Medien & Phantastik > Lesen
Reading Challenge 2021
Huhn:
Danke!
#2
John Bellairs: Das Haus der geheimnisvollen Uhren
Nach dem Tod seiner Eltern zieht Lewis zu seinem Onkel Jonathan nach New Zebeedee. Jonathan ist ein ziemlich komischer, dabei aber äußerst liebenswürdiger Kauz. Als echter Zauberer lebt er - wie könnte es anders sein - in einem Haus, das voller Geheimnisse zu stecken scheint. Das größte Geheimnis ist das Ticken einer Uhr, das in allen Wänden zu hören ist. Während Lewis sich in seinem neuen Zuhause einlebt, kommt er nicht umhin, sich näher mit der Zauberei und der verborgenen Uhr zu befassen.
Also laut Daniel von System Matters ist das sau der Klassiker und ich hab voll was verpasst, wenn ich ihn nicht kenne und deswegen habe ich das Buch gelesen. :D War tatsächlich ein guter Tipp. Auch wenn sich das Buch eindeutig an Kinder in Lewis' Alter (also so ungefähr 11 Jahre) richtet, war es dennoch auch für mich eine unterhaltsame, spannende und teilweise sogar ein ganz klein bisschen wohl-schaurige Lektüre. Lewis ist ein Herzkäferchen von Junge, Onkel Jonathan und seine beste Freundin sind superlieb, es geht um Wunder, Spuk, düstere Geheimnisse, Freundschaft, Verrat und jede Menge heißen Kakao. Voll schöne Lektüre für kuschelige Winterabende.
Werde mir demnächst auch die Verfilmung anschauen - Jack Black scheint mit eine ganz gute Wahl für Jonathan zu sein.
Timberwere:
--- Zitat von: Samael am 16.01.2021 | 10:40 ---Ich wollte nur sagen, dass ich Uprooted vor wenigen Jahren gelesen habe und es mir auch überwiegend gut gefallen hat. Ich mag diesen märchenhaften Einschlag und die slavischen Elemente sehr - erinnert ein bisschen an den Witcher von Szapkowski (wenn es auch weniger düster ist).
Der Output der Autorin soll aber durchwachsen sein, meine Schwester hat mir berichtet, dass sie auch irgendetwas mit Drachenreitern geschrieben hat, was an Uprooted bei Weitem nicht herankommt.
--- Ende Zitat ---
Das ist korrekt: Die Temeraire-Reihe mit den Drachen finde ich auch nicht so gut wie Uprooted - Temeraire war ihr Frühwerk, und das merkt man. Aber Uprooted finde ich wiederum nochmal durchaus schwächer als Spinning Silver. Wer also Uprooted mag, dem kann ich Spinning Silver nur ans Herz legen. Das ist inzwischen eines meiner echten Lieblingsbücher.
Aber apropos Naomi Novik: Von ihr habe ich gerade "A Deadly Education" fertig gelesen, das an die slawische Märchenfantasy in meinen Augen nicht rankommt, was ich aber trotzdem ziemlich cool fand, vor allem wegen des Worldbuildings. Eigentlich war ich anfangs misstrauisch, weil ich befürchtete, die ich-erzählende 'Auserwählte' könnte sich als Mary Sue herausstellen, aber da habe ich Frau Novik unrecht getan... sie subvertiert das Konzept geschickt, und wie ich glaube, mit Absicht, und auch die magische Schule, die als Setting dient, ist in ihrer absoluten Tödlichkeit echt gelungen.
Das Konzept: Kinder mit magischem Potential sind für "Maleficaria", sprich magische Monster aller Art, ein wahrer Leckerbissen, weil sie sich noch nicht richtig wehren können. Damit die Kinder nicht gefressen werden, werden sie mit 13 oder 14 in eine 'High School' teleportiert, wo sie 4 Jahre lang lernen... nur gibt es an dieser Schule keinen einzigen Lehrer und überhaupt niemanden außer den Schülern. Die Schule selbst, die irgendwo in einer Außendimension hängt, damit die Maleficaria nur schwerer hinkommen, stellt den Kindern ihre Aufgaben, und wer nicht mitkommt, hat gelitten. Jedes Jahr dreht sich das Stockwerk, in dem sie angekommen sind, eine Stockwerk weiter nach unten, und am Ende steht der "Abschluss" - sich durch einen Saal voller Monster ballern oder gefressen werden. An der Schule herrscht eiskalter Konkurrenzkampf und nackter Überlebenswille, Freundschaften gibt es nur wenige, und wenn überhaupt, dann Allianzen.
Der Hauptcharakter ist der für das Genre recht typische Underdog, und das Buch ist teilweise recht vorhersehbar, aber es hat mir trotzdem Spaß gemacht.
Menthir:
#6
Roger Lowenstein - When Genius Failed: The Rise and Fall of Long Term Capital Management
Das Buch beschreibt den Aufstieg und Fall eines Hedgefonds, wie dieser sich auf wissenschaftlicher Analyse gründete, dann immer weiter vermenschlicht wurde und dann durch sehr menschliche Fehler zugrunde ging.
Der Autor verwendet eine sehr technische Sprache und versucht den erlernten Fachjargon eines Wall Street Journal-Journalisten zu wahren. Das könnte ganz gefällig sein, würde er nicht mit diesen Mitteln in die Köpfe der Agierenden zu schauen versuchen. Denn das gelingt ihm nicht zu gut.
Allgemein ist Lowenstein kein meisterhafter Erzähler, gleichwohl aber ein sehr akribischer Chronist, sodass das Buch gut und solide zusammengestellt ist und durch die Wucht seines Themas durchaus noch brauchbar ist.
Lowenstein kann hier und da nicht ganz verschleiern, dass er das Scheitern eines weiteren homo oeconomicus-Modelles eher zu schätzen weiß; so attestiert er allen Beteiligten am Scheitern Gewinnsucht, Spielsucht, Geheimnistuerei und akademische Hybris. Insofern wird es schwer, den beschriebenen Personen wirklich zu folgen. Zudem wirken seine Charakterzeichnungen simplifiziert und skizzenhaft. Hinter der Entwicklung und dem Festhalten bis zum Scheitern sind sicherlich auch gruppendynamische Gründe zu suchen und zu analysieren.
Letztlich kann Lowenstein die Entwicklung und die strukturellen Entscheidungen der beteiligten Banken und der Regierung gut nachzeichnen, die menschlichen Entscheidungen kann er nicht so gut beschreiben. Dennoch bleibt es ein interessant zu lesendes Stück Finanzgeschichte.
Um ein wirklich gutes Buch zu sein, müsste es seinen Leser entweder mehr mitnehmen, oder die Lehre der Geschichte - die Lowenstein direkt zu vermitteln versucht - müsste kräftiger und breiter sein. Dass wissenschaftlicher Scharfsinn und Modellhaftigkeit nie völlig repräsentativ für die Praxis sind, sei es philosophisch wie ökonomisch, für diese doch letztlich triviale Erkenntnis hätte es nicht diesen Vorlauf gebraucht.
Dennoch bleiben die Ausritte in die Risikotheorie und die Versuche Lowensteins, Finanzwirtschaft greifbar zu machen, lobenswert.
5,5 von 10 Punkte
Samael:
Nummer 6: The Bedlam Stacks von N. Pulley.
Wurde hier vor geraumer Zeit von einem Foristen empfohlen. Eine historisch-fantastischer Stoff, ein Reisebericht aus dem 19. Jhdt. Ein englischer verarmter Landadliger und Botaniker reist im Auftrag der Ostindien-Kompanie in die Hochanden in Peru um Chinarindensetzlinge für eine geplante Plantage zu stehlen.
Dort trifft er auf Reste der Inka-Kultur mit allerlei fantastischen Versatzstücken.
Ich fand das Buch zeitweise faszinierend, streckenweise aber zäh und höhepunktlos. Ich hatte es bereits angefangen, lange Zeit beiseite gelegt und jetzt beendet. Insgesamt würde ich es meinerseits nicht unbedingt weiterempfehlen.
Menthir:
#7
Theodor Fontane - Effi Briest
Ich gehörte nicht zu jenen Kindern, die in der Schule mit dem Standardwerk Theodor Fontanes geprügelt, gequält oder konfrontiert wurden. Sicher, andere Deutschkurse meiner Altersklasse mussten. Wir hörten den Horror, die von Fontane angeblich oder tatsächlich zelebrierte, niedergeschriebene Langeweile, in viel zu viele Worte gegossen, nur da, um mit havelländischer Ödnis über den Norddeutschen gestülpt zu werden.
Jetzt ist mein Schulleben einige Zeit her, und wie es so ist, irgendwann holen einen Fragmente der Vergangenheit ein, und als ich Effi Briest im Rahmen einer Haushaltsauflösung überreicht bekam, legte ich es einige Zeit auf die lange Bank, bis ich es vor einigen Tagen in Angriff nahm. Manchmal muss man sich ja auch selbst herausfordern.
Und was soll ich sagen?
Als Schüler hätte ich mich dem Chor der Klagenden angeschlossen, so viel ist mal sicher. Aber mit einigen Jahren mehr auf dem Buckel kann ich durchaus die Faszination verstehen, die dieses Buch umrankt. Die titelgebende Protagonistin erscheint auf den ersten Blick als das, was ihr von meinen Altersgenossen vorgeworfen wurde. Eine naive, nach dem Glück trachtende, dein eigenen Gefühlen stumpf folgende, junge, bevorzugte Dame, die dennoch nicht so ganz in ihren gesellschaftlichen Rahmen zu passen scheint und dann am Ende scheitert.
Das Faszinierende des Romans ergibt sich weniger aus der Handlung bzw. der Beschreibung der Handlung selbst, sondern aus den sich dahinter auftürmenden, sozialen Verflechtungen. Dass die Moralvorstellungen und der preußische Ehrenkodex in ihrem Ehemann den Gegenentwurf zu ihrer naiv-natürlichen Art darstellt, ist im Rahmen der brechenden Ehe, die sich eben mit der Ausgrenzung Effis und ihren späten Tod beschließt, vielfach moderiert, kommentiert und analysiert, sodass ich da wenig beitragen kann, um das Bild zu entkräften oder zu bereichern. Vernunft gegen Gefühl, Karrierismus vs. Treibenlassen sind sicher die großen Themen des Werkes, mit den Konsequenzen, die Fehlverhalten im wilhelminischen Preußen gesellschaftlich trägt.
Effis naives Verhalten, das ewig Kindliche, ist ja nicht nur durch ihre Beschreibung belegt, sondern kulminiert in einem gemeinsamen Erlebnis mit ihrem viel älteren Mann Innstetten. Es geht darum, dass es in Innstettens Haus spuken soll und Effi das tatsächlich glaubt, während Innstetten auch davon spricht, aber von Crampas entlarvt wird als Mann, der diesen Spuk nutzt, um Effi zu kontrollieren und zu "erziehen". Das ganze Werk ist Innstetten tatsächlich räsonierender, aber gleichwohl nicht so gefühllos wie häufig dargestellt. Gerade, dass er mit Effi die Tochter seiner Jugendliebe ehelicht, sagt einiges über die von Anfang überschattete Beziehung.
Ich will mich gar nicht zu viel auslassen, aber tatsächlich fand ich die Nebenfiguren (vor allem Innstetten und die ambivalente Rolle der Eltern) durchweg interessant, die Protagonistin weniger. Allerdings verändert sich das Bild Effis sicher mit moderner Lesart, sodass ich ihr wenig Süßes, sondern stattdessen hedonistischen Egoismus attestieren kann. Sie ist zu ihrer Umwelt (mit der Ausnahme von Roswitha und ihren Eltern) häufig, ja fast ausnahmslos ätzend. Nicht, dass sie sich nicht treiben lassen darf, aber sie lässt sich aushalten und verhätscheln. Die dargestellte Langeweile ist nicht der Grund für Taten Effis, es ist tiefer in ihrem Wesen vergraben, und zieht sich durch das ganze Buch von Anfang bis Tod. Ein modernes Psychogramm auf das Verhalten Effis wäre interessanter als die romanistische Standardauseinandersetzung und würde mich durchaus interessieren (wer weiß, vielleicht gibt es sowas? Ich habe es nicht recherchiert).
Am deutlichsten ist dies, als die inzwischen ins Bürgertum abgerutschte, von den Eltern aristorkatisch verlassene, aber doch finanziell ausgehaltene Effi in einer Wohnung lebt und ihre Tochter Annie nach Jahren wieder sehen will. Nachdem das Kind nicht so liebevoll und offen in der ersten Begegnung ist, wie von der kindlichen Effi erhofft, verwirft sie den Gedanken auf ihre Tochter und flieht gänzlich in sich. Wenn das nicht zu denken gibt.
Am Ende nehmen die Eltern die Tochter wieder auf und betüdeln sie bis zum Tode. Ein rein um sich selbst drehendes, egoistisches, gleichwohl durchgehend behütetes Leben endet in havelländischer Kulisse.
Interessante Charaktere, eine eher seichte Handlungsbeschreibung, aber eine auf einen gewissen Realismus und auf Prägnanz setzende Situationsbeschreibung macht dieses Werk auf jeden Fall lesbar, und es provoziert mit seinen Charakteren zum Nachdenken, ob man sie mag oder nicht. Insofern kann ich nicht das Urteil meiner Altersgenossen unterschreiben, ich kann aber einsehen, wenn man sich nicht so sehr um die Charakterisierung der Handelnden schert und so handelt wie Effi, nämlich nur liest, um verhätschelt und kindlich unterhalten zu werden, wird man sich von diesem Buch abwenden wie Effi sich von ihrer Ehe und Kessin abwandte.
6 von 10 Punkte.
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