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Diskussion zum Vergleich, wie Systeme Fertigkeiten regeln
Zed:
TL;DR, ein Versuch: Um die Datenbasis für die Diskussion zu stärken und sich nicht zu schnell im Klein-Klein zu verlieren, darf hier nur mitdiskutieren, wer eingangs etwas mindestens zu einem der unten genannten Themenfelder schreibt. ^-^
Dank Eurer Unterstützung gibt es jetzt einen Thread mit ungefährem Überblick, wie Fertigkeiten in teils enorm unterschiedlichen Systemen gehandhabt werden. Egal wie Euer System „Fertigkeiten“ nennt (Talente, Feats, Klassenfähigkeit…), ich beziehe mich auf (überwiegend weltliche) Fertigkeiten, die sich nach und nach verbessern lassen. Beispiele von Fertigkeiten in vielen Systemen: Klettern, Horchen, Sprache lernen, Fokussieren, Erste Hilfe, aber evtl. auch „Magie entdecken“. Waffenfertigkeiten würde ich gerne ausklammern.
Ich habe Eure Sammlung von Systemen mal so klassifiziert:
System mit wenig Fertigkeiten, bis ca. 25 in den Regeln vorgeschlagene Fertigkeiten
Die Gründe, warum es relativ wenige Fertigkeiten in dem System gibt, sind unterschiedlich: Die Fertigkeiten können grob granuliert sein, aber den Anspruch haben, alles abzudecken; es handelt sich vielleicht nur um Beispiele/Sets von Fertigkeiten, die man selbst erweitern soll; oder das System bietet nur bestimmte moves, und alles, was nicht explizit geregelt ist, beherrscht man halt nicht auf Expertenniveau
System mit mittelvielen Fertigkeiten
Ich sage mal willkürlich, dass 26 bis 60 Fertigkeiten eine mittelgroße Anzahl an Fertigkeiten ist.
System mit vielen Fertigkeiten
61+ , ich hatte für Rolemaster sogar die Nennung von über 200 Fertigkeiten gesehen. Ich denke, es lässt sich sagen, dass eine hohe Fertigkeitenzahl für eine feine Granulierung spricht. Universalsysteme wie GURPS führen zwar noch mehr Fertigkeiten auf, für jedes Setting grenzt man sich jedoch entsprechend ein.
Außerdem fiel mir auf: Wenn Euer System die Idee eines Skill-Monkey, eines Charakters, der besonders viele Fertigkeiten beherrscht, unterstützt, dann werden von diesem Charakter in etwa zwischen 10% und 40% der Fähigkeiten gut („auf Expertenniveau“) beherrscht. Im D&D-Bereich sind solche Skillmonkeys klassischerweise der Rogue und der Barde. Hier ein paar Beispiele aus dem Sammelthread.
SystemnameCa. Zahl an FertigkeitenExperten in Fertigkeiten beherrschen davon ca.ExpertenRatioMythras (AndreJarosch)56610%ArneBabs EWS25 + 20 Berufe716%Runequest (AndreJarosch)731216%Warhammer IV (unicum)45818%D&D 3.5 (Zed)45818%Morfs 1D628621%Splittermond (Horadan)27725%Against the Darkmaster (QuantizedFields)23834%Advanced 5e (Selganor)20840%(Wenn ich hier etwas korrigieren soll, dann schreibt mich gerne an, ich mache das dann.)
Themenfeld „Handhabung von vielen Skills“, zB Rolemaster
Du hast Erfahrung mit einem System mit vielen Skills (61+) gemacht, nämlich mit_______________.
Stört Dich die Vielzahl der Skills? Du brauchst im Alltag wahrscheinlich immer nur die 15 gleichen Skills (Wahrnehmen, Menschen einschätzen, Bluffen, Schleichen, Laufen…), richtig? Geht die Übersichtlichkeit stark verloren, dadurch dass soviele andere Fertigkeiten auf dem Charakterbogen stehen? Ist die Spielgeschwindigkeit zu lahm, weil jede Kleinigkeit nachgeschlagen werden muss? Wünschst Du Dir regeltechnisch eine Vereinfachung, oder handwedelt ihr in der Praxis sowieso viele Situationen, die gerade „nicht wichtig“ sind?
Themenfeld „Handhabung von wenigen Skills, aber vollständiger Skillliste“, zB D&D 5e
Du hast Erfahrung mit einem System mit derartiger Skilliste (bis 20 Fertigkeiten) gemacht, nämlich mit _________________.
Ist „grob granuliert“ nicht eine Mogelpackung? Angenommen es gibt bei Dir nur „Athletik“, worunter zB Laufen, Rennen, Springen und Klettern fallen, dann hast Du einen abstrakten Wert für Athletik, aber es muss trotzdem geregelt werden, wie schnell Du laufen, wie lange Du rennen, wie weit Du springen und wie gut Du klettern kannst, richtig? Entweder ist das alles dann doch, aber nur versteckt, feingranuliert unter „Athletik“ geregelt oder Du und die Spielleitung müssen Antworten auf diese Fragen ständig erfinden. Oder es wird immer abstrakt abgehandelt: „Die Grube ist so groß*, dass sie schwer zu überspringen ist, darum bestehe eine schwere Athletikprobe.“ (*keine Meterangaben nötig) Wie ist es bei Deinem System?
Gibt es nicht außerdem häufig Probleme, eine Handlung einzusortieren? Ist das Aushorchen von einfachen Leuten, was in ihrer Provinz aktuell so abgeht, „Diplomatie“ oder „Volkskunde“ oder „Kneipenwissen“? Worin siehst Du Vorteile Deines grobgranulierten Systems mit wenig Skills, welche Nachteile siehst Du?
Themenfeld „System mit mittelvielen Fertigkeiten“, zB Mythras oder D&D 3.5e
Du hast Erfahrung mit einem System mit mittelvielen Skills (ca. 21-60) gemacht, nämlich mit_______________. „Mittelviele Fertigkeiten“ suggeriert, dass Dein System genau richtige Menge an Fertigkeiten bietet: nicht zu wenig, zu grob eingeteilte Fertigkeiten, nicht zuviele, vielleicht unübersichtliche Fertigkeiten. Stimmt das? Oder wünschst Du Dir eigentlich eine Vereinfachung bzw. Ausdifferenzierung?
Themenfeld „Sind Experten möglich, und gibt es nicht zuviele Dullis?“
These: Kampf und Magie – die sind in den Systemen zumeist gut geregelt. Fertigkeiten häufig nicht. Beispiel D&D 3.5e: Ein Kleriker sollte "Religion" kennen und vielleicht noch Sprachen sprechen und die örtliche Bevölkerung kennen („Knowledge, local“) – in 3.5 ist bei den allermeisten Klerikern an der Stelle Schluss, weil sie nur zwei Fertigkeiten gut beherrschen dürfen. Dann bleibt ihnen nichts mehr übrig für Schwimmen, Reiten, Informationen sammeln oder Heilen :o (Kein Wunder, dass Magie in 3.5 soviele Fertigkeiten überflüssig machen muss.) Der Kleriker in 3.5 ist für mich ein Fertigkeiten-Dulli, weil Fertigkeiten beim Bau des Systems nicht richtig mitgedacht wurden.
Auch wenn ein System es nicht ermöglicht, einen Fertigkeitenexperten zu basteln, eine Figur, die dafür vielleicht etwas schlechter kämpft und nicht zaubert, dann ist das für mich ein Zeichen, dass das System Fertigkeiten nur als notwendiges Übel betrachtet.
Siehst Du das für Dein System, nämlich______________ auch so, oder sind Fertigkeiten insgesamt wirklich toll geregelt? Warum?
schneeland:
Ich weiß nicht, ob Du das mit aufnehmen möchtest, aber man muss m.E. an der Stelle auch schauen, ob es neben den Fertigkeiten auch Talente/Sonderfertigkeiten gibt, die zusätzliche Stellschrauben (und entsprechende Komplexität) mitbringen - ansonsten ist der Vergleich zwischen verschiedenen Systemen vermutlich etwas schief.
Splittermond wäre ein Kandidat, der m.W. zahlreiche Sonderfertigkeiten hat, aber auch Forbidden Lands oder D&D3.x (und selbst Savage Worlds hat seine Edges/Hindrances); wenn ich mich richtig erinnere, haben BRP-basierte Systeme dagegen üblicherweise eher viele Fertigkeiten, aber wenig bis keine Sonderfertigkeiten.
Zed:
schneeland, trage doch noch Deine Meinung zu einem Themenfeld nach ;D
Sonderfertigkeiten - ich fürchte, die mit einzubauen wird zu komplex. Darum habe versucht, Fertigkeiten zu beschränken:
--- Zitat ---Egal wie Euer System „Fertigkeiten“ nennt (Talente, Feats, Klassenfähigkeit…), ich beziehe mich auf (überwiegend weltliche) Fertigkeiten, die sich nach und nach verbessern lassen.
--- Ende Zitat ---
Magiewirken und Waffenfertigkeiten sollen auch nicht dabei sein.
Metamorphose:
Ich geb mal meinen Senf zu den Themenfeldern:
Handhabung von vielen Skills
Es ist knapp unter der Grenze, aber DSA5 hat mit 59 Fertigkeiten eine Menge. Ich habe DSA4.1 und DSA5 gespielt, und die Fertigkeiten kamen mir immer wie sehr viel vor. Jedoch trübte dies kaum den Spielspass, da die Fertigkeiten gegliedert waren und ich sie dadruch schnell fand. Wenn eine erhöhte Anzahl an Fertigkeiten (ich würde schon von 40+ dazu tendieren) im Charakterbogen stehen, sollte es irgendeine logische Gliederung der Fertigkeiten geben.
Mein eigenes Keys RPG hat 69 Spezialisierungen, die aber 13 Fertigkeiten zugeordnet wurden. So ist Athletik die Fertigkeit und Klettern, Schwimmen, Springen und Balancieren die Spezialisierungen. Hat man eine Spezialisierung nicht, kommt sie nicht auf das Charakterblatt... somit hatte ich bis anhin das Gefühl, es wirkt beim spielen dann schlänker als es ist. Dies entschlackt den Bogen und ist für mich eine logische Gliederung.
Ich kann mich noch an Pathfinder 1st Edition erinnern, da musste ich vieles nachschlagen. Es waren nur 39 Fertigkeiten, jedoch konnte man zu jeder Fertigkeit nochmals die Schwierigkeitsgrade, Spezialregeln und Beispiele nachschlagen. Das war mir zuviel. Es ist aber auch schon eine Weile her und ich habs nicht mehr so Präsent, deshalb verzeiht eventuelle Falschaussagen. Ahja: Gehandwedelt wurde in PF viel, da die meisten Spieler*innen von der Flut an Infos im Regelbuch erschlagen wurden. Wir gingen daraufhin zu einem Erzählorientierteren Rollenspiel.
Handhabung von wenigen Skills, aber vollständiger Skillliste
Ein klarer Vorteil ist die Übersichtlichkeit und dadurch die klaren Regeln. Nehmen wir D&D5, ich habs mir gekauft und noch nicht gespielt. Warum? Weil es mir zu wenig Fertigkeiten und generell zu wenig Zeugs hatte. Ich denke aber, dass es ein gutes Rollenspiel ist und ich es definitiv noch spielen werde. Was ich an Rollenspielen mit wenigen Fertigkeiten öfters hatte war, dass es überschneidungen in den Fertigkeiten gab. Ich denke da ist es eher die Einstellung der SL, dass die Spieler*innen mitdiskutieren können und auch Argumente bringen können, warum den XY mehr passt - was sie zufälligerweise haben. Ich gehe lieber von starken Charakteren aus und erlaube es, ausser es ist komplett an den Haaren herbeigezogen. Ich hatte es aber schon öfters erlebt, dass es zu verwirrungen führte, wenn sich eine SL nicht darauf einlies. Ich denke zentral bei einem System mit wenigen Skills (die komplett sind), ist die Richtung und die Aktionsvielfalt des Systems. Kann ich schon durch den Kontext der Charaktere oder der Welt eher wenig, stört es nicht. Gibt es Möglichkeiten zum Interpretationsspielraum, soll dieser explizit in den Regeln erwähnt werden... sonst gibts unsichere Spieler*innen und unsichere SL... denke ich.
Handhabung von wenigen Skills, aber vollständiger Skillliste
Hier sollte ja der Sweet Spot sein. Hier ist eine Mischung von Problemen und Möglichkeiten der beiden vorher genannten Themenfelder für mich drin. Savage Worlds (mit Kompendien) fühlte sich meiner Meinung immer gut an, einfach generisch (ist ja dem Umstand teilweise geschuldet, dass es ein Universalsystem ist). Ich habe in dieser Sparte aber nicht gleiche eine Assoziation zu einem RPG ausser Pathfinder - wie oben beschrieben.
Sind Experten möglich, und gibt es nicht zuviele Dullis?
Da kann ich nur auf mein eigenes, Keys RPG eingehen. Hier gibt es per Se kein grossartiges Limit, nur dass ein Charakter nach einer gewissen Zeit stirbt. Ich finde es schade, wenn in einem System eine verknappung dazu führt, einen "Traumcharakter" nicht bauen zu können. Andererseits geben klare Richtungen der Charaktere und die entsprechenden Maximen einen Weg vor, sprich sie bringen Klarheit ins Spiel - was gut ist.
Abschliessende Bemerkungen zu diesem Post
Ich hab mit der Antwort auf mehrere Themenfelder und mehreren Systemen leicht überbordet - entschuldigung dafür. Ich denke aber die Frage muss auch heissen: Warum richtet ein System die Fertigkeitsanzahl und der Umgang damit so aus. Ein weiterer Punkt ist das Design des Charakterbogens, der massgeblich ist im management von Informationen. Ich möchte aber nicht, dass dies hier besprochen wird - da es OT ist.
Edit: Ich werde in diesem Thread noch explizit zu Keys RPG stellung beziehen.
QuantizedFields:
Übergreifend möchte ich sagen, dass ich über die Jahre hinweg immer weniger von Fertigkeiten halte. Sie sind keine schlechte Idee, aber sie zwingen Spieler*innen dazu, nur im Rahmen ihrer Fertigkeiten zu denken. "Ich bin nicht gut im Einschüchtern, also werde ich versuchen nie so etwas zu RPen." oder "Ich bin zwar ein Priester, aber meine Religion ist schlecht also kenne ich meinen eigenen Glauben nicht sehr gut." Das sind Betrachtungen, die m.M.n nicht durch ein "besseres" Fertigkeiten System gelöst werden kann, weil es ein Problem oder Symptom von Fertigkeiten sind.
That said, hier meine two Cents zum Thema :)
Themenfeld „Handhabung von wenigen Skills, aber vollständiger Skillliste“, zB D&D 5e
D&D 5e hat, finde ich, die richtige Idee. Je gröber die Fertigkeiten, desto eher die Wahrscheinlichkeit, sie in verschiedenen Bereichen einzusetzen. Infinity 2d20 macht das ebenfalls, mit nur z.B. zwei sozialen Fertigkeiten "Persuade" oder "Command". Es ist natürlich schwieriger, bei solch groben Fertigkeiten immer die richtige Wortwahl zu finden. Ist "Thievery" genauso breit anwendbar wie "Skullduggery" oder "Shadow"? Andererseits die Frage, braucht man für bestimmte Themen wirklich mehrere Fertigkeiten? Infinity 2d20 hat "Hacking", "Science" und "Tech", oder auch "Thievery" was man im Hacking-Kontext ebenfalls plausibel nachvollziehen könnte. Versuche ich mit Hacking unauffällig zu bleiben, ist das eine Probe auf "Hacking" oder "Stealth?"
Themenfeld „System mit mittelvielen Fertigkeiten“, zB Mythras oder D&D 3.5
Das analog zu kleinen, aber groben Skilllisten ist Against the Darkmaster, wie im anderen Thread beschrieben. Es versucht nämlich nicht nur vollständig zu sein, sondern auch einen Stil zu vermitteln. Statt "Geschichte" ist es "Sagen und Mythen". Statt Überleben oder Pfadfinden ist es "Wandern". Selbst hier versucht es soziale Aspekte nicht in mehrere kleinere Fertigkeiten runterzubrechen und nennt es einfach "Charisma".
Größere Skill Listen funktionieren am besten, wenn sie entweder stylistisch wertvoll oder von Charakter zu Charakter abweichen können. Custom Skills, die nur ein Charakter hat und deswegen einen anderen Spielstil ermöglicht, das ist mega.
Themenfeld „Sind Experten möglich, und gibt es nicht zuviele Dullis?“
Das ist, wie oben beschrieben, auch eines meiner Probleme. Es wird unterschiedlich geregelt. Manche Systeme wie Low Fantasy Gaming haben zusätzlich zu Fertigkeiten eine Profession oder Class. Dies dient als "Wissen, die mein Charakter einfach haben sollte." Ist ein Charakter ein Kleriker, dann ist das nicht als Fertigkeit geregelt, sondern über die Klasse. "Weiß ich, welchen Gott diese Heretiker anbeten?" "Ja, als Kleriker von X hast du eine Ahnung, wer das sein könnte."
Es gibt für mich aber noch ein Problem, über das ich häufiger stolper und mir selbst abgewöhnen muss. Es ist zwar realistisch, dass etwas wie Religion, Perception und co über Fertigkeiten geregelt sind, aber wie nützlich ist das überhaupt? Was für Proben werden durch diese Fertigkeiten forciert? Ja/Nein Proben. Kenn ich den Gott? Mache eine Probe. Nein, kennst du nicht. In PbtA Spielen ist das ein weitaus kleineres Problem, da die Spieler*innen die Fähigkeit haben, als Teil ihrer Probe die Frage selbst zu beantworten.
Meine Regel für Trad-Games wie D&D ist: diese Fertigkeiten sollten in 90% der Fällen nie zu einer Probe führen. Selbst ohne Probe sollte es das Wissen geben, denn es ist der Umgang mit diesem Wissen, der zu Spaß führt, nichts anderes. "Sehe ich etwas?" sollte nicht zu einer Perception-Probe führen, um einen Trupp Orks zu sehen. "Ja, du siehst einen Trupp Orks, der in der Umgebung auf der Jagd ist. Sie kommen langsam zu euch!" Spannend, ergreifend, viel besser als ein "Nein, du kannst nichts erkennen." und später vielleicht deswegen einen Überraschungsangriff. Möchten die Orks unauffällig und versteckt bleiben? Dann kann man vielleicht eine geheime Probe machen. Für Fallen das gleiche, eine versteckte Falle ist eine langweilige Falle.
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