Medien & Phantastik > Lesen
Reading Challenge 2021
Menthir:
#8
Steven Erikson - Im Bann der Wüste - Spiel der Götter 3
Weiter geht es mit der Serie von Erikson.
Was diesen Band ausmacht, lässt sich in der Zusammenführung der Erzählebenen von Band 1 und Band 2 analysieren. Während Band 1 die Geschehnisse mehr aus einer Metaebene beschreibt und die Charaktere höchstens teilhaben lässt, versucht sich Band 2 den genauen Geschehnissen eher durch die Brille einiger Charaktere zu nähern. Band 3 fasst diese beiden Erzähllinien sehr gelungen zusammen und schafft so den bisher immersivsten und befriedigensten Band.
Gerade die erzählerische Konsequenz der Erzählung um den Flüchtlingstrek und Coltaine ist sehr gelungen, obwohl der Verrat danach wieder etwas zu deus ex machina wirkt und noch eine gewisse Unsicherheit in der Vorbereitung von Geschehnissen zeigt. Aber die Charaktere werden differenzierter, der Erzählstil lockerer und die Geschehnisse verwobener, sodass die vielen, kleinen Erzählstränge vielversprechend verwoben und erzählt werden.
Nach den ersten zwei Bänden kann der Leser in Band 3 auch endlich mal durchatmen, weil sich gewisse Geschehnisse erklären und vertiefen.
Ab davon, dass es weiterhin anspruchsvoll wie befriedigend ist der Geschichte zu verfolgen, finde ich bemerkenswert, wie Steven Erikson seine eigene Ausbildung als Anthropologe und Archäologe spiegelt, und mit dem Blick des Historikers arbeitet. Nicht nur, dass er ganz viele unterschiedliche Perspektiven nutzt und damit manche Informationen unsicher gestaltet oder verbirgt, viel spannender ist das Ordnungssystem dahinter, nämlich diverse Charaktere scheinen stellvertretend für unterschiedliche historischen Methoden zu stehen. Um mal drei Beispiele zu nennen:
* Icarium als Chronist
* Mappo Trell als Stellvertreter mündlich-tradierter Geschichtsüberlieferung
* Duiker als Mischung aus clausewitzscher Militärtradition und aus dem Blickwinkel des Kriegsjournalisten etc.Und so ist sein Seitenhieb auf die Tonscherbenarchäologen, die aus Tonscherben ganze Kulturen rekonstruieren wollen, immer wieder passend gesetzt. Als ausgebildeter Historiker und Archäologe kann ich dem Ordnungssystem natürlich einiges abgewinnen und fand die Darstellung gelungen.
Insgesamt bleibt die Reihe sehr lesenswert, und weil die Charaktere hier differenzierter als in Band 1 und 2 erscheinen (das ist vor allem der Geschichte um Kalam und der um Felisin geschuldet) gebe ich 8,5 von 10 Punkten.
Sindaja:
Und wieder ein paar Bücher vom Stapel gelesen (und den Stapel leider parallel gleich wieder erhöht):
#10 Ellen Klages: Passing Strange
Die Fantasy-Komponente ist hier eher klein und dezent. Vielmehr geht es um San Francisco in den 1940 und das Leben von gleichgeschlechtlich orientierten Frauen in der dortigen Künstlerszene. Das Buch war anders als ich es erwartet habe (weniger Fantasy), aber war doch so erzählt, daß ich den Protagonistinnen gerne auf ihrem Weg gefolgt bin.
#11 Erin Entrada Kelley: Lalani of the Distant Sea
Mir gefällt ja Fantasy mit asiatischem Einschlag. Und südostasiatisch bekommt dann noch einen extra Bonus. Hier steht wieder ein mutiges Mädchen im Mittelpunkt und eine philippinisch-mythologisch inspirierte Welt, wobei ich nicht wirklich herausfinden konnte, ob die Wesen, die beschrieben werden, der dortigen Mythologie entspringen oder nur in ähnlicher Art erfunden wurden. Die Wesen kommen in eingefügten Episoden auch zu Wort, so daß die Erzählweise nicht ganz linear ist. Die angesprochene Altersgruppe ist vielleicht ca. 10-12, wobei die Lebensumstände teils sehr düster und für die Region in manchen Punkten auch nicht unrealistisch sind. Mädchen haben dort nur so viele Rechte wie die Familie und das Dorf es zulässt. Die Ausgangslage ist, daß in regelmäßigen Abständen die besten Segler der Gesellschaft sich auf den Weg machen, ein sagenumwobenes Land zu finden, denn in diesem herrscht Dürre und Hunger. Bisher ist keiner der Männer lebend heimgekehrt. Wäre schön, wenn dieses Kinderbuch auch übersetzt würde...
#12 Ursula K. Le Guin: Changing Planes
Wenn man auf den Anschlussflug wartet, kann das auch so lange dauern, daß man zwischendurch in andere Welten reist. Eine Vielzahl dieser ist hier beschrieben. Das Buch erinnert mich an Calvinos Unsichtbare Städte, aber auch an Jack Vance. Und ist natürlich gleichzeitig 100% Le Guin, die eine Meisterin der Beschreibung anderer Kulturen ist. Bei Calvino wären die Gesellschaften wohl auf 1-2 Seiten abgehandelt, bei Vance wäre jede wenigstens eine 60seitige Kurzgeschichte. Le Guin schreibt ca. 10 Seiten mit je einer Abbildung. Genug Platz, um eine Gesellschaft zu umreißen und einen Reisenden oder dort Lebenden zu Wort kommen zu lassen, ohne eine größere Geschichte in de Setting zu spielen. Natürlich sind die unterschiedlichen Modelle politisch-gesellschaftliche Gedankenspiele. Sehr gut, aber vielleicht keine „Popcorn“-Lektüre.
#13 Jared Diamond: Upheaval: How nations cope with crisis and change (#2 „Nicht SF/Fantasy“)
Wieder ein interessantes Buch von Diamond. Die Ausgangsfrage fand ich nicht ganz s überzeigend – vor allem den Vergleich und das Ziehen von Parallelen zwischen Krisenbewältigung von Einzelnen und Krisenbewältigung von Nationen. Viel spannender war der zentrale Teil, in dem mehrere unterschiedliche Nationen mit ihren Krisen in einen historischen Kontext gesetzt wurden, die Krisen und ihr Umgang mit ihnen beschrieben wurden. Besonders unbekannt war mir dabei einiges über Finnland, Indonesien und Australien. Auch die Sicht auch Deutschland nach 1945 von einem Nicht-Deutschen war interessant. Der dritte Teil beschäftigt sich mit Krisen, die in Japan, den USA und weltweit drohen. Lösungsansätze werden auch angedeutet. Diese haben aber bestimmte Voraussetzungen wie vor allem das Eingestehen, daß es Probleme gibt. Das Buch kam knapp vor Corona raus, deutet aber selbst diesen Krisentyp schon an. Die Schlusszusammenfassung, die sich wieder auf die Krisenbewältigungspunkte bezog war ein bißchen langweilig, weil das meiste schon mehrfach vorher deutlich genug gesagt wurden war und sich dann in Wiederholung wie Fleißarbeit las.
Antariuk:
#5: Adrian Tchaikovsky - The Doors of Eden
An den 600 Seiten hatte ich eine Weile zu knabbern, das ging früher leichter von der Hand... Ein sehr spannendes Buch, wie ich finde. Man kann über den Plot gar nicht viel verraten, ohne zu spoilern. Der Fokus liegt eingangs auf dem heutigen Großbritannien, wo viele der Protagonisten herkommen, und das sind einige in Summe. Eine junge Frau, die ihre beste Freundin bei einer Suche nach kryptozoologischen Kreaturen im Moor unter ungewöhnlichen Umständen verlor; zwei Mitglieder des MI5 die im Privatleben mehr schlecht als recht klarkommen und sich lieber in ihre Arbeit stürzen; eine transgender Physikerin mit Diva-Allüren, die von rechtsradikalen Schlägern angegriffen und dann von Unbekannten gerettet wird, und irgendwie hängt alles zusammen... (das ist dann echt nur das Sprungbrett für den Verlauf der Geschichte). Zwischendurch gibt es immer wieder Abschnitte, wo eine fiktive Dozentin etwas über alternative Evolution auf der Erde erzählt, und auch das spielt dann in den Plot mit rein.
The Doors of Eden ist definitiv softes SciFi, entwirft aber eine interessante Welt und stellt spannende Fragen. Es gibt den Vorwurf, dass der Roman ein bisschen hart auf das Anti-Brexit/Pro-LGBTQ-Pedal drückt, aber das habe ich beim Lesen nicht so empfunden. Die Themen sind irgendwie präsent, mal verdeckter, mal nicht, aber ich hatte nie das Gefühl dass der Autor mir jetzt was überbügeln will. Die Figuren sind allerdings, vielleicht auch der Menge geschuldet, nicht gleichermaßen gut ausgearbeitet und einige bleiben wenig mehr als Skizzen (was insofern auffällt als das die persönlichen Untiefen anderer Figuren deutlich intensiver ausgeleuchtet werden). Ich hatte aber trotzdem viel Spaß beim Lesen und werde den Autoren künftig im Blick behalten.
7 von 10 verwackelten Videoaufnahmen.
Raiden:
#4 Dunkle Resonanz ein Shadowrun Roman von Phaedra Weldon.
Normalerweise ist die Matrix ein Thema das was ich bei SR nicht wirklich spannend finde, einfach weil ich selber einfach so technisch unbegabt bin aber dieser Roman hat das Thema doch sehr spannend eingebracht. Die erste Hälfte war etwas zäh, aber ab da war der Roman echt spannend.
Alexandro:
--- Zitat von: Jiba am 27.01.2021 | 10:27 ---Das männliche Äquivalent zur Effie ist im Übrigen der Werther. Den habe ich nach der Schulzeit erst gelesen und ich war überrascht wie diese geballte Seierigkeit eine ganze Jugendbewegung auslösen konnte.
--- Ende Zitat ---
Werther ist zäh, aber Woyzeck ist noch schlimmer.
Das Äquivalent zum "Heartbreaker" im Romanbereich ist für mich "Franziska Linkerhand" von Brigitte Reimann. Da haben wir im Unterricht Auszüge davon gelesen und ich fand das tatsächlich so interessant, dass ich mir das Buch geholt habe. Prinzipiell gefällt mir der Stil auch, aber... woah, hätte der Autorin mal ein Lektor gutgetan, der ihr sagt "Komm gefälligst zum Punkt!" - der Roman liest sich, als hätte sie ihre Romannotizen einfach zwischen ein paar Buchdeckel geklatscht, ohne sich weitere Gedanken über die Struktur der Geschichte zu machen, welche sie erzählen will. Der deutlichste Beweis, dass viel Zeit einem Roman nicht gut tut (20 Jahre hat sie an dem Roman geschrieben und ihn trotzdem nicht fertig gekriegt) und dass auch bei guten Autoren nicht unbedingt jedes Kritzelheft posthum veröffentlicht gehört (von Kafka gibt es auch einige Sachen, welche eigentlich bestenfalls für Kafka-Forscher interessant sind, die aber seltsamerweise immer in Sammelbänden mit seinen Geschichten inkludiert werden).
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