielwelt "logisch" sind.

Spielweltlogik ist die Basis für funktionierendes Geschichtenerzählen in fantastischen Welten. Ohne sie würdest du kein Rollenspiel betreiben.

Um das Verständnis für Handlungsoptionen in einer Diskussion zu verbessern, ist es sinnvoller, von "Spielweltlogik" statt von "Realismus" zu sprechen. In den Forgotten Realms ist es "realistisch", dass ein Magie zur Problemlösung benutzt wird. Trotzdem ist es wenig zielführend, bei Diskussionen davon zu reden, dass bestimmte Dinge "un-/realistisch" seien.

"Ja natürlich ist das Realitätsflucht. Was soll daran schlecht sein? Haben Sie sich die Realität in letzter Zeit mal angesehen? Sie ist grauenhaft!"


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Offline Issi

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Re: Ein linearer Schlauch-Dungeon ist kein Railroading
« Antwort #155 am: 16.11.2020 | 08:11 »
Etwa gibt es da ein feines kleines DSA Abenteuer, spielt in Havena, und dreht sich zunächst um Ermittlungen bezüglich einige Tuchschmuggler, und nachher stellt sich dann raus, dass es eigentlich um einen Charypthoroth Kult geht.
Viel Ermittlungen, ein paar Kämpfe.
Könnte man ergebnisoffen machen, und richtig toll. Werden die Charaktere der Sache auf den Grund gehen? Werden sie den wahren Mörder finden? Werden sie das kleine Mädchen retten etc. Also Play to find out um es mal mit PbtA zu sagen. Man kennt so einiges zu Rahmenbedingungen, aber wie es nacher ausgeht muss man erspielen.
Macht das Abenteuer aber nicht so. Statt dessen ist das Ende vorgegeben und diverse Zwischenelemente auch (gefangene Kultisten sind zu verhindern, SC werden zwischendurch von der Stadtwache gefangen genommen und müssen dann das Abenteuer lösen um ihre Unschuld zu beweisen, das Mädchen wird gerettet, der Kult vermeintlich zerschlagen, der wahre Mörder nie gefunden). Und im Endeffekt ist es dann auch insgesamt betrachtet ziemlich railroady, und man müsste ne Menge ändern um ein "ergebnisoffenes" Szenario draus zu machen.

Natürlich muss man bei einem Abenteuer schon ein paar Sachen festlegen, sonst kann man da ja wenig zusammenschreiben, aber wenn halt viel geskriptet ist geht es irgendwann fast nur noch darum, sich zwischendrin irgendwie durchzuhangeln zum nächsten Skriptelement. Die Handlungsfreiheit geht verloren.

Das sehe ich ähnlich.
Man kann auch so vorskripten, dass es ergebnisoffen bleibt.
(Den SPL die Grundzutaten für ein gutes Abenteuer geben, statt ihnen ein fertiges Drehbuch vorzusetzen)

Edit. Es hätte zudem den angenehmen Nebeneffekt, dass sich SL dadurch weniger genötigt fühlen würden zu Railroaden.
« Letzte Änderung: 16.11.2020 | 08:41 von Issi »

Offline ArneBab

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Re: Ein linearer Schlauch-Dungeon ist kein Railroading
« Antwort #156 am: 16.11.2020 | 08:18 »
Wie kommst du auf die Schlussfolgerung, sie sei "nur" als RR-Detektor da?
Ich hatte nach weiterem Sinn gefragt, und die einzige Antwort war, dass es RR aufzeigt. Deswegen habe ich weitergefragt, weil mir das doch etwas unwahrscheinlich erschien.
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Offline ArneBab

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Re: Ein linearer Schlauch-Dungeon ist kein Railroading
« Antwort #157 am: 16.11.2020 | 08:24 »
Ja, einen gemeinsamen Vorstellungsraum zu schaffen.
Das passt zu dem, weswegen ich Spielwelt-Logik will. Wobei für mich die Spielregeln die minimale gemeinsame Grundlage für den gemeinsamen Vorstellungsraum sind. Alles darüber hinaus hängt vom Spielstil ab.

Ich frage hier übrigens so blöd, weil ich versuche nicht nur meine Meinung zu schreiben, sondern euch tiefer und außerhalb meiner eigenen Vorstellung zu verstehen. Und immer auch ein bisschen, um zu schauen, ob was geschrieben wird (auch von mir) wirklich der Kern der Sache ist, oder ob es nicht noch tiefer geht. Grund-Unterschiede in der Vorstellung zu verstehen eröffnet nämlich oft neue Möglichkeiten zum gemeinsamen Spiel.
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