Medien & Phantastik > Lesen

Reading Challenge 2021

<< < (8/47) > >>

Huhn:
#1
Catherine Meurisse: Die Leichtigkeit

Catherine Meurisse war Karikaturistin bei Charlie Hebdo und entkommt dem Anschlag im Januar 2015 dort nur, weil sie an diesem Morgen verpennt hat und zu spät zur Redaktionssitzung kommt. Die Graphic Novel erzählt in zwei Abschnitten, wie sie ihr Trauma erlebt und schließlich beginnt zu verarbeiten.

Ein Comic, der mit einer gewissen Leichtigkeit, aber auch einer gehörigen Portion Galgenhumor und Gesellschaftskritik versucht, die Schönheit und Lebendigkeit in der Welt (wieder) zu finden und mir dabei sehr an die Nieren ging. Besonders berührt hat mich eine Szene, in der Catherine mit ihrer Mutter über den Tag spricht.

--- Zitat ---"Ich wusste noch nichts von dem Gemetzel, ahnte aber das Unsägliche. Ruhig und gefasst habe ich gesagt: '1. Bei Charlie geht was vor. 2. Ich bin in Sicherheit. 3. Macht nicht den Fernseher an." - "Keineswegs. Du hast gesagt: 'Bei Sicherheit geht vor. Ich sehe Charlie fern. Ich mache nichts an.' Ich habe nichts verstanden, ich dachte, du wärst verrückt geworden. [...] Dein Vater wird dir das nicht sagen, aber nach deinem Anruf hat er lange dagesessen, ohne einen einzigen Ton rauszukriegen."
--- Ende Zitat ---

Klare Leseempfehlung von mir!

Menthir:
#5

Ian Urbina - The Outlaw Ocean - Crime and Survival in the Last Untamed Frontier

Dieses Buch ist wohl das, was man "a sobering read" nennt. Ein Journalist unternimmt verschiedene Reisen auf und in die gesetzlosen Ozeane dieser Welt und setzt sich mit Kriminalität, staatlicher Nichtkontrolle, Unmenschlichkeit, aber auch mit den zarten Versuchen von Kontrolle, Gegenwehr und Idealismus auseinander.
Er schaut mit sehr klarem Blick hinter die Sehnsuchtsgedanken, wenn jemand an das weitere Meer denkt.

Er begleitet Sea Shepard bei der Jagd auf Raubfischer und Waljäger, schaut sich die sklavenähnlichen Verhältnisse auf den südostasiastischen, vor allem thailändischen Hochseeflotten an, setzt sich mit Chinas Landraub durch die Hochseeflotten auseinander, beschäftigt sich mit dem Problemen der lokalen Fischer in Somalia und gerät in zwischen korrupte Fronten, setzt sich mit Versicherungsbetrug auf hoher See, und Diebstahl sowie den falschen Flaggendesaster auseinander oder erläutert, wie Whistleblower offengelegt haben, wie unverantwortlich Kreuzfahrtschiffe mit dem eigenen Abfall umgehen, wie Teile der Meere überfischt werden, wie Grenzkonflikte auf hoher See aussehen, aber auch wie Aussteiger (Sealand) sich ihre Nische schaffen. Und selbst das sind nur Ausschnitten der Reichweite dieses guten Buches.

Besonders gelungen ist, dass Ian Urbina eine beobachtende Rolle einnimmt und die Ambivalenz darstellt, denn so einfühlsam und grausam die Einzelschicksale beschrieben sind, er vergisst nicht, sie in Kontext zu setzen und schnell wird dadurch klar, dass wegen der mangelnden Regelungen und Schutzmöglichkeit in internationalen Gewässern, die Situation viel komplexer ist, als dass sie in einfache Kategorien wie gut und böse gepackt werden können. Immer wieder reflektiert er da sein Beisein auch selbst und kämpft damit, diese beobachtende Rolle zu halten. Manchmal kämpft er auch mit der eigenen Machtlosigkeit in Angesicht dessen, was er zu sehen bekommt.

Teile des Buches liest man mit flauem Gefühl im Magen, und dann scheint doch irgendwie immer durch, so sehr Urbina hinter die Sehnsucht und das Chaos und die Kriminalität und den Müll, und in das sterbende Meer schaut: die Faszination, und ja, auch die Sehnsucht; sie bleiben.

9 von 10 Punkten

Antariuk:
#1: Jay Kristoff - Nevernight (The Nevernight Chronicle 1)
Für urbane Fantasy habe ich ja einiges übrig, seit ich die Vlad Taltos-Reihe von Steven Brust gelesen habe. Nevernight habe ich mir auf Verdacht geholt, weil es in den Empfehlungen auftauchte. Im Großen und Ganzen eine klischeehafte Assassinengeschichte mit Mia, einer jungen Fraum als Protagonistin, die sich von der Straße in die Hallen eines Mörder-Kults hocharbeitet. Das Setting bleibt etwas vage, hat aber interessante Highlights - so etwa drei Sonnen, die für lange Tage und nur wenige echte Nächte sorgen, sowie die Hauptstadt Godsgrave, die auf (und in) dem Gerippe eines gefallenen Titanen gebaut ist und kulturell sehr venezianisch ist (ich denke hier war Teil 1 der Gentlemen-Bastards ein Vorbild). Mia hat ein paar nützliche Kräfte was Schatten und Dunkelheit angeht, was in Nevernight aber nicht wirklich erklärt wird und dabei so sehr zwischen als Mysterium aufgebautem Aspekt der Geschichte und achselzuckend hingenommener Tatsache pendelt, dass ich am Ende etwas genervt war. Zum entspannten Weglesen ohne großen Anspruch war der Band ok, aber große Ansprüche sollte man nicht mitbringen - an Überaschungen wie "Six of Crows" von Leigh Bardugo kommt Nevernight lange nicht heran. Ich blättere grade in den Nachfolgeband hinein, der thematisch einen anderen Schwerpunkt setzt, glaube aktuell aber nicht, dass ich die Reihe weiterlesen werde.

5 von 10 vergifteten Dolchen.

#2: Naomi Novik - Uprooted
Eine Fantasygeschichte mit starken Märchen-Motiven: Der Zauberer "The Dragon" (ja, wirklich) beschützt ein Tal vor dem anliegenden Wald, der nicht nur gefährlich ist, sondern ein echtes Eigenleben führt. Der Preis dafür ist ein junges Mädchen alle zehn Jahre, die er mitnimmt. Die Protagonistin Agnieszka ist dann natürlich die nächste, die auserwählt wird, und das Leben im Turm des Zauberers ist dann doch ganz anders, als sie (und ich) erwartet hatte. Sprachlich fand ich Uprooted sehr schön zu lesen, der Stil ist eigenwillig und nicht die normale 0815-Prosa, die man aus vielen anderen Fantasygeschichten kennt. Die schwierige Entwicklung der Dynamik zwischen "Dragon" und Agnieszka war unterhaltsam, der spätere Twist in der Geschichte ebenfalls. Es geht nicht um das Schicksal der ganzen Welt (oder eines Reiches, einer Nation), und das weiß zu gefallen. Wer mit Märchen und Phantastik mehr anfangen kann als mit epischer Fantasy, wird Uprooted wahrscheinlich mögen :)

8 von 10 Dornenranken.


Eigentlich wollte ich ja Sandersons Skyward lesen, habe spontan aber alles umgeworfen.

Samael:
Darf und soll man hier eigentlich kommentieren? Oder dient der Thread nur zur Aufzählung?

Antariuk:
In vorherigen Jahren wurde ja auch kommentiert und diskutiert, denke mal das hat sich nicht geändert?

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln