Das Tanelorn spielt > [Vaesen] Mittsommerzwielicht
[MSZL] Prolog - Es war einmal vor langer langer Zeit... -
Outsider:
Es war einmal vor langer langer Zeit...
Wir schreiben das Jahr 1839 und an diesem hellen und freundlichen Mittsommertag war das Fest zu Ehren der Sommersonnenwende im vollen Gange. Das große Anwesen auf der Insel Örskär im südlichen Teil des bottnischen Meerbusens war geschmückt mit Schnüren an denen bunte Bänder im lauen Lüftchen flatterten. Im Garten war eine riesige Tafel aufgebaut die mit schneeweißen, gestärkten Laken fürstlich gedeckt war. Das Familiensilber glänzte und funkelte in der Sonne. Alle Angestellten waren eingeladen und auch die Menschen aus den umliegenden Ortschaften konnten kommen und an dem Fest teilhaben. Es wurde gesungen, gelacht und getanzt, weiße und blaue Kleidung beherrschte das Bild und die Frauen hatten Blumenkränze in ihren Haaren. Auf den Tischen selbst standen Sträuße aus den farbenprächtige Orchideenarten die auf der Insel zu finden waren. Zu essen gab es Rahm, Wild und Fisch, dazu Butter, Äpfel und frisches Brot das herrlich duftete. Frisch angestochene Bierfässer, Wein und auch hochprozentiges war für die Gäste aufgefahren worden, nebst einer eher gewöhnungsbedürftigen Speise dem Lutfisk, welcher in der Nähe des Aquavits stand.
Selbst an das kleine Volk war gedacht worden und so fand sich neben der großen Doppelflügeltür eine Miniaturtafel mit kleinen Proben all jener Köstlichkeiten welche auch für die Menschen aufgetischt worden war. Der Hausherr erinnerte sich an die alten Bräuche und ehrte sie.
An diesem Tag jedoch sollte das Glück der Familie zu Ende gehen, nein eigentlich war der Stern der Familie schon am sinken als fünf Jahre vorher bei der Geburt des fünften Kindes, der kleinen Lisbeth, die Hausherrin und Mutter Evaline verstarbt. Ein Schicksalsschlag von dem sich der Hausherr nie wirklich erholte und ein Schatten auf seine Seele fiel, der ihn dazu veranlasste die Familiengeschäfte schleifen zu lassen und sich mit Dingen zu beschäftigen welche man besser ruhen lässt, denn nicht jedes Vergessen ist von Nachteil für die Menschen.
So jedoch hatten sich die fünf Kinder des Hauses für diesen Nachmittag an dem die Erwachsenen feierten und tranken ihr eigenes Abenteuer ausgedacht. Nach dem Mittag, als die Erwachsenen immer mehr dem Alkohol zusprachen stahlen sie sich davon. Der erstgeborene hatte ein Buch aus der Bibliothek seines Vaters ausgeliehen. Sein Vater, welcher eifersüchtig über diese Bücher wachte und viel Geld in sie investiert hatte, hätte es wohl als gestohlen bezeichnet. Aber Johan wusste ja, dass er es zurückbringen würde noch ehe die letzte Flasche Aquavit geleert war, von stehlen konnte also keine Rede sein.
Johan war zwölf Jahre alt, drei Jahre nach ihm waren die Zwillinge Alva und August geboren worden. Fünf Jahre nach ihm Konrad, ein etwas aufbrausender und zuweilen gemeiner Junge mit dunklen Augen und zuletzt, sieben Jahre nach ihm, die kleine Lisbeth.
Unbemerkt von den Erwachsenen hatten die drei Jungen und die zwei Mädchen sich ein Ruderboot vom Anleger des Anwesens genommen und waren zu einem schroffen Eiland hinausgerudert das vor Örskär lag. Das Eiland war nicht mehr als eine Ansammlung kleiner Felsenkuppen und eines mit Seetang und Muscheln bedeckter Streifen feuchten Sandes der sich zwischen die Felsenkuppen schmiegte.
Das eigentlich bemerkenswerte jedoch waren die mit Flechten überzogenen fünf aufrechtstehenden Steine die irgendeine längst vergangene Zivilisation dort im Halbkreis errichtet hatte und denen weder Winterstürme noch die Zeit selbst etwas anzuhaben schienen. Diesen Gottverlassenen Ort hatten sich die Kinder ausgesucht um einen Text zu rezitieren der in dem Buch des Vaters stand und von dem keiner der Fünf wirklich wusste was er bedeutete.
Aus Briefverkehr früher Forscher die sich mit Wetterphänomenen beschäftigen war später über das Jahr 1839 zu lesen, dass es am Mittsommertag zu einem äußerst heftigen Sturm gekommen sei den sich niemand so richtig erklären könne. Er sei von mehreren Zeugen berichtete worden und sein Zentrum hätte wohl über dem Südlichen Meerbusen gelegen, von orkanartigen Böen war da die Rede, Blitz und Donner, es soll sogar geschneit haben und dass obwohl die Temperaturen recht sommerlich waren. Die Erde habe gezittert und das Ereignis sei noch als Sommerbeben von 1839 in die Stockholmer Zeitungen eingegangen. In der Nacht welche auf den Sturm folgte konnte man zwei Monde über der Welt sehen und in den Gewässern rund um die Insel Örskär und dem Oregrund Grepen starben die Fische.
23. Dezember 1861 – Heute –
Der Winter des Jahres 1861 war zwar bitterkalt aber weit weniger Schneereich als die Winter der Jahre zuvor, so dass auch jetzt im Dezember nur etwa eine Handbreit Schnee im Garten des Schlosses Gyllencreutz lag. Der das Grundstück an der Nordseite umspannende Fluss Fyris war fast zugefroren und nur noch die strömungsreiche Mitte war frei von Eis. Die kahlen Bäume und braungrauen Sträucher des Gartens waren bedeckt von einer schneeweißen Schicht aus Raureif die den Garten wie eine verwunschene Märchenlandschaft erschienen ließ.
Eisblumen wuchsen an den Scheiben des Schlosses, aber drinnen waren die Kamine gut beheizt und es roch nach weihnachtlichem Backwerk und heißem Kaffee. Es war später Nachmittag, die Sonne war längst untergegangen und ihr hingt euren Gedanken nach, bei dem was ihr denn gerade so tatet, als die Türglocke ertönte und ihr die Schritte von Mr. Frisk hören konntet welche zur Tür eilten.
Sicherlich würde er euch gleich aufsuchen und einen Besucher vermelden oder einen Brief übergeben der gebracht wurde.
Katharina:
Helena Johansson - in der Bibliothek von Schloss Gyllencreutz
Helena sitzt vor dem Kamin in der Bibliothek. Um ihre Beine ist eine Decke gewickelt, in der Hand hält sie ein schwarzes Notizbuch. Als das Läuten erklingt, betrachtet sie gerade die Winterlandschaft vor dem Fenster. Die Augenbrauen sind ein ein wenig zusammengezogen - wie immer, wenn sie angestrengt nachdenkt. Ohne auf das Läuten zu reagieren, blickt Helena wieder in ihr Notizbüchlein und beginnt zuschreiben. Mehrfach streicht sie Worte durch, setzt neu an, bis sie endlich zwei Sätze zusammenhat, welche die winterliche Stimmung vor dem Fenster treffend einfangen. Anschließend nimmt sie einen großen Schluck aus der Tasse mit dem schwarzen Kaffee, die vor ihr steht. Eigentlich ist sie überhaupt nicht in der Stimmung für Besuch. Gleichzeitig kämen ein wenig Ablenkung und Inspiration ihr derzeit durchaus gelegen. Ihre letzte Geschichte hat sie vor zwei Wochen geschrieben. Seither verbringt sie ihre Nachmittage und Abende mit Fingerübungen und hofft auf einen baldigen Einfall für eine neue Geschichte. Daher blickt sie neugierig Richtung Tür, wo Mr. Frisk gleich auftauchen müsste.
Don D. Kanalie:
Aleksander von Bäcklund
In der Bibliothek von Schloss Gyllencreutz
Es ist schon fast wie früher, abgesehen natürlich von der Zugluft und dem Ungeziefer überall.
Mit übereinander geschlagenen Beinen sitzt Aleksander in einem alten Ohrensessel und zieht genüsslich an seiner Pfeife. Neben dem Sessel steht ein kleiner Beistelltisch auf dem eine Tasse von Mr. Frisk vorzüglichem Kaffee vor sich hin dampft, daneben liegt ausgebreitet ein Satz Tarotkarten. Langsam drückt er den warmen Rauch aus seinen Nasenflügeln und sein Blick wandert wieder zu Helena, die nun schon seit geraumer Zeit aus dem Fenster starrt. Welchen Gedanken sie wohl nachhängt? überlegt sich Aleksander und dreht daraufhin eine der Karten um. Es ist der Ritter der Schwerter.
Vielleicht über einen Streit? Oder die Kälte? Das Läuten der Tür unterbricht seinen Gedankengang. Er legt die schmauchende Pfeife beiseite und genehmigt sich einen großen Schluck Kaffee, dann richtet sich sein Blick auf den Eingang zur Bibliothek.
Was uns der heutige Tag wohl beschert? Aleksander dreht die nächste Karte um.
Outsider:
Wie erwartet dauert es nur ein paar wenig Augenblicke bis ihr die Schritte von Mr. Frisk auf dem Gang vor der Bibliothek hören könnte.
Es klopft zweimal und nach einer Pause die dem höflichem Atemzug entspricht und den Damen und Herren hinter der Tür die Gelegenheit gibt sich zu sortieren, tritt Mr. Frisk ein. Ihr habt euch noch nicht so ganz an sein doch eher gewöhnungsbedürftige Gestallt gewöhnt. Das lange, hagere Gesicht, die tiefliegenden Augen und das lange graue Haar, welches Schütter rechts und links hinter die Ohren gesteckt wurde erinnern mehr an einen Landstreicher als an einen Diener.
Seine Kleidung jedoch ist wie immer im tadellosen Zustand und stehe ein wenig im Kontrast zu seinem stoppeligen Kinn. An der Weste unter seinem Frack baumelt ein schweres Schlüsselbund das mit jedem Tag mehr Schlüssel zu bekommen scheint. Bei seiner Suche in den Schubladen, Schränkchen und Ecken ist der alte Mann immer emsig dabei die Sammlung zu erweitern. Faszinierend ist es wie er sich mal langsamer mal schneller bewegen kann, ohne dass die Schlüssel wild rasselnd aneinander klimpern und sein Kommen schon weit im Vorwege ankündigen.
„Ein Bote…“ setzt er an und holt dann erst mal tief Luft „…verzeihen sie, ein Bote…“ beginnt er noch mal von Vorne „…hat einen Brief für sie überbracht. Der Bote vergaß nicht zu erwähnen, das es wichtig ist.
Mr. Frisk legte den Umschlag auf einen der Lesetische in der Bibliothek und verabschiedete sich dann höflich, nicht jedoch ohne an das baldige Abendessen zu erinnern.
Die Tür schloss sich hinter eurem Angestellten, was sich immer noch ungewohnt oder wieder ungewohnt anfühlte und ihr wart alleine mit dem Briefumschlag auf dessen Falte ein rotes Wachssiegel prangte.
Es dauerte nur zwei, vielleicht drei Atemzüge dann hattet ihr das Siegel gebrochen und den Brief aus dem Umschlag befördert. Was ihr sofort sehen konntet, war das er auf einem teuren, gestärkten Papier verfasst war und das die Schrift des Verfassers einen Schwung hatte den man gemein hin bei Leuten wahrnehmen kann die es gewohnt sind zu führen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte neue Herren von Schloss Gyllencreutz,
wie ich über den Freund eines Freundes erfuhr brennt zur abendlichen Stunde wieder Licht in dem doch so berühmten Anwesen. Etwas das es seit Jahren nicht gegeben hat. Mein Vater und Großvater, Gott habe sie Seelig und mögen sie in Frieden ruhen, verbanden ein paar Geschäfte mit ihren Vorgängern die ich gewillt bin wieder aufleben zu lassen. Selbstverständlich zu beiderlei Vorteil.
Ich möchte sie daher bitten sich am 29.12. im Hotel Kung Karl XII. in Stockholm einzufinden und mit mir zu Abend zu Essen. Ich wäre ihnen zu tiefst verbunden, wenn sie, wie ich hoffentlich richtig vermute, in alter Tradition eine Séance für mich abhalten könnten. Ich muss mir in ein paar Angelegenheiten aus meiner Vergangenheit Klarheit verschaffen und hege den rechtschaffenden Wunsch, dass sie dies für mich arrangieren könnten.
Ich möchte ihnen jetzt noch nicht zu viel über meine Angelegenheit verraten, sondern erwarte gespannt den Ausgang des kommenden Abends. Ich kann ihnen aber versichern, dass ich in dem Besitz eines für sie wertvollen Gegenstandes bin den ich gerne der Gesellschaft überlassen würde. Sozusagen als Bezahlung für die Dienste und möglicherweise weiterer folgender Arrangements die wir vielleicht treffen werden.
In gespannter Erwartung
Hochachtungsvoll
Johan Corell
Outsider:
Corell, Corell…Helena liegt es auf der Zunge, aber Aleksander fällt es zuerst ein.
Die Corells sind in der High Society von Stockholm eine lebende Legende. Aleksander ist noch zu jung um sie persönlich kennen gelernt zu haben, aber der jüngste Sprössling des Hauses Lisbeth Corell war eine der schillerndsten Erscheinungen auf den Empfängen der Sommersaison der frühen fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts und eine gute Partie für die langen Winternächten auf dem Stureplan im Zentrum Stockholms. Sie soll launisch gewesen sein, ein Elfe mit zwei Gesichtern.
Die Familie Corell hatte eine wechselhafte Vergangenheit, sie war im Besitz von ein paar Silberminen und hatte sogar das Recht Münzen für den König zu prägen. Doch immer wieder verkalkulierten sich die Familienoberhäupter und die Familie schien am Abgrund der Pleite zu stehen. Irgendwann im 16. Jahrhundert war der Reichtum der Corell´s so weit gewachsen, dass sie eine ganze Insel im Norden kauften, wo sie auch ihren Familiensitz errichteten. Mitte des 18. Jahrhunderts jedoch versiegten die Silberminen und die Corells verschwanden in der Bedeutungslosigkeit nur um Anfang des 19. Jahrhunderts erneut die politische und gesellschaftliche Bühne Schwedens zu betreten. Diesmal jedoch begründete sich ihr Reichtum auf Eisen und nicht mehr auf Silber.
Die Corell´s sind seitdem Mitglieder des Jernkontoret, des Eisenbüros und auch wenn sie kein Recht mehr haben Münzen zu prägen, so haben sie erwirkt, dass das Jernkontoret Schuldscheine ausstellen und Geld verleihen durfte.
Wenn man jedoch dem Getratsch und den Gerüchten glauben durfte hatte keines der Kinder der Corells das Format seiner Vorfahren. Reiche Taugenichts die von dem Kadaver lebten das ihnen der Fleiß vorheriger Generationen beschert hatte, aber das musste man ihnen lassen.
Sie lebten gut davon.
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